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Wie "werden Normalisierung und Popularisierung von Wissen anhand von Fallgeschichten umgesetzt?" Mit dieser Ausgangsfrage befasst sich Corinna Meinold in ihrer im Jahr 2015 an der Ruhr-Universität Bochum angenommenen Dissertationsschrift. Als Forschungsgrundlage ihres Projektes dient die von Karl Gutzkow ab September 1852 wöchentlich herausgegebene Familienzeitschrift 'Unterhaltungen am häuslichen Herd'. Auf der Basis der Artikel perspektiviert die Autorin die in Zeitschriftentexten inszenierten Fallgeschichten als Ausgangspunkt für die Generierung und "Popularisierung von anthropologisch-medizinischem Wissen". Fälle werden in diesem Kontext als literarisch entworfene "Momentaufnahme" und "Schreibeweise" definiert, anhand derer medizinisches Wissen an die Leserschaft vermittelt wird.
Im Zentrum des Projektes steht das innovative Vorhaben, auf der Folie der Fallgeschichten die literarische Darstellung vom Normalität und Anormalität - im Konnex von Krankheit und Körperlichkeit - zu erforschen: "Indem etwas Anormales geschildert wird, sei es fiktional oder faktual, wird es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich und beschreibbar gemacht - und somit normalisiert". Diese Dynamik bestehe aber auch in der entgegengesetzten Konfiguration: "Die Integration des Anormalen in ein normales Umfeld", also der Familie am häuslichen Herd, evoziere eine Pathologisierung, wodurch das Anormale gerade nicht normalisiert werde.
An einem Novemberabend des Jahres 1837 umstellten zwei Bataillone preußischer Infanterie das Palais des Erzbischofs von Köln, Clemens August Droste zu Vischering. Als der nicht auf die Aufforderung der preußischen Regierung einging, seine Diözese freiwillig zu verlassen, wurde er eine Stunde später in einer Kutsche nach Minden verfrachtet, wo er von da an unter Hausarrest stand. Die deutsche Presse- und Verlagslandschaft reagierte auf die skandalöse Verhaftung des Kölner Erzbischofs mit einer wahren Publikationslawine: Zahllose polemische Essays und Pamphlete widmeten sich dem 'Kölner Ereignis' und bezogen Stellung zu den beteiligten Parteien. Unter den Verfassern solcher Kommentare verdient Karl Gutzkow besondere Aufmerksamkeit, da er sich in so unterschiedlichen Formen mit dem Kölner Kirchenstreit befasst hat wie kaum ein anderer Zeitgenosse: Er verarbeitete das Geschehen nicht nur in einer eigenständig erschienenen Streitschrift und einer Reihe von Zeitschriftenartikeln, sondern griff es fast zwei Jahrzehnte später in einem ganz anderen literarischen Zusammenhang erneut auf: in seinem neunbändigen Roman "Der Zauberer von Rom" (1858-1861), den er in der zweiten Hälfte der 1850er Jahre zu Papier brachte. Ein Vergleich dieses Romans mit Gutzkows älteren Schriften zum Kirchenstreit verspricht deshalb Aufschluss darüber, wie einer der einflussreichsten zeitgenössischen Autoren je zehn Jahre vor und nach der Märzrevolution das Verhältnis von Religion, Kirche, Staat und Geschichte konzipiert. Dass Gutzkow bestimmte Sachverhalte im komplexen Gefüge des Erzähltextes anders darstellt als in den erheblich kürzeren Streitschriften, ist dabei nicht ausschließlich dem Wechsel in eine andere Gattung geschuldet, sondern lässt auch einen Wandel der Funktion religiöser Diskurse in seinem Werk erkennen.
Im folgenden werden einige Überlegungen angestellt, die anhand einer motivischen Konstante in der Literatur über Kindheit und Jugend in der Mitte des 19. Jahrhunderts zeigen sollen, wie der Diskurs des 18. Jahrhunderts gleichermaßen aufgegriffen und umgedeutet wird. Bezugspunkt dieses Wiederaufgreifens ist ein Ereignis im historischen Rahmen des Vormärz, der das antipädagogische Ideal einer gesellschaftsfernen Ursprünglichkeit von Kindheit und Jugend noch einmal empirische Wirklichkeit werden zu lassen versprach: das Auftauchen von Kaspar Hauser in Nürnberg im Jahre 1828. [...] Das Genre der Findlingsliteratur wird hier anhand zweier Romane und einer Erzählung aus dem Umkreis des Vormärz vorgestellt: 1834 publiziert der hegelianische Theologe Philipp Konrad Marheineke "Das Leben im Leichentuch", 1853 veröffentlicht Adalbert Stifter "Turmalin" und 1870 erscheint unter dem Titel die "Die Söhne Pestalozzi's" ein dreibändiger Roman von Karl Gutzkow. Alle drei Texte greifen die aktuelle Debatte über den Nürnberger Fund auf, und doch schreiben alle drei zugleich ein aus dem 18. Jahrhundert stammendes literarisches Genre fort, innerhalb dessen die Lebensgeschichten von Wolfs- und Findelkindern zum Prüfstein für die Idealisierung der natürlichen Ursprünglichkeit von Kindheit und Jugend wird. Aufgrund dieser motivischen Konstante innerhalb eines gewandelten gesellschaftlichen und pädagogischen Umfelds läßt sich anhand von Marheinecke, Stifter und Gutzkow die Frage nach der Kontinuität des Konzepts einer idealisierten Jugend im Umfeld des Vormärz exemplarisch beantworten.
Seit dem Herbst 1997 ist eine kommentierte Ausgabe von Karl Gutzkows Werken und Briefen im Entstehen begriffen, die die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet elektronischer Textverarbeitung nutzen wird. Der vorliegende Beitrag ist ein Aufruf an alle Interessierten im Forum Vormärz Forschung, dem Projekt mit ihren Sachkenntnissen förderlich zu sein.
Trotz ihres Eintretens für Prosa begegnen die Jungdeutschen dem Drama, anders als der Lyrik, mit ausgesprochener Hochachtung. Mit Hinblick auf die Antike gilt ihnen das Drama, wie keine andere Literaturgattung, als Ausdruck der Souveränität einer Nation, das Theater als der Ort, an dem freie und gleiche Bürger die Belange ihres Staates öffentlich verhandeln. Doch die Bühnenwirklichkeit der eigenen Zeit steht in ihren
Augen in eklatantem Widerspruch zu diesem Theaterbild.