Geschichtswissenschaften
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Musik als ethische Disziplin : zu einem zentralen Aspekt in Augustins früher Schrift De musica
(2010)
Augustins frühe Schrift De musica ist neben Boethius’ De institutione musica und weiteren Äußerungen Augustins über Musik in anderen Schriften eine der zentralen Quellen für die Frühzeit der christlich-abendländischen Musikanschauung und hat diese bis in die Neuzeit hinein geprägt. Die sechs Bücher dieses Werkes haben in der Rezeption allerdings unterschiedliche Beachtung gefunden, da das sechste mehr christlich-philosophisch ausgerichtete Buch sich in Stil und Inhalt von den anderen fünf eher technisch ausgerichteten Büchern deutlich unterscheidet. Dies hat in der Forschung zu unterschiedlichen Spekulationen über die literarische und inhaltliche Einheitlichkeit von De musica geführt, zumal sich eine Überarbeitung des sechsten Buches tatsächlich nachweisen lässt. Es hat auch dazu geführt, dass in Untersuchungen zu dieser Schrift oft nur vom sechsten Buch ausgegangen und von den ersten fünf Büchern abgesehen wurde. Auch der in der folgenden Darstellung akzentuierte – und bisher kaum beachtete – Aspekt wird hauptsächlich im sechsten Buch greifbar. Dennoch wird als Neuansatz versucht, diesen in die als einheitlich zu erweisende Gesamtkonzeption aller sechs Bücher einzubetten. Dieser Aspekt betrifft die ethische Dimension der Schrift. Sie, so die Grundthese, stellt vom ersten Buch an einen zentralen Strang des Werkes dar. ...
"Ungerechtigkeit" und "Ungleichheit" waren zwei Schlüsselworte der nationalen wie internationalen Frauenbewegung im Hinblick auf die rechtliche Situation von Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ein von Stephan Meder und Christoph-Eric Mecke 2013 herausgegebener, ausgesprochen lesenswerter und sehr übersichtlich konzipierter Sammelband rückt nun ein bis dato in der Forschung eher vernachlässigtes Thema und Tätigkeitsfeld der Frauenbewegungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in den Mittelpunkt: das Familienrecht. Mit diesem Interesse stehen die beiden Herausgeber keinesfalls alleine da. Zwei weitere im selben Jahr erschienene Sammelbände, die ebenfalls sehr lohnende Lektüre bieten, lenken ihre Aufmerksamkeit auf die Bedeutung des Familienrechts für Frauen. Die in Married Women and the Law zusammengestellten Aufsätze gehen der normativen und praktischen Bedeutung des für verheiratete Frauen in England und Nordamerika zentralen Rechtskonzepts der coverture vom Mittelalter bis zur "Flut von Reformen im späten 19. Jahrhundert" (4) auf den Grund. Unter coverture verstanden common law-Juristen die Idee, dass Frauen mit der Heirat ihre eigene rechtliche Identität verlören und von der ihres Mannes "bedeckt" (covered) würden. Daraus folgten hauptsächlich personen- und eigentumsrechtliche Einschränkungen für Ehefrauen. Sie verloren u.a. das Recht, Eigentum zu besitzen oder zu verwalten, Verträge einzugehen oder ohne ihren Ehemann eine Klage anzustrengen. Die Artikel in Gender Difference in European Legal Cultures weisen demgegenüber eine breitere thematische Vielfalt auf, was in der Fragestellung des Bandes begründet liegt. Im Fokus stehen hier "die rechtlichen Normen, die sich explizit auf Männer und Frauen beziehen" (11). Es wird danach gefragt, "was die Funktion von Geschlecht in der Schaffung von Recht; und umgekehrt, was die Funktion von Recht in der Schaffung von Geschlecht" sei (11). Dabei geraten der europäische Subkontinent mit Ausnahme Russlands und der weitere Mittelmeerraum vom Mittelalter bis zur Neuzeit in den Blick. Die Fallbeispiele fallen zum Teil sehr unterschiedlich aus (u.a. jüdische Juristinnen, Abtreibung, Inter- und Transsexualität), ein Schwerpunkt zeigt sich aber im Bereich des Güterrechts. ...
Die internationale Herkunft der für die Herausgabe und die Studien verantwortlichen Autoren und Autorinnen ist ein wichtiges Merkmal dieses Sammelbandes zur frühen Geschichte des Nationalsozialismus in Deutschland. Die Beiträge des 14. Bandes der Dachauer Symposien zur Zeitgeschichte stammen je zur Hälfte von englischen und deutschen sowie männlichen und weiblichen Fachleuten. Beides ist sowohl positiv wie leider noch nicht alltäglich. Mit dieser Vorausschau können hohe Erwartungen geweckt werden, und – um es vorwegzuschicken – diese werden auch voll und ganz befriedigt. ...
Die in dem Sammelband abgedruckten 16 Aufsätze sind das Ergebnis eines internationalen Kolloquiums, das vom 28.-30. November 2012 in Göttingen stattfand. Der zeitliche Rahmen von ca. 50 v. Chr. bis 235 n. Chr. umfasst die Zeit, die für Mitteleuropa nördlich der Alpen prägend sein sollte. Das Ziel der Tagung war es, generell die Anfänge der römischen Expansion nach Mitteleuropa in den Mittelpunkt der Diskussion zu stellen. Dabei soll angesichts neuerer Funde die sogenannte Schlachtfeldarchäologie nicht zu kurz kommen. ...
Armin Becker beleuchtet die römische Okkupation des Rhein-Main-Gebietes und der Wetterau unter Augustus (S. 225-234). ...
"Wenn irgend jemand für die Richtigkeit des Satzes einstehen kann, dass derjenige am weitesten kommt, der das Ziel des Weges nicht kennt, dann ist es Augustus." Mit diesen Worten ist die Dynamik der Lebensgeschichte des Augustus gut beschrieben. In welcher politischen Konstellation der an ihren inneren Widersprüchen zugrunde gehenden Römischen Republik der junge Gaius Octavius Erbe des Diktators Caesar wurde, wie er sich im riskanten Machtkampf gegen Marcus Antonius durchsetzte und schließlich den Prinzipat errichtete und gestaltete, wird in der jüngsten, von Klaus Bringmann verfassten Biographie des Kaisers in großen erzählerischen Linien und zugleich detailgenau dargestellt. Sein vom Umfang her knapp gehaltenes Werk konzentriert sich auf die Person und die Politik des ersten Prinzeps und lässt ihn in seinem zunächst rücksichtslosen Ringen um die Herrschaft, das dann durch eine in den Formen kompromissbereite und zugleich entschieden propagandistische Ausgestaltung der gewonnenen Macht abgelöst wurde, plastisch hervortreten. Dabei ist die Biographie immer quellennah geschrieben, besonders aber in den letzen Abschnitten, die anhand zahlreicher epigraphisch überlieferter Entscheidungen des Augustus zeigen, wie die Prinzipatsherrschaft in der Praxis funktionierte und warum das Wirken des Kaisers von den Reichsuntertanen als wohltätig und friedensstiftend erlebt wurde. ...
Der Wandel von Perspektiven, Deutungen, Methoden und Themen bestimmt den wissenschaftlichen Fortschritt. Deshalb zerbricht die Vorstellung sicheren Wissens über die Generationen hinweg, so dass sich die Vergangenheit in den historisch arbeitenden Kulturwissenschaften in immer neuen Methodenwenden verändert. Der moderne Mut, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aktiv in die Subjektivität ihrer Perspektivierungen einzubauen, bringt die steuernde Macht des Erkenntnisinteresses und seiner Veränderungen vermehrt zur Geltung. Dabei geraten selbst traditionelle Kontrollinstanzen der historisch-kritischen Hermeneutik in die Debatte. Während heute die einen das Vetorecht der Quellen beschwören, stellen andere die beständig verformende Kraft des Gedächtnisses und damit die Relativität punktueller schriftlicher Fixierungen heraus. ...
Morgen wird endlich, mit einiger Verspätung, der Bundestagsausschuss "Digitale Agenda" eingesetzt. Während es um das zugehörige Hashtag (#aida #btada #ada …) noch einiges an Klärungsbedarf gibt, sind nun zumindest die ordentlichen Mitglieder des Ausschusses klar. Insgesamt wird der Ausschuss 16 Mitglieder umfassen. Gemäß der Sitze im Bundestag ergibt sich daraus folgende Verteilung: CDU 6, CSU 1, SPD 5, LINKE 2, GRÜNE 2. ...
Die Debatten, die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts im Alten Reich über den Charakter von Herrschaft geführt wurden, haben Maßstäbe gesetzt. Denn offensichtlich wurden im Kontext der Konfrontation zwischen altgläubigem Kaiser und protestantischen Reichsständen erstmals die zentralen Fragen nach der Struktur konfessionsverschiedener politischer Ordnungen gestellt, die in den folgenden Jahrzehnten dann u.a. auch im Frankreich der konfessionellen Bürgerkriege, im Konflikt um die Herrschaftsordnung in den Niederlanden der 80iger Jahre des 16. Jahrhunderts und am Ende des Jahrhunderts zwischen anglikanischer Königin und puritanischen Ständen in England zur Lösung anstanden.
Dieser europäische Blick auf die Debatten über Herrschaft ist aufschlussreich er belegt, dass es europäische Sonderwege angesichts einer sehr großen Gemeinsamkeit politisch-theologischer Denkmuster und Argumentationsstrategien im 16./17. Jahrhundert nicht gegeben hat.
Herrschaft ist umstritten, das gilt für alle historischen Epochen. Die Wege zur Herstellung legitimer Herrschaft allerdings haben sich seit der Antike wiederholt verändert. Für die Frühe Neuzeit, also die Zeitspanne zwischen Reformation und Französischer Revolution, bleibt der Rückgriff auf Traditionen als Legitimationsgrund unangefochten, erst der radikale Umbruch zum Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat diese Linie beendet.
Recht präzis lässt sich die Legitimierungsstrategie mit dem Begriff der reformatio charakterisieren, der Wiederherstellung also einer Ordnung, die als gerechte anerkannt war und ist und deren Rückgewinnung zeitgenössisch schlechte Zustände überwinden helfen kann. Solche Berufung auf Vergangenes konnte sehr wohl zu radikalen Brüchen in der Gegenwart führen, unter diesem Anspruch musste sich alle Herrschaft im Europa der Frühen Neuzeit rechtfertigen, unter diesem Votum durfte legitimerweise Kritik geübt, schließlich legitimerweise Widerstand geübt werden. In diesem Sinne spricht die Forschung von »Rechtfertigungsnarrativen«; im sozialen, politischen, rechtlichen und religiösen Weltverständnis des frühneuzeitlichen Europa fanden sie Verwendung.
Der Protestantismus ist die Konfession des Wortes, Bilder bzw. bildliche Darstellungen als Visualisierungen von Glaubensinhalten haben deshalb per definitionem weder im Calvinismus noch im Luthertum Bedeutung. Mit dieser vereinfachten Charakterisierung, die sich im Fachpublikum ebenso wie unter interessierten Laien lange gehalten hat, setzt sich das Buch von Bridget Heal, Reformationshistorikerin an der Universität St. Andrews, in einer beeindruckenden Analyse der Entwicklungen für das Luthertum auseinander. ...
Dieser Band versammelt die Vorträge einer Tagung der Johannes- Althusius-Gesellschaft e. V., die vom 26.–29.5.2016 in Wittenberg stattfand.
Die umfassende Thematik wurde auf vier Aspekte konzentriert: 1) Religion und Konstitutionalisierung 2) die Bedeutung der Reformation für Rechts- und Staatslehren der frühen Neuzeit, 3) Völkerrecht, 4) Recht, Gehorsam und Religion. Dem folgt auch die Gliederung des Buches. Leider ist die Einleitung des Herausgebers sehr formal. Angesichts einiger sehr anregender neuer Forschungsthesen bzw. -ergebnisse wäre der inhaltliche Schwung der Tagung gleich als Eröffnung gut vermittelbar gewesen. ...
Was hat 1555 mit Toleranz und Freiheit zu tun? Diese Frage ist sehr berechtigt, denn es gibt keine unmittelbare Beziehung zwischen unserem Verständnis von beiden Phänomenen und den Vorstellungen der Zeitgenossen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, die sich in einer Welt der konfessionellen Spannungen und Zerrissenheit zurecht finden mussten.
Historiker sollten keine Verbindungslinien zwischen Gegenwart und Vergangenheit in dem Sinne ziehen, dass die Gegenwart aus dem Vergangenen lernen könnte. Das ist nicht machbar, denn jeder historische Raum hat einen eigenständigen Wert, nichts wiederholt sich in der Geschichte. Was Historiker aber können, ist Entwicklungen zu identifizieren, Phasen des Wandels zu benennen, in denen merklich oder unmerklich neue Phänomene aus Vorhandenem entstehen. Und unter dieser Perspektive kann nun auch der Augsburger Religionsfriede betrachtet werden, denn in seinem Kontext, in seiner Wirkung sind wesentliche Grundrechte im deutschsprachigen Raum erstmals als Rechtsnorm niedergelegt worden. Dazu gehört zum ersten das Recht auf freie Religionsausübung und zum zweiten das Recht auf Freizügigkeit. Der Blick des Historikers richtet sich bei der Betrachtung des Augsburger Religionsfriedens demnach auf die politischen und religiösen Normen der Zeitgenossen, die sich unter einem großen Neuerungsdruck befanden; damit geht es zugleich um die Untersuchung des Wandels dieser Normen: Handelt es sich um Weiterführung schon vorhandener Ordnungsmuster oder gab es grundsätzlich Neues?
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich auf der Basis von spanischsprachigen Schriftquellen des 16. und 17. Jahrhunderts, die im Kontext der europäischen Kolonisierung des Andengebietes verfasst worden waren, mit der Frage der Beziehung zwischen dem inkaischen Machtzentrum Cuzco und den andinen Lokalgruppen mit ihren politischen Autoritäten. Thema des ersten Teils ist die Eroberung und Eingliederung der Lokalgruppen in den expandierenden Inkastaat. Hierbei wird versucht, das komplexe Zusammenwirken von militärischer Gewalt, Diplomatie und Staatsideologie aufzuschlüsseln. Anhand der Frage nach dem Beginn inkaischer Expansion wird zudem exemplarisch die Problematik einer wörtlichen Lesart der Chroniken aufgezeigt. Rückbezüge zu archäologischen Untersuchungen zeigen, welche Bedeutung der Archäologie als komplementärer Wissenschaft zur Ethnohistorie zukommt. Im zweiten Teil der Arbeit liegt der methodische Schwerpunkt vor allem in der Einarbeitung regionalspezifischer Dokumente, die eine Annäherung an die lokale Perspektive der curacas ermöglichen soll. Auf den Ebenen von Politik, Wirtschaft und Religion wird untersucht, wie sich die Situation der Lokalherrscher nach ihrer Unterwerfung unter die inkaische Obrigkeit gestaltete. Wie auf allen drei Ebenen gleichermaßen deutlich wird, waren die Handlungen nicht nur von einer Seite aus bestimmt, d.h. von Cuzco zu den Lokalherrschern. In diesem Falle hätten die curacas nur eine passive Rolle gegenüber einer eingreifenden Staatsmacht erfüllt. Stattdessen zeigt sich, dass es in politischer, wirtschaftlicher wie religiöser Hinsicht ‚Verhandlungen’ gab, in denen sich immer wieder Spielraum für die Interessen der curacas bot. Durch Demonstration ihrer Kooperationsbereitschaft mit Cuzco konnten sie aktiv an der Ausdehnung ihrer politischen Autorität und der Erweiterung ihrer Privilegien arbeiten. Insofern wird argumentiert, dass die curacas in der Arena der imperialen Politik der Inka auch selbst als ‚Akteure’ mitwirkten.
In diesem Jahr feiert die Bundesrepublik fünfundzwanzig Jahre Deutsche Einheit. Ein vereintes Deutschland ist für jüngere Generationen bereits selbstverständlich und selbst bei vielen Älteren sind die brisanten Entwicklungen und historischen wie geopolitischen Veränderungen dieser Zeit bereits in Vergessenheit geraten. Die meisten Deutschen nehmen ein Leben in einem geeinten Deutschland als selbstverständlich hin! Wenn man sich jedoch mit den Umbrüchen im Herbst 1989 beschäftigt und die damalige Situation analysiert, wird einem schnell bewusst, dass es sich bei dem friedlichen Mauerfall und der anschließenden Vereinigung der beiden deutschen Staaten um ein einschneidendes, ja epochales Ereignis handelt. Nichts von dem, was heute als selbstverständlich und gegeben angesehen wird, war damals absehbar noch zu erwarten. Erst ein politischer Dreiklang – bestehend aus den vier Siegermächten sowie der Bundesregierung und den Resten der politischen Klasse der DDR unter Einflussnahme der dortigen Friedensbewegung – ermöglichte die Umsetzung der damaligen „Road-Map“. Der von Helmut Kohl präsentierte Zehn-Punkte-Plan muss im Nachhinein als vorentscheidender Schritt hin zur Wiedervereinigung betrachtet werden. Das Programm symbolisierte in gewisser Weise auch das Ende der bisherigen Bonner Deutschlandpolitik. Zudem lieferte es, so scheint es zumindest im Nachhinein, die politische Blau-Pause für einen geordneten Zusammenschluss zwischen Ost und West und trug somit de facto zur friedlichen Abwicklung der implodierten DDR bei. Im Zentrum meiner Dissertation stehen nicht die einzelnen Schritte hin zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 oder der Weg dorthin – dies ist in vielen Darstellungen bereits erörtert worden. Mein Interesse gilt der Beurteilung der Deutschlandpolitik der Regierung Kohl in ausgewählten Printmedien, um so zu zeigen, wie die öffentliche Resonanz auf einzelne deutschlandpolitische Schritte des neuen Kanzlers war und wie sein Vorgehen in dieser Frage beurteilt wurde. Hiermit soll nicht nur das Meinungsspektrum zu diesem Thema abgesteckt, sondern auch danach gefragt werden, wieweit sich die Beurteilung Kohls im Untersuchungszeitraum verändert hat. Herangezogen wurden 5 Leitmedien im Printbereich: 1. Die Welt 2. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) 3. Süddeutsche Zeitung (SZ) 4. Die Zeit 5. Der Spiegel Wert gelegt wurde darauf, ein breites Meinungsspektrum zu repräsentieren. Bei allen Vorbehalten gegen derartige Etikettierungen können die herangezogenen Printmedien als national-konservativ (Die Welt), bürgerlich-konservativ (FAZ), sozial-liberal (SZ), bürgerlich-liberal (Die Zeit) bis links-alternativ (Der Spiegel) bezeichnet werden. Damals wie heute gelten sie als Leitmedien, was sich nicht nur in ihrer Auflage und Verbreitung, sondern auch in der Qualität und Differenziertheit ihrer Berichterstattung festmachen lässt. Als Untersuchungszeitraum habe ich die Zeit vom Amtsantritt des neuen Kanzlers am 1. Oktober 1982 bis zum Zehn-Punkte-Plan am 28. November 1989 definiert. Nach Kohls Auftritt im Deutschen Bundestag an diesem Tag traten die konkreten Schritte hin zur deutschen Einheit in den Vordergrund, was dann doch eine strategische und inhaltliche Veränderung bedeutete. Deshalb wird der weitere Weg hin zum 3. Oktober 1990 aus der Untersuchung ausgeklammert. Um das Thema wissenschaftlich handhabbar zu machen, habe ich fünf Ereignisse in den Fokus meiner Untersuchung gestellt: 1. Der Kanzlerwechsel von Helmut Schmidt zu Helmut Kohl am 1. Oktober 1982 durch ein konstruktives Misstrauensvotum. Wie beurteilten die fünf Printmedien diesen Schritt und wie schätzten sie Kohls deutschlandpolitische Agenda ein? 2. Der Milliardenkredit der BRD an die DDR, der der Stabilisierung der maroden DDR-Wirtschaft dienen sollte und von Franz-Josef Strauß eingefädelt wurde. Wie wurde diese spektakuläre Aktion in den untersuchten Zeitungen eingeschätzt, insbesondere die Rolle des bayerischen Ministerpräsidenten, der ein scharfer Kritiker der sozialliberalen Deutschlandpolitik gewesen war? 3. Helmut Kohls Besuch in Moskau vom 4. Juli bis zum 7. Juli 1983, also der offizielle Antrittsbesuch des neuen Kanzlers in der Sowjetunion. Wie sah man sein Auftreten dort? 4. Der Besuch von Erich Honecker in der BRD vom 7. September bis zum 11. September 1987, ein Höhepunkt der bisherigen Deutschlandpolitik – und zugleich ein Wendepunkt. Wie wurde die Tatsache dieses Staatsbesuchs beurteilt, aber auch das Agieren des Kanzlers bei dieser Visite? 5. Der Zehn-Punkte-Plan, der am 28. November 1989 im Deutschen Bundestag in Bonn von Helmut Kohl verkündigt wurde.
"Auch der Verein für Hamburgische Geschichte (VHG) hat lange Zeit vermieden, sein größtes Versagen zu thematisieren", konstatiert der aktuelle Vereinsvorsitzende im Vorwort des Buches. Damit rückt er die Studie explizit in den Kontext der Bewältigungs- und Aufarbeitungsforschung zum Umgang von Ministerien und Parlamenten mit der NS-Vergangenheit, deren Konjunktur noch nicht vorüber ist. Auch von Verlagsseite wird das umfängliche Werk als "erste kritische Detailstudie zur NS-Geschichte eines deutschen Geschichtsvereins" beworben. ...
Der Einsatz von computergestützten Methoden der Digital Humanities (DH) ist in den Geisteswissenschaften oft mit dem Mythos der digitalen Objektivität oder Objektivierung verbunden. Eine Motivation für den Einsatz dieser Verfahren bei Geschichtswissenschaftlerinnen ist die Suche nach dem objektiven Urteil oder nach der Objektivierung ihrer eigenen Interpretationsleistungen. Aber schafft der Computer Objektivität? Kann diese Maschine den hermeneutischen Zirkel durchbrechen helfen? Können wir mit quantifizierenden Methoden, mit der Logik der Zahlen, mehr über vergangene Epochen aussagen als mit der schlichten Hermeneutik unseres Fachs? ...
Bereits in der letzten Woche hat der rheinland-pfälzische Landtag den Gesetzentwurf zum "Vierzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge" (kurz: die landesrechtliche Umsetzung des JMStV) ratifiziert.
Und zwar mit den Stimmen von CDU und SPD. Die FDP hat sich enthalten. Die Entscheidung im Beck’schen Königreich kam nicht wirklich überraschend, schließlich wurde der Staatsvertrag federführend von der Mainzer Staatskanzlei vorangetrieben.
Deutlich überraschender ist da schon, dass der Unionspolitiker Dr. Peter Tauber (MdB und Enquete-Mitglied) ausgerechnet einem Piraten Platz in seinem Blog einräumt, um ihn in einem Gastbeitrag gegen den Staatsvertrag argumentieren zu lassen. ...
Eine gute Biografie sollte ein Schlüssel sein zu einer Zeit, ihren Strukturen und Charakteristika. Die Doppelbiografie der Brüder von Eichthal aus der Feder von Hervé Le Bret erfüllt diese Forderung in besonderer Weise. Denn die mannigfachen Tätigkeits- und Interessengebiete der beiden ungleichen und doch innig verbundenen Brüder geben Einblick in weite Bereiche des europäischen Geistes- und Wirtschaftsleben des 19. Jahrhunderts. In der Verflechtung der beiden Biografien ergibt sich so ganz von selbst eine enge Verbindung von internationaler Banken- und Kulturgeschichte. ...
Karl Lamprecht (1856–1915) war eine der großen Figuren der deutschen Geschichtswissenschaft des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Seine wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Studien zum "Moselland" im Mittelalter (3 Bde., 1885‒1886) und seine monumentale "Deutsche Geschichte" (12 Bde., 1891‒1909) haben ihn sowohl unter Fachhistorikern als auch in einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht, so dass er um 1900 auch international der bekannteste deutsche Historiker war. ...
In Völkerschaustellung in Deutschland und Frankreich von 1874 bis zum Ersten Weltkrieg werden ethnologische Ausstellungen fremder Kulturen und Völker als Phänomen der Kolonialzeit untersucht. Es wird deutlich, dass diese heute befremdlich wirkenden Völkerschauen keineswegs allein aus imperialen Politiken und Praktiken heraus erklärt werden können. Anhand deutscher und französischer Quellen – Zeitungen, Zeitschriften und ausgewählte Ego-Dokumente – werden die jeweiligen gesellschaftlichen Diskurse rund um die Völkerschauen vergleichend untersucht, dabei die Frage nach zeitgenössischen Imaginations- und Konstruktionsformen des Fremden oder nach Wahrnehmung und Attraktivität von Exotik gestellt. Jenseits kolonialer Propaganda – und trotz der nationalen Unterschiede in Darstellung und Inszenierung – können in beiden Ländern unternehmerische Interessen der Veranstalter und insbesondere Neugier und Unterhaltungsbedürfnis der Ausstellungsbesucher als wichtige Faktoren zur Erklärung des Phänomens der Völkerschauen und der sie begleitenden Diskurse herausgearbeitet werden.
In den letzten Jahren ist das Interesse an der Annalistik, ja überhaupt der republikanischen Historiographie in erfreulicher Weise gestiegen. Die vorliegende Sammlung der Fragmente der "Frühen Römischen Historiker" (FRH) greift teilweise auf diese Arbeiten zurück, betritt aber auch vielfach Neuland. Ihr Ziel ist die Bereitstellung der einschlägigen Texte in einer Form, die dem heutigen Leserkreis gerecht wird. Die unübersichtliche Präsentation Peters, deren lateinische Einleitung mit Schwerpunkt Quellenkritik ohnehin nicht jedermanns Sache war, legte es nahe, eine Textsammlung mit knapperer Einleitung, dafür aber mit Übersetzung und Erläuterung der Fragmente (Frg.) vorzulegen. Zudem nahmen die Hrsg. Hans Beck und Uwe Walter (B.u.W.) die Gelegenheit wahr, von Peter übersehene Fragmente zu ergänzen, wobei sie der Anordnung der neueren Budé-Ausgaben von M. Chassignet folgen. Damit werden die Texte der römischen Annalisten erstmals wieder einem breiteren Leserkreis vorgestellt, und die nützliche Ausgabe ist rundweg als gelungen zu bezeichnen. Im folgenden soll zunächst die Einleitung betrachtet werden, danach werden die zehn Autoren kurz besprochen. Die griechischsprachige Annalistik, Cato und auch die ältere lateinische Annalistik sind vollständig behandelt, die Autoren der jüngeren Annalistik wird Band 2 enthalten, der für 2003 angekündigt ist. ...
Das vorliegende Dissertationsthema ist aus einem ehemaligen Hauptreferat über das deutsche Städtewesen im Investiturstreit hervorgegangen, das ich 1961/62 bei Prof. W. Lammers in Hamburg anfertigte und das ich bei ihm in Frankfurt a. M. ab 1965 als Dissertationsthema für Worms bearbeitete, nun mit Berücksichtigung des Münz-, Handels- und Verkehrswesens sowie des Judentums, dann 1971 fertigstellte und abgab, sowie 1972 die zugehörige Prüfung bestand.
Die vorgeschriebene Drucklegung verzögerte sich allerdings erheblich, da mir seit 1974 die dienstlichen Forschungsarbeiten an der Universität Kiel (SFB 17 A 7 und A 3) keine Zeit ließen für die nötige Umarbeitung meines Themas, die ich erst nach dem Ende des SFB (1983/85) erhielt. Demgemäß arbeitete ich seitdem auf Gutachterwunsch an einer stark gekürzten Neufassung meines Wormser Themas und an einer erweiterten Neufassung für die Städte Worms, Mainz, Speyer und Köln unter Einbeziehung der Siegel- und Münzkunde sowie der Archäologie. Dadurch wurde aber der Arbeits- und Zeitaufwand ganz beträchtlich vergrößert und die Fertigstellung verzögert, zumal archäologisch-historische Auftragsarbeiten (zuletzt für das Archäologische Landesamt Schleswig 1997–2002) sie mehrfach länger unterbrachen, so daß ich beide erst nach dem Eintritt in den Ruhestand (Frühjahr 2003) vollenden konnte. Beide Textfassungen sind also vom Sommer 2003 bis zum Sommer 2005 aufgrund der genannten Vorarbeiten hergestellt worden. ...
Die beiden untersuchten Texte, Sophokles' Antigone und Gorgias von Platon, wurden in dieser Arbeit als Momentaufnahmen für verschiedene Formen, Gerechtigkeit im 5. und 4. Jahrhundert v. u. Z. zu denken, interpretiert, um so einen möglichst authentischen Eindruck von Gerechtigkeit zu jener Zeit zu erhalten. Die Methode der Begriffsgeschichte hatte vorgegeben, dass beide Texte zunächst unabhängig von einander untersucht und die Ergebnisse anschließend zusammengeführt werden sollten. In der Analyse fächerten die Quellen zunächst jeweils in sich ein breites Spektrum unterschiedlicher Auffassungen von Gerechtigkeit auf, die Verbindung beider Betrachtungen machte darüber hinaus Strukturen von Ähnlichkeit und Differenz sichtbar. Daraus ergab sich ein Schema, das die sehr unterschiedlichen Aspekte als verschiedene Eckpunkte eines Prozesses verstehbar machte, der vor dem Hintergrund des in der Einleitung gegebenen historischen Kontextes interpretiert werden konnte. In der Einführung wurde bald deutlich, dass die verschiedenen Vorstellungen von Gerechtigkeit immer auch die Themenkomplexe von Ethik und Moral, von Wahrheit und Wirklichkeit mit einschließen mussten. Mit Victor Ehrenberg ließ sich die Überlegung zu Gerechtigkeit in dem größeren Kontext des Bedeutungswandels von Themis über Dike zu Nomos verstehen. Diese erste Begriffsgeschichte des Konzepts „Gerechtigkeit“ bereitete die Analyse von Gerechtigkeit in den Quellen vor. Das Untersuchungsfeld konnte damit für den Zeitraum der Quellen auf den Begriff des „Nomos“ eingrenzt werden. Dass das besondere Spannungsverhältnis von Nomos und Physis bis in die unterschiedlichen in den Quellen vertretenen Positionen der Gerechtigkeit hineinwirken musste, zeigte sich dann später in der Quellenanalyse. ...
Naturwissenschaftliche Methoden sind fester Bestandteil der Archäologie. Sie werden insbesondere bei Ausgrabungen und deren Aufarbeitung angewendet, beispielsweise die Archäometrie zur Datierung von Befunden oder CAD-Programme zur 3D-Rekonstruktion antiker Bauwerke. Eine Methode, die sowohl bei Grabungstätigkeiten als auch im Bereich der Architektur und Bildbetrachtung eingesetzt werden kann, ist die sog. Stereoskopie. Da diese Technik bislang jedoch eher eine Randerscheinung in den Bildwissenschaften Archäologie und Kunstgeschichte ist, hat sich Robert Sturm bereits in mehreren Publikationen mit dem Thema befasst. Im vorliegenden Band möchte Sturm insbesondere die Möglichkeiten der Stereoskopie im Bereich der Bildpräsentation und der Pädagogik aufzeigen (S. 9). Der Aufbau des Bandes gliedert sich in drei Teile, von denen der erste die Grundlagen der Stereoskopie und ihrer Umsetzung in der modernen Fotografie vermittelt (Kapitel 1). Im zweiten Teil erläutert Robert Sturm Methoden der dreidimensionalen Bilderzeugung und deren Betrachtung (Kapitel 2). Der vom Autor als "Herzstück" betrachtete dritte Teil widmet sich schließlich den Anwendungsmöglichkeiten der Stereoskopie in der Archäologie (Kapitel 3-5). ...
Münzen waren nicht das erste Geld. In der griechischen Frühgeschichte (17. bis 6. Jahrhundert v. Chr.) dienten Rinder, Frauen, Dreifüße, Gold- und Silberschrott, Bratspieße, Kessel und kostbare Gewänder als Zahlungsmittel. Charakteristisch für frühe Geldformen ist ihre funktionale Vielfalt: Mit Kesseln und Dreifüßen konnte man bezahlen, sie dienten aber auch als Preise für Wettkämpfe und Weihegeschenke oder eben als Weinmischgefäß oder Kochtopf für Badewasser. Wie die Wirtschaft unter solchen Bedingungen funktionierte, hing stark von der Gesellschaftsform und ihren Handelsbeziehungen ab.
In mehreren Fragmenten der Universalgeschichte des Nikolaos von Damaskus (64-4 v. Chr.) werden Fälle von Anthropophagie thematisiert. Diese Überlieferungen gehen zwar auf ältere Quellen zurück (schließlich hat der Geschichtsschreiber sein Werk weitgehend kompiliert), allerdings wählte Nikolaos seine Vorlagen bewusst aus und setzte individuelle Akzente, sodass die Betrachtung von Erzählmotiven zu einer Erschließung der Universalgeschichte beitragen kann. Die Belege für Anthropophagie bei Nikolaos werden hier erstmals zusammengestellt und untersucht. Im Zentrum der Analyse steht die Frage nach dem diskursiven Umgang des Historikers mit dem Phänomen sowie nach der Funktion des Narrativs in seinem Werk.
Die umfangreiche und einem ausführlichen Quellenstudium entspringende Arbeit von Jakob Zollmann will sowohl der Entstehungs- als auch die Wirkungsgeschichte des völkerrechtlichen "Naulila"-Schiedsspruchs von 1928 nachgehen. Dieser Schiedsspruch, der eigentlich in drei Schritten getroffen wurde – 1928, 1930, 1933 –, ist ein "landmark case" des Völkerrechts und daher bis heute wirksam (S. 23). Wohl aus diesem Grund geht Zollmann ihm 100 Jahre später so detailliert nach, was mit der Aufnahme seiner Arbeit in die angesehene Reihe der "Studien zur Geschichte des Völkerrechts" honoriert worden ist. ...
In seiner mit dem Otto-Hintze-Preis ausgezeichneten Habilitationsschrift bietet Markus Payk eine Entstehungsgeschichte des internationalen Rechtssystems, wie es in der Zwischenkriegszeit bestand. Demgemäß behandelt er die Pariser Vorortverträge – schwerpunktmäßig den Versailler Vertrag – von 1919/1920, mit denen ein neues zwischenstaatliches Regelungswerk erstellt wurde, das das gescheiterte System der Vorkriegszeit vor 1914 ablösen sollte. Der Autor will diese Verträge aus ihrem historischen und ideellen Kontext heraus erklären, um so deren wichtigste Charakteristika herauszuarbeiten und dabei verdeutlichen, dass ihnen "trotz aller Defizite […] [eine] einzigartige Stellung in der Geschichte der modernen Staatenbeziehungen" (S. 661) zukomme. ...
Im Jahr 2017 sind zwei Sammelbände erschienen, die aus beinahe zeitgleichen Tagungen im November 2015 zur Entwicklung des öffentlichen Rechts in Frankreich 1914–1918 hervorgegangen sind: Der eine ist der von Elina Lemaire (Universität Bourgogne – Franche-Comté) herausgegebene Band zum öffentlichen Recht während des Krieges, der andere der vom Conseil d’État selbst herausgegebene Band zu seiner Funktion und (gestaltenden) Rolle während der Kriegsjahre. Insoweit die Entwicklung des öffentlichen Rechts in Frankreich ohne den Conseil d’État kaum sinnvoll untersucht werden kann und umgekehrt eine Geschichte dieses Conseil kaum unter Auslassung seines Einflusses auf die Rechtsentwicklung geschrieben werden kann, nähern sich beide Bände aus unterschiedlichen (aber auf das öffentliche Recht fokussierten) Perspektiven gewissermaßen einem gemeinsamen Gegenstand: der Rechtsstaatlichkeit im Krieg und namentlich der Rechtsstaatlichkeit in einer Republik im Krieg. ...