Geschichtswissenschaften
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Rezension zu: Wolbring, Barbara: Krupp und die Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert. Selbstdarstellung, öffentliche Wahrnehmung und gesellschaftliche Kommunikation. München: C.H. Beck Verlag 2000. ISBN: 3-406-46527-7; 367 S. Zitierweise: Christof Biggeleben: Rezension zu: Wolbring, Barbara: Krupp und die Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert. Selbstdarstellung, öffentliche Wahrnehmung und gesellschaftliche Kommunikation. München 2000, in: H-Soz-u-Kult, 01.02.2002, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/NG-2002-008>.
Als Sohn Therese Alzheimers geb. Busch (1840-1882) und des Notars Eduard Alzheimer (1830-1891) wurde Alois Alzheimer am 14. Juni 1864 in Marktbreit (Landkreis Kitzingen) geboren. Er hatte zwei Schwestern und drei Brüder sowie einen Halbbruder und eine Halbschwester. Als Zehnjähriger kam Alois Alzheimer nach Aschaffenburg und absolvierte bis Juli 1883 das Königliche humanistische Gymnasium, wie bereits sein Vater und dessen fünf Brüder. Nach dem Militärdienst in Aschaffenburg studierte Alois Alzheimer ab dem Wintersemester 1883 Medizin in Berlin, Tübingen und Würzburg. Nach dem Staatsexamen im Juni 1888 in Würzburg wurde er mit der Dissertation „Über die Ohrenschmalzdrüsen“ zum Dr. med. promoviert. Nach einer Assistentenzeit bei seinem Doktorvater Albert von Koelliker (1817-1905) begleitete er eine geisteskranke Dame auf ihren Reisen. Ende 1888 wurde Alois Alzheimer Assistenzarzt und 1895 Oberarzt in Frankfurt a. M. bei Emi Sioli (1852-1922), wo er ab Ende 1901 die erste bekannte Alzheimer-Kranke, Auguste Deter (1850-1906), behandelte.
Alois Alzheimer heiratete 1894 die Witwe Cecilie Geisenheimer geb. Wallerstein (1860-1901). Sie hatten drei Kinder: Gertrud Stertz geb. Alzheimer (1895-1980), Hans Alzheimer (1896-1981) und Maria Finsterwalder geb. Alzheimer (1900-1977). Alois Alzheimer hatte auch zwei Patenkinder: Alois Alzheimer (1892-1892) und Generaldirektor Dr. jur. Alois Alzheimer (1901-1987).
Alois Alzheimer (1864-1915) war ab 1903 Mitarbeiter Emil Kraepelins (1856-1926) in Heidelberg und München. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit habilitierte sich alois Alzheimer 1904 mit der Arbeit „Histologische Studien zur Differentialdiagnostik der progressiven Paralyse“ habilitierte. Hierfür erhielt er im Januar 1912 in Leipzig den Paul-Julius-Möbius-Preis. Alois Alzheimer wurde 1904 Privatdozenten und 1909 außerordentlichen Professor in Bayern ernannt. In der im Herbst 1910 publizierten 8. Auflage seines Psychiatrie-Lehrbuchs, das im Herbst 1910 erschien, verwendete Emil Kraepelin erstmals das Eponym „Alzheimersche Krankheit“. Alois Alzheimer verdanken wir wesentlich mehr als diesbezügliche Forschungen und seine beiden Publikationen von 1906 und 1911 zu der später nach ihm benannten Krankheit, wodurch sein Name weltweit bekannt wurde und bis heute ist. Die von ihm bearbeiteten neurologischen und psychiatrischen Gebiete weisen kaum Überschneidungen auf. Er betrat mehrfach wissenschaftliches Neuland oder entwickelte Erkenntnisse weiter. Zu nennen sind hier u. a. seine Publikationen über Schizophrenie, Chorea Huntington, Epilepsie, Encephalitis, Erschöpfungspsychosen, manisch-depressives Irresein, Lumbalpunktion, Fetischismus, Indikationen für eine künstliche Schwangerschaftsunterbrechung bei Geisteskranken, Delirium, „geborene Verbrecher“, Alkoholkrankheit und Kriegsneurosen.
Zusammen mit seinem Chefarzt Emil Kraepelin behandelte Oberarzt Alois Alzheimer auch überegional bekannte Patienten wie den Nobelpreisträger Emil von Behring (1854-1917) und sog. „Wolfsmann“ Sergius Pankejeff (1887-1979) sowie das Vorbild für die „Clarisse in Robert Musils (1880-1942) Roman „Mann ohne Eigenschaften“, Alice Donath geb. Charlemont (1885-1939). Alois Alzheimer genoss schon zu Lebzeiten ein internationales Renommee. Gastärzte und Assistenten waren unter anderem Solomon Carter Fuller (1872-1953), Francesco Bonfiglio (1833-1966), Gaetano Perusini (1879-1915), Alfons Jakob (1884-1931) und Hans-Gerhard Creutzfeldt (1885-1961). Alois Alzheimer war ab 1910 zusammen mit Max Lewandowsky (1876-1918) Schriftleiter der neuen "Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie".Im Juli 1912 wurde Alois Alzheimer ordentlicher Professor für Psychiatrie und Neurologie in Breslau und Chefarzt der Universitätsklinik. Er war zu Beginn des Ersten Weltkrieges auch im dortigen Festungslazarett eingesetzt.
Alois Alzheimer starb am 19. Dezember 1915 an Herzmuskelentzündung und Nierenversagen. Er wurde auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt a. M. neben seiner Ehefrau beigesetzt.
In einem eigenen Kapitel werden die Geschichte der Alzheimer-Krankheit beleuchtet und aktuelle Erkenntnisse aufgezeigt. Die vorliegende Arbeit wird ergänzt durch relevante Hinweise auf die rechtliche Vorsorge durch eine Patientenverfügung und Vollmacht, ggf. die Errichtung einer Rechtlichen Betreuung, wenn ein/e Alzheimer-Kranke/r seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann und in geistig gesunden Tagen keine schriftlichen Festlegungen getroffen hat. Erläutert werden ebenso Nachteilsausgleiche bei Schwerbehinderung sowie Hilfen bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit: häusliche Pflege in Privatwohnungen oder Anlagen für Betreutes Wohnen, Tagespflege, Kurzzeitpflege und vollstationäre Dauerpflege in Seniorenheimen. Aufgezeigt werden auch Leistungen der Krankenkassen und Zuschüsse nach dem Pflegeversicherungsgesetz sowie bei Bedürftigkeit ergänzende Sozialhilfe zu erhalten.
Weit davon entfernt, ein Phänomen der Vergangenheit und durch den zunehmenden Wohlstand der Staaten ausgelöscht worden zu sein, wird der Kluft zwischen Arm und Reich in der Gegenwart wieder verstärkt nachgegangen. Den Versuch der historischen Fundierung dieser Debatten haben Petra Schulte und Peter Hesse in dem vorliegenden Sammelband zum Reichtum im späten Mittelalter unternommen, der auf den Beiträgen und Ergebnissen einer Tagung im Deutschen Studienzentrum Venedig im Jahr 2010 beruht. ...
Das Phänomen Straßenmusik: Teil einer städtischen Identität? : eine Analyse am Fallbeispiel Dublin
(2019)
The objective of this work is to understand the significance of street music for the city of Dublin and to what extent street music is part of the collective identity of its inhabitants. The idea behind this topic is this: A modern city stands for concentrated diversity. Despite this enormous diversity of people, ideas and beliefs, there are certain factors that every identity in a city shares: in this case, it is the street music. The work first introduces the research „Das Dublin Projekt. Die Rolle der Straßenmusik in der Hauptstadtkultur" (The Dublin Project. The role of street music in the capital city culture) of 2018 and uses selected points of analysis to illustrate the observed high value of street music as well as the process of the research and an overview of the applied scientific methods. In the second part of this work, the actual research-thesis will be explained and various theories on „identity" will be illustrated. For this purpose, selected theories are used to interpret the own findings with regard to the research-thesis. The focus here is on urban and collective identity theories. Finally, the answers to the questions posed will be given as well as an outlook on possible, supplementary and further research. Medial support of this work comes from attached photos of the described scenes as well as from map sections showing the distances covered and the hotspots of the research.
Das anzuzeigende Buch ist eine Aufsatzsammlung basierend auf einer internationalen Konferenz, die 2011 an der Keio Universität Tokio stattgefunden hat. Von den insgesamt elf Konferenzbeiträgen sind neun in dieser Sammlung vorgelegt. In seiner Einleitung gibt David Sugimoto die Beweggründe für die Wahl des Themas an und erklärt, weshalb die drei Göttinnen im Buchtitel als eine Göttin dargestellt werden, auch wenn er sogleich einräumt, dass noch weitere Göttinnen – Inanna, Isis, Hathor, Tanit und Venus sowie eine nicht näher bestimmte Himmelsgöttin – hätten mit aufgenommen werden können, da auch sie, ebenso wie zahllose lokale Göttinnen der antiken Welt, Aspekte der Ištar, Astarte und Aphrodite besäßen...
Das im Theiss-Verlag erschienene Buch „Grenzen des Imperiums. Leben am römischen Limes“ von Margot Klee behandelt die Regionen an den Rändern des römischen Reiches und nimmt die Bedeutung des Limes für diese Gebiete in Augenschein. Der geographische Bogen spannt sich dabei vom Hadrians- und Antoninuswall in Großbritannien über die römischen Provinzen Mittel- und Osteuropas bis nach Kleinasien, die Levante und Nordafrika. Dabei werden in jedem Kapitel nicht allein die jeweiligen archäologisch nachgewiesenen Limesanlagen, sondern auch Kastelle, Brücken und Straßen entlang der Grenze untersucht und in kurzen Abschnitten dargestellt, um so einen möglichst breitflächigen Gesamteindruck der Anlage vermitteln zu können. ...
Rezension zu: Philip Matyszak, Geschichte der Römischen Republik. Von Romulus zu Augustus (2004)
(2006)
Auf welche Weise offenbart sich der Einfluss bildungsadministrativer Vorgaben und fachwissenschaftlicher Diskurse im Geschichtsschulbuch? Die vorliegende Studie geht dieser Frage anhand einer diachronen Längsschnittuntersuchung zum mittelalterlichen "Lehnswesen" in hessischen Geschichtsschulbüchern zwischen 1945 und 2015 auf den Grund. Nach der Entwicklung eines möglichst repräsentativen Untersuchungskorpus wird auf Basis der verschiedenen Lehrpläne und mediävistischen Grundlagen ein Fragenkatalog für die anschließende Schulbuchanalyse entwickelt auf dessen Basis Veränderungen in den Schulbuchdarstellungen offengelegt und exemplarisch konkretisiert werden. Abschließend setzt die Studie die verschiedenen Einflussfaktoren bei der Erstellung neuer und der Überarbeitung alter Geschichtsschulbücher miteinander in Bezug und bewertet diese hinsichtlich ihrer Bedeutung für Veränderungen in Schulbüchern.
Dass das Papsttum und sein jurisdiktioneller Anspruch letztlich auf dem Apostel Petrus basieren, der, wie man bei Matthäus lesen kann, der Fels ist, auf dem Christus seine Kirche errichten wollte (Matth. 16,18), ist eine bekannte Tatsache, auf die hier nicht eingegangen werden soll. Der in Rom zentrierte Rechtsraum der lateinischen Kirche stand schon bald, spätestens im 5. Jahrhundert, im Gegensatz zum sich seit dem 4. Jahrhundert konstituierenden Rechtsraum der griechischen Kirche(n) mit Antiocheia, Alexandreia, Jerusalem (ab 451) und schließlich Konstantinopel, der zweiten Hauptstadt des Römischen Reiches und ab 476 der einzigen Hauptstadt. Das kanonische Recht beider Bereiche entwickelte sich im Verlaufe der Jahrhunderte auseinander. Trotz gemeinsamer Grundlagen (der sieben bzw. acht ökumenischen Konzilien und deren Rechtssetzung) gab es Konflikte, die sich schließlich seit dem 11. Jahrhundert in einem bis heute andauernden Schisma niederschlugen. Ein steter Stein des Anstoßes (neben den anderen bekannten Differenzen – Azymen, Filioque usw.) war der römische Primatsanspruch, den man in Konstantinopel nie anerkannte und dem man etwa die sog. Pentarchietheorie entgegensetzte. Erst spät, wie hier gezeigt werden soll, um 800, setzte man in Konstantinopel Petrus seinen Bruder Andreas entgegen, den "Erstberufenen" (vgl. Joh. 1,35–42). Jedenfalls versuchte man dies, vermutlich nach römischem Vorbild. Wann genau und warum dies geschah, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. ...
Die von Franz Dölger entwickelte Vorstellung, dass sich die Staaten und Herrschaften im östlichen wie westlichen Mittelalter als eine "Familie der Könige" begriffen, die als ein gleichsam rechtliches Institut die politische Welt konstituierte, wird einer Kritik unterworfen. Danach hätten sich die Herrscher der Welt (nicht nur der christlichen, sondern z. B. auch die sassanidischen Perser) als eine "Familie" begriffen, mit dem (ost-)römischen Kaiser an der Spitze und abgestuft denn "Brüder", "Söhne", "Freunde" usw. Dies wird angezweifelt.
Dabei konzentriert sich die Darstellung, die sich als ein Versuch begreift, eine längst überfällige Diskussion zu initiieren, auf die spätantiken und frühmittelalterlichen Quellen, auf die sich Dölger berief. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist ein negatives: Das Konzept einer "Familie der Könige" lässt sich in den herangezogenen Quellen nicht finden. Diplomatische Formeln, die sich bis in den Alten Orient oder die hellenistischen Staaten zurückverfolgen lassen, kann man nicht als Belege für ein nach Dölger Ende des 3. Jahrhunderts entstandenes System betrachten.
In einem Schlussteil werden die Entstehungsumstände der Dölgerschen "Familie der Könige" – der relevante Aufsatz erschien im Jahre 1940 – sowie seine Haltung zum Nationalsozialismus thematisiert. Die Möglichkeit (Sicherheit ließe sich durch intensive weitergehende Forschungen erreichen), dass Dölger sein aufs Mittelalter bezogenes Konzept im Kontext seiner Involvierung in aktuelle Diskussionen über die "Ordnung" Südosteuropas (inkl. Griechenlands) in bestimmten NS-dominierten think tanks entwickelte, wird als reale Möglichkeit gesehen. Als Erkenntnisinstrument der Spätantike- und Mittelalterforschung jedenfalls fällt die "Familie der Könige" nach Ansicht des Verfassers aus.
Nicht die Entwicklung des Sakraments der Taufe während der tausendjährigen byzantinischen Geschichte gilt es hier zu erörtern; der liturgiewissenschaftliche Aspekt wird in diesen Zeilen bestenfalls einen Randaspekt darstellen. Stattdessen werde ich mich auf einige Aspekte konzentrieren (wenn auch in unterschiedlicher Intensität), die dem vorgegebenen Thema – (gesellschaftliche) Inklusion und Exklusion – entsprechen. Es soll also um ausgewählte Aspekte des Themenkomplexes "Taufe" gehen, die Relevanz für die Rechtsgeschichte, aber auch für die Gesellschaftsgeschichte in einem allgemeineren Sinne (inklusive gewisser Bezüge zur politischen Geschichte bzw. zur Missionsgeschichte) aufweisen. ...
Catharina Gowers, Waldemar Könighaus, Marcus Schütz, Cornelia Scherer, Thorsten Schlauwitz, Victoria Trenkle, Judith Werner und natürlich dem spiritus rector des Unternehmens und einem der besten Kenner der Papstgeschichte, Klaus Herbers, kann man nur den größten Dank aussprechen, dass sie sich der höchst mühsamen und komplizierten Aufgabe angenommen haben, den "Jaffé" in einer dritten Auflage zu überarbeiten. ...
Als Band zwei der neuen Reihe Religion and Law in Medieval and Muslim Societies (von der inzwischen schon mehrere Titel vorliegen) erschien dieser bemerkenswerte Band. Die Rolle der Juden im Recht des frühen Mittelalters ist natürlich schon mehrfach untersucht worden, doch ist man dankbar für einen Band, der die Forschung widerspiegelt und an vielen Punkten weiter voranbringt. Die einzelnen Beiträge sind in der Regel auch bibliographisch à jour, so dass dieser Sammelband durchaus auch die Eigenschaften eines Handbuchs aufweist. ...
Es gibt sogenannte "Fakten" oder "Tatsachen" der Geschichte, die sich nach intensiver Überprüfung als Fiktionen erweisen. Es gibt Vorstellungen, die jahrhundertelang als gesichertes Wissen galten und bis heute in Enzyklopädien und einschlägigen Handbüchern zu finden sind. Ihre Faktizität gilt als gesichert; man sieht sie als "wirklich bestehende Sachverhalte" an. Und doch entpuppen sich immer wieder vermeintlich gesicherte Tatsachen als fiktiv. Jedoch können solche "fiktiven Tatsachen" in verschiedenen Zusammenhängen – und sei es "nur" in der Wissenschaftsgeschichte – ein Eigenleben entwickeln. Der traditionelle Begriff der Fälschung greift hier nicht mehr. Neuerdings verbreitet sich der Begriff der "imaginären Tatsache". ...
Der byzantinische Bilderstreit des 8. und 9. Jahrhunderts ist ein unerschöpfliches Thema, das alljährlich mehrere Bücher und noch mehr Aufsätze generiert. Und gelegentlich schafft er es sogar – wenn auch nur en passant –, in den Feuilletons der großen Tageszeitungen Erwähnung zu finden. So etwa Anfang 2006, als (rechtslastige) Journalisten in Dänemark meinten, Muslime mit Muhammadkarikaturen provozieren zu müssen – was ihnen bekanntlich ja auch gelang. Allerdings diente der mittelalterliche Streit über die Berechtigung der Verehrung heiliger Bilder lediglich als pseudogelehrtes Ornament der geführten Debatte. Ob dies dazu führte, dass irgendjemand zu dem kurz zuvor erschienenen Band von Thümmel über die Synoden zur Bilderfrage im 7. und 8. Jh. griff, um sich weiter über diesen Themenkomplex zu informieren, vermag der Rezensent natürlich nicht zu sagen. Auszuschließen ist es nicht. Und sicher hätte man genügend Informationen gefunden, um sich ein Bild vom Bilderstreit zu machen. Man hätte erfahren können, dass dieser byzantinische Gelehrtenstreit – um einen solchen handelt es sich in erster Linie – nichts mit dem islamischen Bilderverbot zu tun hatte, wie man früher oft meinte. ...
Die "Relatio de legatione Constantinopolitana" des Liudprand von Cremona und seine Gesandtschaft des Jahres 968 nach Konstantinopel zum Kaiser Nikephoros II. Phokas ist von byzantinistischer Seite bereits mehrfachi untersucht worden. Daß Liudprand und seine Schriften hauptsächlich Gegenstand der mediävistischen Forschung geblieben sind, ist nur natürlich. Und daß dabei die im engeren Sinne byzantinistischen Belange zweitrangig sind, ist ebenfalls normal. Gelegentlich jedoch können - so scheint mir - Informationen, die Liudprand über Byzanz mitteilt, auch in einem westlichen Kontext gesehen werden. Der Bischof von Cremona schrieb ja schließlich nicht für die Byzantiner; sondern sah als sein vorrangiges Publikum Otto I. und dessen Hof an. Ich werde deshalb an dieser Stelle versuchen, zunächst die Hintergründe für Liudprand von Cremonas Kapitel 39-41 der "Relatio" auf der Basis des eben angesprochenen byzantinischen Hintergrunds auszuleuchten und werde in einem zweiten Teil, der allerdings aufs engste mit dem Background für diese Kapitel der "Relatio" des Liudprand zusammenhängt, auf zwei Schriften eines bedeutenden byzantinischen Gelehrten des 10. Jhs. - Niketas Paphlagon - aufmerksam machen, die nicht nur einen sehr interessanten Hinweis auf Kontakte dieses byzantinischen Theologen mit westlichen Bischöfen enthalten, sondern durch ihren Inhalt endzeitliche Erwartungen in Byzanz wie im lateinisclien Westen belegen. Sie sind bisher völlig unbeachtet geblieben. Ich beabsichtige allerdings nicht, in die alte Debatte der Mediävistik um den "terreur de l'an mille" einzugreifen. Mir geht es allein darum, zu zeigen, daß auch in Byzanz ein Wissen um die Gefahren der Zeit um das Jahr 1000 a.D. existierte, auch wenn dieses sich teilweise aus ganz anderen Quellen als analoge Phänomene im Westen speiste. ...
Die Collectio Thessalonicensis ist eine nur fragmentarisch überlieferte Sammlung von Papst- und Kaiserbriefen, angeblich vor dem Jahre 531 zusammengestellt. Sie ist seit langen Jahren nicht mehr (oder doch nur peripher) in der internationalen Forschung beachtet worden. Aber nicht nur dieser Umstand veranlasste uns zur eingehenderen Beschäftigung mit diesem Konvolut interessanter Texte. In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat die wissenschaftliche Durchdringung der christlichen Spätantike enorme Fortschritte gemacht. Neue Hilfsmittel – nicht zuletzt die heute zur Verfügung stehenden elektronischen Ressourcen – stehen nunmehr zur Verfügung. Auch neue wissenschaftliche Fragestellungen evozieren eine erneute Beschäftigung mit dieser (angeblich oder tatsächlich) aus dem 6. Jahrhundert stammenden Sammlung wichtiger Dokumente. Die seit einigen Jahren erneut aufgeflammte Diskussion über die Umstände der endgültigen Unterstellung der Bistümer des sog. östlichen Illyricum in den 50er Jahren des 8. Jahrhunderts unter Rom erfordert es, die kirchengeschichtlichen Hintergründe dieser bis dahin lange zwischen Rom und Konstantinopel umstrittenen Region (man denke nur an das sog. Vikariat von Thessaloniki) erneut ins Auge zu fassen. ...
Man wird das Gefühl nicht los, dieses Buch wisse selbst nicht so genau, was es eigentlich will. Folgt man seinem Titel, wäre eine Studie zur Darstellung des Kaisers Marcus Aurelius in der Historia Augusta und insbesondere den danach verfassten Werken zu erwarten. Tatsächlich aber handelt es sich hauptsächlich um einen Kommentar zur Vita Marci, angereichert um Kapitel zur Darstellung des Marcus Aurelius in der Historia Augusta und – angesichts dessen, dass Adams der Datierung derselben in das späte vierte Jahrhundert folgt – bei (fast ausnahmslos) früheren Autoren...
Nichts als Kunst : archäologische Forschungen zur früheisenzeitlichen Nok-Kultur in Zentral-Nigeria
(2006)
Im Zuge der Arbeitsbeschaffung, der Aufrüstung und der nachfolgenden Kriegsfinanzierung stand der nationalsozialistischen Regierung ein Bündel prinzipieller Finanzierungsalternativen zur Verfügung. Bei der Finanzierung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen griff das Regime auf das vorhandene Instrumentarium der Vorgängerregierungen zurück. Insofern war das Prinzip der Wechselfinanzierung zur kurzfristigen Mobilisierung von Liquidität keine Innovation der NS-Regierung, sondern lediglich die Fortsetzung einer bereits praktizierten Finanzierungsmethode. In Hinblick auf die Faktoren „Ergiebigkeit“ und „zeitlicher Verfügbarkeit“ musste im Rahmen der Kriegsfinanzierung primär auf die kurzfristige Verschuldung zurückgegriffen werden. Keine andere Finanzierungsalternative hätte – unter Berücksichtigung der „Blitzkriegstrategie“ und dem damit verbundenen außerordentlichen Mittelbedarf - in solch kurzer Zeit die erforderliche Finanzkraft ohne Reibungsverluste und zeitliche Verzögerungen garantieren können. In steuerpolitischer Hinsicht schöpfte die Regierung zwar ansteigende Einkommen und Gewinne ab, doch fand die Steuergesetzgebung ihre Grenze in der gesellschaftlichen Akzeptanz sowie bei der Berücksichtigung distributionspolitischer Motive. Pläne zur weiteren Steuererhöhung oder gar zur Einführung neuer Steuern wurden zu Gunsten der Zustimmung in der Bevölkerung zur Regimepolitik verworfen. Das Primat der Fundierung kurzfristiger Kreditaufnahme wurde mit Fortdauer des Krieges aufgegeben. Die Konsolidierung der schwebenden Schulden hinkte dem Tempo des kurzfristigen staatlichen Kreditbedarfs mit Fortdauer des Krieges hinterher. Große Teile des Finanzierungsbedarfs wurden durch Enteignung und Kontribution gedeckt. Die übermäßige Beanspruchung ausländischer Volkseinkommen und – vermögen glich jedoch nur einen Teil des inländischen Geld-Gütermarkt-Ungleichgewichtes aus. Darüber hinaus waren mit der Besetzung ausländischer Territorien aber auch Kosten für die Versorgung der Bevölkerung verbunden. Selbst unter Missachtung jeglicher Humanität gegenüber der ausländischen Bevölkerung waren die Ressourcenbeiträge der besetzten Länder begrenzt. Bei der sog. „geräuschlosen Kriegsfinanzierung“ kamen verschiedene Instrumente zur Absorption überschüssiger Kaufkraft zum Einsatz. Langfristige Schuldpapiere wurden überwiegend nicht am freien Kapitalmarkt begeben, sondern direkt den Kapitalsammelstellen zugeteilt. Gesetzlich definierte Grenzen der Lohn- und Preisbildung sowie die Beschränkungen des Kapital- und Gütermarktes flankierten die Bemühungen um die Stilllegung überschüssiger Einkommen. Mit dem kriegsbedingten Ausufern des Mittelbedarfs schwand jede Rücksichtnahme auf die gesetzlichen und ökonomischen Grenzen. Die langfristige Verschuldung konnte fortan der kurzfristigen Kreditaufnahme nicht mehr folgen. Die Sparkassen stellten aufgrund ihrer Nähe zum Einzelkunden und ihres organisatorischen Aufbaues eine idealtypische Konstruktion für die Absorption von Spargeldern dar. Darüber hinaus hatten sie eine dominierende Stellung auf dem Spareinlagenmarkt.
Dass nur das sonnenhafte Auge die Sonne erblicken kann, diese These geht wie so vieles letztlich auf Platon zurück. Der griechische Philosoph interessiert sich für Licht nicht in physikalischer, sondern in wahrnehmungstheoretischer Hinsicht. Und diese Hinsicht interessiert ihn wiederum, weil nach seiner Auffassung der Fall des Sehens zur Illustration des rationalen Erfassens von etwas dienen kann.
In einer Zeit, in der man sich zuweilen fast schon entschuldigen zu müssen glaubt, wenn man keinen strikt vegetarischen Lebensstil pflegt, ist die Lektüre dieses Buches eine wahre Wohltat: Die sinn- und einheitsstiftende Funktion von Fleisch, Fleischkonsum und damit verbundener Bereiche wie Festmahl und Jagd sind Thema von Egbert J. Bakkers (im Folgenden B.) Monographie, die außerdem mit einer Länge (bzw. Kürze) von knapp zweihundert Seiten einen angenehmen Kontrapunkt zu zahlreichen überlangen Wälzern setzt. Der Hauptteil des Buches ist gegliedert in acht durchschnittlich ca. zwanzig Seiten umfassende Kapitel, gefolgt von einem ‚Epilog‘ (der jedoch eigentlich ins erste Kapitel gehört). Um den Hauptteil herum angeordnet sind die üblichen Paraphernalien: zu Beginn ein Vorwort ("Preface", S. ix) sowie eine Kurzeinführung mit einer gerafften Übersicht über den Aufbau des Buches und den Inhalt der einzelnen Kapitel ("Prologue: food for song", S. x-xiii); am Ende die Bibliographie (S. 170-181) sowie ein Stellen- und Sachindex (S. 182-187 bzw. 188–191). ...
Zwar scheinen die Zeiten, in denen der Unternehmer als einsamer, heroischer "Schöpfer" seiner Wege ging, der Vergangenheit anzugehören und "Innovationsbürokratien" an seine Stelle getreten zu sein – gleichzeitig genießt das "Unternehmerische" heute paradoxerweise einen kaum zu übertreffenden Ruf, werden damit doch Eigenschaften wie Kreativität, Produktivität oder Dynamik assoziiert. Anlass genug, sich genauer mit Fakten und Fiktionen um den Unternehmer zu befassen, wie es die von Werner Plumpe am Historischen Kolleg in München organisierte Tagung tat. Im Mittelpunkt standen denn auch Fragen nach den Merkmalen von Unternehmern und ihrer Bedeutung für Struktur und Entwicklung "ihrer" Unternehmen, mit anderen Worten: Sind Unternehmer "als Individuen notwendig, oder kann der Kapitalismus seine Dynamik auch anders als auf diese Weise entfalten?" ...
Friedrich Flick zählt zweifellos zu den umstrittensten Protagonisten der deutschen Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte des 20. Jahrhunderts – und mittlerweile auch zu den am besten erforschten. Zwischen 2004 und 2008 erschienen gleich vier teilweise recht umfangreiche Arbeiten zur Konzern- und zur Familiengeschichte. Was macht diesen Mann für Geschichtswissenschaft und politisch interessierte Öffentlichkeit so interessant? Ein kühner Unternehmensgründer vom Schlage eines Thyssen oder Siemens – das machen die vier Autoren gleich in der Einleitung deutlich – war er jedenfalls nicht, auch kein genialer Erfinder oder sozialpolitischer Pionier. Sein Name sei vielmehr zum "Synonym für politischen Opportunismus und den skrupellosen Einsatz wirtschaftlicher Macht geworden" (S. 8). Einen gewissermaßen widerwilligen Respekt nötigt allenfalls seine Fähigkeit ab, unter vier verschiedenen politischen Systemen wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Schon aus diesem Grund erscheint es den Autoren angezeigt, Flick "als Unternehmer ernst zu nehmen" (S. 9). ...
S. leicht übererarbeitete Version der Dissertation: Das "Handbook of...", um das es in dieser Arbeit geht, wird, wenn es vollendet werden sollte, 20 Bände mit insgesamt ca. 16000 Seiten Informationen zu einer aus Anonymisierungsgründen hier nicht näher bezeichneten Bevölkerungsgruppe umfassen, die im gegenwärtigen Nordamerika als ethnische Minderheit gilt. Der komplette Titel des Handbook war länger, wird aber ebenfalls aus Gründen der Anonymisierung nicht erwähnt. Es war als eine Enzyklopädie geplant, die die bis dato gewonnenen wissenschaftlichen Kenntnisse über die Geschichte und Kultur dieser Gruppe von der frühesten Prähistorie bis zur Gegenwart mit dem Ziel zusammenfassen sollte, ein von ausgesuchten Wissenschaftlern geschriebenes enzyklopädisches Referenzwerk nicht nur für Fachleute, sondern auch für die Allgemeinheit zu schaffen (General Editor 1987). In Form einer Monographie wird dargestellt, wo und wie das Handbook produziert wurde, welche unterschiedlichen berufs- und branchenkulturellen Elemente im Redaktionsbüro zusammentrafen und welche von außen auf es einwirkten, wobei natürlich nur eine Auswahl beschrieben und keine komplette Auflistung vorgenommen werden konnte. Das "Handbook of ..." wurde Mitte der sechziger Jahre geplant, Anfang der siebziger konkret begonnen und war 1997 bei Band 10 von 20 geplanten Bänden angekommen. Im Redaktionsbüro wurden die von vielen verschiedenen Autoren geschriebenen Beiträge aneinander angeglichen, um eine für Enzyklopädien erforderliche Einheitlichkeit zu erreichen. Überprüft, und gegebenenfalls korrigiert, wurden die Texte auf die Einhaltung des Themas und ihre Schlüssigkeit hin, auf eine (in Angleichung an andere Beiträge des Bandes und der Serie) einheitliche Schreibweise von Namen und Begriffen, auf korrekte Sachangaben sowie auf fehlerfreie Zitate und Literaturangaben. Solche Überprüfungen wurden nicht nur für das Handbook vorgenommen, sondern genauso in anderen großen und renommierten Enzyklopädie- und Lexikonverlagen wie der Encyclopedia Britannica und dem Brockhausund Dudenverlag. Durch die Stellung als Wissensautorität und 'letzte Instanz' in der Klärung von strittigen Fragen waren sie es ihrem Ruf schuldig, (möglichst) fehlerfreie Werke herauszubringen. ...
Das "Handbook of...", um das es in dieser Arbeit geht, wird, wenn es vollendet werden sollte, 20 Bände mit insgesamt ca. 16000 Seiten Informationen zu einer aus Anonymisierungsgründen hier nicht näher bezeichneten Bevölkerungsgruppe umfassen, die im gegenwärtigen Nordamerika als ethnische Minderheit gilt. Der komplette Titel des Handbook war länger, wird aber ebenfalls aus Gründen der Anonymisierung nicht erwähnt. Es war als eine Enzyklopädie geplant, die die bis dato gewonnenen wissenschaftlichen Kenntnisse über die Geschichte und Kultur dieser Gruppe von der frühesten Prähistorie bis zur Gegenwart mit dem Ziel zusammenfassen sollte, ein von ausgesuchten Wissenschaftlern geschriebenes enzyklopädisches Referenzwerk nicht nur für Fachleute, sondern auch für die Allgemeinheit zu schaffen (General Editor 1987). In Form einer Monographie wird dargestellt, wo und wie das Handbook produziert wurde, welche unterschiedlichen berufs- und branchenkulturellen Elemente im Redaktionsbüro zusammentrafen und welche von außen auf es einwirkten, wobei natürlich nur eine Auswahl beschrieben und keine komplette Auflistung vorgenommen werden konnte. Das "Handbook of ..." wurde Mitte der sechziger Jahre geplant, Anfang der siebziger konkret begonnen und war 1997 bei Band 10 von 20 geplanten Bänden angekommen. Im Redaktionsbüro wurden die von vielen verschiedenen Autoren geschriebenen Beiträge aneinander angeglichen, um eine für Enzyklopädien erforderliche Einheitlichkeit zu erreichen. Überprüft, und gegebenenfalls korrigiert, wurden die Texte auf die Einhaltung des Themas und ihre Schlüssigkeit hin, auf eine (in Angleichung an andere Beiträge des Bandes und der Serie) einheitliche Schreibweise von Namen und Begriffen, auf korrekte Sachangaben sowie auf fehlerfreie Zitate und Literaturangaben. Solche Überprüfungen wurden nicht nur für das Handbook vorgenommen, sondern genauso in anderen großen und renommierten Enzyklopädie- und Lexikonverlagen wie der Encyclopedia Britannica und dem Brockhausund Dudenverlag. Durch die Stellung als Wissensautorität und 'letzte Instanz' in der Klärung von strittigen Fragen waren sie es ihrem Ruf schuldig, (möglichst) fehlerfreie Werke herauszubringen. ...
Am 15. Dezember 1967 hielt Jochen Bleicken seine Frankfurter Antrittsvorlesung zu dem ihn in den kommenden Jahren beherrschenden Thema "Staat und Staatsrecht in der römischen Republik". Geleitet vom Dekan zog er zur akademischen Stunde mittags 12 Uhr cum tempore in die Alte Aula der jungen Frankfurter Universität ein – ohne Talar: für die noch existierende Philosophische Fakultät Grund für Gespräche im Vorfeld. Dabei akzeptierte Bleicken, daß der ihn geleitende Dekan den Talar trug. ...
Zeitzeugen sind nicht immer gute Historiker, und Historiker geben nicht notwendig gute Zeitzeugen ab. Für den zweiten Sachverhalt war seit den 1990er Jahren unter anderem aufschlussreich, wie sehr es erst der Anstöße aus den Reihen einer Enkelgeneration deutscher Historiker bedurfte, bevor die Rolle ihrer akademischen "Großväter" im "Dritten Reich" kritisch und ohne jede Scheu vor persönlichen Bekanntschaften untersucht wurde. Gewiss muss man im Blick darauf sorgfältig zwischen Skandalisierung und wissenschaftlicher Erkenntnis unterscheiden, aber dieses Problem kann hiernach ohnehin nicht weiter vertieft werden. Vielmehr richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Frühgeschichte der Deutsch-Tschechoslowakischen Historikerkommission, der der deutsche Osteuropa-Historiker Detlef Brandes seit der Gründung im Jahr 1990 angehörte. ...
Dass es "Generationen" gibt, glauben viele zu wissen. Aber was genau sie darunter verstehen, fällt ihnen schwer zu beschreiben. Trotzdem erfreut sich der Generationenbegriff heute einer geradezu ubiquitären Verwendung. Er wird genutzt als Identitäts- und Kollektivbezeichnung, aber auch als Erfahrungs- und Handlungsbegriff. Selbst die Werbesprache hat sich mittlerweile seiner bemächtigt. Und in den Feuilletons deutscher Zeitungen avancierte er zuletzt zu einer Passepartout-Formel, um sozialpolitische "Generationenkonflikte" auszudeuten. ...
Kollektives und kulturelles Erinnern : Erinnerungskulturen leben von der Dynamik der Gegenwart
(2014)
Keine Gemeinschaft kommt ohne kollektive Erinnerungen aus, dazu gehören Gedenkfeiern und Denkmäler ebenso wie Mythen und Rituale oder die Identifikation mit großen Ereignissen oder Persönlichkeiten. Erinnern ist nicht nur identitätsstiftend, es bedeutet auch, sich vergangene Erlebnisse zu vergegenwärtigen – oder wie Marcel Proust es ausdrückt: "Erst im Gedächtnis formt sich die Wirklichkeit." Wenn die Erinnerungskultur ihre Dynamik aus der Aktualität verliert, ist sie tot.
With Empire of the Black Sea: the Rise and Fall of the Mithridatic World (2020), Duane Roller has published the first English monograph meant to cover the Pontic Kingdom of the Mithradatid dynasty. Although he falls short of presenting an up-to-date bibliography, the book is likely to become an influential reference work. The present chapter aims at closing several of the bibliographical gaps, by surveying recent (and forthcoming) scholarship especially on the kingdom’s history prior to Mithradates VI Eupator. Topics include the Achaemenid ancestry of Mithradates of Kios, the flight of Mithradates I Ktistes to Kimiata, the role of the Galatians in the rise of the kingdom, the historicity of Mithradates III, the wars and diplomacy of Pharnakes I, the putative sibling marriage of Mithradates IV, chronological aspects of the rule of Mithradates V, and the continuity of Mithradatid foreign policies.
Die vorliegende Arbeit konnte nur einen ersten Überblick und keine erschöpfenden Antworten zum Thema Stadtsanierung in Frankfurt 1933 - 1945 geben. Aufgrund fehlender Forschungsarbeiten mußte der Abschnitt bis 1933 eine eigene Studie in der Studie werden, um die Kontinuitäten und Brüche in der Sanierungsarbeit der Stadtverwaltung aufzuzeigen. Eine Kontinuität bilden Maßnahmen im Rahmen der Denkmalpflege, die unabhängig von anderen Planungen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts durchgeführt wurden. Die Instandhaltung und Restaurierung wertvoller historischer Bausubstanz verlief immer in einer gewissen Parallelität zu anderen Sanierungsvorhaben. Manchmal war sie Teil oder Streitpunkt dieser Vorhaben, ihre grundsätzliche Berechtigung wurde aber nie in Frage gestellt, auch wenn ihr Stellenwert unterschiedlich beurteilt wurde. Im Wilhelminischen Frankfurt wurde sie unabhängig von anderen Sanierungsmaßnahmen auf klassische Kulturdenkmäler wie Kirchen u.ä. angewandt und erst nach und nach entwickelte sich auch das Bewußtsein in der Altstadt ein schützenswertes Bauensemble zu sehen. Daneben wurden unter primär verkehrsbedingten Gesichtspunkten die Straßendurchbrüche geschlagen. Wohnungsreformerische Schritte blieben vornehmlich der privaten Initiative überlassen und berührten die Altstadt nicht entscheidend. In der Weimarer Republik wurden unter der Federfuhrung Ernst Mays die Zielsetzungen verschoben. Sein Sanierungsprogramm war „eines der ersten Beispiele utilitaristischer Denkmalpflege- und Erhaltungspolitik im Zusammenhang mit Stadterneuerung". Nach und nach sollten die alten Häuser abgerissen und nur kunsthistorisch wertvolle Bausubstanz erhalten werden. Die Bewohner der Altstadt sollten in die neuen Stadtrandsiedlungen ziehen und damit zu einer Dezentralisation und Auflockerung der Innenstadt beitragen. Sachzwänge und politische Widerstände ließen das ambitionierte Projekt zum Großteil unausgeführt. Die Notwendigkeit schneller Erfolge ließ die kommunalpolitisch eher schlecht vorbereiteten Nationalsozialisten auf die Altstadtsanierungspläne zurückgreifen. Der schleppende Verlauf der Finanzieningsbewilligung und des Planungsverfahrens machten die Ziele Arbeitsbeschaffung und Ankurbelung der Wirtschaft obsolet. In Anknüpfung an die Ideen der Jahrhundertwende begannen bald verkehrspolitische Überlegungen, die Planungen zu durchdringen und entscheidend zu prägen. Eine gute Verkehrsinfrastruktur sollte, zusammen mit einer Umsiedelung eines Teils der Bewohner, die wirtschaftliche Kraft und Bedeutung der Altstadt anheben. Wirtschaftsfragen spielten auch insofern eine Rolle, als die Altstadt, einem Freilichtmuseum gleich, zur Fremdenverkehrswerbung benutzt werden sollte. Auch immer wiederkehrend war das Motiv der Beseitigung vermeintlicher Widerstandsnester durch Sanierungen, denn angeblich wohnten dort ja, wie es in den Akten hieß, die „Sendlinge Moskaus". In der Tat konnten die linken Parteien dort einige Wahlerfolge verbuchen, wie in anderen Stadtvierteln aber auch, genauso wie später die NSDAP. Aber zusammen mit reißerischen Zeitungsberichten über Kriminalität und Verelendung, ließen sich über die Altstadt sehr wohl kleinbürgerliche Bedrohungsvorstellungen und Feindbilder mobilisieren. Trotzdem, und trotz der Interpretation, daß dann mit Hilfe der Sanierung die Nationalsozialisten ihre Tatkraft unter Beweis stellen wollten, indem sie symbolträchtig aus "Schmutz und Verfall' eine "Handwerkeridylle" schaffen wollten, ist anzunehmen, daß dieser Punkt auch nebensächlich war und reinen Hilfsargumentcharakter hatte - jedenfalls spiegelt es sich so in den Akten über interne Besprechungen und Planungen wieder. Ähnlich verhält es sich mit der Verbesserung der Wohnsituation. Es wurden in der Altstadt mehr Wohnungen abgerissen als Ersatzwohnraum geschaffen, und die Zahl der eigentlichen Wohnraumsanierungen war verschwindend gering. Dies spiegelte sich auch in einer Denkschrift des Bauamtsleiters wieder, der eine Wohnraumknappheit oder gar -not in Frankfurt völlig bestritt. Schlechte Wohnverhältnisse wurden beliebig als Argumentationshilfe herbeizitiert, ohne ein echtes Anliegen zu verkörpern. Der Kriegsausbruch und die Zerstörung der Altstadt beendeten all diese Pläne abrupt. Besonders schmerzhaft vermißt man allerdings eine gründliche Auswertung der Bestände im Bundesarchiv zu diesem Thema, schließlich wäre es mehr als interessant Genaueres über die Motivationen der Reichsregierung für das zwar nicht sehr kostenintensive, aber doch quantitativ eher umfangreiche Programm zu erfahren. Die bisherigen bruchstückhaften Veröffentlichungen deuten jedenfalls auch auf eine sehr kontroverse Sichtweise der Beteiligten bezüglich der Zielsetzungen der Altstadtsanierungen hin. Ebenso fehlt für einen repräsentativen Vergleich mit anderen zeitgenössischen Sanierungsvorhaben eine ausreichende Anzahl von Fallstudien. Von 80 Städten die Gelder beantragten und rund 60, denen diese auch bewilligt wurden oder die auf eigene Kosten sanierten, sind nicht einmal zehn erforscht. In einer weiterführenden Untersuchung könnte es sich auch als nützlich erweisen, die Ergebnisse in den Rahmen der Debatte zum Thema "Nationalsozialismus und Modernisierung" zu stellen - denn spiegelt sich hier nicht sehr sinnfällig das wider, was der Historiker Jeffrey Herf als „reactionary modernisrm" bezeichnete: Ein fortschrittsorientiertes Verkehrskonzept, das seine bauliche Ausgestaltung in einer romantisierend-altertümelnden Form erfuhr.
Nachdem Padua dem Proto-Signore Ezzelino III. da Romano entrissen worden war und derselbe wenige Jahre später den Schlachtentod gefunden hatte, verfasste der Paduaner Rolandino eine Chronik, in der er die Ereignisse in der Trevisaner Mark vom späten 12. Jahrhundert bis ins Jahr 1260 schildert. Der vorliegende Aufsatz veranschaulicht, bei weiter Auslegung des Kommunikationsbegriffs, vier Kommunikationsebenen in der und über die Chronik. Anhand ausgewählter Beispiele werden einige Kommunikationskontexte im spätmittelalterlichen Ostoberitalien sowie Darstellungsabsicht, Vorgehensweise und Gegenwartsinteresse des Chronisten und auch die frühe Rezeption des Werkes seitens der paduanischen Bürgerschaft aufgezeigt.
Auswertungen der Ausgrabungen von Oursi, Oursi Village und Saouga führten zu einer zeitlichen Gliederung der keramischen Fundinventare. Anhand von Entwicklungen in Keramikform, -herstellung und -verzierung wurden drei Phasen unterschieden. Die frühe Eisenzeit, die zeitlich in einen Bereich von Christi Geburt bis zur Mitte des ersten nachchristlichen Jahrtausends einzuordnen ist, zeichnet sich durch die Verzierung der Randpartie mit Riefen, Ritzverzierungen auf dem Gefäßkörper in Kombination mit anderen Verzierungselementen und durch Einführung der Topfform aus. Diese Elemente unterscheiden sie von der Keramik der Endsteinzeit. Der polierte Kammstich ist das neue Verzierungselement der mittleren Eisenzeit. Um 1000 AD beginnt die späte Eisenzeit. Sie wird bis in das 14. Jahrhundert auf den Siedlungshügeln des Oudalan nachgewiesen. Mit der Einführung des Verzierungselementes "Bastroulette" sowie der Gefäßformen Flasche mit Deckel, Siebgefäße und Dreibeingefäße wird das bisherige Keramikspektrum erweitert. Bei Begehungen im Oudalan, der nördlichsten Provinz des Landes, wurden Siedlungshügel entdeckt, die an der Oberfläche die jeweils typischen Keramikelemente der eisenzeitlichen Epochen aufweisen. Die letzte Besiedlungsphase dieser Siedlungshügel läßt sich demnach ebenfalls chronologisch einordnen. Das Besiedlungsmuster während der Eisenzeit zeigt eine Bevorzugung von fruchtbaren Böden, die auf den Dünenzügen und am Fuß der Inselberge verfügbar waren, sowie die Nähe von Wasser für die Wahl des Siedlungsplatzes. Dort siedelten Menschen über lange Zeit am selben Ort. Das führte zur Akkumulation von Siedlungsabfällen und damit zur Bildung von Siedlungshügeln. Die Wirtschaftsweise während der Eisenzeit bestand aus Herstellung und Verarbeitung von Eisen. In der Eisenzeit wurde Hirse angebaut sowie Vieh gehalten (Schaf, Ziege und Rind). Darüber hinaus erweiterte das Sammeln von wilden Früchten und Samen und der Fischfang das Nahrungsangebot zur damaligen Zeit. Die Besiedlungskontinuität über 14 Jahrhunderte während der Eisenzeit des Oudalan findet im überregionalen Kontext Entsprechungen. Bei Vergleichen der Siedlungsform und der Keramikverzierung des nördlichen Burkina Faso mit anderen Regionen werden die Beziehungen zwischen den Gruppen der Savannenbevölkerung von Westafrika, aber besonders zum Bereich des Nigerbogens im südlichen Mali deutlich. Die vielfältigen Parallelen innerhalb des Fundgutes des Oudalan und des südlichen Mali vermitteln während der Eisenzeit den Eindruck einer Epoche der Stabilität, in der sich über lange Zeiträume Siedlungen entwickelten und expandierten. Auch der Austausch von Gütern mit den ländlicheren Gegenden, wie dem Oudalan, war zu dieser Zeit genauso intensiv wie mit denjenigen der Handelsrouten. Die Eisenzeit in den Savannen Westafrikas weist durch die Siedlungshügel und durch die Verwendung der unterschiedlichsten Rouletteformen als Keramikverzierung, die gleichsam als Leitform betrachtet werden können, eine einheitliche Erscheinungsform auf, die wahrscheinlich erst durch politische Umwälzungen in weiten Teilen Westafrikas um das 14. Jahrhundert zu einem Ende kam.
Synästhetische Normativität
(2017)
Im Herzen Frankreichs, südlich von Paris und Orléans, östlich von Blois, in einem ausgedehnten Waldgebiet liegt das Schloss von Chambord, das prächtige, das unvergleichliche Chambord, Prunk- und Jagdresidenz Franz’ I., architektonischer Höhe- und Wendepunkt der französischen Renaissance. Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und des allerchristlichsten Königs ewiger Rivale, soll das Schloss, als er es 1539 zu Gesicht bekam, gepriesen haben als den "Inbegriff dessen, was menschliche Kunst vermag.". ...
Wer den Ehrgeiz hat, sein Fach zu revolutionieren, der sollte sich zu seiner Liebe bekennen und keine Arbeitsvorhaben formulieren, schon gar nicht sollte er wie ein Kassenwart erst einmal "Bilanz ziehen". Fernand Braudel wusste das. "Ich habe das Mittelmeer leidenschaftlich geliebt", schrieb er 1946 im berühmten Vorwort zur ersten Auflage von "La Méditerranée et le monde méditerranéen à l’époque de Philippe II", "der beste Leser dieses Buches wird vielleicht der sein, der mit eigenen Erinnerungen, eigenen Bildern des Mittelmeeres an meinen Text herangeht, ihm eigene Farbe verleiht und mir dabei hilft, worum ich mich mit aller Kraft bemüht habe: die gewaltige Präsenz dieses Meeres erfahrbar zu machen". Aus dem missionarischen Eifer, anderen die narkotisch-erotische Ausstrahlung des mare nostrum zu vermitteln, der er selbst erlegen war, schöpfte er die Kraft für ein gewaltiges Œuvre, das in der Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts seinesgleichen sucht. ...
Nietzsche unterscheidet in seiner so unzeitgemäßen wie unvergleichlichen Schrift "Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben" bekanntlich drei Arten von Historie, die, wenn sie sich vereinigen, dem Lebendigen dienen, anstatt es zu Grunde zu richten. Zumindest zwei dieser drei Anforderungen (vielleicht auch alle drei) erfüllt Fleckners wegweisende, von Reinhard Zimmermann betreute Regensburger Dissertation: Sie ist dem Inhalt nach "kritisch", da sie die Kraft hat, "eine Vergangenheit zu zerbrechen und aufzulösen, um leben zu können", und sie ist der Form nach "antiquarisch", da sie durch Pietät gleichsam den Dank für ihr Dasein abträgt. ...
Gelehrte bedürfen einander. Eine soziale Gruppe, die es nicht als ihre vornehmste Aufgabe ansieht, sich die materiellen Grundlagen des Lebens zu erarbeiten, ist auf Solidarität angewiesen. Nicht immer steht ein reicher Gönner, ein Mäzen, ein Patron zur Verfügung, der gewillt ist, antiquarische, philologische oder sonstige "zweckfreie" Interessen zu fördern. Der vom Schicksal Benachteiligte hofft in dem Fall auf die Unterstützung derer, die seine Interessen teilen und die materielle Bedrängnis aus eigenem Erleben nachvollziehen können. Gelehrte bedürfen ferner auch insoweit einander, als in der Regel nicht alle für die Realisierung eines wissenschaftlichen Vorhabens benötigten Informationen, Schriften und Artefakte vor Ort vorhanden sind. Also begibt man sich auf Reisen, zieht in ferne Länder in der Hoffnung, dort Gleichgesinnte zu treffen, die im Besitz der erstrebten ideellen Güter sind und dazu bereit, andere daran teilhaben zu lassen. ...
Über kaum einen Gegenstand wissen wir so wenig wie über die Wirklichkeit des juristischen Denkens. Am besten sind wir noch – dank Richard Posner ("How Judges Think" – Cambridge, MA/London 2008) und anderer (überwiegend) anglo-amerikanischer Autoren – über die Untiefen und Irrläufe richterlicher Entscheidungsfindung informiert. Rechtswissenschaft und Rechtspolitik werden hingegen nach wie vor nur selten in kognitiven Kategorien vermessen. ...
Während die Charakterisierung des Verhältnisses zwischen Christentum und Naturwissenschaft als konkurrierend oder feindselig vor allem mit den ältesten Auseinandersetzungen der Frühen Neuzeit assoziiert wird – die Verurteilung Galileo Galileis durch die römische Inquisition (1633) fungiert gleichsam als Symbol des kirchlich-wissenschaftlichen Gegensatzes –, scheinen die jüngsten schulpolitischen Gefechte in den USA eine ungebrochene Aktualität des Konflikts bis in die Gegenwart säkularisierter Gesellschaften zu belegen. Nachdem elf Familien gegen den Beschluss der Schulbehörde von Dover (Pennsylvania) geklagt hatten, im Biologieunterricht neben der darwinschen Evolutionstheorie die Idee des "Intelligent Design" (ID) als gleichberechtigtes Alternativmodell zu präsentieren, fällte der zuständige Bezirksrichter John Jones am 20. Dezember 2005 ein Urteil, welches "Intelligent Design" als religiöse Weltanschauung klassifiziert, dessen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit zurückweist und unter Berufung auf die verfassungsmäßige Verankerung der Trennung von Kirche und Staat, welche den Religionsunterricht an staatlichen Schulen verbietet, aus dem Lehrplan verbannt. Seit Januar 2005 waren Biologielehrer der dortigen Highschool zur Verlesung einer Erklärung am Beginn der neunten Klasse verpflichtet, welche die Lückenhaftigkeit der Evolutionslehre betont, "Intelligent Design" als alternative Erklärung über den Ursprung des Lebens vorstellt und schließlich dazu motiviert, sich mit Hilfe der Schulbibliothek über dessen Konzept zu informieren. ...
Colonia Actia Nicopolis : Überlegungen anläßlich der Neuedition von CIL III 7334 in CIPh I 1, 78
(2018)
Der marmorne Inschriftenstein des Decimus Furius Octavius ist (CIL III 7334 = ILS 2080) seit langem bekannt. Bei der editio princeps von 1888 handelt es sich um einen Rekonstruktionsversuch P.-F. Foucarts anhand einer fehlerhaften Abschrift des Textes durch A. Kontoleon, der die Inschrift εν ταις υπωρείαις του Παγγαίου όρους, παρά την Ηδωνίδα της Μακεδονίας (am Fuß des Pangaion-Gebirges, beim makedonischen Idonia) gefunden hat. R. Cagnat hat im Jahr darauf einige Verbesserungen vorgeschlagen. M. Dimitsas hat den Text Foucarts und größtenteils auch dessen Kommentare in sein Corpus der makedonischen Inschriften übernommen. Im CIL von 1902 hat Th. Mommsen, weiterhin ohne Autopsie oder Abklatsch, einige weitere Konjekturen vorgenommen. Die Inschrift wird hier Serres zugewiesen, ein Fehler, der sich in fast allen folgenden wissenschaftlichen Beiträgen zur Inschrift wiederfindet. Ebenso wird im CIL suggeriert, der Text könne nach Z. 16, die in allen bisherigen Publikationen die letzte war, nach unten beliebig erweitert werden. Tatsächlich ist lediglich noch für eine Zeile Platz vorhanden, bevor der etwas erhabene Rand des Inschriftenfeldes und das untere Abschlußprofil anschließen, die auch nach dem Verlust der linken unteren Ecke weiterhin zu sehen waren. A. Salač hatte den Stein im Jahr 1921 noch in situ gesehen, allerdings fehlte zu dieser Zeit schon die linke untere Ecke. Wiederentdeckt wurde er in den späten 1960er Jahren von Ch. Koukouli. ...
Wohl kaum wird der amerikanische "Imperator" den gefangenen "Barbaren von Bagdad" im Triumphwagen durch die Straßen von Washington ziehen lassen, auch wenn sich die publizistische Rhetorik seit den Kriegen gegen Afghanistan und den Irak mit Vergleichen zwischen dem antiken Rom und dem neuen Amerika förmlich überschlägt. "Sind die Amerikaner die Römer unserer Zeit?", fragt sich als einer unter vielen der Publizist und Althistoriker Peter Bender. Expansionen der alten wie der neuen Imperatoren werden miteinander verglichen, Parallelen und Unterschiede in der geographischen Lage, in den Interessen und Willen der Akteure ausgemacht. So habe bei den Amerikanern der Sendungsglaube als universale Macht schon am Anfang des Imperiums und nicht erst an dessen Ende wie bei den Römern gestanden. Roms Ostkriege und der kalteOst-West-Krieg hingegen zeitigten dasselbe historische Ergebnis: "Davor waren Rom und Amerika die ersten Weltmächte ihrer Zeit, danach waren sie die einzigen." Von "Aufstiegen" ist die Rede, nicht aber von "Untergängen", wie es die zyklischen Zivilisationsgeschichten der Kulturmorphologen verkünden. Das hat seinen Grund. Hinter der Analyse kommt Normatives zum Vorschein, wenn es um den Schutz der "Zivilisation des Abendlandes" in "einer künftigen Welt" geht, "in der andere Kulturen sich gegen den 'Westen' behaupten, stärken und vordringen …" Bender lässt das imperium romanum nicht untergehen, weil er das amerikanische Imperium als Bollwerk westlicher Kultur braucht. ...
Dieser Sammelband widmet sich sehr verschiedenen Aspekten der Konzilien von Pisa, Konstanz und Basel und des Konziliarismus des 15. Jahrhunderts. In seiner Zusammenfassung am Ende muss Werner Maleczek gestehen, dass eine thematische Gliederung der Aufsätze kaum möglich ist. Der "vielgestaltige Reichtum" der Beiträge lässt diese Gliederung nicht zu. In ihrer thematischen Unterschiedlichkeit ist ihnen aber doch eine gemeinsame Spannung eigen. Es ist schon erstaunlich, einen Sammelband zu Themen zu erhalten, über die eine nahezu unüberschaubare Fülle an Literatur erschienen ist, und bei der Lektüre gewissermaßen den Eindruck zu gewinnen, dass es sich um ein neues Forschungsfeld handelt. Es wird immer wieder nach Grundsätzlichem gefragt. Fast könnte man sagen, dass die Fragen "Was ist ein Konzil?" und "Was ist Konziliarismus?" die Hauptthemen des Buches sind. Auf diese Weise enthält der Band, aus meiner Sicht, sehr viele Gedanken, die das Potential haben, die Forschung zu alten Themen zu erneuern. Auf diesen Aspekt möchte ich mich konzentrieren, auch, wenn das heißt, dass Einiges oder sogar Vieles Erwähnenswertes übergangen werden muss. ...
Katja Kröss hat sich ein Thema gewählt, das seit der bekannten Studie von Zvi Yavetz schon häufig behandelt wurde, aber nach wie vor von hoher Relevanz ist. Vor allem nachdem Egon Flaig das Konzept des Akzeptanzsystems eingeführt hat, demzufolge Heer, Senat und stadtrömische Plebs als sozialen Sektoren herrschaftsstützende Bedeutung zukam, ist die Frage, wie die Rolle gerade der Plebs sich gestaltete, eine interessante. Denn ist es vorstellbar, dass eine riesige und entsprechend in sich heterogene Menschengruppe einmütig und also homogen handelte? Um es an einem Beispiel festzumachen: Wie lässt sich erklären, dass laut Sueton die Plebs nach dem Tode Neros einerseits Filzhüte trug, um ihre Befreiung vom Joch dieses Kaisers zu demonstrieren, andererseits nach demselben Quellenzeugnis lange um den gestürzten Herrscher trauerte? Und wie ist dementsprechend die politische Rolle der Plebs zu beurteilen? Kröss greift damit ein Problem auf, das Martin Zimmermann – einer ihrer akademischen Lehrer – formuliert hat: die Revisionsbedürftigkeit des Akzeptanzsystems. ...
Seit Egon Flaigs bahnbrechender Habilitationsschrift "Den Kaiser herausfordern" wird der Prinzipat in weiten Teilen der (deutschsprachigen) Forschung als Akzeptanzsystem betrachtet. Demnach hing die Macht des Kaisers von der Erfüllung der Erwartungen relevanter Gesellschaftsgruppen ab. Eine dieser Gruppen war der Senat. Mit dem Akzeptanzsystem als methodischem Rüstzeug rückt meist das Verhältnis zwischen Kaiser und Senat, nicht der Senat als solcher in den Fokus. Wo aber der Senat zentraler Untersuchungsgegenstand ist, geht es mitunter sehr zentral um die Angehörigen des ordo senatorius. Beide Tendenzen unterläuft Simone Blochmann in ihrer Dissertation ganz gezielt, indem sie den Senat als Institution in den Blick nimmt. ...
Die Welt ist im Wandel, der Globalisierungsprozess weit fortgeschritten. Inwiefern spielen dann Kolonialismus und Unterdrückung noch eine Rolle? Sind diese Zeitgeschehnisse nicht wie man so schön sagt "Geschichte"? Dieser Frage gehen der britisch-ghanaische Künstler John Akomfrah und das Black Audio Film Collective im gemeinsamen Werk "Expeditions 1 – Signs of Empire" (1983) nach. Die zweiteilige Videoarbeit zeigt mithilfe dokumentarischer Fotografien, Textfragmenten und Tonaufzeichnungen des British Empire ein Bild, welches die Potenz heutiger nationalstaatlicher Strukturen des Okzidents in der Unterdrückung und Ausbeutung kolonialisierter Länder verortet – und so den Mythos der moralischen Überlegenheit des Westens dekonstruiert. ...
Webschau April 2011
(2011)
Das alljährliche Großereignis in der deutschen Internet-Welt ist die re:publica. Wir berichten unten über das Echo auf die Berliner Konferenz. Zu den für #pb21 interessanten Inhalten wird es eine Extra-Ausgabe der Webschau geben.
Eine der wohl wichtigsten Nachrichten von der diesjährigen re:publica ist, dass eine Bürgerrechtsorganisation für das Netz gegründet wurde. Der "Spiegel" findet, dass es höchste Zeit dafür ist: Mehrere spiegelonline-Autoren formulieren Forderungen an die Initiative "Digitale Gesellschaft". Doch es gibt auch deutliche Kritik. Mehr dazu am Ende dieser Webschau.
Das Odeion des Perikles am Südabhang der Athener Akropolis – in direkter Nachbarschaft zum Dionysostheater – stellte mit seinem nahezu quadratischen Grundriss, dem pyramidalen Dach und den neun zu zehn Säulenreihen im Inneren eine architektonische Besonderheit innerhalb der Gattung der hypostylen Gebäude dar, worunter rechteckige bis quadratische Hallen zu verstehen sind, deren Dach von meist zahlreichen Säulen getragen wird1. Derlei Gebäude können geschlossen oder offen konzipiert sein. Die Athener Anlage gilt mit 68 x 62 m als größter überdachter Bau, der in der griechischen Antike fertig gestellt wurde und ist zudem das einzige in Resten überlieferte Odeion dieser Zeit (Abb. 1). Dieses Beispiel muss allerdings deutlich vom römischen odeum abgesetzt werden, denn es besitzt keinerlei Ähnlichkeit mit allen späteren Odeia, als welche spätestens ab dem 2. Jh. n. Chr. gemeinhin die überdachten Theater galten, die sich durch ansteigende Sitzreihen und eine meist halbrunde Orchestra mit Bühne auszeichneten6.Eine bauliche Übereinstimmung ist somit trotz des gleichen Terminus nicht gegeben. Über die Gestaltung des Odeion ist von Plutarch zu erfahren, dass es „im Inneren eine große Zahl von Sitzen und viele Säulen enthielt, während sich das Dach, von einer Spitze ausgehend, in ringsum gleichmäßiger Neigung herabsenkte.“ Die Umzeichnung einer Münze stellt das einzige Abbild der Anlage dar (Abb. 2). Sie ist jedoch wegen der verkürzten Darstellung für eine Rekonstruktion nur bedingt heranzuziehen. Auch ist das Münzbild aufgrund der Umzeichnung in seiner Authentizität einschränkt. So bleibt zudem offen, ob es sich bei dem die Spitze des Daches bekrönenden Aufsatz um ein Opaion, eine Öffnung zur Beleuchtung, handelt. Dass die optische Wirkung des Bauwerkes indes beträchtlich gewesen sein muss, spiegelt sich in den Worten des Pseudo-Dikaiarch, der in der Mitte des 4. Jhs. v. Chr. das Odeion als „das Schönste der Welt“ bezeichnet.
Der Exchequer – das englische Schatzamt – entwickelte sich im Laufe des 12. Jahrhunderts und bestand danach für 700 Jahre. Im Mittelpunkt der von Ulla Kypta 2012 an der Universität Frankfurt am Main eingereichten Dissertation steht das Erkenntnisinteresse an der außergewöhnlichen Kontinuität dieser Organisation und der Frage, wie diese sich im 12. Jahrhunderts konstituierte. Die zentrale These von Kyptas Studie lautet: Der Exchequer entstand aus unhinterfragt, kontinuierlich wiederholten Routineakten – dem Abfassen der sogenannten Pipe Rolls. Dabei wirkte die Fachsprache dieser Dokumente einerseits abgrenzend und gruppenkonstituierend, andererseits bewirkte die Anpassungsfähigkeit der Sprache, dass sich die Organisation an unterschiedliche Rahmenbedingungen anpassen und sich somit selbst reproduzieren konnte. Im Zusammenspiel von Abgrenzungswirkung und Anpassungsfähigkeit institutionalisierte sich der Exchequer als höchst beständige Organisation. ...
Auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Gibt es für Historiker etwas Banaleres als Schuhe, um den Charakter des Nationalsozialismus zu entschlüsseln? Geht das überhaupt? Ja, es geht, und es geht sogar ganz großartig, jedenfalls wenn man so viel Einfallsreichtum, Sorgfalt und Mühe aufwendet wie Anne Sudrow, die dafür 2010 zu Recht mit dem Preis des Historikerverbandes ausgezeichnet worden ist. ...
Das von Gerd Althoff 1993 geprägte Konzept der "Spielregeln der Politik" erlebt seit über zwei Jahrzehnten Konjunktur. Mit dessen Hilfe war es der jüngeren Mediävistik möglich, herrscherliche und fürstliche Entscheidungen, welche die ältere Forschung allein im Lichte von Rechtsnormen und ökonomischen Interessen interpretiert hatte, auch als Produkte von Erwägungen kulturpolitischer Natur einzustufen. Mit der Ausnahme eines Beitrags von Franz Felten zu kurialen Verhandlungen im 14. Jahrhundert ist jedoch diese Kategorie bisher nur auf kaiserliche, königliche und fürstliche Höfe angewandt worden, während die päpstliche Kurie weitgehend unberücksichtigt geblieben ist. ...
Wie kaum ein Medium war (und ist) die Oper geeignet, Rezeptions- und Transformationsprozesse antiker Stoffe zu untersuchen. Jan Assmann gebührt das Verdienst, mit seiner Analyse von Mozarts Zauberflöte als einer der Vorreiter auf diesem Gebiet gelten zu dürfen. Mit ihrer Monographie „Nero in opera. Librettos as Transformations of Ancient Sources“ hat Gesine Manuwald einen weiteren Grundstein für eine Beschäftigung der Oper als Rezeptionsmedium historischer Persönlichkeiten der Vormoderne gelegt. Sie bietet eine Analyse des Nero-Stoffes primär aus philologischer Perspektive und versammelt in chronologischer Reihung alle Libretti, die sich vom 17. bis zum 20 Jh. mit diesem römischen Imperator auseinandersetzten, wobei das Pseudo-Seneca Drama „Octavia“ den Ausgangpunkt bildet...
In den Jahren 1992-1999, 2001 und 2002 wurden vom Landesmuseum Kärnten am Zollfeld (KG Maria Saal, pol. Bez. Klagenfurt Land) archäologische Untersuchungen im westlichen Stadtrandbereich des Municipium Claudium Virunum durchgeführt. Dabei wurde der Ostteil zweier Insulae erfasst, die durch den Ost-West verlaufenden Cardo Maximus voneinander getrennt werden. Im Zuge der Ausgrabungen konnte auch eine große Zahl an Wandmalereifragmenten geborgen werden. Der überwiegende Teil kam zwar nur noch in Form von klein- bis kleinstteiligen Fragmenten zu Tage, die Menge der Fundstücke und die Tatsache, dass es sich bei diesen um die ersten stratifizierbaren Wandmalereien der Provinzhauptstadt Noricums handelt, machte eine ausführliche Bearbeitung des Materials notwendig. Im Zuge der Bearbeitung konnten auch zwei Rekonstruktionsversuche erarbeitet werden, die hier im Anschluss vorgestellt werden sollen
Der soziale Status der frühen Christen ist nach wie vor umstritten; die Antwort hängt immer auch davon ab, wie man das Christentum in der Gesellschaft des römischen Reiches verortet. Die ältere Idee, es habe sich um eine reine Unterschichtenreligion gehandelt, wird heute kaum noch vertreten; aus den paulinischen Briefen wird jedoch mit Recht auf eine prekäre ökonomische Situation jedenfalls einiger frühchristlicher Gemeinden geschlossen. Unbestreitbar ist die Zugehörigkeit einiger Mitglieder aus den höchsten gesellschaftlichen Schichten zum Christentum ab dem späteren 2. Jh. n. Chr., während sie für das 1. Jh. n. Chr. in der Regel als unwahrscheinlich oder gar unmöglich gilt. Es ist diese letztere Annahme, die Alexander Weiß in seiner Habilitationsschrift auf den Prüfstand stellt und – dies sei vorweg genommen – überzeugend widerlegt. ...
Über die Geschichte des kanonischen Rechts im Mittelalter ist reichlich geforscht worden. Wenn nun ein Sammelband zum Gebrauch dieses Rechtes in der kirchlichen Verwaltungspraxis des Früh- und Hochmittelalters vorgelegt wird, weckt das die Aufmerksamkeit der mediävistischen Rechtshistoriker, die sich – vor allem unter dem von Hermann Nehlsen am Beispiel der frühmittelalterlichen Leges Barbarorum geprägten Aspekt der »Effektivität« – mit der normativen Praxis in vormodernen Gesellschaften beschäftigen. Oftmals bewegen sich die Forschungen entweder auf der rein normativen Seite mit einem breiten Horizont oder auf der praktischen anhand von mehr oder minder begrenzten Untersuchungsräumen. ...
Die leitende These des folgenden Beitrages lautet: Die Christianisierung Sachsens und dessen Einbindung in das westliche Reich der Franken im 9. Jahrhundert wurde durch die Ordnung des Raumes nach römischen Vorbildern ermöglicht, von historiographischen wie eschatologischen Deutungen begleitet und überbaut sowie schließlich dauerhaft gefestigt durch die erzwungene oder auch freiwillige Akzeptanz der geschaffenen Zustände durch die sächsischen Oberschicht, welche spätestens in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts die in der tätigen Integration liegende Chance erkannt hatte. Auf die Begrifflichkeit wird zurückzukommen sein, denn sie beschreibt gleichermaßen die Grundlage der Durchsetzung weltlicher Herrschaft in fränkischer Weise über Sachsen. ...
Englischsprachige Bücher über Carl Schmitt sind keine Seltenheit, steht doch der deutsche Jurist wegen seiner schillernden Bedeutung seit Längerem im Fokus nicht nur juristischer und philosophischer Studien. Auch dass es um Schmitts Verhältnis zum Raum geht, ist keine Überraschung, denn im letzten Jahrzehnt wurde er in solchen Zusammenhängen verstärkt rezipiert. Versprochen wird dem Leser allerdings, er habe "the first systematic examination from a geographic perspective of one of the most important political thinkers of the twentieth century" in den Händen (Werbetext auf dem hinteren Einbanddeckel). Einschränkend bemerken die Autoren in ihren Acknowledgements allerdings, dieses Buch sei "the result of almost a decade of work on Carl Schmitt and his reception in English speaking academia" (x). ...
Die folgenden Überlegungen gelten dem Zusammenwachsen von räumlichen und rechtlichen Vorstellungen im frühmittelalterlichen Sachsen. Es soll dabei weniger um die Übertragung fränkischer Konzeptionen gehen als darum, wie die Sachsen selbst als Folge ihrer Integration in das christliche Reich eine Vorstellung entwickelten, den ihnen eigenen Raum mit einem Recht zu verbinden, das selbst Ergebnis dieser Niederlage war. Um diesen Prozess zu verfolgen, ist es nötig, auf die wichtigsten Interpretationen der Unterwerfung Sachsens durch die Historiographie des 9. Jahrhunderts zu schauen. ...
Im vorvergangenen Jahr sind zwei umfangreiche Monographien zur Funktion der Kirche im Frühmittelalter erschienen, die besonderes Augenmerk unter der Fragestellung nach dem Verhältnis von "Recht, Raum und Religion" zu verdienen scheinen. Zum einen ist dies die Jenaer Dissertation von Tina Bode, zum anderen die Studie von Florian Mazel, Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Rennes II, die Gegenstand seiner habilitation à diriger les recherches gewesen ist. Erstgenannte will sich auf das ostfränkische Reich der Ottonenzeit (919–1024) konzentrieren, während Mazel gar die mittelalterliche Kirche vom 5. bis zum 13. Jahrhundert in den Blick nehmen möchte. ...
In seinem neuen Buch bietet Karl Ubl einen weit gefassten Überblick seiner bisherigen Forschungen zur Lex Salica im Kontext seines Projektes an der Universität Köln zu den frühmittelalterlichen Rechtsüberlieferungen, beginnend mit den substantiellen Beobachtungen "Warum Barbaren Gesetze erlassen" (37–66) als Folge aus der Frage nach Einsatz und Nutzen der Rechtsbücher (Einleitung, 11–35). Er sieht die fränkische Lex in ihren Ursprüngen als identitätsstiftendes Instrument an ("Ein Monument der Alterität", 67–97, sowie als "Entwürfe von Gemeinschaft im 6. Jahrhundert", 99–135). ...
Die Freiburger rechtswissenschaftliche Dissertation widmet sich der Forschungsgeschichte zum Hansischen Recht seit dem Alten Reich des 17. Jahrhunderts bis zum Jahre 2001, in dem Ernst Pitz seine Monographie zur Verfassung der Hanse vorlegte. Sie beschränkt sich dabei auf deutschsprachige Werke, wohl wissend, dass die "Hanse ein europäisches Phänomen" war (22). Diese zeitliche wie sprachliche Einschränkung ist legitim, wenn auch der Untertitel der "Forschungsgeschichte" demnach eine deutsche ist. Zudem ist das Buch eine juristische Qualifikationsschrift, was ebenfalls die vorgenommene Konzentration auf ein zweifellos großes Feld rechtfertigt. ...
Den Auftakt zum Oxford Handbook of European Legal History machen fünf Beiträge, die unter der Überschrift "Approaches to European Legal History: Historiography and Methods" versammelt sind. Um sie in Beziehung zu setzen, habe ich im Folgenden drei Fragenkomplexe formuliert, die die gemeinsamen Aspekte dieses Quintetts abbilden. Die Beiträge werden in der Reihenfolge ihres Auftretens im Handbuch referiert. Zur Vermeidung von Redundanzen haben die Nachgeordneten im Wiederholungsfalle der Argumente das Nachsehen und werden "nur" als Verweis genannt.
Alle 18 Beiträge des Sammelbandes entstammen einem internationalen Kolloquium am Deutschen Historischen Institut in London aus dem Jahr 2014, das Aspekten der Rechtsgeschichte allein des Dominikanerordens gewidmet war. So reiht es sich in eine Tradition der Ordensforschung ein, hebt sich aber durch die thematische Konzentration mit diachronem wie raumübergreifendem Zugriff deutlich hervor. Die titelgebende Dichotomie durchzieht die Gesamtanlage des inspirierenden Bandes, umkreist sie doch ein Spannungsfeld selbst gesetzter normativer Ansprüche vor der sprichwörtlichen Wirklichkeit. Und auch dies stellt das Buch in einen traditionellen Zusammenhang. ...
Die Frage nach Entstehung und Quellen des Schwabenspiegels ist ein gewissermaßen traditionelles Thema der germanistischen Rechtsgeschichte, es betrifft "das große Unbekannte" und sein Verhältnis zum Augsburger Stadtrecht von 1276, ein "klassisches Forschungsfeld", auf dem sich nun die zu besprechende Bayreuther Dissertation von Lucas Wüsthof bewegt. Wüsthof verweist auf Karl August Eckhardt, der 1927 als letzter Forscher die Abhängigkeit beider Rechtsquellen untersucht und festgestellt habe, dass die Verfasser des Augsburger Stadtrechts "eine Art Urtext" des Deutschen- und des Schwabenspiegels gekannt haben müssten (1–5). ...
Das hochwertig ausgestattete Buch vereint elf der im Jahre 2017 in Goslar gehaltenen Vorträge zum Jubiläum der tausendsten Wiederkehr des Geburtstages Heinrichs III. Der Rezensent beteiligte sich in dieser Reihe mit einem Beitrag, der wegen seiner umfangreichen Thematik ("Das salische Reich und Europa zur Zeit Kaiser Heinrichs III.") nicht in eine Kurzfassung gegossen werden konnte, was hier der Fairness halber bemerkt werden muss. ...
Die Frankfurter Dissertation von Alexander Krey ist für den Themenkomplex "Rechtsräume" von besonderer Bedeutung. Unter den Leitbegriffen "Gerichtslandschaften" und "Rechtslandschaften" wird anhand der Oberhöfe im Rhein-Main-Gebiet des Spätmittelalters eine vergleichende Untersuchung vorgelegt, die zeigen soll, dass diese juristisch-geographischen Raumbildungen zu einer "Umwälzung in den vielschichtigen Gerichtslandschaften führte, in welche die jeweiligen Oberhöfe eingebettet waren", auch wenn der Terminus "Oberhof" selbst aus der Frühneuzeit stammt. Die bestimmende Frage ist, ob eine "Pluralität lokaler Rechtsordnungen anstelle des einen gemeinen deutschen Rechts" angenommen werden kann. Welchen Stellenwert nehmen Wechselwirkungen zwischen den regional beschränkt wirkenden Oberhöfen ein? Als Untersuchungsgegenstand wählt Krey, wie gesagt, das Rhein-Main-Gebiet, im Einzelnen Frankfurt, Gelnhausen und Ingelheim. ...
Die Erforschung der spätantik-frühmittelalterlichen Taufpraxis stützt sich in großem Maß auf schriftliche Quellen, vor allem wenn es um die im weitesten Sinne rechtshistorischen Aspekte des Themas geht. Aber die Heranziehung von Sachquellen, den "Überresten" im Sinne der geschichtswissenschaftlichen Methodik, ist ebenso wichtig für das Verständnis beispielsweise von Normen und Wirklichkeiten. Der am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte eingerichtete Forschungsschwerpunkt "Rechtsräume" versucht daher, diese beiden Quellengruppen zusammenzuführen. Insofern ist der hier vorzustellende archäologische Befund von besonderer Bedeutung, nicht nur wegen seiner unmittelbaren Nähe zum Tagungsort der in diesem Band dokumentierten Sektion des Mainzer Historikertages. Im Folgenden werden Holger Grewe, der in Ingelheim tätige Grabungsleiter, und Sebastian Ristow, der archäologische Experte für Baptisterien des ersten Jahrtausends, sowie Caspar Ehlers, der Leiter des Forschungsschwerpunktes am MPIeR, einen Aufsehen erregenden Fund aus Ingelheim, der eng mit dem Thema "Taufe" verbunden ist, vorstellen und kurz kommentieren. ...
Wer sich auf die Suche nach "starken Frauen" des Mittelalters begibt, wird sogleich auf die berühmteste von allen treffen, auf Eleonore, die schöne und selbstbewusste Erbtochter Herzog Wilhelms X. von Aquitanien, Gemahlin erst Ludwigs VII. von Frankreich, danach Heinrichs II. von England. Er wird ihre Gestalt freilich nur undeutlich wahrnehmen, verhüllt von einem dichten Schleier aus Legenden und konventionellen Urteilen, die Eleonore bis in die Gegenwart populär gemacht und sich erstaunlicherweise seit dem Mittelalter kaum geändert haben, immer noch persönliche Motive unterstellend, wo nach politischen Intentionen gefragt werden muss. Obwohl die Herzogin von Aquitanien ihren beiden Ehemännern das Fundament für erweiterte Herrschaft gelegt hatte, wurde ihr Anspruch auf Teilhabe mit diffamierenden Gerüchten abgewehrt, die noch immer reichlich Stoff für moderne psychohistorische Spekulationen liefern. Ein solcher Sumpf lässt sich nur mit Spezialkenntnissen trockenlegen, und diese vermittelt der Autor in seinem sympathisch klar geschriebenen Buch, fundiert durch souveräne Kenntnis der Quellen (darunter das Material für die in Cambridge vorbereitete Edition der Urkunden Eleonores) und der Forschung. ...
Der durch sein Buch zur Regierung und Verwaltungsorganisation der frühen Capetinger als Kenner dieser Epoche ausgewiesene Autor legt eine umfassende Biographie Ludwigs VI. vor, die eine empfindliche Lücke jedenfalls zu großen Teilen schließt, denn eine zusammenfassende monographische Darstellung der Zeit und Wirksamkeit dieses Königs (1108–1137) fehlt seit langem. ...
Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist die Frage nach der Anwendbarkeit des Begriffs "Nation" auf mittelalterliche Staaten und Reiche. Die Antwort kann sich weder aus dem Disput um treffende Definitionen ergeben noch aus der Begriffsgeschichte. Definitionen stehen am Ende, nicht am Anfang empirischer Untersuchungen, und die Begriffsgeschichte hat gezeigt, daß das Wort natio im Mittelalter andere, vom neuzeitlichen Sprachgebrauch jedenfalls verschiedene Bedeutungen hatte. ...
Aus Anlass der achthundertsten Jahrestage des Todes Eleonores von Aquitanien und des Verlusts der Normandie durch Johann Ohneland fand im Mai 2004 eine gemeinsame Tagung der Forschungszentren CESCM (Poitiers) und HIRES (Angers) statt, deren Vorträge nun im Druck vorgelegt werden. Die magistrale Einleitung von Martin Aurell (Introduction. Pourquoi la débâcle de 1204?, S. 3–14) betont zwar die Schlüsselrolle Eleonores, deren Ehe mit Heinrich II. jenes angevinische Reich entstehen ließ, das im Jahr ihres Todes zusammenbrach, hebt aber stärker auf die Zurücksetzung der Normandie gegenüber den englischen Eliten seit 1154 ab, auf geradezu xenophobische Züge in der wechselseitigen Einschätzung des Adels diesseits und jenseits des Kanals. Große der Normandie hatten kein materielles Interesse mehr daran, sich für einen König zu schlagen, der die Gewinne seinem insularen Entourage würde zukommen lassen; die Lehnsabhängigkeit der angevinischen Könige von den Kapetingern hielt diese in der Position der Herren gegenüber ungetreuen Vasallen, deren gesamter Kontinentalbesitz französisches Krongut blieb. Der kontinentale Adel nutzte das nach Kräften, Insistieren auf karolingische Tradition stützte die Unabhängigkeit der Kirchen und Klöster vom englischen König und seinen Beauftragten, während der intellektuelle Hofklerus Heinrichs II. und seiner Söhne verstört am Becket-Mord litt und seinem alten Studienort Paris nostalgische Sympathie entgegenbrachte. Unter solchen Voraussetzungen lag es nicht nur an der militärischen und politischen Unfähigkeit Johanns, wenn die französische Position der Plantagenêt in der Krise des Krieges schnell dahinschmolz. ...
Da es bisher keine kritische Edition der Urkunden Philipps des Schönen gibt und in Frankeich auch keine den "Regesta Imperii" vergleichbare Institution, ist das hier zu besprechende Werk ein Meilenstein der Forschung, denn es erfüllt mehrere Aufgaben zugleich: Erschließung und Analyse eines gewaltigen Quellencorpus, Rekonstruktion des königlichen Itinerars und Auswertung der Befunde hinsichtlich Logistik, Reisetechnik, Gastungsrecht, Gefolge und Regierungspraxis des reisenden Hofes, schließlich eine Bewertung der Rolle von Paris als Hauptstadt und Behördensitz. ...
Muss man eine Geschichte der Ritterschaft bei den Germanen des Tacitus beginnen? Man muss, wenn man wie Dominique Barthélemy davon überzeugt ist, dass die gegenwärtig noch herrschende Theorie von der "Erfindung der Ritterschaft" ("l’invention de la chevalerie") um 1100 in Frankreich allzu sehr von Nationalstolz und ideologischen Interessen genährt worden sei, um als historische Wahrheit akzeptiert zu werden. ...
Solche Bücher gab es vor dem Ersten Weltkrieg in Deutschland auch: Prachtwerke zur nationalen Erbauung eines seiner selbst nicht mehr ganz sicheren Publikums, das ein unüberhörbares Mahlen des Zahns der Zeit doch tapfer ignorieren wollte. Wer den Band aufschlägt und in der vorangestellten "Liste d’honneur des souscripteurs" als erläuterndes Prädikat hinter einem Namen "catholique et royaliste" liest, hat rasch Gewissheit: Mit Wissenschaft hat das teure Produkt nichts zu tun, viel dagegen mit Fragen wie der, "que notre Louis IX est bien nommé saint Louis, et non Saint Louis selon une mode universitaire qui se répand depuis quelques années" […]. J’écris donc comme dans les livres de ma religion, […]. De même, pour le héros de ce livre, et suivant la mode des anciens, j’écris Roi avec majuscule quand je parle de lui, car c’est le Roi par excellence, […]« (S. 14). In diesem Stil sprechen vier umfangreiche Kapitel über den König, königliche Symbolik, seine Umgebung und die Heraldik der Kapetinger; opulent illustriert mit Reproduktionen aus Handschriften des 13.–16. Jahrhunderts (darunter aus dem um 1250 entstandenen Krönungsordo BnF lat. 1246), schönen Faksimiles der Bulle Papst Gregors IX. für Ludwig IX. von 1239, der Gründungsurkunde der Sainte-Chapelle (1246), einer zur Unlesbarkeit verkleinerten Frankreichkarte aus dem 19. Jahrhundert, Photos der Sainte-Chapelle, Beispielen der Chartreser Glasfenster, Siegeln (u. a. des Königs, seiner Mutter, Margarethes von Provence, Peters II. von Courtenay, Rudolfs II. von Vermandois, Odos III. von Burgund, des Reimser Domkapitels), Münzen, der sog. "Cassette de St-Louis" (um 1236), Fotos erhaltener Teile des Krönungsornats (Sporen, Schwert Karls des Großen), Reproduktionen verlorener Stücke nach der "Collection Gaignières" und anderer gelehrter Werke des 17. und 18. Jahrhunderts (u. a. Félibien), Historiengemälden des 17. und 18. Jahrhunderts, nicht zuletzt zahlreichen Malereien von Claude de Gallo in der Art von Kinderbuchillustrationen (Ludwig IX. im Krönungsornat und zu Pferd, Blanche von Kastilien und Margarethe von Provence, Robert I. von Artois, Karl von Anjou und viele mehr) und einer bonbonfarbenen "Reconstitution de la sainte couronne ou couronne de S. Louis" von Jörg Mauriange. ...
Die gesammelten Briefe des Peter von Blois waren ein außerordentlich erfolgreiches Werk, in mehr als zweihundert Handschriften bis ins 15. Jh. weit verbreitet, 1519, 1600, 1667 gedruckt und in dieser letzten Fassung Vorlage für die bis heute einzige Gesamtausgabe im 207. Band von Mignes Patrologia latina . Diesem Briefwerk verdankt Peter seinen Ruf, und trotz moderner Kritik am unvollkommen und unsystematisch gebildeten, zum Plagiat neigenden Urheber sind sie doch eine erstrangige, äußerst vielseitige Quelle für die westeuropäische Geschichte der zweiten Hälfte des 12. Jhs., bieten nicht nur Material für die Bildungs- und Kulturgeschichte, für das Studium höfischen Lebens, für die Charakteristik der Monarchie Heinrichs II., sondern reflektieren eine ganze Welt mit ihren Veränderungen in den persönlichen Erfahrungen einer ehrgeizigen, an vielen Machtzentren mit Großen der Zeit verbundenen Hochbegabung, die in ihren Erwartungen jedoch oft enttäuscht worden ist. Peter von Blois war gewiss kein origineller Kopf, aber ein großer Vermittler der Wissenschaft seiner Zeit an die Höfe der Bischöfe und an alle, die lateinischen Ausdruck auf hohem Niveau beherrschen wollten, ein intellektueller Repräsentant seiner Epoche, dem wir das beste zeitgenössische Porträt König Heinrichs II. verdanken und die kulturgeschichtlich überaus wertvolle Hofkritik (hier Nr. 49). ...
Diese monumentale Darstellung des Lebens und der Wirksamkeit Adelas von Blois will das gesamte historische Umfeld der Protagonistin mit deren Augen sehen und bewerten anstatt sie konventionell-allgemeinen Fragestellung wie etwa der nach der Rolle adliger Frauen in ihrer Zeit und Gesellschaft auszusetzen. Als Grundlage dient eine möglichst vollständige Rekonstruktion ihrer Lebensgeschichte und der politischen Aktivitäten, aus der sich dann die Biographie einer französischen Fürstin in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts ergeben soll. ...
Völlig zu Recht ist diese bei Jean-Bernard Marquette an der Universität Bordeaux 3 gearbeitete Dissertation mit dem "Prix de la fondation Charles-Higounet" der Académie nationale des sciences, belles-lettres et arts de Bordeaux ausgezeichnet worden, steht sie doch würdig in der guten regionalgeschichtlichen Tradition dieses großen Gelehrten, dessen Arbeiten und Methoden sich immer wieder mit der deutschen landesgeschichtlichen Forschung auseinandergesetzt haben. ...
Massinissa, der "Zivilisator Numidiens", zwischen literarischen "topoi" und archäologischem Befund
(2022)
Ich werde allerdings noch zur Diskussionskultur in den USA gegen Ende meines Vortrages zu sprechen kommen. Heute möchte ich über meine aktuelle Studie zum Münzhandel in Nordamerika referieren. Obwohl ich mein Hauptaugenmerk auf die Situation in den USA lenke, sind selbstverständlich viele Aspekte auf Europa übertragbar. Zuerst möchte ich den Handel mit Neufunden darlegen. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass sich viele Händler und Sammler, besonders in den Vereinigten Staaten, darauf berufen, dass der Handel mit antiken Münzen in keinem Zusammenhang mit der Raubgräberei und dem Handel anderer antiker Objekte steht. Danach möchte ich den Umfang des Handels mit Neufunden besprechen und aufzeigen, wie Münzen aus Raubgrabungen über illegale Transaktionen und kriminelle Strukturen von der Ausgrabungsstätte über Schmuggler, Großhändler und spezialisierte Händler schließlich zu den Sammlern gelangen. Ich hoffe, wir stimmen alle dahingehend überein, dass die Probleme eines nicht-regulierten Handels sowohl für die Wissenschaft als auch für die Sammler verheerend sein können. Daher ist es im Interesse beider Seiten diesbezüglich zu kooperieren. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das Verhältnis von Sammlern, Händlern und Archäologen in Deutschland ebenso wie im gesamten Europa größere Möglichkeiten für einen ehrlichen Dialoge und positive Änderungen zulassen als in den USA, worauf ich ebenfalls eingehen möchte. ...
Im Oktober 2013 erschien in der italienischen Tageszeitung La Repubblica das Transkript eines langen Gesprächs, das Papst Franziskus kurz zuvor mit dem italienischen Intellektuellen (und atheistischen Zeitungsgründer) Eugenio Scalfari geführt hatte. Zeitgleich, d. h. am Tag der Veröffentlichung, traf der erst sechs Monate zuvor gewählte Papst im Vatikan erstmals mit den acht Mitgliedern des von ihm neu eingesetzten Kardinalsrats zusammen. Dieser Kardinalsrat fungiert als Beratergremium; er soll Vorschläge für die Reform der Kirche und der Kurie ausarbeiten. Dass er gerade mit Blick auf die Kurie einen massiven Bedarf an Reformen sieht, brachte Franziskus auch in besagtem Interview zum Ausdruck. ...