Geschichtswissenschaften
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Für die Erforschung der spätantiken Herrscherideologie hat Andreas Alföldi (1895-1981) Grundlegendes geleistet. Ihm gelang es, bildliche Darstellungen zum Sprechen zu bringen und ihre Bedeutung für die Repräsentation der Kaiser zu verdeutlichen. In dieser Tradition bewegt sich der Tübinger Althistoriker (und zeitweilige Assistent Alföldis) Frank Kolb mit seinem hier anzuzeigenden Buch. Darin führt er die verstreuten, von verschiedenen altertumswissenschaftlichen Disziplinen vorangetriebenen Forschungen zur spätantiken Herrscherideologie zusammen, die er durch eigene Beiträge wesentlich beeinflußt hat. ...
Die hier zu besprechende Publikation umfasst die Akten einer internationalen Tagung zum Gymnasion in der Kaiserzeit, die vom 23. bis 24. November 2007 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt veranstaltet wurde. Sie ergänzt somit zeitlich und thematisch den bereits 2004 publizierte Band zum hellenistischen Gymnasion, der aus den Beiträgen einer gleichnamigen Tagung im Jahre 2001 hervorging und von Daniel Kah und Peter Scholz herausgegeben wurde. Ziel des Frankfurter Forschungsprogramms war die Untersuchung der antiken Wissenskultur, ihrer Rolle bei der Gestaltung der hellenistischen Kultur und deren Wirkung auf die römische Welt. Die Institution des Gymnasions war als repräsentative Fallstudie für beide Tagungen ausgewählt worden. Der vorliegende Band, der 2015 von Peter Scholz und Dirk Wiegandt herausgegeben wurde, umfasst eine Einleitung und elf Einzelstudien, neun davon von Verfassern mit einem althistorischen und/oder epigraphischen Hintergrund, und zwei von Archäologen. Folglich betrifft der größte Teil des Bandes Fragestellungen, die sich aus den Zeugnissen der schriftlichen Überlieferung ergeben. ...
In der neuen Reihe "Geschichte der Antike" des C.H. Beck Verlags, die einem breiteren Publikum eine Einführung in die Großepochen der Alten Geschichte geben will, widmet sich Wolfgang Blösel der römischen Republik, zu der Beck bereits einen kürzeren Überblick von Martin Jehne und einen ausführlicheren von Klaus Bringmann publiziert hat. Martin Jehne, Die römische Republik. Von der Gründung bis Caesar, 3. durchgesehene Aufl., München 2013 (1. Aufl. 2006) und Klaus Bringmann, Geschichte der römischen Republik. Von den Anfängen bis Augustus, 2. durchgesehene Aufl., München 2010 (1. Aufl. 2002). Blösel gelingt es aber, innerhalb einer weithin traditionellen, sehr ereignisgeschichtlich orientierten Erzählung neue Deutungen für den Aufstieg und Fall der Republik zu präsentieren, die auf seinen Spezialstudien beruhen und neueste Literatur mit einbeziehen. ...
Auf welche Weise offenbart sich der Einfluss bildungsadministrativer Vorgaben und fachwissenschaftlicher Diskurse im Geschichtsschulbuch? Die vorliegende Studie geht dieser Frage anhand einer diachronen Längsschnittuntersuchung zum mittelalterlichen "Lehnswesen" in hessischen Geschichtsschulbüchern zwischen 1945 und 2015 auf den Grund. Nach der Entwicklung eines möglichst repräsentativen Untersuchungskorpus wird auf Basis der verschiedenen Lehrpläne und mediävistischen Grundlagen ein Fragenkatalog für die anschließende Schulbuchanalyse entwickelt auf dessen Basis Veränderungen in den Schulbuchdarstellungen offengelegt und exemplarisch konkretisiert werden. Abschließend setzt die Studie die verschiedenen Einflussfaktoren bei der Erstellung neuer und der Überarbeitung alter Geschichtsschulbücher miteinander in Bezug und bewertet diese hinsichtlich ihrer Bedeutung für Veränderungen in Schulbüchern.
Der Wandel von Perspektiven, Deutungen, Methoden und Themen bestimmt den wissenschaftlichen Fortschritt. Deshalb zerbricht die Vorstellung sicheren Wissens über die Generationen hinweg, so dass sich die Vergangenheit in den historisch arbeitenden Kulturwissenschaften in immer neuen Methodenwenden verändert. Der moderne Mut, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aktiv in die Subjektivität ihrer Perspektivierungen einzubauen, bringt die steuernde Macht des Erkenntnisinteresses und seiner Veränderungen vermehrt zur Geltung. Dabei geraten selbst traditionelle Kontrollinstanzen der historisch-kritischen Hermeneutik in die Debatte. Während heute die einen das Vetorecht der Quellen beschwören, stellen andere die beständig verformende Kraft des Gedächtnisses und damit die Relativität punktueller schriftlicher Fixierungen heraus. ...
Auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Gibt es für Historiker etwas Banaleres als Schuhe, um den Charakter des Nationalsozialismus zu entschlüsseln? Geht das überhaupt? Ja, es geht, und es geht sogar ganz großartig, jedenfalls wenn man so viel Einfallsreichtum, Sorgfalt und Mühe aufwendet wie Anne Sudrow, die dafür 2010 zu Recht mit dem Preis des Historikerverbandes ausgezeichnet worden ist. ...
"Dissz concilium hett ein schoenen anfang, aber ein ublen uszgang von nochvolgender zweyung wegen". Diesem Motto – es findet sich in der Schedelschen Weltchronik (f. CCXLIIIr) wie bei dem Basler Chronisten Christoph Offenburg – ist bislang auch die Forschung gefolgt, wenn sie der zweiten Hälfte des Basiliense weitaus weniger Beachtung geschenkt hat als dessen erstem Jahrzehnt bis zur Absetzung Eugens IV. und Erhebung Felix’ V., da es nach 1440 scheinbar nur noch die sich daraus ergebenden negativen Konsequenzen und den schließlichen Misserfolg des gesamten konziliaren Zeitalters zu bilanzieren gibt. Um zu einer differenzierteren Einschätzung zu gelangen, bedarf es – so HERIBERT MÜLLER (Frankfurt am Main/München) – noch breiterer Quellenerschließung sowie der Berücksichtigung einer in den letzten Jahren merklich intensivierten Publikationstätigkeit generell zum Zeitalter des großen Schismas und der Reformkonzilien (bis eben auf die Basler Spätzeit); einer Epoche, die es auch als ganze bei solcher Schlussbilanz selbstverständlich mit einzubeziehen gilt. Diese zahlreichen Veröffentlichungen neueren Datums mögen im Übrigen mit der von Erich Meuthen entwickelten Sicht auf die – lange vorrangig theologisch und strikt kirchenhistorisch untersuchten – großen Konzilien des 15. Jahrhunderts als allgemeinhistorisch relevante Phänomene zusammenhängen. Müller bot sodann eine Vorschau auf die im Rahmen der Tagung behandelten Themen und wies auf sonstige Forschungsfelder hin, die weiterhin der Erschließung harren, wie etwa die bislang nur ungenügend untersuchte Frage einer Rezeption Basler Reformdekrete "stricto sensu" via Provinzial- und Diözesansynoden oder die – oft gebrochenen und daher besonders aufschlussreichen – Biographien von Konzilsvätern aus Spätbasler Zeit und deren Situierung in personellen Verbundnetzen oder aber die Politik jener Mächte, die wie Mailand, Aragón und Polen das Basler Konzil noch in den vierziger Jahren mit in ihr Kalkül einbezogen. Besonderes Augenmerk wäre indes auf Frankreich und das Reich als die für die Liquidation des Basiliense entscheidenden Mächte zu richten, nicht zuletzt auch unter dem Aspekt kompetitiver Konkurrenz (vgl. auch drittes Konzil, Fürstenkongress), der wiederum auf den Umstand konzilsbedingter Ausformung prä- oder protonationaler Faktoren verweist. ...
Die Hessischen Schülerakademien fördern begabte und interessierte SchülerInnen wissenschaftlich und musisch-kulturell. Zugleich dienen sie dem Ziel einer entsprechenden Lehreraus- und Weiterbildung. 2014 findet die zehnte Akademie für die Klassen 10-13 statt und die vierte Akademie für die Klassen 7-9. Beide Akademietypen haben eine große Resonanz gefunden. ...
Heinrich Kalteisen
(2014)
Dieser Beitrag betrachtet die Verwendung von Fotografien des Brandenburger Tors in Schulbüchern für die gymnasiale Oberstufe in Hessen. US-Präsident Ronald Reagan machte mit seiner Rede 1987 das Tor zum Symbol der deutschen Teilung:
"Mr. Gorbachev, open this gate! Mr. Gorbachev, tear down this wall!"
Untersucht wird die Frage: Werden Fotografien des Brandenburger Tors vornehmlich im Kontext der deutschen Teilung verwendet?
Zu den dunkelsten Kapiteln deutscher Rechtsgeschichte zählt die zivile Besatzungsjustiz Nazideutschlands in Osteuropa. "Dunkel" ist hier in zweifacher Hinsicht zu verstehen: Zum einen war die Justiz durch die Involvierung in die Besatzungspolitik an der Unterdrückung und Ausplünderung der besetzten Gebiete und ihrer Bevölkerung beteiligt und trug durch die Verfolgung des Widerstandes und der "normalen" (Kriegs-)Kriminalität maßgeblich zur Stabilisierung der deutschen Herrschaft bei. Zum anderen ist dieser Aspekt nationalsozialistischer Rechtsund Justizgeschichte in der deutschen Forschung bislang wenig beachtet worden, was vor allem den Sprachbarrieren, den lange Zeit nur schwer zugänglichen osteuropäischen Archiven und ideologischen Hemmnissen in der Zeit des Kalten Krieges geschuldet ist. ...
Von 9.–13. November 2009 kamen die 141 Vertragsstaaten der Anti-Korruptionskonvention der Vereinten Nationen in Doha (Katar) zusammen und nahmen die wichtigste Resolution seit Inkrafttreten der Konvention an. In Zukunft wird die Umsetzung der Konvention in jedem Vertragsstaat von jeweils zwei anderen Vertragsstaaten überprüft, die einen Bericht mit Empfehlungen abgeben. Dies soll nicht nur die Umsetzung des ersten globalen Abkommens gegen Korruption garantieren, sondern auch den internationalen Dialog und die Leistung technischer Hilfe fördern. Viele Delegierte wiesen darauf hin, dass Bestechung nur im Zusammenwirken von aktivem und passivem Part möglich sei und dass Korruption in ihren vielfältigen Formen nur in der geteilten Verantwortung von Industrie- und Entwicklungsländern effektiv bekämpft werden könne. Dies entspricht dem Geist der Konvention, die die internationale Zusammenarbeit erleichtert und durch umfassende Bestimmungen über die Strafbarkeit unter anderem von Bestechung gleiche Bedingungen unter den Staaten schafft. ...
Thomas Ott beschäftigt sich in seiner 2006 abgeschlossenen Dissertation mit dem albertinischen Sachsen und seinen politischen Wirkungskreisen im 16. Jahrhundert. Im Zentrum des Interesses steht die Frage, "was das albertinische Sachsen im Reich 'ausmachte', was es 'galt', wodurch seine Beziehungen zu anderen Ständen und zum Kaiser definiert waren" (6). Als zentrale Maßstäbe für die Einordnung Sachsens in das durch Kaiser und Reichsverband markierte Bezugsfeld werden in der Einleitung unter den Schlagworten "Präzedenz" und "Nachbarschaft" einerseits die Teilnahme an Reichsversammlungen und damit die Bedeutung von Session und Zeremoniell und andererseits das Erbeinungswesen herausgestellt. Bei Letzterem liegt der Fokus auf Erbeinungen zwischen Sachsen und Böhmen und der Frage, ob diese "langfristig für Einfluß bei Kaiser und Ständen sorgen konnten und wie sich dieser Einfluß bemaß" (27). ...
Die Disposition des anzuzeigenden Buches lässt sich auf folgende Kurzformel bringen: drei antike Historiographen und zwei schlechte Kaiser. Indessen, wie schreibt man als antiker Autor über einen der damnatio memoriae verfallenen Kaiser, wenn ihn (1.) seine Zeitgenossen positiv oder zumindest neutral darstellten, man (2.) gleichzeitig auf eine panegyrische Überlieferung zurückgreifen musste, die von der Angst vor Sanktionen gekennzeichnet war, und (3.) man seinem eigenen Publikum gefallen mochte? Ziel des Buches ist nicht etwa die Rekonstruktion historischer Realität, oder die retrospektive Diagnose des vom Friedensnobelpreisträger Ludwig Quidde unterstellten Caesarenwahnsinns, sondern die Analyse der literarischen Strategien römischer Historiker und Biographen zur Konstruktion eines negativen (und bis heute wirksamen) Herrscherbildes von Nero und Domitian. Damit wird von Anfang an der Weg bezeichnet, auf dem vorangeschritten werden soll: Es ist eher der eines Hayden White und nicht der eines Ronald Syme. ...
Bange zeigt mit seiner Studie zum römischen Kreditgeldwesen auf, dass bereits lange vor dem 13. Jahrhundert – so die ‚klassische‘ Einschätzung für das Aufkommen eines modernen Bankwesens – ein Kreditgeldsystem verwendet wurde, und unterstützt eine modernistische Deutung der römischen Wirtschaftsgeschichte. In der Einleitung (S. 14) wendet er sich gegen die negativen Ansichten von Moses I. Finley und steht dabei in mancher Weise in einer Tradition mit anderen geldwirtschaftlichen Forschungsbeiträgen, so etwa mit Sitta von Redens wichtiger Monographie "Money in Classical Antiquity", wobei die schematische bipolare Wahrnehmung primitivistischer oder modernistischer Ansätze an sich in weiten Teilen der aktuellen Wirtschaftsgeschichte als überholt anzusehen ist. Ferner beklagt Bange, dass gerade die numismatische Forschung eine lediglich verengte, letztlich in Übereinstimmung mit Finley vereinfachte "Geld gleich Münze"-Perspektive eingenommen hätte (S. 15). Diese Einschätzung, die sich auf die positivistische Material- bzw. Grundlagenarbeit der Numismatik fokussiert und mit einem Zitat aus Francesco de Martinos Klassiker "Wirtschaftsgeschichte des alten Rom" (1991) unterlegt wird, erscheint als Kritik an numismatischen Beiträgen zur antiken Wirtschaftsgeschichte zu absolut und verallgemeinernd formuliert. ...
Im Verlauf einer Erkundungsexpedition des britischen Militärs in Ägypten wurde 1917 in der Westwüste zwischen der Oase Dachla und dem Gilf Kebir an der Grenze zu Libyen und dem Sudan von dem mitreisenden britischen Geologen und Geographen Jon Ball am Fuße einer von zwei weithin sichtbaren Geländeerhebungen aus Sandstein eine größere Anzahl von Gefäßen bzw. Gefäßresten aus Ton entdeckt. Ball bezeichnete die nördliche der beiden Erhebungen mit einer Höhe von ca. 39 m der vielen Gefäßfunde wegen als Pottery Hill. Die heutige Bezeichnung ist der arabische Name Abu Ballas. Die Entfernung zur Oase Dachla beträgt etwa 200 km. Die Geländeerhebungen waren zunächst nur als geographische Fixpunkte in der sonst ebenen Wüste von Interesse. ...
In jüngeren geschichtswissenschaftlichen Arbeiten über die römische Kaiserzeit ist ein wiederentdecktes Interesse an den vermeintlich "schlechten" Kaisern unverkennbar. Zu den umstrittensten principes des 1. Jahrhunderts n.Chr. zählt auch Domitian, der letzte Flavier auf dem Herrscherthron, der von der zeitgenössischen Literatur zum Iuppiter-gleichen Idealherrscher stilisiert, in den nach seiner Ermordung erschienenen Schriften dagegen als Tyrann gebrandmarkt wurde. ...
Die in der renommierten Reihe der Göttinger Orientforschungen erschienene Arbeit ist einem Thema gewidmet, das in der ägyptologischen Forschung trotz seiner offenkundig hohen Relevanz und Bedeutung lange Zeit ziemlich vernachlässigt wurde: dem vielschichtigen und facettenreichen Phänomen des Reisens im Alten Ägypten. Wie dem Untertitel zu entnehmen ist, werden dabei neben einer Vielzahl von relevanten, unter dem weiten Begriffsfeld "Reisekultur" subsumierten Aspekten insbesondere praktische Fragen nach den Fortbewegungs- und Transportmitteln in pharaonischer Zeit in den Vordergrund gestellt, doch kommt das Spektrum der textlich belegten individuellen Reisenden selbst und ihrer verschiedenen Motivationen und Destinationen keineswegs zu kurz. In der Tat kann das schmale Niltal als langgestreckte Flussoase mitsamt den unmittelbar angrenzenden Wüstengebieten in Ost und West einerseits und dem breiten, von zahlreichen Kanälen und Verbindungswegen durchzogenen Nildelta im Norden andererseits als eine naturräumlich besonders "verkehrsträchtige" Region gelten, die durch die landschaftlichen Gegebenheiten besondere Möglichkeiten bot, aber auch spezielle, nicht zuletzt verkehrstechnische und logistische Anforderungen an Reisen und Reisende in pharaonischer Zeit stellte – vor allem, wenn das Reiseziel außerhalb der eigenen kulturellen Grenzen lag. Zudem erlaubt das außerordentlich lange Bestehen der pharaonischen Hochkultur im Verbund mit einer relativ reichen Quellenlage kulturhistorisch aufschlussreiche diachrone Betrachtungen, etwa im Hinblick auf die Entwicklung von Reise- und Transportmitteln, den Ausbau des Verkehrs- und Wegesystems oder allgemeine sozio-ökonomische Prozesse, die mit Fragen der Mobilität zusammenhängen. ...
Das Geschichtswerk des Florus findet in der modernen althistorischen Forschung nur wenig Anerkennung. Dies geschieht nicht ohne Grund, entspringen doch manche Berichte allzu deutlich der Phantasie des Historiographen und basieren auf einer auf Effekte abzielenden Darstellungskunst. Ein Beispiel hierfür liefert seine Schilderung des Ablaufs der clades Variana, die – beim Wort genommen – kein Vertrauen verdient und daher zumeist in der aktuellen Diskussion über die Vorgänge in Germanien übergangen wird. Dagegen ist Florus anerkanntermaßen ein wichtiger Repräsentant für die Geschichtsschreibung des 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr. Der Beitrag zielt nicht darauf ab, das viel diskutierte Problem der ‚Varusschlacht‘ und ihre Lokalisierung erneut zu traktieren, vielmehr sollen neben dem Geschichtsbild des Autors und seiner Auffassung über die den geschichtlichen Prozess beeinflussenden Kräfte die Zeitbezüge verdeutlicht werden, die hinter dem Berichteten als solchem erkennbar sind. Damit gewährt das Werk interessante Einblicke in Erwartungen, Vorstellungen und Mentalitäten der Zeitgenossen des Autors, was jenseits positivistischer Vermittlung von Fakten auch für den Historiker von Bedeutung ist.
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ist ein Steinensemble aus Frankfurt-Heddernheim/Nida bekannt, das aus einer 107 cm hohen Geniusstatue und einer zugehörigen Basis (Höhe 54 cm – Breite 50,5 cm – Tiefe 34,5 cm) aus Sandstein besteht. Die im Sockel eingeschlagene Inschrift datiert das Objekt durch die Angabe der amtierenden Konsuln in das Jahr 230 n. Chr. ...
Die Gallia Narbonensis gilt als eine der am stärksten romanisierten Provinzen des Imperium Romanum. Gefördert wurde dieser Umstand sicherlich durch die Nähe zu Italien und die recht frühe Provinzialisierung des Gebietes seit dem 2. Jhdt. v. Chr.1 Dabei wurde in der Forschung oft die Frage gestellt, ob ebenso die Agrarstrukturen Italiens, sprich eine auf Sklavenarbeit beruhende Großvillenwirtschaft, in der Narbonensis etabliert wurden. Trotz des eigentlich spärlichen Quellenmaterials ist die Antwort überraschenderweise meistens positiv. Das Ziel dieses Artikels besteht nun darin, diese Aussagen einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Hierzu werden insbesondere Inschriften zur Klärung des Sozialstatus der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte herangezogen. Ein kurzer Vergleich mit einigen epigraphischen Belegen aus den benachbarten Provinzen und eine Prüfung der Aussagefähigkeit weiterer Quellen, darunter archäologischer und ikonographischer Zeugnisse, soll die Analyse abrunden.
In seinem viel beachteten Buch "Das kalte Herz" erzählt der Wirtschaftshistoriker Prof. Werner Plumpe die Geschichte des Kapitalismus, der seiner Ansicht nach eine nüchterne Form des Wirtschaftens darstellt, die sich anderen Systemen gegenüber als überlegen und leistungsfähiger erwiesen habe. Die lange Tradition der Kapitalismuskritik habe bis heute nicht verstanden, dass im Kapitalismus große Vermögen eingesetzt werden, um Güter herzustellen, die in der Regel für Menschen mit kleinem Einkommen erwerbbar sind.
Der von den schwedischen Rechtshistorikern Kjell Å. Modéer und Martin Sunnqvist herausgegebene Band geht zurück auf ein 2006 veranstaltetes, gleichnamiges Symposium. Die in vier thematischen Gruppen angeordneten 14 Beiträge stammen aus der Feder von Rechtshistorikern bzw. Juristinnen, Literaturwissenschaftlern und Kunsthistorikerinnen überwiegend skandinavischer Provenienz und beschränken sich mit zwei Ausnahmen auf Entwicklungen des 19. und vor allem des 20. Jahrhunderts. Die auf dem Umschlag abgebildete Gerichtsszene vom Beginn des 17. Jahrhunderts täuscht also etwas, allerdings hätte manche Analyse in der Tat auf der viel früher an derartigen Fragen interessierten Frühneuzeitforschung aufbauen können, was kaum der Fall ist. Der Band scheint ein weiteres Beispiel für die im Zuge des steigenden Publikationsoutputs feststellbare Tendenz, dass Disziplinen und Forschungskontexte aneinander vorbei argumentieren können, auch wenn sie ähnliche Fragestellungen verfolgen. An dieser Stelle können nur einige Beiträge exemplarisch besprochen werden. ...
"Terrorismus ist primär eine Kommunikationsstrategie", so der Soziologe Peter Waldmann. Diese Aussage zeigt, welche Bedeutung die Kommunikation für terroristische Vereinigungen hat. Um die Gesellschaft zu erreichen, um mit ihr zu kommunizieren, braucht der Terrorismus eine Plattform, die möglichst viele Menschen erreicht: Massenmedien wie Zeitungen. Der Terrorismus benötigt folglich die Medien, um seine Botschaft in die Gesellschaft zu tragen. Wie dies im Falle des Anschlags der Roten Armee Fraktion (RAF) auf das Hauptquartier des V. Korps der US-amerikanischen Streitkräfte in Frankfurt am 11. Mai 1972 geschah, soll im Folgenden erklärt werden.
Konnte Michael Stolleis noch 1985 im Rechtshistorischen Journal beklagen, dass die Strafrechtsgeschichte ein blinder Fleck in der (rechts-)historischen Forschung sei, so ist seit etwa 1990 geradezu ein Boom der historischen Kriminalitätsforschung zu verzeichnen, der inzwischen auch die Rechtsgeschichte erfasst hat ...
Die Rechtsgeschichte hat dem vormodernen Asyl lange Zeit einen bestenfalls marginalen Platz eingeräumt und es häufig als Hindernis auf dem Weg zum staatlichen Gewalt- und Justizmonopol bewertet oder den angeblichen "Missbrauch" des Asyls betont. Gleiches gilt cum grano salis für die allgemeine Geschichte, die wenige, eng begrenzte lokale Fallstudien beigesteuert hat, während umfassendere Darstellungen zur Geschichte der "Menschenrechte" oder zur historischen Kriminalitätsforschung das vormoderne Asylrecht weitgehend ignorieren. Erst in jüngster Zeit nahm die Zahl der Arbeiten zu, die sich intensiver mit der Geschichte des Asyls beschäftigen und neue Erkenntnisse sowie Forschungsperspektiven beitragen. ...
Die vorliegende Münchner historische Dissertation untersucht am Beispiel der letzten Generation der Reichskammergerichtsassessoren die Wahrnehmung und Verarbeitung der Auflösung des Alten Reiches und die Bewältigung dieses epochalen Umbruchs durch die ehemaligen Richter bis in die Zeit des Deutschen Bundes hinein. Es geht folglich um Auflösung und Transfer eines Rechtssystems, das Mader am Beispiel der Bewältigungsstrategien der rund 20 Kammerrichter und ihrer Nachkarrieren detailliert rekonstruiert. Zwar fällt die Kritik des Verfassers an der "Untergangsorientierung" der Forschung zu einseitig und pauschal aus – denn diese hat das Funktionieren der Reichsverfassung auch in ihrer letzten Phase differenziert herausgearbeitet. Zutreffend ist jedoch, dass Fortwirkung, Kontinuität und Transfer des Alten Reiches, seines Rechts, seiner Institutionen und seiner Funktionsträger noch stärker erforscht werden sollten. ...
In seiner mit dem Otto-Hintze-Preis ausgezeichneten Habilitationsschrift bietet Markus Payk eine Entstehungsgeschichte des internationalen Rechtssystems, wie es in der Zwischenkriegszeit bestand. Demgemäß behandelt er die Pariser Vorortverträge – schwerpunktmäßig den Versailler Vertrag – von 1919/1920, mit denen ein neues zwischenstaatliches Regelungswerk erstellt wurde, das das gescheiterte System der Vorkriegszeit vor 1914 ablösen sollte. Der Autor will diese Verträge aus ihrem historischen und ideellen Kontext heraus erklären, um so deren wichtigste Charakteristika herauszuarbeiten und dabei verdeutlichen, dass ihnen "trotz aller Defizite […] [eine] einzigartige Stellung in der Geschichte der modernen Staatenbeziehungen" (S. 661) zukomme. ...
Der vorliegende Band widmet sich für den Zeitraum von 1815 bis heute dem deutsch-französischen Verhältnis in 15 Einzelstudien, die entweder kulturwissenschaftlich ausgerichtet sind oder die dem Thema vor Ort in regionalen Fallbespielen nachgehen. Gemeinsame Klammer ist dabei der Rhein und dessen Anliegerregionen, womit die Herausgeber sich an neuere historische Forschungstrends anschließen. Anders als bisher wird der Rhein allerdings weder als deutschnationaler Fluss noch als natürliche französische Grenze wie vor 1945, aber auch nicht wie heute vielfach als europäisches Symbol verstanden, sondern als hybrider Raum, in dem verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Interessen unter gegebenen Rahmenbedingungen aufeinandertrafen, was zu speziellen Prozessen und hybriden Strukturen in den jeweiligen Regionen führte. Das Ziel, die bisher dominierenden politisch motivierten Interpretationen in Frage zu stellen und die regionalen Besonderheiten und Widersprüche genauer wahrzunehmen, um die vorherrschenden nationalen und europäischen Interpretationen besser einzuordnen, erreicht der Band dabei vor allem durch die auf breiter Archivalienbasis erstellten Beiträge. ...
Der von Jo Reichertz und Manfred Schneider herausgegebene Band enthält Beiträge, die in dem Forschungsprojekt "Geständnismotivierung. Zur Wirksamkeit des Geständnispositivs seit 1780" entstanden sind. Bei den Autoren handelt es sich um Kommunikationswissenschaftler, Soziologen und Germanisten, die mit den methodischen Mitteln ihrer Disziplinen, der Diskursanalyse Foucaults und der hermeneutischen Wissenssoziologie in einzelnen Fallstudien den "Wandel der Geständniskultur" seit dem späten 18. Jahrhundert thematisieren, um in einem "historischen Längsschnitt" nichts weniger als "die Entwicklung und den sich verändernden Stellenwert des Geständnisses in unserer Kultur" nachzuzeichnen (9). ...
Die vormoderne "gute Policey" theoretisch zu durchdringen, die Vielfalt ihrer Normen zu systematisieren und die Policeypraxis zu analysieren – damit hatte bereits die vormoderne Policeywissenschaft Schwierigkeiten. Die neuere "Policeyforschung" hat dann auch meist exemplarische Fallstudien bevorzugt und einzelne Städte, Territorien und Regelungsbereiche untersucht oder die Policeydiskurse unter spezifischen Fragestellungen analysiert. Andrea Iseli will dagegen einen kompakten Überblick – "handbuchartig" (Umschlagtext) – über die gute Policey im vormodernen Europa geben. ...
Nein, hier sollte keine Gesamtwürdigung von Person und Werk des Pierre d’Ailly vorgenommen oder dessen Epoche im Spiegel seiner Person unter vorwaltend kirchlich-politischen Aspekten analysiert werden, zumal darüber schon in jüngerer und jüngster Zeit Studien von Bernard Guenée sowie von Hélène Millet und Monique Maillard-Luypaert handelten. Vielmehr galt es auf der Pariser Tagung im März 2017, deren – sorgfältig redigierte, u. a. mit Auswahlbibliografie, Handschriftenverzeichnis, Personenregister und Zusammenfassungen der Beiträge in Französisch und Englisch versehene – Akten hier anzuzeigen sind, die vielfältigen Aspekte und Facetten der aktiven und schriftstellerischen Tätigkeit eines Mannes zu untersuchen, den man als "esprit universel" und "intellectuel engagé" charakterisieren mag, wie es Jacques Verger, Mitherausgeber und Mitglied der das Kolloquium in der Hauptsache tragenden Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, einleitend tut (S. 10f.). ...
In der postmodernen globalen Welt erweist sich gerade die Weiterentwicklung der normativen Ordnung im Bereich des transnationalen Strafrechts als problembehaftet. Das internationale Strafrecht im engeren Sinn supranationaler Kodifikationen und Institutionen ist noch immer auf wenige Tatbestände und internationale Gerichte beschränkt. Eine umfassendere, alle Elemente der grenzübergreifenden Interaktion von Strafrechtsregimen normierende internationale Strafrechtskodifikation scheint kaum realisierbar; bereits partielle Harmonisierungsbemühungen in der Europäischen Union stoßen an enge Grenzen und wurden – wie der europäische Haftbefehl oder das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen – nach 2002 nur unter dem Druck terroristischer Sicherheitsbedrohungen realisiert. Die normativen Grundlagen wie die staatliche Praxis des internationalen Strafrechts lassen zahlreiche Ambivalenzen, Regime-Kollisionen und Konflikte erkennen, vertragliche Vereinbarungen gehen dem Gesetzesrecht vor, polizeilich-politische Erfordernisse dominieren vor rechtsstaatlicher Einhegung und Individualrechten und insgesamt erweisen sich transnationale Strafrechtsregime als rechtlich eher gering normiert. ...
orschungen zur Geschichte der Gewalt bzw. Gewaltkriminalität – verstanden als interpersonale physische Gewalt zwischen "Privatpersonen" – haben in den letzten Jahren einen beachtlichen Aufschwung genommen. Die neuen Studien von Francisca Loetz und Pieter Spierenburg markieren exemplarisch unterschiedliche methodische Ansätze und Forschungsergebnisse und sollen im Hinblick auf ihre Erträge für die Rechtsgeschichte befragt werden. ...
Post 9/11 haben Forschungen zur Geschichte des "Terrorismus" weltweit Konjunktur. Kaum eine neuere Überblicksdarstellung zur Geschichte der politischen Gewalt und der Staatsverbrechen kommt ohne "Terrorismus" und den Referenzpunkt "9/11" aus, darunter die auf einer älteren Monographie basierende, 2012 publizierte und auf den universitären Unterricht bzw. ein breiteres Lesepublikum zielende Introduction to Political Crime von Jeffrey Ian Ross, der 2011 erschienene historische Überblick über die Geschichte der Crimes Against the State. From Treason to Terrorism von Michael Head oder die von mehreren französischen Autoren 2010 verfasste Darstellung historischer Terrorismusphänomene Terrorismes: Histoire et Droit. Im Gegensatz zu älteren Darstellungen erscheint "Terrorismus" inzwischen als zentraler Zugang zur Geschichte politischer Gewalt, auch im Hinblick auf die grenzübergreifenden und internationalen Dimensionen sowie die rechtlichen und polizeilichen Gegenmaßnahmen des counter-terrorism. Allerdings konzentrieren sich die historische Forschung wie die Politik- und Rechtswissenschaft auf den modernen zeitgenössischen "Terrorismus" seit dem Ersten Weltkrieg und diskutieren Erscheinungsformen, Ursachen sowie Strategien zu dessen Bekämpfung und Bewältigung. Nur wenige der in den letzten Jahren erschienenen, teils auch neu aufgelegten Gesamtdarstellungen gehen zeitlich weiter zurück und beziehen die Zeit nach der Etablierung des "Terrorismusbegriffs" durch die Französische Revolution mit ein oder greifen gar bis zur Antike aus. So beginnt Randall D. Law seine 2009 publizierte Geschichte des Terrorismus mit dem Kapitel Terror and Tyrannicide in the Ancient World, gefolgt von Abschnitten über das Mittelalter und die Frühe Neuzeit. Antike und Mittelalter nur kurz streifend, sucht Martin A. Miller dagegen die Foundations of Modern Terrorism in der politischen Gewalt des frühneuzeitlichen Europa, deren Ursprünge er insbesondere in den konfessionellen Konflikten verortet. ...
Die 18 Beiträge des Sammelbands behandeln das auch rechtshistorisch interessierende Thema der "religiösen Devianz", die zwischen schweren Delikten wie Gottlosigkeit, Hexerei oder Blasphemie und nonkonformistischen Glaubenspraktiken, Dissimulation und Eigensinn verortet wird. Dieses breite Spektrum, zu dessen einzelnen Erscheinungsformen bereits ergiebige Forschungen existieren, soll mit neueren sozialwissenschaftlichen und kriminalitätshistorischen Ansätzen, Methoden und Fragestellungen durchleuchtet werden: Nicht mehr Kirche und Staat, sondern der Herstellungsprozess religiöser Abweichung, deren Zuschreibung und die Sanktionierung/Stigmatisierung und damit die Praxis des Umgangs mit religiöser Devianz stehen im Mittelpunkt des Forschungsfeldes. Dessen Dimensionen legen die Herausgeber in der Einleitung systematisch und überzeugend dar und betonen als zentrale Forschungsleitlinien die stärkere Berücksichtigung von religiöser Pluralität, gruppenbezogener und konfessionsübergreifender Devianzen bzw. übergreifender Deliktfelder sowie das Zusammenwirken von religiösen, sozialen und rechtlichen Normen und Praktiken. Vollständigkeit kann freilich nicht erzielt werden und daher beschränkt sich der Band auf exemplarische Fallstudien zum konfessionellen Zeitalter, welche die variantenreiche religiös-konfessionelle Landschaft Europas ausreichend abdecken. ...
Die Strafrechtsgeschichte hat – mit Ausnahme von Geständnis und Folter – einzelne Interaktions- und Kommunikationsmodi des Strafverfahrens eher selten untersucht. Insofern schließt die Monografie von Antje Schumann eine Forschungslücke, da sie die historische Entwicklung von Verhör, Vernehmung und Befragung in Deutschland bis zum Strafprozessänderungsgesetz von 1964 verfolgt. Letzteres sowie die aktuellen strafprozessrechtlichen Rechtsprobleme bilden den Ausgangspunkt der Untersuchung, die insofern eine teleologische Perspektive einnimmt, um "d[ie] Notwendigkeit und de[n] Wert eines Rechtsbegriffs der Vernehmung im Strafprozess" zu rekonstruieren (2). Methodisch erfolgt dies mit einem dogmen- und begriffsgeschichtlichen Ansatz, der sich auf die Analyse des Strafverfahrensrechts und der entsprechenden juristischen Literatur beschränkt. Die empirische Untersuchung bezieht Kriminalakten und Verhörprotokolle nicht und die ab dem 17.Jahrhundert entstehende Praxisliteratur nur exemplarisch ein. Die einschlägigen Studien der historischen Kriminalitätsforschung und Kommunikationswissenschaften zieht Schumann immerhin punktuell bei der theoretischen Konturierung des Vernehmungsbegriffs und der historischen Grundlegung von Untersuchungsgegenstand und Fragestellung heran, soweit diese "für die Erklärung des jeweiligen rechtlichen Gegenstandes von Interesse sind" (67). ...
In einem vielbeachteten Aufsatz hat die in Berkeley lehrende Rechtshistorikerin Karen M. Tani 2012 die Aufmerksamkeit auf "rights as a language of the state" gerichtet. Konträr zur gängigen These, nach der welfare rights erst in den 1960er Jahren in die politisch-soziale Sprache Eingang fanden, weist Tani nach, dass schon in den Jahren des New Deal und der Präsidentschaft Franklin Delano Roosevelts (1933–1945) von rights im Feld der public assistance die Rede war. Freilich richtete sich dieser Wortgebrauch nicht eigentlich an die Klientel und spielte auch vor den Gerichten keine Rolle, vielmehr entstand der Diskurs um ein Recht auf öffentliche Fürsorge in der rasch wachsenden staatlichen Wohlfahrtsbürokratie und hatte hier die Funktion, die social workers vor Ort mit einer einheitstiftenden und motivierenden Sprache auszustatten. Darüber hinaus half die Rede von den rights den Aktivisten in den Arbeiterorganisationen und den Organisationen der racial minorities dabei, das hergebrachte Denkmuster, nach dem Staatshilfe zu einer degradierenden Abhängigkeit führe, zu durchbrechen: Wer Rechte in Anspruch nimmt, sieht sich als Bürger ernst genommen und nicht als Bittsteller, der seine Unabhängigkeit verliert. Rights language konnte von der New Deal-Bürokratie zudem auch eingesetzt werden, um den dual federalism, der den Zentralstaat und die Einzelstaaten in einem latenten Gegensatz zueinander sah, in einen cooperative federalism zu verwandeln – wobei der Zentralstaat als Hauptfinanzier des entstehenden Wohlfahrtsstaates natürlich in der Vorhand war: Die Rede von den rights war zuallererst "the language of an ambitious national state". ...
Der Einsatz von computergestützten Methoden der Digital Humanities (DH) ist in den Geisteswissenschaften oft mit dem Mythos der digitalen Objektivität oder Objektivierung verbunden. Eine Motivation für den Einsatz dieser Verfahren bei Geschichtswissenschaftlerinnen ist die Suche nach dem objektiven Urteil oder nach der Objektivierung ihrer eigenen Interpretationsleistungen. Aber schafft der Computer Objektivität? Kann diese Maschine den hermeneutischen Zirkel durchbrechen helfen? Können wir mit quantifizierenden Methoden, mit der Logik der Zahlen, mehr über vergangene Epochen aussagen als mit der schlichten Hermeneutik unseres Fachs? ...
Sorgfältig gewählte Worte können Konflikte durchaus entschärfen und einhegen. Sie müssen dabei nicht zwangsläufig beschwichtigend sein, sondern können auch (fiktive) Drohszenarien aufbauen und bewusst darauf ausgelegt sein, den Gegner einzuschüchtern. Die Federn der diplomatischen Akteure konnten spitz sein und flott deren Mundwerke, harte Kämpfe konnten dementsprechend auch mit diesen Waffen ausgefochten werden. Sicherlich nicht ohne Grund sollte der Mailänder Herzog Giangaleazzo betonen, er fürchte einen einzigen von Coluccio Salutatis Briefen weit mehr als tausend feindliche Reiter (211). ...
Träge und arbeitsscheu ist der römische Gesandte, den Francesco Vettori am 23. November 1513 Niccolò Machiavelli gegenüber skizziert – ein Mann, der lieber schmökernd in der Stube sitzt, sich mit Freunden tummelt oder mit Mädchen von zweifelhaftem Ruf vergnügt und der nicht daran denkt, den Austausch mit anderen Gesandten zu pflegen oder überhaupt wichtige Leute zu treffen. Und wenn er doch einmal zur Feder greift, berichtet er keine brisanten Details über politische Entwicklungen, liefert keine scharfsinnigen Analysen der gegenwärtigen Situation, sondern füllt seine Briefe mit Belanglosigkeiten, die der schlichten Erheiterung des Lesers dienen. Der Mann, über den Francesco Vettori dies berichtet, ist er vermeintlich selbst. Das satirische Selbstportrait, das der Gesandte an der Kurie in Rom augenzwinkernd von sich entwirft, zeigt deutlich, dass zu Beginn des 16. Jahrhunderts bereits eine Reihe recht klarer Vorstellungen existierte, wer oder was ein Gesandter zu sein hatte, welchen Normen er folgen musste und vor allem, was er leisten sollte. Und die Verfestigung dieser Vorstellungen war eben einhergegangen mit der Ausbildung eines ständigen Gesandtenwesens, dessen nähere Betrachtung in Rom besonders spannend zu sein verspricht, da die Kurie zwar in mancher Hinsicht ein typisch europäischer Hof war, während sie in manch anderer Hinsicht aber, durch die besondere spirituelle und rechtliche Rolle des universalen Kirchenoberhauptes, auch atypisch war und nicht ihresgleichen kannte. Hier, in diesem "'supranational' centre for European diplomacy" (105), wo sich mehr Gesandte als an allen anderen europäischen Höfen aufhielten, war das Ringen um Benefizien besonders ausgeprägt, war das liturgische Zeremoniell mehr als anderswo ausgebildet; hier in diesem "international gossip shop" (105) flossen besonders viele Informationen zusammen, trafen Normen aller Art aufeinander. In diesem Schmelztiegel kamen viele diplomatische Praktiken miteinander in Berührung, wurden fusioniert und fortentwickelt. ...
Wer den Ehrgeiz hat, sein Fach zu revolutionieren, der sollte sich zu seiner Liebe bekennen und keine Arbeitsvorhaben formulieren, schon gar nicht sollte er wie ein Kassenwart erst einmal "Bilanz ziehen". Fernand Braudel wusste das. "Ich habe das Mittelmeer leidenschaftlich geliebt", schrieb er 1946 im berühmten Vorwort zur ersten Auflage von "La Méditerranée et le monde méditerranéen à l’époque de Philippe II", "der beste Leser dieses Buches wird vielleicht der sein, der mit eigenen Erinnerungen, eigenen Bildern des Mittelmeeres an meinen Text herangeht, ihm eigene Farbe verleiht und mir dabei hilft, worum ich mich mit aller Kraft bemüht habe: die gewaltige Präsenz dieses Meeres erfahrbar zu machen". Aus dem missionarischen Eifer, anderen die narkotisch-erotische Ausstrahlung des mare nostrum zu vermitteln, der er selbst erlegen war, schöpfte er die Kraft für ein gewaltiges Œuvre, das in der Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts seinesgleichen sucht. ...
Nietzsche unterscheidet in seiner so unzeitgemäßen wie unvergleichlichen Schrift "Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben" bekanntlich drei Arten von Historie, die, wenn sie sich vereinigen, dem Lebendigen dienen, anstatt es zu Grunde zu richten. Zumindest zwei dieser drei Anforderungen (vielleicht auch alle drei) erfüllt Fleckners wegweisende, von Reinhard Zimmermann betreute Regensburger Dissertation: Sie ist dem Inhalt nach "kritisch", da sie die Kraft hat, "eine Vergangenheit zu zerbrechen und aufzulösen, um leben zu können", und sie ist der Form nach "antiquarisch", da sie durch Pietät gleichsam den Dank für ihr Dasein abträgt. ...
Gelehrte bedürfen einander. Eine soziale Gruppe, die es nicht als ihre vornehmste Aufgabe ansieht, sich die materiellen Grundlagen des Lebens zu erarbeiten, ist auf Solidarität angewiesen. Nicht immer steht ein reicher Gönner, ein Mäzen, ein Patron zur Verfügung, der gewillt ist, antiquarische, philologische oder sonstige "zweckfreie" Interessen zu fördern. Der vom Schicksal Benachteiligte hofft in dem Fall auf die Unterstützung derer, die seine Interessen teilen und die materielle Bedrängnis aus eigenem Erleben nachvollziehen können. Gelehrte bedürfen ferner auch insoweit einander, als in der Regel nicht alle für die Realisierung eines wissenschaftlichen Vorhabens benötigten Informationen, Schriften und Artefakte vor Ort vorhanden sind. Also begibt man sich auf Reisen, zieht in ferne Länder in der Hoffnung, dort Gleichgesinnte zu treffen, die im Besitz der erstrebten ideellen Güter sind und dazu bereit, andere daran teilhaben zu lassen. ...
Synästhetische Normativität
(2017)
Im Herzen Frankreichs, südlich von Paris und Orléans, östlich von Blois, in einem ausgedehnten Waldgebiet liegt das Schloss von Chambord, das prächtige, das unvergleichliche Chambord, Prunk- und Jagdresidenz Franz’ I., architektonischer Höhe- und Wendepunkt der französischen Renaissance. Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und des allerchristlichsten Königs ewiger Rivale, soll das Schloss, als er es 1539 zu Gesicht bekam, gepriesen haben als den "Inbegriff dessen, was menschliche Kunst vermag.". ...
Über kaum einen Gegenstand wissen wir so wenig wie über die Wirklichkeit des juristischen Denkens. Am besten sind wir noch – dank Richard Posner ("How Judges Think" – Cambridge, MA/London 2008) und anderer (überwiegend) anglo-amerikanischer Autoren – über die Untiefen und Irrläufe richterlicher Entscheidungsfindung informiert. Rechtswissenschaft und Rechtspolitik werden hingegen nach wie vor nur selten in kognitiven Kategorien vermessen. ...
Dass die in den letzten Jahren stattfindende Ausweitung der Rechtsgeschichte(n) durch globale und transnationale Perspektiven gerade in der Völkerrechtsgeschichte auf besonders fruchtbaren Boden fällt, liegt auf der Hand. Denn Regulierung, Normierung und Legitimation überregionaler Beziehungen bieten sich wie kaum ein anderes Themenfeld für eine Horizonterweiterung über den Nationalstaat hinaus an. Aus einer vornehmlich europäischen Völkerrechtsgeschichte werden damit Völkerrechtsgeschichten in der Dialektik von lokalen und globalen Bezugspunkten. ...
Inter arma enim silent leges – im Krieg schweigen die Gesetze, so lautet ein berühmtes Zitat von Cicero, das über die Jahrtausende hinweg in Diskursen der Gewaltlegitimation bedeutsam geblieben ist. Thomas Hobbes und Immanuel Kant haben es übernommen, wobei Letzterer der Rechtfertigung von Krieg die Konzeption eines dreigliedrigen, "ewigen" Rechtszustandes entgegengestellt hat. Zwischen der von "Realisten" angenommenen Anarchie und der von "Idealisten" angestrebten Rechtsherrschaft in grenzübergreifenden politischen Beziehungen hat sich die moderne Völkerrechtswissenschaft insbesondere mit dem schwierigen, zuweilen paradoxen Verhältnis von Krieg und Recht beschäftigt: Das Kriegsrecht limitiert den Gebrauch von Gewalt (als violentia) nicht allein, es legitimiert ihn auch, indem es die Gewalt (als potestas) normativ ordnet und sie damit wiederum zur Rechtfertigungsressource macht. Mit dem Wiedererstarken der Völkerrechtsgeschichte sowie der aktuellen Brisanz kriegsrechtlicher Fragen (etwa angesichts des "war on terror") gehen erneut Forschungen zur Rolle des Rechts in Zeiten des Krieges, zu seiner Rechtfertigung und seiner rechtlichen Aufarbeitung einher. Isabel V. Hull und die AutorInnen im von Martin Löhnig, Mareike Preisner und Thomas Schlemmer herausgegebenen Sammelband leisten hierzu zwei sehr unterschiedliche Beiträge. ...
Im Jahr 2017 sind zwei Sammelbände erschienen, die aus beinahe zeitgleichen Tagungen im November 2015 zur Entwicklung des öffentlichen Rechts in Frankreich 1914–1918 hervorgegangen sind: Der eine ist der von Elina Lemaire (Universität Bourgogne – Franche-Comté) herausgegebene Band zum öffentlichen Recht während des Krieges, der andere der vom Conseil d’État selbst herausgegebene Band zu seiner Funktion und (gestaltenden) Rolle während der Kriegsjahre. Insoweit die Entwicklung des öffentlichen Rechts in Frankreich ohne den Conseil d’État kaum sinnvoll untersucht werden kann und umgekehrt eine Geschichte dieses Conseil kaum unter Auslassung seines Einflusses auf die Rechtsentwicklung geschrieben werden kann, nähern sich beide Bände aus unterschiedlichen (aber auf das öffentliche Recht fokussierten) Perspektiven gewissermaßen einem gemeinsamen Gegenstand: der Rechtsstaatlichkeit im Krieg und namentlich der Rechtsstaatlichkeit in einer Republik im Krieg. ...
Alle 18 Beiträge des Sammelbandes entstammen einem internationalen Kolloquium am Deutschen Historischen Institut in London aus dem Jahr 2014, das Aspekten der Rechtsgeschichte allein des Dominikanerordens gewidmet war. So reiht es sich in eine Tradition der Ordensforschung ein, hebt sich aber durch die thematische Konzentration mit diachronem wie raumübergreifendem Zugriff deutlich hervor. Die titelgebende Dichotomie durchzieht die Gesamtanlage des inspirierenden Bandes, umkreist sie doch ein Spannungsfeld selbst gesetzter normativer Ansprüche vor der sprichwörtlichen Wirklichkeit. Und auch dies stellt das Buch in einen traditionellen Zusammenhang. ...
Die Frage nach Entstehung und Quellen des Schwabenspiegels ist ein gewissermaßen traditionelles Thema der germanistischen Rechtsgeschichte, es betrifft "das große Unbekannte" und sein Verhältnis zum Augsburger Stadtrecht von 1276, ein "klassisches Forschungsfeld", auf dem sich nun die zu besprechende Bayreuther Dissertation von Lucas Wüsthof bewegt. Wüsthof verweist auf Karl August Eckhardt, der 1927 als letzter Forscher die Abhängigkeit beider Rechtsquellen untersucht und festgestellt habe, dass die Verfasser des Augsburger Stadtrechts "eine Art Urtext" des Deutschen- und des Schwabenspiegels gekannt haben müssten (1–5). ...
Über die Geschichte des kanonischen Rechts im Mittelalter ist reichlich geforscht worden. Wenn nun ein Sammelband zum Gebrauch dieses Rechtes in der kirchlichen Verwaltungspraxis des Früh- und Hochmittelalters vorgelegt wird, weckt das die Aufmerksamkeit der mediävistischen Rechtshistoriker, die sich – vor allem unter dem von Hermann Nehlsen am Beispiel der frühmittelalterlichen Leges Barbarorum geprägten Aspekt der »Effektivität« – mit der normativen Praxis in vormodernen Gesellschaften beschäftigen. Oftmals bewegen sich die Forschungen entweder auf der rein normativen Seite mit einem breiten Horizont oder auf der praktischen anhand von mehr oder minder begrenzten Untersuchungsräumen. ...
Die Monographie des Kopenhagener Historikers Niels Hybel folgt einem ungewöhnlichen und im Ergebnis ausgesprochen ertragreichen Programm. Er zeichnet die Entwicklung des dänischen Königtums durch ein halbes Jahrtausend in Bezug zur gesamteuropäischen Ideen- und Rechtsgeschichte nach, behandelt also ein Thema der Nationalgeschichte aus einer dezidiert globalen Sicht, so dass der Blick aus einer epistemologisch sehr fruchtbaren Außenperspektive erfolgt. Zugleich werden so die klassischen Quellen zur Geschichte des dänischen Königtums den Narrationen der Nationalgeschichte produktiv verfremdet. Dass die Arbeit in englischer Sprache vorliegt, ist äußerst begrüßenswert, wird doch so die Geschichte des dänischen Königtums einem internationalen Publikum in einem weitgehend aktuellen Überblick zugänglich gemacht. Hybel knüpft mit seiner vom europäischen Ideen- und Strukturkontext her angelegten Studie an frühere Dekonstruktionen etablierter Meistererzählungen zur dänischen Geschichte an, die mit der Infragestellung älterer Lesarten von Chroniken und archäologischen Funden zum Frühmittelalter bzw. der als "Wikingerzeit" bezeichneten und seit dem 19. Jh. im Nationalbewusstsein so bedeutsamen späten Eisenzeit provozierten. Dieser kritische Impetus zeigt sich auch im vorliegenden Werk, dessen erstes von insgesamt zehn Kapiteln ("Historiography") den Zugang über die Forschungsdebatte zum Status des dänischen Königtums zwischen "Wikingerzeit" und Hochmittelalter wählt. Dänische "Könige" sind seit dem 8. Jh. in fränkischen Quellen zu fassen, und mit dem großen Runenstein von Jelling liegt ein Selbstzeugnis vor, das Harald Blauzahn (ca. 970–86) als König "ganz Dänemarks" ausweist. Bis heute deutet eine von zwei konkurrierenden Schulen dies als Beweis für die Existenz eines dänischen Königtums und eines souveränen "Reichs", jedenfalls aber als Nachweis einer seither existierenden Zentralmacht, während eine zweite Schule die Konsolidierung eines solchen mittelalterlichen Königtums erst nach der Mitte des 11. Jh.s erkennen will. Der Dissens basiert v.a. auf der Frage, ob ausnahmslos erst im 12. Jh. einsetzende, heimische chronikalische Quellen in ihrem Geschichtsbild ernst zu nehmen und archäologische Funde des 10. Jh.s wie die Ringburgen ("Trælleborge"), die auf eine Zentralmacht hinweisen, in ihrem Lichte zu interpretieren oder ob Geschichtsbilder primär als Zeugnisse synchroner Diskurse aufzufassen sind. Analoges gilt für Rechtstexte und Urkunden. Diese grundlegende Frage, von der aus Hybel das Material erschließt und die aus der deutschsprachigen Diskussion um den Status des Frankenreichs oder ottonischer Herrschaft durchaus vertraut wirkt, erweist sich als ganz aktuell, wie sich etwa an der Interpretation des unlängst neu ergrabenen und datierten Danewerks an der alten Südgrenze dieses (vermeintlichen?) dänischen "Reichs" zeigt. ...
In der entscheidenden Phase der Reform des europäischen Datenschutzes geben die Netzpolitiker Peter Tauber (CDU), Lars Klingbeil (SPD) und Manuel Höferlin (FDP) einer Imagebroschüre von Facebook ihr Gesicht. In dieser werden Verstöße Facebooks gegen geltendes Datenschutzrecht als Mythen heruntergespielt.
Den Auftakt zum Oxford Handbook of European Legal History machen fünf Beiträge, die unter der Überschrift "Approaches to European Legal History: Historiography and Methods" versammelt sind. Um sie in Beziehung zu setzen, habe ich im Folgenden drei Fragenkomplexe formuliert, die die gemeinsamen Aspekte dieses Quintetts abbilden. Die Beiträge werden in der Reihenfolge ihres Auftretens im Handbuch referiert. Zur Vermeidung von Redundanzen haben die Nachgeordneten im Wiederholungsfalle der Argumente das Nachsehen und werden "nur" als Verweis genannt.
Das hochwertig ausgestattete Buch vereint elf der im Jahre 2017 in Goslar gehaltenen Vorträge zum Jubiläum der tausendsten Wiederkehr des Geburtstages Heinrichs III. Der Rezensent beteiligte sich in dieser Reihe mit einem Beitrag, der wegen seiner umfangreichen Thematik ("Das salische Reich und Europa zur Zeit Kaiser Heinrichs III.") nicht in eine Kurzfassung gegossen werden konnte, was hier der Fairness halber bemerkt werden muss. ...
Beim Übergang von der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft hin zu den Nationalstaaten des 19. und 20. Jahrhunderts kommt der Herausbildung eines geographisch und politisch definierten Territoriums, des Territorialstaats, eine wichtige Funktion zu. Ein Zusammenschluss von Herrschaftsgebieten zu einer geographisch-politischen Einheit konnte sich in Form der Annexion des Schwächeren durch den Stärkeren vollziehen, war aber auch im gegenseitigen Einverständnis der politischen Entscheidungsträger denkbar. Im Fall einer Union unterschied man bereits sehr früh zwischen den Typen der Realunion und der Personalunion. Während in einer Realunion völkerrechtliche Vereinbarungen für beide Partner gleichermaßen galten, nahm die Personalunion einen besonderen Status ein, in der allein die Person des Herrschers die Verbindung zwischen beiden Staaten darstellte. Diese streng juristische Definition galt jedoch lediglich für die politischen Institutionen. Jenseits der staatlichen Ebenen fanden sich Formen des Transfers, die einer Personalunion einen besonderen, transnationalen Charakter verleihen konnten. Inwiefern solche Verbindungen, die unter dem Begriff des "composite statehood" zusammengefasst werden, eine gesamteuropäische Entwicklung darstellten, bleibt innerhalb der Forschung umstritten.
Andreas Fahrmeirs These lautet, dass die Entwicklung der modernen Form der Staatsbürgerschaft "von einer spezifischen Erfahrung zwischenstaatlichen Wettbewerbs vorangetrieben wurde" (231). Dass alle oder fast alle erwachsenen Männer nach den Prinzipien der Aufklärung und des Liberalismus Rechte besaßen oder wenigstens fähig waren, zur politischen Mündigkeit erzogen zu werden, hat sicherlich auch zur Erweiterung der Rechte und der Zahl der Staatsbürger in vielfältiger Weise beigetragen. Nach Fahrmeir waren aber "Blut und Eisen" wichtiger für die Entwicklung von Staatsbürgerrechten als der Einfluss Lockes und Kants. Krieg oder die Vorbereitung auf einen Krieg haben Staaten angetrieben, eine "homogene, gesunde und produktive Bevölkerung" zu schaffen, um Stabilität und ökonomische Effizienz herzustellen (230). Und hauptsächlich deshalb wurden weitere zivile, politische und soziale Rechte breiteren Gruppen von Einwohnern gewährt und Grenzen zwischen Staatsbürgern und Ausländern schärfer gezogen. Dieser Hypothese folgend, kommt Fahrmeir zum Schluss, dass, da westliche Regierungen seit den 1970er Jahren zunehmend auf die Wehrpflicht verzichten und sich vielmehr auf den wirtschaftlichen Erfolg im Kontext einer globalisierten Ökonomie konzentrieren, sie sich fortan auch weniger um die Opferbereitschaft und um die Rechte ihrer Einwohner kümmern. Deren ökonomische Nutzbarkeit steht im Vordergrund (231 f.). ...
Im Jahr 1921 kam ein 16-jähriger, ursprünglich aus der Ölstadt Baku stammender jüdischer Reisender namens Lev Nussimbaum in Konstantinopel an. Lev wurde 1905 als Sohn eines Ölunternehmers und einer Mutter mit bolschewistischen Neigungen geboren. 1917 ergriffen Lev und sein Vater – die Mutter war um 1911 gestorben, möglicherweise durch Selbstmord – die Flucht. Ihre Reise führte über Turkmenistan und Persien zunächst in die Türkei, dann nach Frankreich, schließlich in das Deutschland der Weimarer Republik. Dort entdeckte der fast mittellose Student einen Markt für Artikel und (ab 1929) Bücher über den Orient, den er als ›echter‹ Araber bediente. »Essad Bey«, wie er sich seit etwa 1924 nannte, erlangte mit einer Fülle von Publikationen, darunter Biographien Mohammeds und Stalins, internationale Bekanntheit, bis die Machtergreifung der Nationalsozialisten seine Lage prekär machte. Denn die falsche Familiengeschichte des Konstrukts Essad Bey, dessen Vater angeblich Mohammedaner und dessen Mutter angeblich eine christliche Adelige waren, wurde nun durch missgünstige Konkurrenten genau untersucht und drohte als Fälschung entlarvt zu werden. Während Nussimbaums jüdische Ehefrau nach Amerika auswanderte und sich dort scheiden ließ, ging er selbst zunächst nach Wien, wo er 1937 als »Kurban Said« das später in Aserbeidschan als Nationaldichtung betrachtete Buch »Ali und Nino« verfasste, dann nach Italien, wo er 1941 an einer Wundinfektion starb. ...
Auf der Gamescom waren dieses Jahr neben Besuchern und Spieleentwicklern auch die politischen Parteien vertreten. In der "Wahlkampfarena" ging es um den Status von Videospielen, Breitbandausbau und digitale Bildung. Die Debatte im Überblick.
... Anwesend waren die Generalsekretäre bzw. Bundesgeschäftsführer der Parteien des aktuellen Bundestages, Peter Tauber (CDU), Hubertus Heil (SPD), Matthias Höhn (Die Linke) und Michael Kellner (Die Grünen) sowie Nicola Beer für die FDP. ...
Englischsprachige Bücher über Carl Schmitt sind keine Seltenheit, steht doch der deutsche Jurist wegen seiner schillernden Bedeutung seit Längerem im Fokus nicht nur juristischer und philosophischer Studien. Auch dass es um Schmitts Verhältnis zum Raum geht, ist keine Überraschung, denn im letzten Jahrzehnt wurde er in solchen Zusammenhängen verstärkt rezipiert. Versprochen wird dem Leser allerdings, er habe "the first systematic examination from a geographic perspective of one of the most important political thinkers of the twentieth century" in den Händen (Werbetext auf dem hinteren Einbanddeckel). Einschränkend bemerken die Autoren in ihren Acknowledgements allerdings, dieses Buch sei "the result of almost a decade of work on Carl Schmitt and his reception in English speaking academia" (x). ...
Die leitende These des folgenden Beitrages lautet: Die Christianisierung Sachsens und dessen Einbindung in das westliche Reich der Franken im 9. Jahrhundert wurde durch die Ordnung des Raumes nach römischen Vorbildern ermöglicht, von historiographischen wie eschatologischen Deutungen begleitet und überbaut sowie schließlich dauerhaft gefestigt durch die erzwungene oder auch freiwillige Akzeptanz der geschaffenen Zustände durch die sächsischen Oberschicht, welche spätestens in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts die in der tätigen Integration liegende Chance erkannt hatte. Auf die Begrifflichkeit wird zurückzukommen sein, denn sie beschreibt gleichermaßen die Grundlage der Durchsetzung weltlicher Herrschaft in fränkischer Weise über Sachsen. ...
Die folgenden Überlegungen gelten dem Zusammenwachsen von räumlichen und rechtlichen Vorstellungen im frühmittelalterlichen Sachsen. Es soll dabei weniger um die Übertragung fränkischer Konzeptionen gehen als darum, wie die Sachsen selbst als Folge ihrer Integration in das christliche Reich eine Vorstellung entwickelten, den ihnen eigenen Raum mit einem Recht zu verbinden, das selbst Ergebnis dieser Niederlage war. Um diesen Prozess zu verfolgen, ist es nötig, auf die wichtigsten Interpretationen der Unterwerfung Sachsens durch die Historiographie des 9. Jahrhunderts zu schauen. ...
Nach dem Wochenende der Freiheit statt Angst Demonstration haben sich Netzpolitiker von SPD und CDU mit dem Google-Lobbyisten Max Senges getroffen, wie Google Deutschland schreibt:
"Lars Klingbeil (SPD) und Peter Tauber (CDU) treffen sich mit Max Senges von Google, um Prototypen von Google Glass einem ersten 'netzpolitischen Härtetest' zu unterziehen. ..."
Die diesjährige re:publica wurde von einer "Protestaktion" der Bundeswehr überschattet. Deren Propaganda-Abteilung nahm es unter der Ägide des Verteidigungsministeriums allerdings mit der Wahrheit nicht allzu genau. Wer hat aus Unwissenheit oder mit Absicht welche Falschinformationen verbreitet?
... Sich am meisten verrannt und aus Unwissenheit oder mit Absicht falsche Tatsachen verbreitet hatte allerdings der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium der Verteidigung. Diesen Posten bekleidet der einigen vielleicht noch als ehemaliger CDU-Generalsekretär bekannte Peter Tauber ...
"Ungerechtigkeit" und "Ungleichheit" waren zwei Schlüsselworte der nationalen wie internationalen Frauenbewegung im Hinblick auf die rechtliche Situation von Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ein von Stephan Meder und Christoph-Eric Mecke 2013 herausgegebener, ausgesprochen lesenswerter und sehr übersichtlich konzipierter Sammelband rückt nun ein bis dato in der Forschung eher vernachlässigtes Thema und Tätigkeitsfeld der Frauenbewegungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in den Mittelpunkt: das Familienrecht. Mit diesem Interesse stehen die beiden Herausgeber keinesfalls alleine da. Zwei weitere im selben Jahr erschienene Sammelbände, die ebenfalls sehr lohnende Lektüre bieten, lenken ihre Aufmerksamkeit auf die Bedeutung des Familienrechts für Frauen. Die in Married Women and the Law zusammengestellten Aufsätze gehen der normativen und praktischen Bedeutung des für verheiratete Frauen in England und Nordamerika zentralen Rechtskonzepts der coverture vom Mittelalter bis zur "Flut von Reformen im späten 19. Jahrhundert" (4) auf den Grund. Unter coverture verstanden common law-Juristen die Idee, dass Frauen mit der Heirat ihre eigene rechtliche Identität verlören und von der ihres Mannes "bedeckt" (covered) würden. Daraus folgten hauptsächlich personen- und eigentumsrechtliche Einschränkungen für Ehefrauen. Sie verloren u.a. das Recht, Eigentum zu besitzen oder zu verwalten, Verträge einzugehen oder ohne ihren Ehemann eine Klage anzustrengen. Die Artikel in Gender Difference in European Legal Cultures weisen demgegenüber eine breitere thematische Vielfalt auf, was in der Fragestellung des Bandes begründet liegt. Im Fokus stehen hier "die rechtlichen Normen, die sich explizit auf Männer und Frauen beziehen" (11). Es wird danach gefragt, "was die Funktion von Geschlecht in der Schaffung von Recht; und umgekehrt, was die Funktion von Recht in der Schaffung von Geschlecht" sei (11). Dabei geraten der europäische Subkontinent mit Ausnahme Russlands und der weitere Mittelmeerraum vom Mittelalter bis zur Neuzeit in den Blick. Die Fallbeispiele fallen zum Teil sehr unterschiedlich aus (u.a. jüdische Juristinnen, Abtreibung, Inter- und Transsexualität), ein Schwerpunkt zeigt sich aber im Bereich des Güterrechts. ...
Das Pallium des Metropoliten ist ein Band aus weißer Wolle, bestickt mit sechs schwarzen Kreuzen, durch das die Gewalt angezeigt wird, mit welcher der Metropolit, in Gemeinschaft mit der römischen Kirche, in der eigenen Provinz von Rechts wegen ausgestattet wird (vgl. 437 § 1 CIC/ 83). Als Papst Franziskus am 12. Januar 2015 die Verleihung der Pallien ändern ließ, schlugen ihm geteilte Meinungen entgegen. Anstelle des Papstes kommt nun dem zuständigen Apostolischen Nuntius die Aufgabe zu, dem neu ernannten Metropoliten das Pallium in dessen Heimatdiözese zu verleihen (vgl. Communicationes 47 (2015), 110 f.). Für den Aufruhr, den diese Änderung verursacht hat, lassen sich zwei Gründe erkennen: Einerseits sind das Pallium und die damit verbundenen Zeremonien keineswegs bedeutungslos geworden. Andererseits liegen die gewachsenen Traditionen, Veränderungen und Entwicklungen, denen das Pallium im Laufe seiner Geschichte unterlag, größtenteils im Dunkeln. ...
Die Erforschung der spätantik-frühmittelalterlichen Taufpraxis stützt sich in großem Maß auf schriftliche Quellen, vor allem wenn es um die im weitesten Sinne rechtshistorischen Aspekte des Themas geht. Aber die Heranziehung von Sachquellen, den "Überresten" im Sinne der geschichtswissenschaftlichen Methodik, ist ebenso wichtig für das Verständnis beispielsweise von Normen und Wirklichkeiten. Der am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte eingerichtete Forschungsschwerpunkt "Rechtsräume" versucht daher, diese beiden Quellengruppen zusammenzuführen. Insofern ist der hier vorzustellende archäologische Befund von besonderer Bedeutung, nicht nur wegen seiner unmittelbaren Nähe zum Tagungsort der in diesem Band dokumentierten Sektion des Mainzer Historikertages. Im Folgenden werden Holger Grewe, der in Ingelheim tätige Grabungsleiter, und Sebastian Ristow, der archäologische Experte für Baptisterien des ersten Jahrtausends, sowie Caspar Ehlers, der Leiter des Forschungsschwerpunktes am MPIeR, einen Aufsehen erregenden Fund aus Ingelheim, der eng mit dem Thema "Taufe" verbunden ist, vorstellen und kurz kommentieren. ...
Die Freiburger rechtswissenschaftliche Dissertation widmet sich der Forschungsgeschichte zum Hansischen Recht seit dem Alten Reich des 17. Jahrhunderts bis zum Jahre 2001, in dem Ernst Pitz seine Monographie zur Verfassung der Hanse vorlegte. Sie beschränkt sich dabei auf deutschsprachige Werke, wohl wissend, dass die "Hanse ein europäisches Phänomen" war (22). Diese zeitliche wie sprachliche Einschränkung ist legitim, wenn auch der Untertitel der "Forschungsgeschichte" demnach eine deutsche ist. Zudem ist das Buch eine juristische Qualifikationsschrift, was ebenfalls die vorgenommene Konzentration auf ein zweifellos großes Feld rechtfertigt. ...
In seinem neuen Buch bietet Karl Ubl einen weit gefassten Überblick seiner bisherigen Forschungen zur Lex Salica im Kontext seines Projektes an der Universität Köln zu den frühmittelalterlichen Rechtsüberlieferungen, beginnend mit den substantiellen Beobachtungen "Warum Barbaren Gesetze erlassen" (37–66) als Folge aus der Frage nach Einsatz und Nutzen der Rechtsbücher (Einleitung, 11–35). Er sieht die fränkische Lex in ihren Ursprüngen als identitätsstiftendes Instrument an ("Ein Monument der Alterität", 67–97, sowie als "Entwürfe von Gemeinschaft im 6. Jahrhundert", 99–135). ...
Im vorvergangenen Jahr sind zwei umfangreiche Monographien zur Funktion der Kirche im Frühmittelalter erschienen, die besonderes Augenmerk unter der Fragestellung nach dem Verhältnis von "Recht, Raum und Religion" zu verdienen scheinen. Zum einen ist dies die Jenaer Dissertation von Tina Bode, zum anderen die Studie von Florian Mazel, Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Rennes II, die Gegenstand seiner habilitation à diriger les recherches gewesen ist. Erstgenannte will sich auf das ostfränkische Reich der Ottonenzeit (919–1024) konzentrieren, während Mazel gar die mittelalterliche Kirche vom 5. bis zum 13. Jahrhundert in den Blick nehmen möchte. ...
Der Merkantilismus, ein Hauptgegenstand der älteren dogmenhistorischen Literatur, lässt sich inhaltlich nur schwer definieren. Der Begriff bezeichnet weder ein historisches Wirtschaftssystem, noch eine einheitliche zeitgenössische Wirtschaftstheorie. Es handelt sich vielmehr um ein retrospektives Konstrukt der ökonomischen Dogmengeschichtsschreibung, die ihren Ausgangspunkt in der Kritik Adam Smiths am "mercantile system" seiner Zeit fand. Merkantilismus ist zunächst eine Sammelbezeichnung für die ökonomischen Ideen und Vorstellungen des 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Allerdings zeichnet sich das ökonomische Denken dieser Zeit durch eine außerordentliche Vielfalt und Unterschiedlichkeit aus. Auch entstanden unterscheidbare nationale "Schulen", die, selbst wiederum uneinheitlich, starken Veränderungen unterlagen. Zu Recht wurden den spezifischen nationalen Ausprägungen sogar unterschiedliche Bezeichnungen verliehen. ...
Die Welt ist im Wandel, der Globalisierungsprozess weit fortgeschritten. Inwiefern spielen dann Kolonialismus und Unterdrückung noch eine Rolle? Sind diese Zeitgeschehnisse nicht wie man so schön sagt "Geschichte"? Dieser Frage gehen der britisch-ghanaische Künstler John Akomfrah und das Black Audio Film Collective im gemeinsamen Werk "Expeditions 1 – Signs of Empire" (1983) nach. Die zweiteilige Videoarbeit zeigt mithilfe dokumentarischer Fotografien, Textfragmenten und Tonaufzeichnungen des British Empire ein Bild, welches die Potenz heutiger nationalstaatlicher Strukturen des Okzidents in der Unterdrückung und Ausbeutung kolonialisierter Länder verortet – und so den Mythos der moralischen Überlegenheit des Westens dekonstruiert. ...
In modernen Marktgesellschaften bedürfen die Menschen zur Sicherung ihrer Lebensgrundlage regelmäßiger Einkommen. Diese erzielen sie in der Regel durch Erwerbstätigkeiten verschiedenster Art, in ihrer Mehrzahl durch Lohnarbeit. Ihr Lebensstandard hängt von Art und Umfang der Güter und Dienste ab, die sie mit ihrem Einkommen erwerben können.
Toni Pierenkemper widmet sich der Geschichte des RWI seit Kriegsende. Hierzu gehört die Wiederbegründung und Neuorientierung des RWI (1945 bis 1952) ebenso wie die Rolle des Instituts im wirtschaftlichen Strukturwandel und in der neuen Wirtschafts- und Währungsordnung (1952 bis 1974), in den Krisen der folgenden Jahre (1974 bis 2000) und schließlich die Neuausrichtung im neuen Jahrtausend (2000 bis 2018). Die komplexen Beziehungen zwischen Wirtschaft, Politik und wirtschaftspolitischer Beratung werden dabei offenbar.
Im Jahr 1943 wurde die 1926 gegründete "Abteilung Westen" des Instituts für Konjunkturforschung, Berlin (heute: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW) als "Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung e.V." (RWI) verselbstständigt.
Rainer Fremdling untersucht im ersten Teil bis 1945 die Umorientierung von der Konjunkturforschung in der Weimarer Republik zur Raumforschung unter dem Nationalsozialismus und der Kriegswirtschaft, wobei die enge Verzahnung des RWI und des DIW mit dem NS-Herrschaftssystem deutlich wird.
Toni Pierenkemper widmet sich der Geschichte des RWI seit Kriegsende. Hierzu gehört die Wiederbegründung und Neuorientierung des RWI (1945 bis 1952) ebenso wie die Rolle des Instituts im wirtschaftlichen Strukturwandel und in der neuen Wirtschafts- und Währungsordnung (1952 bis 1974), in den Krisen der folgenden Jahre (1974 bis 2000) und schließlich die Neuausrichtung im neuen Jahrtausend (2000 bis 2018). Die komplexen Beziehungen zwischen Wirtschaft, Politik und wirtschaftspolitischer Beratung werden dabei offenbar.
Ziel des Projekts ist es, nicht nur die Geschichte des RWI zu dokumentieren, sondern diese in die jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungen einzubetten. Das so entstehende umfassende Bild geht weit über eine reine "Institutshistorie" hinaus und lässt die deutsche Wirtschaft und Wirtschaftspolitik im Untersuchungszeitraum lebendig werden.
Um die verworrene Lage im Regelungsdickicht aus Urheberrecht, Nutzungsbedingungen und Kopierschutz bei digitalen Downloads ging es bei iRights.info gerade ausführlich am Beispiel von Musik sowie Filmen und E-Books. In einer neuen Urheberrechts-Debattenreihe bei Süddeutsche.de hat sich heute CDU-Netzpolitiker Peter Tauber für ein Recht auf Privatkopie bei gekauften Downloads ausgesprochen ...
In Völkerschaustellung in Deutschland und Frankreich von 1874 bis zum Ersten Weltkrieg werden ethnologische Ausstellungen fremder Kulturen und Völker als Phänomen der Kolonialzeit untersucht. Es wird deutlich, dass diese heute befremdlich wirkenden Völkerschauen keineswegs allein aus imperialen Politiken und Praktiken heraus erklärt werden können. Anhand deutscher und französischer Quellen – Zeitungen, Zeitschriften und ausgewählte Ego-Dokumente – werden die jeweiligen gesellschaftlichen Diskurse rund um die Völkerschauen vergleichend untersucht, dabei die Frage nach zeitgenössischen Imaginations- und Konstruktionsformen des Fremden oder nach Wahrnehmung und Attraktivität von Exotik gestellt. Jenseits kolonialer Propaganda – und trotz der nationalen Unterschiede in Darstellung und Inszenierung – können in beiden Ländern unternehmerische Interessen der Veranstalter und insbesondere Neugier und Unterhaltungsbedürfnis der Ausstellungsbesucher als wichtige Faktoren zur Erklärung des Phänomens der Völkerschauen und der sie begleitenden Diskurse herausgearbeitet werden.
Über die ökonomische und soziale Bedeutung der Reformation stritten bereits die Zeitgenossen, auch wenn ihnen die Idee, dass die Reformation den Weg in den modernen Kapitalismus eröffnen würde, naheliegenderweise verschlossen blieb. Der Streit der Zeitgenossen war, das wundert nicht, zugleich eine konfessionelle Auseinandersetzung, die die Reformation und ihre Folgen entsprechend beurteilte. Das ist noch Jahrhunderte später in Johannes Janssens mehrbändiger Geschichte des deutschen Volkes im 16. Jahrhundert zu spüren, der aus katholischer Sicht den mit der Reformation sich ausbreitenden Laxismus großer Bevölkerungsteile scharf kritisierte. ...
Der Protestantismus ist die Konfession des Wortes, Bilder bzw. bildliche Darstellungen als Visualisierungen von Glaubensinhalten haben deshalb per definitionem weder im Calvinismus noch im Luthertum Bedeutung. Mit dieser vereinfachten Charakterisierung, die sich im Fachpublikum ebenso wie unter interessierten Laien lange gehalten hat, setzt sich das Buch von Bridget Heal, Reformationshistorikerin an der Universität St. Andrews, in einer beeindruckenden Analyse der Entwicklungen für das Luthertum auseinander. ...
"Nicht nur Geschichte, auch Geschichtsschreibung wird gemacht", stellte Carola Sachse 2014 in einem Literaturbericht fest, in dem sie die zeithistorische Menschenrechtsforschung der letzten Jahrzehnte kritisch durchleuchtete und eine große Leerstelle konstatierte. Über Frauenrechte, Menschenrechtsaktivistinnen oder Geschlechterverhältnisse fand sich wenig in diesen Studien. Angesprochen auf diese Lücke meinte ein prominenter Experte lapidar: "Man kann nicht alles machen" – eine Antwort, die Sachse mitnichten zufriedenstellte. Dass sie daraufhin mit Roman Birke den vorliegenden Sammelband zu Menschenrechten und Geschlecht konzipierte, ist vor diesem Hintergrund nur folgerichtig. Und die Ergebnisse geben ihr recht: Die Vielgestaltigkeit der Beiträge bestätigt zwar einerseits, dass man wahrlich nicht alles machen kann. Doch wird andererseits auch deutlich, dass die Kategorie Geschlecht bei der Erforschung der Menschenrechtsgeschichte nicht ausgeklammert werden darf. ...
Da wird gegen Ende ein schon recht großer Anspruch formuliert: "Aus genuin historischer Sicht bieten die Ergebnisse dieser Studie Anknüpfungspunkte für ein neues Narrativ, eine neue Interpretation der spätmittelalterlichen französischen Geschichte." Und mehr noch: "Aus systematisch-komparatistischer Sicht lässt sich die Frage nach der Spezifik bzw. der Übertragbarkeit des französischen Beispielfalles unter Rückgriff auf soziologische Theorieentwürfe schließlich auch auf weitere historische Formationen jenseits der spätmittelalterlichen Epoche ausweiten" (S. 427). Hoch die Erwartungen also in der Sache und nicht ganz so hoch an Sprache und Stil. Und französische Leserinnen und Leser, an die sich das Buch sicher nicht zuletzt auch wendet, werden entzückt sein über Juwele kristallklarer Verständlichkeit und federleichter Eleganz wie: "Aus diesen Überlegungen ergibt sich zugleich, dass systematisch-komparatistische Ansätze die jeweiligen Vergleichsgegenstände unter Zugrundelegung externer Analysekategorien zuallererst konstituieren und die im einzelnen zu betrachtenden Phänomene dadurch überhaupt erst vergleich- und operationalisierbar machen müssen" (S. 438). ...
Am 19. Januar 1919 nahmen erstmals auch Frauen an den Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung teil. Der am 10. November 1918, dem Tag nach der Abdankung des Kaisers und der Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann, gebildete Rat der Volksbeauftragten erließ als eine seiner ersten Amtshandlungen ein neues Wahlgesetz. Für alle Parlamente auf kommunaler, Länder- und Reichsebene wurde das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für Männer und Frauen ab 21 Jahren dekretiert. Damit durften alle erwachsenen Deutschen wählen, unabhängig vom Geschlecht, von Besitz und Steuerleistung. Die bis dahin überall geltende Beschränkung des Wahlrechts auf Männer war damit abgeschafft und auch das in Preußen geltende Dreiklassenwahlrecht, das bis dahin die Stimmengewichtung an die Steuerleistung gekoppelt hatte. ...
Im 19. Jahrhundert war Prostitution in weiten Teilen Europas reglementiert. Die Bordelle wurden staatlich konzessioniert, die Frauen polizeilich registriert, gynäkologisch überwacht und Zwangsbehandlungen unterworfen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde diese Reglementierung der Prostitution abgeschafft.
Wie kam es zu dieser Abschaffung? Welche Gründe sprachen für ein Ende dieser Art der Prostitutionskontrolle? Und inwiefern verlief die Diskussion in unterschiedlichen Ländern parallel oder eben gerade nicht? Diese Fragen stehen im Zentrum von Malte Königs Habilitationsschrift (Univ. des Saarlandes), in der es um die Gesetzesentwicklung in Deutschland, Frankreich und Italien geht. ...
Catharina Gowers, Waldemar Könighaus, Marcus Schütz, Cornelia Scherer, Thorsten Schlauwitz, Victoria Trenkle, Judith Werner und natürlich dem spiritus rector des Unternehmens und einem der besten Kenner der Papstgeschichte, Klaus Herbers, kann man nur den größten Dank aussprechen, dass sie sich der höchst mühsamen und komplizierten Aufgabe angenommen haben, den "Jaffé" in einer dritten Auflage zu überarbeiten. ...
Das letzte neue Medium, dem man – egal ob Gegner oder Freund – zubilligen muss, dass es unsere Welt fundamental verändert (hat), ist das Internet. Technische und historische Entwicklungen erspare ich mir an dieser Stelle und verweise auf die entsprechenden Darstellungen im – na? – im Internet. Wenn man dumme oder sagen wir vielleicht lieber peinliche Zitate übers Internet bzw. die daraus resultierenden gesellschaftlichen Debatten sucht, dann stößt man auf wirklich überraschende Stilblüten. So entblödete sich Stephan Holthoff-Pförtner, Gesellschafter der WAZ, nicht, Bloggern den Schutz des Artikels 5 GG abzusprechen. Angesichts der heutigen Bedeutung sozialer Netzwerke im Alltag lag auch BILD-Kolumnist Franz Josef Wagner im Jahr 2006 falsch, als er erklärte: "Einem Menschen wird man auf seinem Weg zum Bäcker begegnen, aber niemals im Internet." ...
Als Band zwei der neuen Reihe Religion and Law in Medieval and Muslim Societies (von der inzwischen schon mehrere Titel vorliegen) erschien dieser bemerkenswerte Band. Die Rolle der Juden im Recht des frühen Mittelalters ist natürlich schon mehrfach untersucht worden, doch ist man dankbar für einen Band, der die Forschung widerspiegelt und an vielen Punkten weiter voranbringt. Die einzelnen Beiträge sind in der Regel auch bibliographisch à jour, so dass dieser Sammelband durchaus auch die Eigenschaften eines Handbuchs aufweist. ...