Geschichtswissenschaften
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"Dies sei die Geschichte eines Buches, es ist ein Buch über ein Buch". Mit diesen Worten eröffnet Cecilia Hurley ihre voluminöse und detailreiche Untersuchung zu Aubin-Louis Millins "Antiquités nationales ou Recueil des monumens pour servir à l’Histoire générale et particulière de l’Empire françois […]" (1790–1798). Der Verfasser verband mit dessen Veröffentlichung die Absicht, all die französischen Denkmäler und Bauwerke, denen nach ihrer Verstaatlichung durch die Nationalversammlung der voreilige Verkauf, Plünderungen und ikonoklastische Zerstörung drohte, zu retten, indem er sie abbildete und beschrieb. Am Ende lag eine präzise Dokumentation von historisch bedeutsamen französischen – also der Nation gehörenden – Denkmälern vor, die sowohl in Paris als auch in den Provinzen bzw. Departements zu sehen waren. Ebenso wurden aber einige aufgeführt, die bereits zerstört worden waren. Das fünfbändige Werk umfasste 23 Hefte, erschien bis auf wenige Ausnahmen im Monatsrhythmus und enthielt rund 325 Abbildungen. Millins Anliegen war es, allen "wahrhaftigen" Staatsbürgern die Geschichte Frankreichs vor Augen zu führen. Allerdings handelte es sich um keine exklusiv monarchische, kirchliche oder familiengenealogische Geschichte, sondern vielmehr um eine, die sich ebenso aus den bedeutsamsten wie auch aus zweitrangigen Geschehnissen zusammensetze. Die in den 61 Artikeln illustrierten Denkmäler – in primis die niedergerissene Bastille, gefolgt von Klöstern, Abteien, Schlössern sowie den in ihrem Innern befindlichen Denkmälern wie Grabmälern, Inschriften, Kirchenfenstern etc. – fungieren in Millins Werk als strukturierende Elemente, um die herum sich historische Erzählungen und Anekdoten ranken. Diese nämlich standen nicht im Mittelpunkt künstlerischer oder architektonischer Betrachtungen. Als Zeugnisse der Vergangenheit boten sie der Geschichte aber doch ihren Stoff: Es ging eben um monuments historiques. ...
Kathrin Jaschke hat eine mustergültige wirtschaftsgeschichtliche Analyse des antiken Puteoli vorgelegt. Ziel der Studie ist es, das Wirtschaftsleben der Stadt zur Gänze darzustellen: „Die meist allgemein getroffene Aussage der außergewöhnlichen Bedeutung der Stadt soll detailliert beleuchtet werden“ (7). Hierfür stellt sie verschiedene Fragen: Inwieweit wurde die Wirtschaft Puteolis durch die Einführung der annona beeinflusst? Wie waren die Verbindungen zwischen dem privaten Handel und der stadtrömischen Getreideversorgung? Hat die annona-Einfuhr die anderen Wirtschafts- und Handelszweige verändert? Wie gestalteten sich die Handelsbeziehungen nach Westen und Osten? Welche Personengruppen partizipierten an dem Handel? Welche Güter wurden in der Stadt und im Umland produziert? ...
Das vorliegende Buch behandelt den Kleinhandel in der Stadt Rom und schließt damit eine Lücke in der Erforschung der antiken Wirtschaft. Wie Holleran in ihrer Einleitung mit Recht schreibt, hat die Forschung bisher den überregionalen Handel deutlich umfänglicher in den Blick genommen, während der „retail trade“, auch aufgrund der schwierigen Quellenlage, nur wenig bearbeitet worden ist (4f.)...
Wim Broekaert, der bereits durch mehrere Aufsätze die Erforschung der kaiserzeitlichen Wirtschaftsgeschichte bereichert hat1, hat nun seine umfängliche Dissertation zu Schiffern und Kaufleuten/Händlern im lateinischen Westen vorgelegt. Das Buch ist eine prosopographische Arbeit, die es sich – wie Broekaert in der Einleitung (S. 6-8) formuliert – zum Ziel setzt, die sozialökonomische Organisation des wirtschaftlichen Handels zu beleuchten. Zu Recht wird einleitend bemerkt, dass eine Zusammenstellung des inschriftlichen Materials, das Aussagen über die sozialen Verknüpfungen und Strukturen, die wirtschaftlichen Handlungen zugrundliegen, bisher nicht erfolgt ist. Prospographische Untersuchungen als Bestandteil der Forschungen zur antiken Wirtschaft wurden gleichfalls bisher nicht unternommen. Broekaerts Untersuchung, das darf vorab gesagt werden, zeigt jedoch eindringlich den Mehrwert und das Potenzial der Prosopographie für die Erforschung der antiken Wirtschaft...
Dorieus von Sparta und seine gescheiterten Expeditionen nach Libyen und Sizilien
haben aufgrund knapper Quellennachrichten in der Forschung nur wenig Beachtung
gefunden. Der ausführlichste und, wie bereits Benediktus Niese anmerkte, eigentlich
einzige antike Bericht findet sich im fünften Buch der Historien Herodots. Selbiger
kommt im siebten Buch (158 u. 205) nochmals kurz auf Dorieus zu sprechen und erwähnt
im neunten Buch (10) dessen Sohn Euryanax. Diodor und Pausanias bieten
kurze Erwähnungen, die auf Herodot basierend lediglich knappe zusätzliche Informationen
beinhalten und nur dank des Halikarnassiers zu kontextualisieren sind.
Dorieus’ Versuch, sowohl in Libyen, als auch auf Sizilien spartanische Apoikien
zu gründen, „hat sich die Forschung nie so recht erklären können.“ Dieser Beitrag
wird der schmalen Quellenüberlieferung ebenfalls keine gänzliche Erklärung abgewinnen
können. Aber es soll der Versuch unternommen werden, die beiden „Auswanderungsversuche“
mit der innenpolitischen Situation unter der Herrschaft des
Kleomenes I., des älteren Halbbruders des Dorieus, in Verbindung zu setzen bzw. die
Möglichkeit von Abhängigkeiten zu ergründen und dabei auf die herodoteische Gestaltung
der Dorieus-Episode einzugehen. Dorieus wird in Teilen der Forschung als
Oikist bezeichnet, der in Sparta selbst keine Aussicht auf politischen Aufstieg gehabt
und deshalb aus persönlicher Motivation heraus auswärtige Betätigungsfelder gesucht
habe. Worauf gründet sich jedoch die für Sparta, ganz besonders für einen spartanischen
Königssohn, untypische Motivation, in die Ferne zu ziehen – sogar wiederholt
ein solches Unterfangen zu wagen?
Bange zeigt mit seiner Studie zum römischen Kreditgeldwesen auf, dass bereits lange vor dem 13. Jahrhundert – so die ‚klassische‘ Einschätzung für das Aufkommen eines modernen Bankwesens – ein Kreditgeldsystem verwendet wurde, und unterstützt eine modernistische Deutung der römischen Wirtschaftsgeschichte. In der Einleitung (S. 14) wendet er sich gegen die negativen Ansichten von Moses I. Finley und steht dabei in mancher Weise in einer Tradition mit anderen geldwirtschaftlichen Forschungsbeiträgen, so etwa mit Sitta von Redens wichtiger Monographie "Money in Classical Antiquity", wobei die schematische bipolare Wahrnehmung primitivistischer oder modernistischer Ansätze an sich in weiten Teilen der aktuellen Wirtschaftsgeschichte als überholt anzusehen ist. Ferner beklagt Bange, dass gerade die numismatische Forschung eine lediglich verengte, letztlich in Übereinstimmung mit Finley vereinfachte "Geld gleich Münze"-Perspektive eingenommen hätte (S. 15). Diese Einschätzung, die sich auf die positivistische Material- bzw. Grundlagenarbeit der Numismatik fokussiert und mit einem Zitat aus Francesco de Martinos Klassiker "Wirtschaftsgeschichte des alten Rom" (1991) unterlegt wird, erscheint als Kritik an numismatischen Beiträgen zur antiken Wirtschaftsgeschichte zu absolut und verallgemeinernd formuliert. ...
Die wirtschaftshistorische Arbeit beleuchtet und analysiert Aspekte aus der Unternehmens -,Regional- Technik- und Branchengeschichte und nutzt umfangreiches Quellen - und Zahlenmaterial aus Firmen- und Staatsarchiven und zeitgenössischer Literatur. Einige ältere Publikationen über die Eisenregion gibt es, die aber den Strukturwandel und die Gießereien. garnicht oder nur am Rande abhandeln. Wichtigste Quellen sind Bestände des Archivs Frank'sche Eisenwerke, Dillenburg und weitere durch das Hessische Wirtschaftsarchiv Darmstadt übernommene Firmenakten. Das im Lahn-Dill-Gebiet teilweise schon seit dem 15.-18. Jh. bestehende Eisengewerbe auf der Basis reicher Eisenerzvorkommen, größerer Waldungen für Holzkohle und von Wasserkraft, geriet ab dem 2. Drittel des 19. Jh. in Schwierigkeiten. Nach einer Aufschwungphase durch steigenden Eisenbedarf etwa von 1815-1835, mit Neugründungen und Kapazitätserweiterungen, entstand durch den Importdruck von erheblich billigerem englischen und belgischen Eisen ab 1840 eine ernsthafte Krise für die Eisenwerke. Englisches und belgisches Roheisen wurde schon seit Ende des 18. Jh. durchweg mit Steinkohlekoks kostengünstig erblasen. Hinzu kamen dort bessere Rahmenbedingungen durch gute Verkehrserschliessung, ausreichende Kapitalversorgung und grössere Betriebseinheiten u.a.m. Die Eisenindustrie des Lahn-Dill-Gebietes (Herzogtum Nassau, Teile des Großherzogtums Hessen-Darmstadt und die preußische Enklave Wetzlar) war dagegen bei Einrichtungen und den Standorten im Nachteil. Die überholte Erzeugung von Roheisen in Holzkohlehochöfen, schlechte Verkehrsanbindung, vielfach zu kleine Familienbetriebe mit schmaler Eigenkapitalbasis und unzureichende Nutzung von Fremdkapital waren weitere Defizite. In der Wirtschafts- und Eisenkrise der 1840er Jahre verschärfte sich die Lage. Vom Staat eingeforderte Schutzzölle brachten nur geringe Abhilfe. Erst das Nachlassen des Importdrucks ab Anfang der 1850er Jahre und eine bessere Wirtschaftslage verschafften den Werken bis zur Krise am Ende der 1850er Jahre eine gewisse Atempause. Diese wurde aber im Lahn-Dill-Gebiet nicht dazu genutzt, die Umstrukturierung auf Steinkohlehochöfen und besonders auf mehr Verarbeitung zu Eisenguß voranzutreiben. Wenn auch die Eisenunternehmer wußten, daß man sich umstellen mußte, verhielten sie sich noch lange abwartend und zögerten bei Neuinvestitionen, wobei auch die Abneigung der Aufnahme fremden Kapitals bei den Eisenfamilien eine Rolle spielte. Hervorzuheben ist, daß durch die weitgehende Privatisierung der Eisenhütten von 1800-1860, der Kampf von Unternehmern ums Überleben wirkungsvoller war, als es bei einer staatlichen Regie möglich gewesen wäre Versäumt wurde allerdings, durch einen großen Verbund fast aller Eisenwerke, wie von der Bank für Handel und Industrie, Darmstadt und der Mitteldeutschen Credit-Bank, Meiningen vorgeschlagen, eine rationellere Unternehmensgruppe zu schaffen. Kostenvorteile durch einzelne Zusammenschlüsse und Zukäufe wie bei Buderus, dem Hessisch-Nassauischen-Hüttenverein und den Burger Eisenwerken brachten Kostenreduzierungen wie auch "Teil"-Rationalisierungen, sowie technische "Teil" Modernisierungen Durch (trügerisches) Vertrauen auf Qualitätsvorteile des Holzkohleneisens und bei im Gegensatz zu anderen Regionen günstigerer Holzversorgung blieben die Unternehmen noch bis in die 1880/90er Jahre bei Holzkohle als Brennstoff. Außerdem wollte man wegen der eigenen ergiebigen Erzgruben auch noch nicht die Roheisenerzeugung zugunsten eines reinen Gießereibetriebes aufgeben. Nur Buderus führte ab den 1860/70er Jahren die Steinkohlenverhüttung ein, setzte aber zu stark auf Roheisenproduktion und vernachlässigte den Eisenguß. Das war wegen des Aufkommens des Flußstahls riskant und führte zu einer ernsten Krise des Hauses in den 1880/90er Jahren. Die anderen mittelständischen Betriebe ließen sich zur Steinkohlenverhüttung noch nicht "verleiten", was auch mit erheblichen Risiken verbunden gewesen wäre und warteten weiter ab, bedingt auch durch familiäre Strukturen der Firmen. So retteten sich über die Konjunkturschwankungen der 1870/80er Jahre, bis sie dann endgültig meist ganz auf Gießereibetrieb umstellten. Dabei kamen Ihnen Markt - und Produktkenntnisse in diesem schon länger betriebenen Fabrikationszweig zugute. Erst ab ca. 1890 nutzten sie voll die Möglichkeiten der Kupolofentechnik, durch 2. Schmelzung auswärts günstig gekauftes Roheisen für die Eisengußproduktion einzusetzen. Der Produktions-Schwerpunkt der meisten Werke auf der Fabrikation von Herden, Öfen, Poterie war aber kein Nachteil. Die Region war hierfür bekannt, hatte etwa 40-50% Marktanteil, auch durch verbesserte Öfen und es bestand steigender Bedarf. Dauerhaft erfolgreicher waren allerdings Firmen wie Buderus und die Michelbacher Hütte, die sich mit "neuen" Produkten wie Zentralheizungs - und Kanalisationsguß, Röhren, schwerem Maschinen- und Sanitärguß befaßten, unterstützt durch eigene Erfindungen und Investitionen in neue Produktionseinrichtungen. Wichtiger als Standortbedingungen waren durch fortschrittliche Gießereitechnik kostengünstig hergestellte und den Markterfordernissen angepaßte Produkte aufgrund konsequenter Strategien von Unternehmern aber auch leitenden Angestellten, wie Generaldirektor Kaiser bei Buderus. Von 1905 - 1912 stabilisierten sich besonders die Werke, die auf "modernere" Produkte setzten.
Der Erzählforscher Johannes Merkel hat unlängst (2015) einen bemerkenswerten Überblick zur Gesamttradition des mündlichen Erzählens vorgelegt. Die folgenden Überlegungen, von einer Teilbesprechung dieser Neuerscheinung ausgehend, zielen grundsätzlich auf eine kritische Überprüfung von verschiedenen in der bisherigen Forschung für selbstverständlich gehaltenen Basisfaktoren (insbesondere den theoretischen Ansätzen von Nilsson und Parry). Dabei geht es zunächst einmal um jene allgemein vorausgesetzte vorgriechische Phase von oral poetry, auf die sich auch Merkel im 3. Kapitel unter dem Titel ‚Das singende Gedächtnis: Epenvortrag in Mittelasien und auf dem Balkan‘ bezog (105-148). Die neuere Forschung tendiert bekanntlich dazu, es habe eine längere oral poetry in den sog. "dunklen Jahrhunderten" zwischen 1200 und 850 v. Chr. noch vor Ausbildung der frühgriechischen Kultur gegeben; so z.B. der englische Althistoriker Robin Lane Fox (2008/11): "Ilias und Odyssee sind im Wesentlichen Werke der Mündlichkeit, die letzten in einem langen 'Zeitalter der Mündlichkeit'…". Eng damit verbunden waren Martin P. Nilssons Hypothese "The Mycenaen Origin of Greek Mythology" (1932) und der von Milman Parry seit 1928 konstituierte, von seinem Schüler Arthur B. Lord weiter entwickelte Ansatz, dass für frühgriechische Epen eine Vergleichbarkeit mit neueren Phasen mündlicher Epik z.B. auf dem Balkan gegeben sei. Merkels jüngste Ausführungen verstärken meine früheren Bedenken gegen dieses Gesamtkonzept.
Wenn eine Neuerscheinung von zwei renommierten Verlagen gleich beim Erscheinen angekündigt wird mit dem spektakulären ‚Aufmacher‘ „Das konkurrenzlose Handbuch zu den großen Mythen der Welt“ und mit den plakativen Tops: „Konkurrenzlos umfassend: berücksichtigt alle wichtigen Kulturkreise – Kompakte Einträge zu einzelnen Mythen und ihrer Wirkung – Erklärung von Begriff, Funktion und Deutung von Mythen – Informationen zum Mythos in Wissenschaft und Künsten“, so werden damit beim breiteren Publikum und auch in Fachkreisen einige Erwartungen geweckt. Daher sieht der Rezensent, nach langer ‚Arbeit am Mythos‘ unlängst Verfasser des ersten systematischen Handbuchs zum antiken Mythos (2011) und eines weiteren handbuchartigen Überblickswerks zu Mythen, Sagen und Märchen (2012), seine Aufgabe vor allem in der Beantwortung der Frage, inwieweit die Neuerscheinung diesen Erwartungen gerecht wird...
Spätestens seit die SPD Martin Schulz zu ihrem Kanzlerkandidaten erkoren hat, stehen die Zeichen in der Politik auf Wahlkampf. In weniger als sechs Monate ist es so weit, die Parteienlandschaft ist nervös. Kaum äußert sich in diesen Tagen eine Partei zu einem Thema, wird dies als "Symbolpolitik" oder "Wahlkampfrhetorik" abgekanzelt. ...
In einer diachronen Vergleichsstudie sollen die Probleme des frühneuzeitlichen Seehandels Dänemarks und der Hansestädte gegenüber den Barbaresken beschrieben und verschiedene Lösungsmodelle wie auch die Implementierung derselben herausgearbeitet werden. Die Gefährdung der Schifffahrt auf dem vogelperspektivisch konzipierten Raum Meer mit einem nach Süden hin steigenden Risiko führte zu einer kartographischen Einteilung von Risikozonen. Die institutionelle Antwort auf diese Entwicklung kann mit den Begriffen Sklavenkasse und Türkenpässe idealtypisch zusammengefasst werden.
Seit Oktober 2010 reflektiert im Italienisch-Deutschen Historischen Institut in Trient eine Gruppe von Historikern über ein zentrales Problem der Geschichtswissenschaften, demjenigen der Epochen und der "Transitionen" zwischen diesen. Vom 11.–14. September 2012 veranstaltete das Institut hierzu eine Tagung, auf der erste Ergebnisse und Gedanken vorgestellt wurden. Der Sammelband versammelt die meisten der damaligen Vorträge. ...