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Georg Büchners Übertragungen hatten keine dokumentierten Wirkungen, was vor allem daran lag, dass Hugos Theaterstücke nach 1835 in Deutschland zunehmend auf Ablehnung stießen. Vorher waren sie in etlichen Einzelübersetzungen erschienen, nachher interessierte sich kaum noch jemand dafür. Büchners Übersetzungen kamen also zu spät. Immerhin sind sie seit der Ausgabe von Fritz Bergemann (1922) wiederholt in Büchner-Gesamtausgaben abgedruckt worden, nämlich in der von Werner R. Lehmann (Bd. 1, 1967), als Faksimile in der von Thomas Michael Mayer (Bd. 5, 1987), sodann in der von Henri Poschmann (Bd. 1, 1992) und zuletzt in Band 4 der historisch-kritischen "Marburger Ausgabe", der im Frühjahr 2007 erschien. [...] Der Kommentar der "Marburger Ausgabe" kontextualisiert Büchners Übersetzung konsequent, und zwar sowohl mit den konkurrierenden Übersetzungen seiner Zeit, als auch mit den seinerzeitigen Möglichkeiten des literarischen Ausdrucks. Beides kann Rückwirkungen auf die Textkonstitution haben.
Adolf Ellissen (1815-1872) hat Montesquieus "Esprit des Lois", der 1748 in Genf erschienen war, in den Jahren 1843-1844 ins Deutsche übertragen, als sich in seiner Heimat Hannover die 'schwärzeste Reaktion' erhoben hatte. Konnte er damit das Denken der Aufklärung in die demokratischen Bemühungen des 19. Jahrhunderts übertragen? Gibt es Ideen aus dem achtzehnten Jahrhundert, die immer wieder und auch lange noch nach dem ehrenvollen Scheitern des Frankfurter Projekts Kontroversen in der politischen Welt auslösten, weil sie von seinerzeit Gedachtem und Geschriebenem auf Unerwartetes und Ungedachtes führten?
Der deutsche Theateragent und eifrige Übersetzer Heinrich Börnstein verteidigt in seinen Memoiren seine eigene intensive Übersetzungstätigkeit, in dem er darauf hinweist, dass das Übersetzen fremder Literatur immer schon ein wichtiges Merkmal der deutschen Literatur gewesen war. [...] Einer seiner fleißigsten Übersetzerkollegen war der Österreicher Ignaz Franz Castelli. Nur durch die Tätigkeit dieser Übersetzer und Bearbeiter konnte die französische Literatur, insbesondere die französischen Theaterstücke, derart intensiv im deutschsprachigen Raum rezipiert werden. [...] Die Texte wurden in der Regel den österreichischen Gegebenheiten angepasst um einen möglichst großen Erfolg verbuchen zu können, da das Publikum die oberste Instanz im Theaterleben des 19. Jahrhunderts war. [...] Die französischen Stücke mussten verändert, an die österreichischen Verhältnisse adaptiert und aktualisiert werden. Ruprecht spricht in diesem Zusammenhang sehr treffend von einer "'Verpflanzung' dieser Stücke auf ein deutsches Wirkungsfeld". Durch diese mitunter massiven Eingriffe in den originalen Text der Vorlage werden die Übergänge zwischen Eigenem und Fremden fließend und das Original wird verwendet, um über eigene schriftstellerische Fehlleistungen hinwegzutäuschen. Castelli war sich der Problematik seiner Rolle als Übersetzer nur begrenzt bewusst und hatte vor allem auf dramatischem Gebiet nicht viel wirklich Eigenständiges geschaffen. Überraschenderweise versucht er diesen Missstand nicht zu verdecken, da er selbst in seinen Memoiren ein Verzeichnis über seine Bearbeitungen und Übersetzungen anbietet. Man mag in all seinen Werken eine gewisse Mittelmäßigkeit feststellen, man mag ihm seine politische Orientierungslosigkeit und das Fehlen jeglicher sozialer Ideen vorwerfen. Die minimale Produktion an eigenen Werken wird aufgewogen durch seine rege Tätigkeit als Übersetzer und Bearbeiter. Obwohl Castelli in der heutigen Zeit eher in Vergessenheit geraten ist, darf man doch seine Leistung als Übersetzer und dadurch als Vermittler französischer Literatur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht vergessen. Auch wenn das Übersetzergeschäft zu Castellis Zeit keine elitäre, gesellschaftlich hochangesehene Tätigkeit war und prinzipiell auf massenhafte Verbreitung und Befriedigung kommerzieller Bedürfnisse ausgerichtet war, so wurden durch die Tätigkeit des Übersetzens und Bearbeitens auch wichtige Ideen der nachbarschaftlichen Länder nach Österreich transportiert, wenngleich auch in veränderter, oft zensurgeschichtlich bedingt abgeschwächter Form.
Der literarische Horizont des Vormärz ist gezeichnet von den Spannungen zwischen Nationalismus und Universalismus (oder Patriotismus und Kosmopolitismus), die sich vielfach auf das Verhältnis zur Sprache, der eigenen wie die der anderen, ausgewirkt haben. Auch Börnes schriftstellerische Biographie spiegelt den Reflex dieser Spannungen und bestimmt nicht zuletzt sein Verhältnis zum Geschäft des Übersetzens. Es geht also um einen besonderen Aspekt des Kulturtransfers, genauer gesagt um eine funktionelle Methode kultureller Interaktion. Gerade in diesem Bereich ist Börne in verschiedener Weise hervorgetreten: als Sprach-, Literatur- und Übersetzungskritiker ebenso wie als eigentlicher Übersetzer. Man wird ausgehen müssen vom Problem der Sprache überhaupt, Sprache im kulturellen wie im nationalen Kontext. Börnes kritischer Massstab erweist sich als flexibel je nach Textsorte und Zielpublikum. Da die Schwerpunkte seiner schriftstellerischen Vita wesentlich von den Wechselfällen der politischen Geschichte im engen regionalen wie im weltgeschichtlichen Umfeld abhängig waren, wird auch im Folgenden der Schwerpunktwechsel zu berücksichtigen sein.
Die starke Expansion des deutschen Buchhandels ab etwa 1820 stellte an das Übersetzungswesen neue Anforderungen: Übersetzungen fiel nun die Aufgabe zu, den Buchmarkt mit Belletristik, vor allem mit Romanen sowie Beiträgen für Taschenbücher und Zeitschriften zu versorgen. Einige wichtige Faktoren dieser Entwicklung können hier nur stichwortartig aufgezählt werden: neue Leserschichten vergrößerten das Publikum, das nun eine anonyme lesende Öffentlichkeit bildete; die evasorische und kompensatorische Funktion der Lektüre trat in zunehmendem Maße neben das ältere Lesemotiv der Bildung; die Leihbibliotheken boten sich als größtenteils billige Bezugsquelle für Romanliteratur an und erlebten in der Restauration ihre Blütezeit; der Buchhandel trug seinen Teil zu dieser Entwicklung bei, indem er - unter Ausnützung der technischen Innovationen, die es ermöglichten, in kurzer Zeit große Auflagen herzustellen - billige Romanreihen produzierte, von denen einige ausschließlich der Übersetzungsliteratur vorbehalten waren. Ein zweiter literarischer Sektor, der für starke Nachfrage nach Übersetzungen sorgte, war das Theater.
Rezension zu Sebastian Böhmer: Fingierte Authentizität. Literarische Welt- und Selbstdarstellung im Werk des Fürsten Pückler-Muskau am Beispiel seines "Südöstlichen Bildersaals". Hildesheim: Olms, 2007 ; Ulf Jacob: "Ich möchte manchmal ganz sehnlich, ich wäre todt." Andeutungen über das Melancholische in Hermann Fürst von Pückler-Muskaus Persönlichkeit und künstlerischem Werk. In: Edition Branitz, 1999. Bd. 4, S. 110-128 ; Ulf Jacob: Pückler-Diskurs im Werden. Neue Veröffentlichungen über Hermann Fürst von Pückler-Muskau. In: kunsttexte.de 4/2007-1.
Albert Dulk (1819-1884) war ein rebellischer Student der Chemie aus Königsberg, der während seines Studiums in seiner Heimatstadt und in Breslau, Berlin und Leipzig in den 1840er Jahren an den politischen Auseinandersetzungen seiner Zeit engagiert teilnahm und sich 1849 vor einem "Scherbenhaufen enttäuschter Hoffnungen" sah. Dulk verließ am 30. Mai 1849 Königsberg, um sich nach längeren Fußreisen durch Österreich und Italien am Ende des Jahres nach Ägypten einzuschiffen. [...] Sein eigener Selbstfindungs-Prozess, um den es Dulk auf seiner Ägyptenreise gegangen war, hat zum einen in der Verankerung seiner Religionskritik im Denken der Aufklärung seinen Niederschlag gefunden, ihn aber zum anderen direkt auf das weite Feld des Darwinismus und der Anwendung der darwinistischen Theorien auf die menschliche Gesellschaft geführt. [...] Hier verbindet sich Dulks vor- und nachmärzliches Denken, aber er verfehlt zugleich eine gedankliche Eindeutigkeit, die die Klärung und den Durchbruch seiner Ideen hätte fördern können. In seinem Konzept von der "Kindheit der Menschheit" nimmt er dabei - vor dem Hintergrund seiner politischen Ideen für unsere heutige Wahrnehmung erstaunlich unbefangen, aber sonst zeittypisch - eine Überlegenheit der Europäer über die zeitgenössischen Ägypter als gegeben an und kommt zugleich in Bezug auf die altägyptische Kunst zu ganz eigenständigen und originellen Ansätzen, die so erst wieder am Ende des 20. Jahrhunderts diskutiert wurden. Dulk kann als ein Beispiel dafür stehen, wie sich die darwinistischen Ideen im europäischen Denken durchsetzten und aus den hier untersuchten Schriften lässt sich ersehen, wie sich dieser Prozess bei jemanden vollzog, der nach eigener Wahrnehmung seinen vormärzlichen politischen Idealen treu geblieben war.
Dieser Beitrag soll aufzeigen, dass auch gerade reisende Frauen wie Ida Hahn-Hahn mit ihren Städtedarstellungen zu einem nicht zu übersehenden Teil den Orientdiskurs mitprägten. Europäische Reisende haben schließlich den größten Teil der Palette, aus der sich deren Orientbild zusammensetzte, in Städten erlebt: Residenzen, den Harem, Moscheen, Bazare, Cafés, Bäder, Sklavenmärkte, Gitterfenster und verschleierte Frauen. Besonders auffallend an Hahn-Hahns "Orientalische[n] Briefe[n]" ist dabei ihre häufige Gegenüberstellung zwischen Illusion und Desillusion oder kreierter Vorstellung und erlebter Wirklichkeit. Diese Strategie soll hier als Leitfaden beziehungsweise Untersuchungsmethode für die Vermittlung ihres spezifisch urbanen Orientdiskurses dienen.
Karl Nauwerck in Sizilien : eine Edition zweier früher sozialkritischer Bildungsreiseberichte
(2009)
Die vorliegenden Dokumente "Palermos Bettler" und "Wahnsinn aus Katania" sind sozialkritische literarische Genrebilder. Sie hatte Nauwerck nach der Rückkehr von seiner Italienreise ins väterliche Haus in Neustrelitz (31. März 1835) angefertigt. Diese Reise, die er am 17. Juli 1834 angetreten hatte, war offenbar der 'Lohn' für seine Promotion in Halle am 5. Juli 1834. Vermutlich beabsichtigte er eine Veröffentlichung der Skizzen. Erhalten blieben sie in seiner "Großen Aphorismensammlung" in seinem Nachlaß, die er unter dem Titel "Allerlei. Eigenes und Fremdes" ganz offensichtlich zu einer - dann allerdings nicht realisierten - Publikation vorbereitet und seiner Frau Julie gewidmet hatte. Darin hatte er alle jene Sentenzen aus seinem publizierten und nichtveröffentlichtem Lebenswerk, seinen Briefen, verlorenen Tagebüchern und anderen von ihm für wichtig gehaltenen Äußerungen zusammengetragen, unter anderem eben auch diverse frühe Schreibversuche. Beide Texte beweisen im Unterschied zur modischen antiklassischen Kritik an der angeblichen Italienschwärmerei ein 'echtes' soziales Engagement. Nauwerck geißelt die elenden gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen die Armen, Mühseligen, die untersten Schichten im zerfallenden spätfeudalen System des italienischen Südens und Siziliens leben müssen.
Vieles an Paolis sechsmonatigem Aufenthalt in Venedig und Florenz im Jahr 1846 war typisch für die vormärzliche Bildungsreise, die kleine Italientour. Auch für die Schriftstellerin war es die Reise an einen Sehnsuchtsort, an einen Ort der klassischen Bildung durch Anschauung. Auch für Paoli war es, wie für so viele in der Nachfolge der Goetheschen Italienreise, eine Möglichkeit, sich ihres Selbstverständnisses als Künstlerin zu vergewissern. Und wie für ihre literarischen Vorbilder Byron und Platen führte auch für Paoli "die Begegnung mit Venedig zu einer Konfrontation mit dem eigenen Ich", einer Konfrontation, die sich in ihrem literarischen Werk widerspiegelt.