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Die "erste anarchistische Sammlung in deutscher Sprache" hat der vielleicht bedeutendste Historiker des Anarchismus, Max Nettlau, die von Ludwig Buhl 1844 herausgegebene 'Berliner Monatsschrift' genannt und im gleichen Atemzuge Edgar Bauers ein Jahr zuvor entstandenes, dann beschlagnahmtes und 1844 neugedrucktes Buch 'Der Streit der Kritik mit Kirche und Staat' als anarchistische Schrift gewürdigt. Beide Texte entstammen dem lockeren Kreis der Berliner 'Freien', der aus dem Doktorklub der 1830er Jahre hervorgegangen ist und zu dem neben Edgar Bauer und Ludwig Buhl etwa Max Stirner, Arnold Ruge, Moses Hess oder Eduard Meyen gehörten und in dem Edgars Bruder Bruno die führende Rolle spielte.
Im Folgenden möchte ich den anarchistischen Motiven in den beiden von Nettlau genannten Texten nachgehen. Das bedeutet: Ich beschränke mich auf diese beiden Quellen und wage gar nicht erst den Versuch, anarchistischen Gedankengängen in anderen Schriften der Gruppe nachzuspüren oder gar eine Geschichte der Kritik im Bauer'schen Freundeskreis zu schreiben. Indem ich von einem Kreis spreche, halte ich die Abgrenzung bewusst offen und lasse die bekannten terminologischen und historischen Unterscheidungen zwischen Links- und Rechts-, Jung- und Althegelianern dahingestellt sein.
Wie bei kaum einem anderen deutschsprachigen Schriftsteller nach 1945 haben Grass' Werke bei Erscheinen regelmäßig Debatten und Skandale provoziert. Neben dem Bild eines notorischen, auf große Wirkung bedachten Tabubrechers hinterließen sie Unklarheit darüber, was genau sie über den Autor, sein Verständnis von Literatur und die Form seiner Werke aussagen. Nicht einmal das jeweils Anstößige blieb nachhaltig anstößig oder verständlich. Wurden etwa der Blechtrommel bei Erscheinen intolerable Obszönität oder "pornographische Exzesse" nachgesagt, so gehört der Roman mittlerweile zu den anerkannten Klassikern der Moderne und das vermeintlich Obszöne zu den etablierten Momenten literarischer Darstellung. Andere Streitfälle wanderten ab ins Reich biographischer Anekdoten, etwa die Empörung über den 'Ein weites Feld' zerreißenden Großkritiker auf dem Cover des Spiegel. Und auch die jüngeren Skandale um Grass' Dienst bei der Waffen-SS4 oder sein israelpolitisches Gedicht werden wohl nur als rezeptionsgeschichtliche Randnotizen überdauern.
Die Umwertung von einst Skandalösem in literarische Konformität oder biographische Kuriosität gehört zu den üblichen Prozessen der Historisierung ästhetischer Wirkung: Aus den Provokationen von gestern werden nicht selten die Vorurteile von morgen, aus evidenter Akutmoral erklärungsbedürftige Zeitgeschichte. Man hätte also gute Gründe, Grass' literarische Texte gegen ihre skandalöse Wirkung in Schutz zu nehmen, doch bei einem Schriftsteller, dessen Werk fest mit seinem Auftreten als öffentliche Person und steter politischer Dreinrede verbunden war, sind die Folgen seiner Historisierung schwer absehbar: Muss mit der provozierenden Kraft der Werke nicht auch ihr ästhetischer Reiz oder das Interesse an ihnen verloren gehen? Grass wäre nicht der erste Autor, der trotz einer starken Wirkung auf Zeitgenossen posthum in Vergessenheit geriete.
Referenz und Prominenz
(2017)
Rezensionen [2017]
(2017)
156 Ansari, Christine (Hrsg.): Adoleszenz in Medienkontexten. Literaturrezeption, Medienwirkung und Jugendmedienschutz (judith mathez)
158 Bachmann, Christian A. / Emans, Laura / Schmitz-Emans, Monika (Hrsg.): Bewegungsbücher. Spielformen, Poetiken, Konstellationen (gundel mattenklott)
160 Ballis, Anja /Schlachter, Birgit (Hrsg.): Schätze der Kinder- und Jugendliteratur wiederentdeckt. Frühe Lektüreerfahrung und Kanonbildung im akademischen Kontext (ernst seibert)
162 Benner, Julia: Federkrieg. Kinder- und Jugendliteratur gegen den Nationalsozialismus 1933 – 1945 (linde storm)
164 Born, Stefan: Allgemeinliterarische Adoleszenzromane. Untersuchungen zu Herrndorf, Regener, Strunk, Kehlmann und anderen (lena hoffmann)
166 Börnchen, Stefan: Poetik der Linie. Wilhelm Busch, Max und Moritz und die Tradition (lukas sarvari)
168 Burwitz-Melzer, Eva /O’Sullivan, Emer (Hrsg.): Einfachheit in der Kinder- und Jugendliteratur. Ein Gewinn für den Fremdsprachenunterricht (roland alexander issler)
169 Emde, Oliver /Möller, Lukas /Wicke, Andreas (Hrsg.): Von »Bibi Blocksberg« bis »TKKG«. Kinderhörspiele aus gesellschafts- und kulturwissenschaftlicher Perspektive (anika ullmann)
171 Ferstl, Paul /Walach, Thomas / Zahlmann, Stefan (Hrsg.): Fantasy Studies (maren bonacker)
173 Giesa, Felix: Graphisches Erzählen von Adoleszenz. Deutschsprachige Autorencomics nach 2000 (michael staiger)
175 Hahn, Heidi / Laudenberg, Beate / Rösch, Heidi (Hrsg.): »Wörter raus!?« Zur Debatte um eine diskriminierungsfreie Sprache im Kinderbuch (julia benner)
177 Haug, Christine / Frimmel, Johannes (Hrsg.): Schulbücher um 1800. Ein Spezialmarkt zwischen staatlichem, volksaufklärerischem und konfessionellem Auftrag (ortwin beisbart)
179 Hollerweger, Elisabeth /Stemmann, Anna (Hrsg.): Narrative Delikatessen. Kulturelle Dimensionen von Ernährung (sonja loidl)
180 Hopp, Margarete: Sterben, Tod und Trauer im Bilderbuch seit 1945 (iris schäfer)
182 Huemer, Georg: Mira Lobe. Doyenne der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur (andreas schumann)
183 Josting, Petra (Hrsg.): Andreas Steinhöfel, Bielefelder Poet in Residence 2014 (heinke kilian)
185 Josting, Petra /Roeder, Caroline /Dettmar, Ute (Hrsg.): Immer Trouble mit Gender. Genderperspektiven in Kinder- und Jugendliteraturforschung und -medien (jana mikota)
187 Kurwinkel, Tobias /Schmerheim, Philipp /Sevi, Annika (Hrsg.): Michael Ende intermedial. Von Lokomotivführern, Glücksdrachen und dem (phantastischen) Spiel mit Mediengrenzen (michael stierstorfer)
188 Mikota, Jana / Pecher, Claudia Maria / von Glasenapp, Gabriele (Hrsg.): Literarisch-kulturelle Begegnungen mit dem Judentum. Beiträge zur kinderliterarischen Fachöffentlichkeit (susanne blumesberger)
190 Müller, Karla / Decker, Jan-Oliver / Krah, Hans / Schilcher, Anita (Hrsg.): Genderkompetenz mit Kinder- und Jugendliteratur entwickeln: Grundlagen – Analysen – Modelle (annette kliewer)
192 Nikolajeva, Maria: Reading for Learning. Cognitive Approaches to Children’s Literature (sabine fuchs)
194 Paul, Lissa / Johnston, Rosemary R. / Short, Emma (Hrsg.):Children’s Literature and Culture of the First World War.(julia benner)
195 Payrhuber, Franz-Josef / Meier, Bernhard(Hrsg.): Franz, Kurt: Kinderlyrik. Geschichte, Formen, Rezeption(ludger scherer)
197 Payrhuber, Franz-Josef:Gedichte entdecken. Wege zu Gedichten in der ersten bis sechsten Klasse (andreas schumann)
198 Pohlmann, Carola (Hrsg): Kinder- und Jugendliteratur. Sammeln und Erwerben (wolfgang wangerin)
200 Pompe, Anja (Hrsg): Kind und Gedicht. Wie wir lesen lernen (heinz-jürgen kliewer)
202 Preindl, Nadia:Russische Kinderliteratur im europäischen Exil der Zwischenkriegszeit (verena rutschmann)
204 Richter, Karin: Die Kinder- und Jugend-literatur der DDR. Entwicklungslinien – Themen und Genres. Autorenporträts und Textanalysen (maria becker)
206 Riemhofer, Andra:Interkulturelle Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland. Lesen auf eigene Gefahr (roger meyer)
208Roeder, Caroline (Hrsg.): Himmel und Hölle. Raumerkundungen – interdisziplinär & in schulischer Praxis (claudia blei-hoch)
210 Ruzicka Kenfel, Vejka (Hrsg.): New Trends in Children’s Literature Research. Twenty-first Century Approaches (2000–2012) from the University of Vigo (Spain) (susanne blumesberger)
212 Schäfer, Iris:Von der Hysterie zur Magersucht. Adoleszenz und Krankheit in Romanen und Erzählungen der Jahrhundert- und der Jahrtausendwende (philipp schmerheim)
214 Scherer, Gabriela / Volz, Steffen (Hrsg.): Im Bildungsfokus: Bilderbuchrezeptions-forschung (margarete hopp)
216 Schmitt, Susann Sophie:Nachwuchs für die Literatur. Kinder- und Jugendprogramme ausgewählter Literaturhäuser Deutschlands, Österreichs und der Schweiz (renate grubert)
217 Seelinger Trites, Roberta:Literary Conceptu-alizations of Growth. Metaphors and Cogni-tion in Adolescent Literature (iris schäfer)
219 Seifert, Martina:Die Bilderfalle. Kanada in der deutschsprachigen Kinder- und Jugend-literatur: Produktion und Rezeption (sabine planka)
222 Stein, Daniel / Thon, Jan-Noël (Hrsg.): From Comic Strips to Graphic Novels. Contributions to the Theory and History of Graphic Narrative (anna stemmann)
223 Tomberg, Markus (Hrsg.): Alle wichtigen Bücher handeln von Gott. Religiöse Spuren in aktueller Kinder- und Jugendliteratur (martin anker)
Zeitgenossen und Nachfolger Wagners griffen die von ihm selbst akzeptierte Inszenierungsstrategie als nationaler Kulturheros auf. Wagners "außerordentliche Verflechtung mit der deutschen Geschichte" war von ihm selbst beabsichtigt und vom Ehrgeiz bestimmt, "mit seinem Werk an der Nationwerdung der Deutschen im 19. Jahrhundert mitzuwirken. Dies ist ihm in einem Ausmaß gelungen, wie es bei keiner anderen Gestalt der deutschen Kulturgeschichte seit Luther festzustellen ist." Das Wagnersche Werk wie seine Selbstinszenierungen wurzeln sowohl in der europäischen Moderne als auch im spezifisch deutschen kulturell-politischen Kontext des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Beide Bereiche verraten allerdings eine gewisse interne Brüchigkeit, wie sie schon Adorno als Wagners Grundmerkmal diagnostiziert hatte. Er konstatierte eine den Wagnerschen künstlerisch-theatralischen und politisch-selbstrepräsentativen Gesten inhärente Tendenz zur Selbstde(kon)struktion. Nachfolgend wird diese Brüchigkeit analysiert, die sich in die Produktionsbedingungen seiner als heroische Kulturtaten konstruierten Werke eingeschrieben hat.
Robert Walser's text "The Walk" enacts a narrative that is genuinely describable as one 'on the border' to non-narrativity. This paper takes a look at how "The Walk" uses indicators of narrativity / narrativeness in order to subvert them, especially by dissolving narrative times. This leads to narrative performativity. Its narrative techniques are mirrored in the very Walserian self-description of eating a meal. In the central episode of the "The Walk" the protagonist eats "pieces" (German "Stücke"), what in Walser's terminology means both sweets and narratives ("Prosastückli"). This leads to a circle of intertextuality, in which the writer reads his own text and re-writes it at the same time. Nonetheless, "The Walk" is not a pure manifestation of self-reflexivity because its non-systematic narration is undeniable. Walser's "The Walk" formulates and follows a poetics of "narrating-as-writing" which highlights both performativity and materiality of the act of narration.
In der österreichischen Literatur entwickelte sich zu Beginn des 19. Jahrhundertskeine literarische Bewegung, die mit der deutschen Romantik vergleichbar wäre. Der Aufenthalt und ausgedehnte Tätigkeiten vieler deutscher Romantiker in Wien jedoch hatten Auswirkungen auf das geistig-kulturelle und literarische Leben in Österreich und führten zu heftigen Debatten und wortgewaltigen Polemiken in der literarischen und journalistischen Szene. Die Aufklärungspostulate hatten in Wien Prämissen gesetzt, die das kulturelle Leben der österreichischen Länder bis weit in das 19. Jahrhundert hinein stark beeinflussten.
Die Romantiker lieben es, programmatisch aufzutreten. Daher ist es bemerkenswert, dass in ihren Manifesten die Nennung und Konzeptualisierung von Ironie, Arabeske, Humor, Phantastik und Groteske dominiert. Die Erwähnung der Satire hingegen findet sich selten, sie bleibt randständig. Und doch ist auffällig, dass zum Beispiel in den nicht zur Veröffentlichung bestimmten poetologischen Notizen Friedrich Schlegels die Satire nicht nur gleichwertig mit Ironie, Burleske, Parodie, Groteske behandelt, sondern zugleich um ihren literaturtheoretischen systematischen Ort und ihre literaturpolitische Stellung geradezu gerungen wird.
Die zunehmende gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Behinderung und Inklusion spiegelt sich im aktuellen literaturwissenschaftlichen und didaktischen Interesse am kinder- und jugendliterarischen Umgang mit Behinderung und Krankheit. Die Grenzen zwischen Erzählungen von Krankheit und Behinderung sind dabei bisweilen fließend, so dass bereits der Versuch, entsprechende Phänomene begrifflich mit Termini wie Krankheitsnarrativ, Abweichungsnarrativ oder Sick-Lit zu fassen, zum Ansatzpunkt der Forschung wird – wie auch in den hier vorgestellten Publikationen.
Mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung untersuchen die drei Sammelbände elementare Grundbausteine von Serialität – Wiederholung, Schema und Variation des Schemas: Seriality in Texts for Young People konzentriert sich auf den Aspekt von Wiederholung (repetition) und fokussiert dabei strukturelle und poetologische Aspekte. An unterschiedlichsten Beispielen, über Lucy Maud Montgomerys Anne-Serie (Laura M. Robinson) bis hin zu Buffy the Vampire Slayer (Debra Dudek), wird dabei aufgezeigt, wie das Prinzip Wiederholung genutzt und unterlaufen wird, welche technischen (etwa zum MP3-Format, Larissa Wodtke), erziehungstechnischen (etwa Michelle J. Smith über das Viktorianische School Paper) und erzähltechnischen Mittel mit welchem Ergebnis eingesetzt werden. ...