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"Von einer Vereinigung des Christenthums mit der Philosophie kann ich mir nichts Bestimmtes denken", schreibt Friedrich Schleiermacher am 28. März 1801 an Friedrich Heinrich Christian Schwarz, den später nach Heidelberg berufenen Theologen und Pädagogen. "Was wollen Sie vereinigen, wo gar kein Streit ist? Die Religion kann nicht umhin, die philosophierende Anlage im Menschen anzuerkennen, und das tut sie auch wohl jetzt durchaus; und ebenso kann man die Philosophie nötigen, die religiöse Stimmung anzuerkennen, wenn sie sich gleich etwas ungebärdig dabei anstellt." Man glaubt in diesen Worten das irenische, zum Ausgleich geneigte Gemüt Schleiermachers zu vernehmen, welches gleichwohl nicht hat verhindern können, dass er mehrfach in seinem Leben in heftigen religiösen, politischen und literarischen Streit verwickelt wurde.
In seinen Worten klingt jedoch auch noch das Bewusstsein nach, dass die Harmonie von Philosophie und Religion, falls es sie überhaupt gibt, jedenfalls jüngeren Datums ist. Die Philosophie stellt sich immer noch ungebärdig dabei an, die religiöse Stimmung anzuerkennen. Umgekehrt scheint die Religion eben erst jetzt - um 1800 - ihren Frieden mit der philosophierenden Anlage im Menschen gemacht zu haben. Man muss hier nicht unbedingt an jene jahrtausendealte Tradition der Auseinandersetzung zwischen Philosophie und Religion denken, die wir heute noch mit dem Stichwort Athen vs. Jerusalem bezeichnen.
Es genügt, sich ans 17. und 18. Jahrhundert zu erinnern, an die philosophes, die kritischen Intellektuellen Frankreichs, die einen zähen, nach und nach immer besser organisierten Kampf gegen die katholische Kirche führen, oder an die nach der Massenflucht der Hugenotten aus Frankreich vor und nach 1685 und der Glorious Revolution (1688) besonders in England und den niederländischen vereinigten Provinzen intensiv und erbittert geführte Debatte über religiöse Toleranz und katholische wie protestantische Intoleranz.
In Schillers Wallenstein-Trilogie ist nicht der Zeitpunkt der Tat entscheidend, sondern der Zeitpunkt der Information. Auch Gerüchte sind Informationen, wenngleich unsichere. Sie spielen im Machtkampf zwischen Wallenstein und der kaiserlichen Partei sogar eine maßgebliche Rolle, denn dieser dreht sich, genau besehen, darum, Gerüchte als Nachrichten beim Heer glaubhaft zu machen. Wem dies als erstes gelingt, der gewinnt in dem Informationskrieg, der sich in Schillers Stück abspielt. Wallensteins Informationsoffensive verfolgt ganz deutlich dieses Ziel. Er schickt Eilboten nach Prag, die dort vermelden sollen, dass die Pilsener Truppen ihm neu gehuldigt hätten. Durch dieses als Nachricht ausgegebene Gerücht sollen sich die Prager Truppen veranlasst sehen, sich ebenfalls für Wallenstein zu erklären. Die Nachricht von den Prager Truppen soll wiederum die Pilsener Regimenter dazu bewegen, sich hinter Wallenstein zu stellen. Denn wenn Prag sich erst für ihn ausgesprochen habe, so legt Wallenstein sein Gerüchtekalkül seinem Getreuen Illo dar,
"[d]ann können wir die Maske von uns werfen,
Den hiesigen Truppen den gethanen Schritt
Zugleich mit dem Erfolg zu wissen thun.
In solchen Fällen thut das Beyspiel alles.
Der Mensch ist ein nachahmendes Geschöpf,
Und wer der Vorderste ist führt die Heerde.
Die Prager Truppen wissen es nicht anders,
Als daß die Pilsner Völker uns gehuldigt,
Und hier in Pilsen sollen sie uns schwören,
Weil man zu Prag das Beyspiel hat gegeben."
(T, III/4, 1430–1439)
Wallenstein setzt auf die Nachahmung, um eine Massendynamik zu induzieren. Er beschreibt Nachahmung als anthropologisches Charakteristikum, womit Schiller seinem Protagonisten eine Vorstellung der Aufklärung in den Mund legt.
Das Ziel dieses Beitrags ist, die Vita einer fast in Vergessenheit geratenen Literatin, Maria Therese von Artner, darzustellen. Ihre Lebensgeschichte und literarisches Schaffen sind für slowakische Germanisten mindestens aus zwei Gründen interessant. Erstens verbrachte sie ein Teil ihres Lebens mit in den Komitaten Neutra (Nitra) und Trentschin (Trenčín), zweitens wurde sie von Zeitgenossen als eine talentierte Dichterin wahrgenommen und zählt zugleich zu den wenigen bekannten deutsch schreibenden Schriftstellerinnen des frühen 19. Jahrhunderts unserer Region...
Autobiographisches Erinnern, so kann man bei Harald Welzer lesen, wird maßgeblich durch die Kategorien Raum, Zeit und Selbst beeinflusst. Die Autobiographieforschung hat vor allem die letzten beiden Kategorien fokussiert, während der Relevanz von Räumlichkeit in autobiographischen Schriften erst seit dem spatial und topographical turn verstärkt Beachtung zukommt. Dabei hat bereits Immanuel Kant deutlich gemacht, dass Raum und Zeit für den Menschen von korrespondierender Bedeutung sind: Sie stellen das Apriori menschlicher Erkenntnis dar, so dass beide Kategorien die Wahrnehmung einer äußeren Umwelt erst ermöglichen. Ebenso wie die Zeit ist nach Kant der Raum ein kognitives Konzept, kein realweltliches. Das führt zu der Überlegung, dass für ein sich selbst schreibendes Ich sowohl die individuelle als auch die gesellschaftliche Codierung von Räumlichkeit relevant ist. Gaston Bachelard und Michel de Certeau stellen diesen gesellschaftlichen Codierungen individuelle Aneignungen von Raum und Räumlichkeit zur Seite, so dass die Codierungsarbeit als eine Aushandlung zwischen gesellschaftlichen Raumordnungen und individuellen Raumpraktiken verstanden werden muss. Dies führt zu der These, dass in Autobiographien ein Ich die gesellschaftlichen Raumordnungen verhandeln und sich zu ihnen in Bezug setzen muss, während der Raum das Ich dabei überhaupt erst konstituiert. Auf diese Weise erscheint das autobiographische Ich als eingebettet in die gesellschaftlichen Koordinaten seiner Zeit. Vor diesem theoretischen Hintergrund erweist sich Walter Benjamins Berliner Kindheit um neunzehnhundert als signifikanter Text. Es stellt sich die Frage, wie das Verhältnis von Raum, Zeit und Ich, das jeden autobiographischen Text prägt, in Benjamins Prosaminiaturen figuriert ist und inwiefern es die Texte konstituiert.
Sprache als ein Bestandteil des biologisch-kognitiven Einklangs angeborener menschlicher Fähigkeiten wird in kognitiv-linguistischer Leseart nicht als ein vom Menschen unabhängiges, abstraktes sowie autonomes System betrachtet. Sprache ist mit Bedeutung demzufolge als Verknüpfung von verschiedenen Wissensaspekten in der menschlichen Kognition verankert. Die bestimmten Spielarten der kognitiven Linguistik, die Sprache als Teil der menschlichen Kognition begreift, versuchen, besonders den Einfluss der menschlichen Wahrnehmungsprozesse auf Sprache und sprachliche Strukturen zu analysieren...
Häufig wird angenommen, man sei dort "zu Hause", wo man geboren wurde. Man könnte etwa sagen: "Hier! Hier bin ich zur Welt gekommen", und mit diesen Worten wäre impliziert, dass man sich keinen vertrauteren, wertvolleren und intimeren Ort vorzustellen vermag. Dieser Ort wäre, anders ausgedrückt, der Ort, wo man hingehört. Der Ort, an dem man geboren wurde, ist jedoch willkürlich. Menschen wurden im Exil geboren oder auch neben Straßensperren. Tatsächlich hat kein Mensch Einfluss auf die Umstände der eigenen Geburt. Der eigene Geburtsort bedeutet also nur auf indirekte Weise Zugehörigkeit. In Wirklichkeit bezeichnet nichts mehr Zugehörigkeit als ein Grab. Ein Grab ist ein fester Ort, auf den man zeigen und dabei feststellen kann: "Hier liegen mein Vater und seine Vorfahren begraben, und hier werde auch ich eines Tages begraben sein." Es ist der Ort, den man häufig für sich selbst auswählen kann, wo das Menschliche schließlich eins mit der Erde wird. Diese grundlegende Einheit des Belebten und Unbelebten veranlasste etwa Giambattista Vico zu der Aussage, in früheren, primitiveren und prosaischeren Zeiten sei der Grabstein ein rechtliches Gebilde. "So zeigten schon durch die Gräber ihrer Bestatteten die Giganten die Herrschaft über ihrer Ländereien an; [...] Und zu Recht", bemerkte Vico, "gebrauchten sie jene heroischen Redensarten: 'wir sind Söhne dieser Erde', 'wir sind geboren aus diesen Eichen' [...]." Somit gehört man nicht an den Ort, an dem man geboren wurde, sondern dorthin, wo man zur letzten Ruhe gebettet wird.
Manche Menschen besitzen mehr als nur einen Grabstein. Gershom Scholem ist einer von ihnen - eine merkwürdige Tatsache. Dem Anschein nach gehört Scholem, wenn er überhaupt irgendwohin gehört, nach Jerusalem.
Philosophie der Musik
(2014)
Musik wird als eine der wichtigsten kulturellen Betätigungen zwangsläufig auch in der Philosophie an mehr oder weniger prominenter Stelle Thema. Immer bleibt sie dabei jedoch dem jeweiligen philosophischen System untergeordnet: So ist sie mathematische Disziplin in Antike und Mittelalter, die die Harmonie des Kosmos wiedergibt (und das teils bis heute: "Die Welt ist Klang"), bei Kant ein bloßes Spiel mit Empfindungen, das allen anderen Künsten untergeordnet bleibt, bei den Romantikern die Ahnung des Absoluten, bei Schopenhauer die höchste Kunst, die das An-sich der Welt unmittelbar abbildet. Philosophische Abwertung (sie ist keine Erkenntnis) und Aufwertung (sie ist höhere Erkenntnis) wechseln sich ab. Mit der neuzeitlichen Einordnung als Kunst wurden auf die Musik zudem ästhetische Unterscheidungen angewandt, insbesondere die Unterscheidung von Inhalt und Form: Als Inhalt gilt der Ausdruck von Gefühlen, von Seelischem, oder ihr Gegenstand wird in der Verneinung eines konkreten Inhalts bestimmt als "geisterfüllte" "tönend bewegte Formen" (Hanslick). Adorno wollte Musik schließlich gar philosophisch-politisch begründen, indem er Wahrheit mit politischer Korrektheit (Antikapitalismus) gleichsetzte und angesichts des "universellen Verblendungszusammenhangs" Wahrheit nur in der Zwölftonmusik sah.
Diese vielfältigen und umstrittenen Bestimmungen treffen immer nur Teilaspekte der Musik. Eine Philosophie der Musik muss hingegen die Musik "als sie selbst" auslegen. Dazu ist von der allgemeinsten menschlichen Eigenheit, dem Verstehen von Sinn, auszugehen. Musik bildet einen besonderen Sinnzusammenhang im Bereich des Hörens und muss als hörendes Verstehen Thema werden.
In der Phraseologieforschung gelten Phraseologismen als solche Einheiten, die an den jeweiligen Kontext angeschlossen werden müssen, da sie "offene Stellen" enthalten, die ergänzt werden müssen. Sie sind also keine fertigen Sätze oder Texte und bedürfen eines Anschlusses an den Kontext (vgl. Fleischer 1997: 80ff. und 1994: 155–172). Das betrifft v.a. verbale Phraseologismen, d.h. solche, die ein Verb in ihrer Struktur beinhalten und somit wie ein Verb in der Sprachgemeinschaft gebraucht werden (vgl. Sternkopf 1992). Das Verb gilt aber immerhin als strukturelles Zentrum des Satzes und ihm kommt die Rolle zu, den gesamten Satz zu organisieren...
Heike Simon ist als Rechtsanwältin und juristische Fachübersetzerin tätig, zugleich lehrt sie an der Universität Lille 2 in Frankreich, wobei ihr Schwerpunkt im Bereich Grundlagen des deutschen Rechts und die deutsche Rechtssprache liegt. Dr. Gisela Funk - Baker war ebenfalls im akademischen Bereich tätig, wobei sie sich mit Fachsprachen beschäftigt hat, u.a. auch mit der deutschen Rechtssprache...