GiNDok
Refine
Year of publication
- 2016 (272) (remove)
Document Type
- Article (161)
- Part of a Book (48)
- Review (37)
- Part of Periodical (16)
- Book (3)
- Report (3)
- Magister's Thesis (2)
- Conference Proceeding (1)
- Doctoral Thesis (1)
Language
- German (272) (remove)
Keywords
- Deutsch (43)
- Rilke, Rainer Maria (33)
- Literatur (29)
- Interkulturalität (16)
- Lyrik (13)
- Mehrsprachigkeit (13)
- Germanistik (11)
- Florenz (10)
- Linguistik (10)
- Hofmannsthal, Hugo von (9)
Institute
- Neuere Philologien (3)
- Extern (2)
"Concordia domi, foris pax" : zur sprichwörtlichen Mehrsprachigkeit der Rhetorik Helmut Schmidts
(2016)
In den zahlreichen Büchern Helmut Schmidts, die in Sammelbänden auch seine Interviews, Reden und Aufsätze enthalten, spielen fremdsprachliche Phraseologismen eigentlich nur eine kleine Rolle. Dieser Beitrag enthält im Prinzip alle aufgefundenen Belege, was deutlich zu erkennen gibt, dass Helmut Schmidt im Vergleich zu Otto von Bismarck und Willy Brandt seine lateinischen und englischen Sprachkenntnisse weniger unter Beweis stellt. Französisch fehlt wegen seiner Unkenntnis der ehemals so bedeutenden Diplomatensprache fast völlig, während sich die beiden aussagekräftigen lateinischen Sprichwörter "Concordia domi, foris pax" und "Salus publica suprema lex" als gewichtige Leitmotive der politischen Rhetorik Schmidts erweisen. Erwartungsgemäß vertritt die moderne lingua franca des Angloamerikanischen die Mehrsprachigkeit Schmidts am deutlichsten. Zusätzlich zu englischen Zwillingsformeln und Redensarten kommt es hier in der Tat zu einer Reihe von englischen und amerikanischen Sprichwörtern, die eine erhebliche kommunikative Funktion übernehmen. Zweifelsohne hätte Schmidt deutschsprachige Äquivalente finden können, doch will er offensichtlich seine Betrachtungen zur politischen Situation in Deutschland, Europa und der Welt durch angloamerikanische Sprichwortweisheiten international untermauern. Dafür gab es vormals Latein und Französisch, doch hat nuneinmal die englische Weltsprache diese Rolle im modernen Zeitalter übernommen.
Den Ausgangspunkt der Ausführungen bildet das allgemein anerkannte Faktum, dass Texte inhaltlich und formal redundant sind, also immer auch solche Bestandteile enthalten, die für den gesamten Inhalt als irrelevant erscheinen. Um das Gleichgewicht zu erlangen und die Einseitigkeit zu überwinden, hat sich in der Sprache der Mechanismus der Sprachökonomie herausgebildet, die auch als Kommunikationseffizienz bezeichnet werden kann. Die Kategorien der Effizienz (Leichtigkeit beim Erreichen des Ziels) und der Effektivität (der gründlichen Verarbeitung und des Erreichens des genauen Ziels) sind regulative Faktoren, die gegeneinander wirken und miteinander konkurrieren. Ähnlich dazu existieren die gegenseitigen Phänomene der Redundanz und Ökonomie auch in der Sprache parallel und sie verschieben Kompetenzen und Macht über die Aussagen und Texte wechselseitig. Beide Erscheinungen sind produktiv und frequentiert. [...] Aus dem Blickwinkel der Dolmetschsituation rückt der mündliche Aspekt verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Im Rahmen der bilingualen dolmetscherischen Kommunikationssituation sind beide gegenseitigen sprachlichen Phänomene in jedem Moment als anwesend zu berücksichtigen. Einerseits lässt sich die Redundanz als Konsequenz der Ökonomie auswerten, andererseits wird die Neutralisierung der Merkmale/Merkmalhaftigkeit dadurch ermöglicht, dass der Sprachausdruck in der Regel redundanter Natur ist.
Jenny Mautner (1856-1938), verheiratet mit dem jüdischen Großindustriellen Isidor Mautner (1854-1930), führte seit den 1890er Jahren in Wien einen bedeutenden Salon, zu dessen Gästen neben vielen anderen bedeutenden Kulturschaffenden wie Richard Strauss, Max Reinhardt oder Arthur Schnitzler mitunter auch Gerhart Hauptmann zählte.
Dass dessen gelegentlichen Besuchen mehr als nur berufliche Kontaktpflege zugrunde lag, zeigte sich, als im Jahr 1926 das Ehepaar Mautner die goldene Hochzeit beging. Es trafen zahlreiche Glückwunschschreiben ein, die sorgfältig gesammelt und zu einem repräsentativen Werk gebunden wurden. In dieser bisher unerschlossenen Sammlung findet sich auch ein Gedicht aus der Hand Gerhart Hauptmanns.
Die vorliegende Arbeit stellt diesen überraschenden Fund vor, erläutert den historischen Kontext und geht der Frage nach, wieso Gerhart Hauptmann es für angezeigt erachtete, für dieses Ereignis eigens ein Gedicht zu verfassen. Es wird aufgezeigt, dass es seit 1909 persönliche und briefliche Kontakte zwischen Jenny Mautner und Gerhart Hauptmann bzw. dessen zweiter Ehefrau Margarete gab. Anhand der bislang unveröffentlichten Briefe Jenny Mautners wird deutlich, dass sie Gerhart Hauptmann über den prekären Gesundheitszustand des von ihm hoch geschätzten Burgschauspielers Josef Kainz (1858-1910), der zu den engsten Freunden der Familie Mautner gehörte, auf dem Laufenden hielt. Doch auch nach dem Tod des bedeutenden Schauspielers blieb der Kontakt über Jahrzehnte erhalten, eine letzte persönliche Begegnung mit Jenny Mautner fand im Herbst 1937 in Wien statt.
Ich äußere mich hier nicht als Hofmannsthal-Experte und bin auch seit langem nicht mehr hauptberuflich Philologe. Dennoch habe ich gern den Vorschlag angenommen, hier etwas beizutragen, weil "Der Turm" auch von großem theatertheoretischen Interesse ist. Zudem hatte ich mich immer wieder mit dem Dichter Hofmannsthal zu beschäftigen, zumal mit den frühen lyrischen Dramen, die in die Genealogie des postdramatischen Theaters der Gegenwart gehören. Das letztere ist keineswegs, wie oft geargwöhnt wird, per se textfeindlich, nur weil es eine Fülle überraschender neuer Theatermöglichkeiten jenseits des klassischen Modells einer Dramen-Aufführung entdeckt hat. Im Gegenteil kennt es von Peter Handke bis Heiner Müller, von Elfriede Jelinek bis Sarah Kane großartige zeitgenössische Theatersprachen, die allerdings nicht mehr dem Modell der dramatischen Repräsentation entsprechen. Sie entfernen sich mehr oder weniger weit von der tradierten Spannungslogik des dramatischen Theaters, ohne es doch gänzlich zu verlassen, während umgekehrt Künstler wie Robert Wilson, Jan Lauwers, Jan Fabre, Claude Régy und andere Bühnenidiome von komplexer 'poetischer' Art schaffen.
"[D]ie ganze Welt stürzt zusammen", schrieb Hofmannsthal am 26. November 1918 an Ottonie Gräfin Degenfeld. Drastisch schildert er das massenhafte Sterben an der Grippeepidemie in Wien ebenso wie die Angst vor Arbeiteraufständen, vor Schießereien und Plünderungen, vor freigelassenen Kriegsgefangenen und Kriminellen. Hofmannsthal hatte im k.u.k. Kriegspressequartier den Weltkrieg als Verteidigung der Kultur propagandistisch unterstützt. Spätestens nach dessen Ende erschien ihm wie vielen seiner Zeitgenossen der Weltkrieg als eine Katastrophe bisher unbekannten Ausmaßes, die alle materiellen wie geistigen Bereiche der Kultur fundamental averänderte. Seine ungeheure Zerstörungskraft kündigte einen Umbruchsprozess an, der zu einer völligen Neukonfiguration der politischen und ökonomischen Kräfteverhältnisse, des individuellen Selbstverständnisses und der kollektiven sozialen Beziehungen führte. Wie Mathias Mayer bemerkt, war dementsprechend für Hofmannsthal die "Konfrontation von Chaos und Ordnung" das zentrale "Problem der Nachkriegszeit".
"Der Turm" und der Krieg
(2016)
"Vor dem Turm. Vorwerke, halb gemauert, halb in Fels gehauen. Zwischen dem Gemäuer dämmerts, indessen der Himmel noch hell ist." Die Szenenbeschreibung zu Beginn von Hofmannsthals Trauerspiel "Der Turm" skizziert eine düstere, unbehagliche Situation. Ein wuchtiges Hindernis stellt sich da in den Weg, zur Hälfte von Menschenhand gebildet, zur anderen aus der Natur genommen. Dunkle Konturen, die sich eben erst, im Licht der Dämmerstunde, zu neuen Formen ordnen. Vom Blick der Herannahenden erfasst wird das massive Bollwerk im Vorfeld eines beeindruckend aufragenden Verlieses, jenes titelgebenden Turmes, der hier buchstäblich seinen Schatten voraus wirft.
Räumliche Lage und dramaturgischer Zeitpunkt treten zu einer doppelt bestimmten Schwellenposition zusammen, beide befinden sich vor dem Turm. Es sind Kriegszeiten, das Leben ist karg, die Söldner murren, sind aufgewühlt. Soldaten "auf Grenzbewachung" durchstreifen das Gelände.
"Diachrone Interkulturalität". Tagung der Universität Luxemburg, 17.-19. November 2016
Ziel der Tagung "Diachrone Interkulturalität" war einerseits eine stärkere Anbindung der interkulturellen Forschung an ästhetische und literaturwissenschaftliche Fragestellungen, andererseits auch die Erweiterung eines bislang vorwiegend gegenwartszentrierten Theoriediskurses um die diachrone Betrachtungsweise: "Im aktuellen Theoriediskurs wird jedoch inzwischen häufiger darauf hingewiesen, dass eine Beschränkung der Interkulturalitätsforschung auf Globalisierungsphänomene zu kurz gegriffen ist und die Notwendigkeit einer Historisierung besteht. In diesem Sinne intendiert die Tagung eine Erweiterung des Forschungsfeldes im Zeichen des Diachron-Geschichtlichen und damit auch eine Komplexitätssteigerung eines häufig undifferenziert gedachten Interkulturalitätsbegriffes."
A closer look at the literary works, essays, letters and diaries of important German exile writers and anti-Nazi dissidents during National Socialism leads to an important observation: that is the increase of references to classical topoi of the Barbarian. Since at least 1933 and the traumatic Nazi book burnings, in German (exile) literature does not only occur a political actualization but also an emphatical radicalization of the reactivated dichotomies of 'civilization/culture' vs. 'the Barbarian' and sometimes more specific of 'the Hellenes' vs. 'the Persians'. Even though numerous literary texts display these dichotomies, in literary criticism a systematic analysis of their semantic implications and their function is still lacking. This study thus aims to present a first overview and interpretation of this noticeable actualization of the above mentioned topoi in German exile literature, particularly in the works of Klaus Mann.
Janina Schmiedel nimmt die Synthese von romantischen und vormärzlichen Schreibweisen und das gleichzeitige Ineinander von Poetischem und Politischem in Heinrich Heines lyrischem Werk in den Blick. Anhand des Zyklus' "Neuer Frühling", der die zweite große Sammlung "Neue Gedichte" (1844) einleitet, zeigt sie, wie der von Heine nie vollständig vollzogene Abschied von der Romantik mit seinem Schreiben des Politischen (in den 30er und 40er Jahren) korrespondiert.
Transylvania was not exempt from the witch hunt of the 17th century; the city of Sibiu itself witnessed a series of trials and death sentences. While the phenomenon itself has been widely studied and written about in Western Europe, it has been scarcely mentioned in Romanian history works. The original documents from the Transylvanian archives, written down in German, have not been translated and presented to the Romanian public. The present paper intends to present aspects of the witch hunt in Sibiu during the 17th century starting from the case of a midwife judged and condemned to death by burning in 1692. This case will be presented through the original documents of the trial, found in the National Archives of Sibiu and containing the depositions of witnesses, of the accused herself, as well as the sentence passed. We hope that this will be the starting point for a selection and translation into Romanian of the German written documents, in order to make them available to the Romanian speaking public.
Klaus Modicks im Februar 2015 erschienener Worpswede-Roman "Konzert ohne Dichter" wurde vom Feuilleton begeistert aufgenommen, in der Rilke-Philologie sorgte er hingegen für hitzige Diskussionen. Doch neben einer recht oberflächlich ausagierten Häme gegen den im Titel ausgeschlossenen Dichter entwickelt der Roman eine komplexe Verflechtung von Bildern der bildenden Kunst und Bildern im Sinne von Images. Der folgende Beitrag führt Modicks biografischen Zugang in diesem höchst unterschiedlich rezipierten Text mit einem ekphrastischen Sonett Rilkes eng, das ebenso ein bestimmtes Image transportieren will.
Es ist bereits verschiedentlich in der Forschung zu Paul Celans Gespräch im Gebirg auf die Reminiszenzen an die Figur des 'ewigen Juden' hingewiesen worden; nicht nur in Rekurs auf Büchners im Text explizit als Prätext markiertes Romanfragment Lenz, sondern auch unter Verweis auf ein im Literaturarchiv Marbach aufbewahrtes, noch unter Verschluss gehaltenes Konvolut aus Celans Nachlass, das den Titel "Der ewige Jud" trägt. Aufgrund von dessen reichhaltigen intertextuellen Bezügen bezeichnet Karin Lorenz-Lindemann das Gespräch im Gebirg auch als Palimpsest. An diese Beobachtungen möchte ich im Folgenden anschließen und das Gespräch im Gebirg im Horizont eines von den Gebrüdern Grimm überlieferten Sagenstoffs mit dem Titel 'Der Ewige Jud auf dem Matterhorn' sowie dessen Bearbeitungen durch Ludwig Bechstein betrachten und diese als wichtige prätextuelle Ebene identifizieren. Im Zentrum meiner Überlegungen steht dabei die besondere Form dieser Adaption, die durch die Verschiebung der Erzählperspektive einen jüdischen Sprecher an die Stelle der antisemitischen Erzählerstimme treten lässt.
"Gewalt und Sprache". Internationale SUNG-Tagung an der Comenius-Universität in Bratislava, 30. Juni - 2. Juli 2016
Anlässlich des 25. Jahrestages seiner Gründung veranstaltete der Verband der Deutschlehrer und Germanisten der Slowakei (SUNG) eine Konferenz, die sich thematisch auf das Verhältnis von Gewalt und Sprache konzentrierte. Veranstaltungsort war die Philosophische Fakultät der Comenius-Universität, Mitveranstalter der dortige Lehrstuhl für Germanistik, Nederlandistik und Skandinavistik. Die Konferenz stellte zugleich die zwölfte Tagung des Verbandes dar.
"Globale - Festival für grenzüberschreitende Literatur" in Bremen, 25. Oktober - 15. November 2016
(2016)
"Globale - Festival für grenzüberschreitende Literatur" in Bremen, 25. Oktober - 15. November 2016
Das Festival für grenzüberschreitende Literatur verwandelte auch dieses Jahr die Stadt Bremen drei wochenlang in einen Begegnungs- und Diskussionsort für alle literarisch Interessierten mit einem vielfältigen Programmangebot an Lesungen von Autoren und Autorinnen, die die Grenzüberschreitung verbindet. Denn die Intention des Festivals ist, wie die diesjährige Festivalleitung Prof. Dr. Elisabeth Arend und Libuše Černá im Vorwort des umfangreichen Programmhefts betonen, eine Literatur vorzustellen, die sich mit "den Federn fremder Herkünfte" schmückt, "viele Zungen" spricht und "dabei deutsch" ist.
"Grenzüberschreitungen: Migration und Literatur aus der Perspektive der Literatursoziologie". Tagung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, 20.-21. Juni 2016
Die zeitgenössische Literaturproduktion reagiert seit Längerem auf Thematiken wie Kulturkonflikte, Fremdheit, Einwanderung und Migration. Das Forschungsprojekt Literature on the Move untersuchte die Migration von Autor(inn)en nach Österreich und deren Möglichkeiten bzw. Schwierigkeiten beim Eintritt in das Feld der österreichischen Literatur. Es wurde der Versuch unternommen, die Rahmenbedingungen, die Struktur und die Konsequenzen literarischer Produktion miteinander in Beziehung zu bringen und mit Hinblick auf die literarischen Texte zu analysieren.
"Ja, Goethe über alles und immer!" : Benns "Doppelleben" in den Briefen an F. W. Oelze (1932-1956)
(2016)
"Goethe über alles"! Das will heißen, mit einer kaum versteckten Anspielung auf die deutsche Nationalhymne: Goethe vor allem über Deutschland! Diese emphatische Parole Gottfried Benns findet sich in seinem Brief vom 8. November 1950 an Friedrich Wilhelm Oelze.1 Zu dieser Zeit stand der Briefwechsel zwischen den beiden Männern schon in seinem achtzehnten Jahr, ausgelöst durch das Goethe-Jahr 1932, zu dem Benn seinen Essay "Goethe und die Naturwissenschaften" beigesteuert hatte. Er erschien in der "Neuen Rundschau" in einem "Sonderheft zum hundertsten Todestag Goethes" und enthielt u. a. Beiträge von Gerhart Hauptmann, Thomas Mann, Hermann Hesse, André Gide und Ortega y Gasset. Benn war zeitlebens stolz auf diese Leistung und ihre illustre Autoren-Nachbarschaft.
Der Familien- oder Generationenroman durchlief seit seiner deutschsprachigen Prägung durch Thomas Mann zwei Schübe oder "[B]oom[s]": Auf die Welle der sogenannten 'Väterliteratur' oder 'Väterbücher' der 1970er und 80er-Jahre folgte ungefähr ab Ende der 90er-Jahre eine abermalige Konjunktur der Gattung im Umfeld neu aufgeflammter Debatten über 'Vergangenheitsbewältigung', die 'Enkelperspektive' auf den Nationalsozialismus und über 'Germans as victims'. Vergegenwärtigt man sich die ungebrochene Popularität dieser aktuellen Erscheinungsform des Generationenromans, so erstaunt der prominent auf dem Buchcover platzierte Untertitel von Christoph Geisers 2013 erschienenem Roman 'Schöne Bescherung': Dieser sei 'kein Familienroman', heißt es dort. Gesetzt wird diese peritextuelle Lektüreanweisung noch dazu ausgerechnet von einem Autor, der mit seinen frühen Texten Grünsee (1978) und Brachland (1980) die vielleicht wichtigsten Familienromane der jüngeren schweizer Literatur schuf.
Statt den Untertitel zu 'Schöne Bescherung' vor diesem Hintergrund zu problematisieren, buchte ihn das Feuilleton tendenziell als nicht weiter erläuterungsbedürftig ab und taxierte den Roman gar als Schlussstein einer veritablen "Familientrilogie". Schöne Bescherung will aber eben - anders als die formalästhetisch konventionelleren frühen Romane Geisers - explizit und dezidiert 'kein Familienroman' (mehr) sein. Der Text stellt sich also keineswegs in ein Verhältnis der Kontinuität zu Brachland, dem nächstälteren Roman der angeblichen "Familientrilogie". Vielmehr kommuniziert er noch vor seinem Incipit, eben durch den trotzigen Untertitel, einen kuriosen gattungsbezogenen Abgrenzungswillen. Dieser soll im Folgenden ernstgenommen werden.
"Marie von Ebner-Eschenbach. Básnířka tří staletí / Dichterin dreier Jahrhunderte 1830 - 1916 - 2016". Internationale Tagung in Brno, 21.-23. April 2016
Über Fächer-, Sprach- und Landesgrenzen hinweg wurde bei der Konferenz Marie von Ebner-Eschenbach. Básnířka tři staletí/ Dichterin dreier Jahrhunderte (1830 - 1916 - 2016) in Brno (Brünn) vom 21. bis zum 23. April 2016 das Leben und Werk der in Mähren geborenen österreichischen Schriftstellerin beleuchtet. Vom sozialhistorischen Ansatz über die Werkanalyse bis hin zur Präsentation der Tagebücher war die Konferenz eine vielfältige Demonstration des regen Interesses an dem Forschungsgegenstand.
Zwei Überlegungen haben die Wahl des Gegenstandes bestimmt. Die erste ist pragmatisch-systematischer Art. Als die Denkschrift Geisteswissenschaften heute 1991 den von ihr ins Auge gefassten Wissenschaften "als Kulturwissenschaften eine neue Perspektive" vorzeichnete und dazu "Kultur" als "Inbegriff aller menschlichen Arbeits- und Lebensformen" charakterisierte, hat sie zumindest hierzulande eine Welle zuvor ungesehener transdisziplinärer Gegenstandsbestimmungen, Forschungsparadigmen, Projekte und Professurdenominationen ausgelöst. Dies alles hat entschieden über frühere Rahmen wie Cultural Studies, Sciences de la culture oder (für in Deutschland so genannte 'Fremdphilologien') Landeskunde hinausgegriffen und hinausgeführt. Entsprechend den vielfältigen Aspekten, die 'Kultur' zu bieten vermag, stehen deren Erkundung tendenziell kaum endliche Räume offen. Neue und bedeutende Erkenntnisse über jeweils besondere Ordnungen "des geselligen Verkehrs der Menschen" und die darin wirkenden "Absichten" wurden und werden erarbeitet. Die Folge von 'turns', die nicht selten auf ernste Erkenntnis zielen, mit deren Propagierung aber auch Aufmerksamkeit, Netzwerke und Drittmittel für einzelne Bereiche dieser Arbeit geschaffen werden sollen, ist beeindruckend. Nicht alle Beteiligten möchten andererseits die aus dem 19. Jahrhundert hergebrachte Organisation der Wissenschaft in voneinander getrennten Disziplinen überhaupt in Frage gestellt sehen - seien es deren Vertreter selbst, die das Bewährte als zu Bewahrendes betrachten, seien es die Administratoren nach älteren Mustern gewirkter Universitäten, die Finanz- und Stellenpläne sparversessen weiter oder wieder so zu stricken suchen wie bisher. Extremistische Tendenzen entweder zum Aufgeben der Disziplinen zugunsten kleinteiliger Gegenstandsbereiche oder zur Rücknahme der kulturwissenschaftlichen Öffnung, zum Beispiel zugunsten einer erneuten Rephilologisierung, sind in Wissenschaftsgremien und Wissenschaftsverwaltungen unverkennbar.
Eine Dichterfreundschaft hat zwischen Gerhart Hauptmann und Paul Ernst nicht bestanden, nicht einmal eine kontinuierliche persönliche Beziehung. Dennoch soll hier kein abstrakter Vergleich zwischen zwei Autoren unternommen werden, deren Werke vielleicht zu einer bestimmten Form der Zusammenschau einladen, sondern ist tatsächlich die Rekonstruktion der Bedeutung geplant, die die beiden Generationsgenossen über einen längeren Zeitraum füreinander hatten. Es geht um die wechselseitige Wahrnehmung und Bewertung ihrer Positionen und Personen einschließlich der zugehörigen biographischen Voraussetzungen, und es kann keinesfalls überraschen, dass dabei die Momente der Kritik und Ablehnung, ja Abstoßung überwiegen. Denn natürlich stehen Gerhart Hauptmann und der vier Jahre jüngere Paul Ernst für unterschiedliche literarische Richtungen. Die Literaturgeschichte verbucht den einen als prominentesten Repräsentanten des Naturalismus im deutschen Sprachraum, den anderen als Begründer und charakteristischsten Vertreter der gegen diesen Naturalismus gerichteten neuklassischen Bewegung. Eine andere unsere heutige Auffassung bestimmende Differenz und Disproportionalität ist damit eng verbunden: Während dem Dramatiker Hauptmann schon in jungen Jahren spektakuläre öffentliche Aufmerksamkeit und ökonomische Prosperität zuteil wurden, die auch alle späteren Fehlschläge überstanden, ist Paul Ernst, der sich - jedenfalls bis 1918 - gleichfalls in erster Linie als Dramatiker verstand, zu Lebzeiten nie aus seiner Nischenexistenz herausgetreten.
Drei einleitende Abschnitte, die Mörikes Dingpoetik und Aspekte der Dingliteratur generell erschließen, führen im Folgenden hin zu einer Neuinterpretation seines Märchens Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Zunächst soll die gesamte Bandbreite der in Mörikes Dichtung verwendeten Dinge vorgestellt werden, danach werden die poetologischen Gründe für ihre Prominenz in seinem Werk erhellt. Drittens soll die Affinität von Ding und Spruch beziehungsweise Sprichwort beleuchtet werden. Erst nach diesen Vorläufen ist es möglich, den spezifischen Einsatz wundermächtiger Dinge im Stuttgarter Hutzelmännlein ausführlicher zu thematisieren. Hier kann und soll schließlich gezeigt werden, auf welche artistische und zugleich hochnotpeinliche Weise Mörike mit seinem Märchen eine Antwort zu geben versuchte auf die Herausforderung, die die Moderne und der poetische Realismus an das Wunderbare stellten.
"Raum Gefühl Heimat - Literarische Repräsentationen nach 1945". Internationale Tagung an der Universität des Baskenlandes in Vitoria-Gasteiz, 23.-25. September 2015
Nach einem einleitenden Vortrag von Thomas Anz (Marburg) über literarische Techniken der Emotionalisierung in der Repräsentation protoypischer Räume und Szenarien widmeten sich die Vortragenden aufbauend auf den theoretischen Grundlagen des Spatial und Emotional Turns aus verschiedenen Perspektiven und mit verschiedenen Foki dem Tagungsthema.
Das Thema "Rilke und Dante" hat im Programm der Florenzer Rilke-Tagung keine Rolle gespielt; ganz im Sinne von Eva Siebels, die schon 1941 aus den Quellen geschlussfolgert hatte, dass Rilke die Stadt "nicht im Zeichen Dantes erlebt" habe. War aber Rilke nicht, als er am 5. April 1898 "Glücklich in florenz" angekommen
war, erstmals in der Stadt des Dichters, den er einen Monat zuvor als den Ahnherrn moderner Dichtung schlechthin gefeiert hatte?
"Sinn - Unsinn - Wahnsinn. Beispiele zur österreichischen Kulturgeschichte". Tagung der Franz Werfel-Stipendiat(inn)en in Wien, 18.-19. März 2016
Das Franz Werfel-Stipendium des Österreichischen akademischen Austauschdienstes (OeAD) wendet sich an junge Germanist(inn)en und UniversitätslehrerInnen, die sich an ihren Heimatuniversitäten in der ganzen Welt schwerpunktmäßig mit der österreichischen Literatur beschäftigen. Als Plattform der ehemaligen sowie aktuellen Franz Werfel-Stipendiat(inn)en an den österreichischen Universitäten wird die alljährliche Franz Werfel-Tagung veranstaltet, die sich jeweils einem Thema aus der österreichischen Literatur widmet. Die Konferenz findet unter der Betreuung der Wiener Germanistin Konstanze Fliedl statt.
Sowohl unter VertreterInnen der Medien und der Sprachwissenschaft als auch unter sogenannten "SprachpflegerInnen" sind Sprachmoden ein durchaus frequentes - um nicht zu sagen "modernes" - Thema, wobei gerade Jugendliche und ihr Sprachgebrauch häufig zum Ausgangspunkt der Betrachtung gemacht werden: Lexikalische Auffälligkeiten und strukturelle Abweichungen im Sprachgebrauch der Jugendlichen zeigen starke Varianz und Fluktuation, die deutliche Indikatoren für sprachliche Modeerscheinungen sein können. Der folgende Beitrag soll Moden im Sprachgebrauch Jugendlicher in Österreich betrachten und der Frage nachgehen, ob diese nur kurzfristig bestehende Phänomene darstellen oder zu Sprachwandelprozessen führen können. Zu Beginn werden der Untersuchungsgegenstand "Jugend" näher betrachtet sowie wichtige Einflussfaktoren und Umstände in dessen Kontext angeführt. Anschließend sollen mögliche Sprachmoden in der Kommunikation unter Jugendlichen vorgestellt und erläutert werden. Die Ausführungen beziehen sich auf die im Projekt Jugendsprache(n) in Österreich erhobene Datengrundlage.
"Vielfältige Konzepte - Konzepte der Vielfalt: Interkulturalität(en) weltweit". Internationale Tagung der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik e.V. (GiG) in Ústí nad Labem und Prag, 04.-09. Oktober 2016
Vom 4. bis 9. Oktober 2016 fand in Ústí nad Labem und in Prag die Jahrestagung der GiG in Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Germanistenverband unter der Schirmherrschaft des Kulturministers der Tschechischen Republik Mgr. Daniel Herman, des Regionspräsidenten von Ústí nad Labem Herrn Oldřich Bubeníček, des Rektors der J. E. Purkyně-Universität in Ústí nad Labem doc. RNDr. Martin Balej, Ph.D., der Oberbürgermeisterin der Stadt Ústí nad Labem Frau Ing. Věra Nechybová und der Stadträtin der Hauptstadt Prag Ing. Irena Ropková statt. Die wissenschaftliche Leitung hatten Dr. habil. Renata Cornejo (Ústí nad Labem), Prof. Dr. Manfred Weinberg (Prag) und Prof. Dr. Gesine Lenore Schiewer (Bayreuth) inne.
Wir lesen die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge wieder und finden Rilke hinter jeder Zeile, so wie ihn Rudolf Kassner beschreibt: den zartesten, reinsten Bogen der Brauen, zwei Augen blauesten Blaus, Augen zugleich des Knaben und des Sehers, die slawische und spürende Nase, den blonden Schnurrbart … Kassner fügt hinzu: Rilke war Dichter, auch wenn er sich nur die Hände wusch. [...] Patrick Modiano: "Préface". In: Rainer Maria Rilke: Les Cahiers de Malte Laurids Brigge. Récit. Traduit de l'allemand par Maurice Betz. Paris: Éditions du Seuil 1980
Unter deutschen Handschriften, die in tschechischen Archiven und Bibliotheken aufbewahrt werden, findet man zahlreiche Überlieferungen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Fachliteratur. Ein Teil dieser Texte ist in Böhmen und/oder in Mähren entstanden und ist auf die jahrhundertelange Zweisprachigkeit und das Zusammenleben von Tschechen und Deutschen auf diesem Gebiet zurückzuführen. Ein beträchtlicher Teil der überlieferten Fachliteratur wurde jedoch anderswo geschrieben. Diese Werke, die auf verschiedene Art und Weise nach Böhmen oder Mähren gelangten, können heute als Zeugen der engen Kontakte zwischen tschechisch- und deutschsprachigen Ländern in der Vergangenheit angesehen werden.
"Wie der Geist zum Kamele ward" : Zu einem Leitmotiv in Jonas Lüschers 'Frühling der Barbaren'
(2016)
This paper deals with the semantics of 'barbarism' in Jonas Lüscher's novella "Frühling der Barbaren" (2013). It aims to show that the text incorporates the concept of 'barbarism' into what Lüscher himself calls a "narratology of social complexity": a narrative mode that enables literary texts to serve as platforms for the reflection of moral problems. Lüscher achieves this by referring to specific intertexts by Friedrich Nietzsche and Ingeborg Bachmann while subtly modifying and distorting them. In doing so, "Frühling der Barbaren" acquires a diagnostic and genuinely critical quality: with this sleight of hand, which could be considered a prime example of 'barbarian theorizing' (Walter Mignolo, Maria Boletsi), the novella evokes existing narratives only to recode them into a sardonic critique of global capitalism.
Zwar gibt sich Günter Grass' "Treffen in Telgte" ausschließlich als ein Poetentreffen und hat den Blick der Leser nahezu ausschließlich auf die Poetenfiguren, ihre Diskussionen und die Analogie zur Gruppe 47 gelenkt – geheimes Zentralgestirn aber, um den die barocken Poeten kreisen, ist der im Zentrum der Erzählung in Telgte eintreffende Überraschungsgast Heinrich Schütz. In der Gegenwart des Komponisten verzwergen die Dichter mit ihrem durchaus respektablen Anliegen, eine poetische Nationalkultur zu begründen, und unterwerfen sich seiner Autorität als moralischer Instanz und als Künstler. Der 'große Schütz' formuliert nicht nur die relevante poetologische Programmatik der Erzählung, sondern initiiert auch den hier noch als Musketier und Quartiermacher auftretenden Grimmelshausen in seine spätere Rolle als den für Grass größten Dichter des Barockzeitalters und sein ihn von Jugend an bestimmendes Vorbild. Während die Poeten angesichts der politischen Ohnmacht der Dichtung in den Zeiten des nicht enden wollenden Krieges schier verzweifeln, weisen diese beiden scheinbar als Nebenfiguren eingeführten Charaktere über die Erzählung hinaus in die Zukunft.
Als im Januar 1904 die von Paul Nikolaus Cossmann, Josef Hofmiller und Wilhelm Weigand konzipierten "Süddeutschen Monatshefte" in München zu erscheinen beginnen, handelt es sich dabei um eine der letzten großen Neugründungen im Feld der reichsdeutschen Rundschaupublizistik vor Beginn des Ersten Weltkriegs. Trotz ihres verhältnismäßig späten Erstpublikationsdatums hatte die Zeitschrift eine offenkundige Lücke innerhalb der Münchner Presselandschaft geschlossen. Darauf weist bereits der Germanist Franz Muncker hin, wenn er die "Süddeutschen Monatshefte" in einer Rezension aus Anlass ihres fünfjährigen Jubiläums als die "erste Münchner Monatsschrift" charakterisiert - und damit keineswegs nur den führenden Rang der Zeitschrift herausstreicht.
"wo ist dem Tier sein End?" : das Politische, das Poetische und die Tiere in Hofmannsthals "Turm"
(2016)
In Hofmannsthals "Turm"-Projekt gibt es viele Tiere. Dies gilt für alle vier Fassungen. Nimmt man Begriffe wie Jagd, Reiten und Kreatur hinzu, dann lassen sich allein in der zweiten Fassung ungefähr 170 Tiererwähnungen nachweisen. Die mit Abstand größte Tierdichte findet sich dabei im ersten Auftritt des ersten Aktes, gefolgt vom zweiten Auftritt des zweiten Aktes. Offenbar sind die Tiere für die Entfaltung der Problemlage, wie sie in der ersten Hälfte des Dramas vorgenommen wird, wichtiger als für die Lösungen des Problems, die mit den verschiedenen Enden des Dramas angeboten werden. Bei der Entfaltung der Problemlage spielen die Tiere deshalb eine so zentrale Rolle, weil in ihnen zwei Themen aufeinander bezogen werden, die zum Kernbestand des "Turm"-Projekts gehören: die Frage des Politischen und die Frage des Poetischen. Um die damit gegebene trianguläre Beziehung von Politik, Metapher und Tier wird es im Folgenden gehen.
"Zentrum und Peripherie". Internationale Konferenz des Germanistenverbandes der Tschechischen Republik an der Schlesischen Universität in Opava, 25.-27. Mai 2016
Die internationale Tagung Zentrum und Peripherie wurde vom Germanistenverband der Tschechischen Republik und der Abteilung für Germanistik am Institut für Fremdsprachen der Schlesischen Universität in Opava veranstaltet. Das Organisationsteam aus Opava bestand aus Dr. habil. Gabriela Rykalová, Dr. habil. Veronika Kotůlková und Dr. Miroslav Urbanec. Fast hundert FachteilnehmerInnen aus der Tschechischen Republik, Deutschland, Österreich, Polen, der Slowakei, Spanien, der Türkei und Ungarn konnten in Opava begrüßt werden, außerdem VertreterInnen des DAAD, der Deutschen Welle, des Österreichischen Kulturforums Prag sowie Germanistikstudierende verschiedener Universitäten. Im Rahmen der Konferenz fand auch die Mitgliederversammlung des Germanistenverbands der Tschechischen Republik statt.
"Österreich - USA: Künstlerischer und interkultureller Dialog". Konferenz der Austrian Studies Association (ASA) an der Universität Wien, 14.-17. März 2016
Zum zweiten Mal seit Bestehen der 1961 ins Leben gerufenen Austrian Studies Association (ASA) fand die jährliche ASA-Konferenz in Europa, und zwar wieder in Wien, statt. Organisiert wurde sie von Pia Janke (Forschungsplattform Elfriede Jelinek, Universität Wien), Maria-Regina Kecht (Rice University) und Teresa Kovacs (Forschungsplattform Elfriede Jelinek, Universität Wien). Die Veranstaltung vernetzte durch ein vielfältiges Programm an wissenschaftlichen Vorträgen und künstlerischen Programmpunkten die Universität Wien mit anderen in Wien beheimateten Institutionen, die als Kooperationspartner fungierten, namentlich mit dem Wien Museum, dem Österreichischen Filmmuseum und dem Amerika-Haus.
"… die ehernen Blöcke männlichen Schaffens umkreisen" - Elfriede Jelinek queert Lessing und Goethe
(2016)
Der Beitrag verschränkt kommunikations-, informations-, kulturwissenschaftliche sowie philosophische Ansätze zur Störung mit gender- und queer theory, um Elfriede Jelineks 'Gattung' des Sekundärdramas analytisch zu beschreiben. Jelinek verfasst ihre Sekundärdramen zu kanonisierten Dramen des deutschsprachigen Raums und stellt über ihr typisches, intertextuelles Verfahren Bezug zu den Stücken her, fordert gleichzeitig aber auch die Kombination der Sekundärdramen mit ihren Bezugstexten im Moment der Inszenierung und geht damit über ihr bisheriges Verfahren hinaus. Ausgehend von der Feststellung, dass Jelineks Sekundärdramen in den Umsetzungen am Theater meist als weibliche Gegenschreibung interpretiert werden, will der vorliegende Beitrag zeigen, dass die Sekundärdramen vielmehr an einer Auflösung der Kategorien von 'Weiblichkeit' und 'Männlichkeit' arbeiten. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Thematisierung des Inzests, der mit Judith Butler als vorhandene Ordnungen und Relationen verschiebendes Element gelesen werden kann.
Zu beobachten ist die Karriere eines unreflektierten Essentialismus. Wurzeln sind Bestandteile von Pflanzen. Hier werden sie zu metaphorischen Bestandteilen von Menschen. Zu 'wurzeln' bedeutet, fest zu stecken, mit dem 'kulturellen Herkunftsraum' verwachsen zu sein und zu bleiben. Dieses konstruiert Pflanzliche betont eine letztliche Unverrückbarkeit – paradoxerweise bei Menschen, deren 'Migrationshintergrund' gleichzeitig auf ihre Mobilität fokussiert. Kern der Wurzel-Metapher ist dann auch die Behauptung, dass fremde und vorgeblich unveränderliche Eigenschaften mitgebracht werden.
'Mut zur Angst' oder 'angstfreies Leben'? : philosophische Überlegungen zu einem bedrohlichen Thema
(2016)
Anlässe, über das Thema 'Angst' nachzudenken, gibt es in diesen Tagen mehr als genug. Weihnachtsmarkt und Karneval sind längst vorbei, aber die Terrorgefahr hat sich in Alltag und Lebenswelt verankert. Vor einiger Zeit galt das Thema 'Angst' noch als überschätzt. Gern wurde auf die sprichwörtliche 'german angst' hingewiesen: Vor 30 Jahren hatten wir Angst vor dem Waldsterben, vor 20 Jahren vor dem Wettrüsten und heute vor der Weltklimakatastrophe. Auf Menschen in Ländern mit weniger komfortablen sozialen Bedingungen kann solch diffuse Ängstlichkeit hysterisch wirken. So etwas ist für distanzierte, wissenschaftliche Beobachter geradezu eine Einladung zur Entdramatisierung. 2014 erschien das Buch 'Gesellschaft der Angst' des Soziologen Heinz Bude. Dieser gefragte Vertreter seiner Zunft zählt allerlei Angstphänomene auf: "Schulängste, Höhenängste, Verarmungsängste […], Abstiegsängste, Bindungsängste, Inflationsängste". Und überhaupt: "Ängste vor der Zukunft […], weil bisher alles so gut geklappt hat". Für Bude sind diese öffentlich beschworenen Ängste "offensichtlich" diffus. Er nimmt die Vogelperspektive der Systemtheorie ein und sieht von konkreten Inhalten der Ängste erst einmal ab. Stattdessen betrachtet er sie als soziales Blutdruckmessgerät. Budes These lautet: Ungerichtete Angstgefühle sind ein probates Mittel, mit dem "sich Gesellschaftsmitglieder über den Zustand ihres Zusammenlebens [verständigen]: Wer weiterkommt und wer zurückbleibt; wo es bricht und wo sich schwarze Löcher auftun, was unweigerlich vergeht und was vielleicht doch noch bleibt". Für solche kollektiven Selbstdiagnosen ist es notwendig, dass die Angstgefühle diffus sind. Sonst könnte man sie nicht wie ein Passepartout auf allerlei Sorgen ganz unterschiedlicher Menschen legen und nicht so gut darüber reden und schreiben.
Das ist eine sozialfunktionalistische Perspektive. Man kann sich der Thematik freilich auch aus anderen methodologischen Perspektiven nähern und fragen, was Angst denn nun eigentlich ist. Philosophen, Soziologen und Psychologen haben hier verschiedene, mitunter gegensätzliche Erklärungen
The latest publication of Professor Ioana Crăciun from the University of Bucharest deals with the (de)construction of bourgeois values and norms in the silent movies during the Weimar Republic. In five substantial chapters the author approaches the representation in the silent movies of different aspects which she considers relevant for that epoch. The themes range from the metropolis and its psychopathological aspects, the male homosexuality, the destiny of children, the law-breaking and the Doppelgänger motif.
Die monographische Publikation Ingrid Puchalovás und Michaela Kováčovás entstand im Rahmen des Projekts "Vergessene Texte, vergessenen Literatur. Deutschschreibende Autorinnen aus dem Gebiet der heutigen Slowakei", das am Lehrstuhl für Germanistik der Pavol-Jozef-Šafárik-Universität zwischen 2012 und 2014 umgesetzt wurde.
Rezension zu Bergerová, Hana/ Vaňková, Lenka et al. (2015): Lexikalische Ausdrucksmittel der Emotionalität im Deutschen und im Tschechischen. Ostrava: Universität Ostrava, 262 S., ISBN 978-80-7464-460-3
Die Publikation Lexikalische Ausdrucksmittel der Emotionalität im Deutschen und im Tschechischen entstand im Rahmen des von der Forschungsagentur der Tschechischen Republik (GA ČR) geförderten Projektes Ausdrucksmittel der Emotionalität im deutsch-tschechischen Sprachvergleich. An diesem Projekt haben Germanist(inn)en und Bohemist(inn)en der Universität Ostrava, der Masaryk-Universität in Brno und der Jan-Evangelista-Purkyně-Universität in Ústí nad Labem vier Jahre lang zusammen gearbeitet, wobei die besprochene Publikation nur einen Teil der Forschungsergebnisse vorstellt.
Rezension zu Catani, Stephanie/ Marx, Friedhelm (Hgg.) (2015): Über Grenzen. Texte und Lektüren der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Göttingen: Wallstein, 223 S., ISBN 978-3-8353-1723-9
Das Buch Über Grenzen erscheint als zwölfter Band der Reihe Poiesis. Standpunkte zur Gegenwartsliteratur, die sich als 'Forum poetologischer, literaturwissenschaftlicher und literaturkritischer Beiträge im Kontext der Bamberger Poetikprofessur' versteht. Der vorliegende Band passt sehr gut in das Programm der Reihe1, die sich in der Mehrzahl einzelnen SchriftstellerInnen - wie zuletzt Jenny Erpenbeck, Thomas Glavinic oder Annette Pehnt - widmet, werden in ihm doch Werke (Romane und ein Hörspiel) von gleich sieben Gegenwartsautor(inn)en vorgestellt und literaturwissenschaftlich analysiert sowie mit einem Kommentar zu deren Entstehung von den SchriftstellerInnen selbst versehen.
Rezension zu Chiellino, Carmine/ Shchyhlevska, Natalia (Hgg.) (2014): Bewegte Sprache. Vom 'Gastarbeiterdeutsch' zum interkulturellen Schreiben. Dresden: Thelem, 288 S., ISBN 978-3-942411-60-8
Unter welchen Voraussetzungen entsteht interkulturelle Literatur in Deutschland? Dieser Frage widmet sich der vorliegende Band und untersucht, wie sich der kreative Umgang mit der deutschen Sprache durch drei Autorengenerationen entwickelt hat. Die Beiträge würdigen die Sprachleistungen der jeweiligen AutorInnen und weisen zugleich durch gezielte Analysen auf wiederkehrende Grundtendenzen im Umgang mit der deutschen Sprache hin. Dabei ist besonders von Interesse, wie sich die deutsche Sprache unter dem Einfluss der Literatur interkultureller AutorInnen entwickelt und verändert. Literatur-, Sprach- und Translationswissenschaftler aus mehreren Ländern analysieren wiederkehrende Erzählstrategien und literarische Phänomene in den Werken zahlreicher AutorInnen mit unterschiedlichen Herkunftssprachen und -kulturen.
Die Erforschung von Ausdrucksmitteln der Emotionalität ist bereits vor einigen Jahrzehnten ins Zentrum des Interesses der Linguistik gerückt, sie bietet aber weiterhin offene Forschungsfragen, insbesondere in Verbindung mit der jüdischen Emigration und der narrativen Gestaltung des Erlebten. Der im Jahre 2016 in Würzburg erschienene Band 'Emotionsausdruck und Erzählstrategien in narrativen Interviews. Analysen zu Gesprächsaufnahmen mit jüdischen Emigranten' leistet einen Beitrag zur Erforschung des Verhältnisses zwischen Sprache, Emotion und jüdischer Emigration bzw. Flucht in den 1930er Jahren von Mitteleuropa nach Palästina.