Lebensraum und Bürgerklasse : mythische Topographien in Walter Benjamins "Berliner Kindheit um neunzehnhundert"
- Autobiographisches Erinnern, so kann man bei Harald Welzer lesen, wird maßgeblich durch die Kategorien Raum, Zeit und Selbst beeinflusst. Die Autobiographieforschung hat vor allem die letzten beiden Kategorien fokussiert, während der Relevanz von Räumlichkeit in autobiographischen Schriften erst seit dem spatial und topographical turn verstärkt Beachtung zukommt. Dabei hat bereits Immanuel Kant deutlich gemacht, dass Raum und Zeit für den Menschen von korrespondierender Bedeutung sind: Sie stellen das Apriori menschlicher Erkenntnis dar, so dass beide Kategorien die Wahrnehmung einer äußeren Umwelt erst ermöglichen. Ebenso wie die Zeit ist nach Kant der Raum ein kognitives Konzept, kein realweltliches. Das führt zu der Überlegung, dass für ein sich selbst schreibendes Ich sowohl die individuelle als auch die gesellschaftliche Codierung von Räumlichkeit relevant ist. Gaston Bachelard und Michel de Certeau stellen diesen gesellschaftlichen Codierungen individuelle Aneignungen von Raum und Räumlichkeit zur Seite, so dass die Codierungsarbeit als eine Aushandlung zwischen gesellschaftlichen Raumordnungen und individuellen Raumpraktiken verstanden werden muss. Dies führt zu der These, dass in Autobiographien ein Ich die gesellschaftlichen Raumordnungen verhandeln und sich zu ihnen in Bezug setzen muss, während der Raum das Ich dabei überhaupt erst konstituiert. Auf diese Weise erscheint das autobiographische Ich als eingebettet in die gesellschaftlichen Koordinaten seiner Zeit. Vor diesem theoretischen Hintergrund erweist sich Walter Benjamins Berliner Kindheit um neunzehnhundert als signifikanter Text. Es stellt sich die Frage, wie das Verhältnis von Raum, Zeit und Ich, das jeden autobiographischen Text prägt, in Benjamins Prosaminiaturen figuriert ist und inwiefern es die Texte konstituiert.
Author: | Philipp Pabst, Kerstin Wilhelms |
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URN: | urn:nbn:de:hebis:30:3-493961 |
URL: | http://www.passagen.at/cms/index.php?id=307 |
ISSN: | 0043-2199 |
ISSN: | 2510-7291 |
Parent Title (German): | Weimarer Beiträge : Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturwissenschaften |
Publisher: | Passagen Verlag |
Place of publication: | Wien |
Document Type: | Article |
Language: | German |
Year of Completion: | 2019 |
Year of first Publication: | 2014 |
Publishing Institution: | Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg |
Contributing Corporation: | Klassik Stiftung Weimar |
Release Date: | 2019/06/06 |
GND Keyword: | Benjamin, Walter; Berliner Kindheit um neunzehnhundert; Autobiografie; Autobiografischer Roman; Erinnerung; Raum-Zeit |
Volume: | 60 |
Issue: | 1 |
Page Number: | 20 |
First Page: | 48 |
Last Page: | 67 |
HeBIS-PPN: | 450632652 |
Dewey Decimal Classification: | 1 Philosophie und Psychologie / 11 Metaphysik / 110 Metaphysik |
8 Literatur / 80 Literatur, Rhetorik, Literaturwissenschaft / 800 Literatur und Rhetorik | |
8 Literatur / 83 Deutsche und verwandte Literaturen / 830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur | |
Sammlungen: | Germanistik / GiNDok |
CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft | |
Germanistik / GiNDok / Passagen Verlag | |
BDSL-Klassifikation: | 01.00.00 Allgemeine deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft / BDSL-Klassifikation: 01.00.00 Allgemeine deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft > 01.08.00 Zu einzelnen Germanisten, Literaturtheoretikern und Essayisten |
Zeitschriften / Jahresberichte: | Weimarer Beiträge / Weimarer Beiträge 60.2014 |
: | urn:nbn:de:hebis:30:3-493626 |
Licence (German): | Deutsches Urheberrecht |