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Weil Grenzen – ob reale, disziplinäre oder symbolische – Orte der Begegnung und Konfrontation sind, entstehen gerade in ihren Zwischenräumen vielseitige Dynamiken. Der Grenzraum zwischen Tier und Mensch ist der zentrale Ermöglichungsgrund und Austragungsort des Wandels der politischen Semantik in der Frühen Neuzeit. Für diesen Wandel spielen politische Schriften ebenso eine wichtige Rolle wie wissenschaftliche und literarische Texte. Benjamin Bühler geht den Grenzfiguren wie dem Hirten, Fuchs, Picaro oder der Bevölkerung im Feld des Politischen nach. Ausgangspunkt der Studie ist die These, dass die Verortung der politischen Akteure zwischen Tier und Mensch in Perioden des Umbruchs die Ausbildung und Erprobung neuer politischer Semantiken erlaubt.
Im Folgenden wird […] [z]unächst […] an Daniel Cramers Emblemata sacra die dem Emblem eignende sakramentale Prägekraft als Einprägung des Wortes Gottes in die Seele des Rezipienten erläutert. Dieses der Emblematik zugesprochene Vermögen thematisiert Cramer nicht nur in einem metareflexiven Emblem, er legt es seinem Emblembuch auch konzeptionell als ein Element des Heilsweges zu göttlicher Gnade zugrunde. Diese meditative Funktion der Emblematik wird vor allem durch den Status des Wortes als göttliches Wort gewährleistet, das durch die Pictura, das äußere Bild, der Seele des Gläubigen, gleichsam als inneres Bild (imago), eingeprägt werden kann. Insbesondere in den Schriften der Sprachtheoretiker Justus Georg Schottelius und Georg Philipp Harsdörffer lassen sich Zusammenhänge zwischen den göttlichen Zeichen der Hieroglyphik als Grundlage der Emblematik und einer ontologischen Zeichentheorie festmachen, die sich auf die unmittelbare Verbindung von Sache und Wort vor der Folie der lingua adamica beruft. Beide Konzepte, die Präsenzwerdung des absenten göttlichen Predigtwortes durch die Prägekraft der Pictura in Cramers heiligen Emblemen sowie der sprachpatriotische Status des göttlichen Wortes, finden eine messtheologische Synthese in Johann Michael Dilherrs Predigtsammlung der Heiligen Sonn- und Festtags-Arbeit. Abschließend wird hier der emblematische Vollzug des Sakramentalen exemplarisch zu rekonstruieren sein.
Das Theater ist für die Frage nach der Sakramentalen Repräsentation der Frühen Neuzeit schon aufgrund der schlichten Tatsache interessant, dass es als Verbund von Zeichen, Bildern und Gesten in größter denkbarer Nähe zur Liturgie steht. Die Nähe ist gefährlich und immer heikel, und so gehört es zu den Gemeinplätzen der protestantischen Kritik an der Messe, diese sei bloßes Theater. Umgekehrt benutzen aber auch die Reformatoren selbst immer wieder die Metaphorik des Theaters, etwa wenn Calvin die Welt als großes Theater der Herrlichkeit Gottes bezeichnet oder Luther sich selbst als Zuschauer der Heilsgeschichte imaginiert. An dieser schwierigen Grenze bildet sich eine kirchliche und insbesondere protestantische Theaterfeindschaft heraus, die den Anspruch des Theaters, Wirklichkeit darzustellen, aufs Schärfste bekämpft, aber gerade dadurch auch ein neues Verständnis von Theater gewinnt.
Die Frühe Neuzeit gilt oft als das rhetorische Zeitalter: Viel stärker als durch das Konzept des Zeichens und durch die Semiotik wird sie von der Kunst der Rede und der elaborierten Disziplin der Rhetorik bestimmt, die nicht nur bei der Produktion sprachlicher Äußerungen, sondern auch bei jener von Bildern und von Wissen eine konstitutive Rolle spielt. Seit die Rhetorik mit der Reformation ins Zentrum der Ausbildung der Gelehrsamkeit gerückt ist – bei den Protestanten vor allem durch Melanchthon, bei den Katholiken besonders durch die Jesuiten – bestimmt sie die Wissensproduktion, so dass die Frühe Neuzeit insgesamt und das 17. Jahrhundert im Besonderen wohl mit höherem Recht als Episteme der Rhetorik denn als Episteme der Repräsentation bezeichnet werden könnten. Ganz besonders bestimmt die Rhetorik naturgemäß die Dichtung: Wie die Forschung der letzten Jahrzehnte immer wieder gezeigt hat, kann die barocke Dichtung nicht am Modell der Erlebnislyrik oder des lyrischen 'Ausdrucks' gemessen werden, weil die Texte nichts Innerliches ausdrücken und auch nicht originell sein wollen; ihre rhetorische Oberfläche oder Machart ist keine äußerliche Einkleidung von Gehalten, sondern ihnen wesentlich: Dichtung ist eigentlich angewandte Rhetorik und die poetische Praxis lässt sich meist mehr oder weniger klar auf rhetorisches Lehrbuchwissen zurückführen. Dabei hat die Forschung dieses Wissen oft eher auf die humanistische und antike Tradition zurückgeführt und seine säkulare und technische Natur betont – gerade aufgrund dieser Natur sei das rhetorische Wissen letztlich wichtiger als die Absichten, die einzelne Autoren mit ihrer Dichtung zu verfolgen behaupten.
"Bin auff disse Welt gebohren worden" : Geburtsdatierungen in frühneuzeitlichen Selbstzeugnissen
(2012)
Bei der geschichtswissenschaftlichen Untersuchung von Zeitkonzeptionen und -praktiken des 16. und 17. Jahrhunderts galten bisher - zu häufig - die Publikationen Kosellecks als Standardtexte, deren Thesen meist unhinterfragt auf die zu erforschenden Quellenbestände übertragen wurden. Bei Berücksichtigung der gegen diese jüngst geäußerten, gravierenden Einwände ist es wichtig, frühneuzeitliche Zeitkonzeptionen und -praktiken auf methodisch reflektierte Weise neu zu untersuchen und sich dabei auch anderen methodologischen Herangehensweisen zuzuwenden. [...] Ziel dieses Aufsatzes ist es, die Komplexität der Vergangenheit aufzuzeigen, indem die Quellen und damit letztlich die historischen Akteure mit ihren Kosmologien, Bedeutungszuschreibungen, Handlungspielräumen und sinnstiftenden Interpretationsmöglichkeiten in den Vordergrund gestellt werden. Der Fokus meines Untersuchungsinteresses liegt hierbei auf den gesellschaftlich nicht exponierten Persönlichkeiten.
Die folgenden Überlegungen gelten einer literarischen Gattung, die in ihrer Entstehungs- und Primärrezeptions-Phase für das 15. und 16. Jahrhundert von größter Bedeutung war und die darüber hinaus durch ihre spätere Verbreitung in Form von billigeren Drucken als „Unterhaltungsliteratur“ zum Leserrepertoire auch der folgenden Jahrhunderte gehören sollte: dem frühen deutschen Roman, zur Unterscheidung von seinen versifizierten höfischen Vorläufern unter der aus neuzeitlicher Sicht scheinbar tautologischen Bezeichnung „Prosaroman“ bekannt.
Edition und Open Access
(2005)
Der Wiener Kanoniker Ladislaus Sunthaim, einer der um 1500 am historisch-genealogischen Forschungsprojekt Maximilians I. tätigen Gelehrten, wurde von Fritz Eheim - unter anderem in seiner leider ungedruckt gebliebenen Prüfungsarbeit am IfÖG 1950 - als einer jener reisenden Historiker in der Zeit des Humanismus porträtiert, die unter anderem in Klosterarchiven und -bibliotheken nach verborgenen Quellenschätzen fahndeten. Im Zeitalter von Kopie und Mikrofilm ist es wesentlich einfacher geworden, an entlegene handschriftliche Quellen zu kommen. Heutzutage macht sich der reisende Historiker auf den Weg, um in anderen Bibliotheken und Forschungsinstituten umfangreiche kommerzielle Datenbanken und digitale Sammlungen zu konsultieren, die sich die eigene Institution nicht leisten kann oder will, denn ein unkomplizierter Fernzugriff ist aus urheber- und lizenzrechtlichen Gründen nicht möglich.
Dieser Band versammelt Beiträge zu Generationenbeziehungen und Generationenkonzepten in der Vormoderne, die auf eine Tagung des DFG-Graduiertenkollegs 'Generationenbewusstsein und Generationenkonflikte in Antike und Mittelalter' in Bamberg zurückgehen. Die behandelten Untersuchungsgegenstände reichen von den antiken Diadochenreichen über die ottonische Königsfamilie des 10. und 11. Jahrhunderts bis zum frühneuzeitlichen Landadel Westfalens. Dabei werden historische, literaturwissenschaftliche und soziologische Fragestellungen aufgegriffen, um den Erkenntniswert des Konzepts 'Generation' interdisziplinär zu diskutieren.