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Goethes Lebens-Erinnerungen
(1996)
Wenige Wochen nach seinem sechzigsten Geburtstag entwirft Goethe ein Schema seiner Biographie. Offenbar hält er die Zeit für gekommen, Rückschau zu halten. Das erscheint verfrüht, wenn man bedenkt, daß er seine Hauptwerke, den Diwan, die Wanderjahre, den Faust II noch vor sich hat. Doch das eine hängt mit dem anderen zusammen: Goethe schreibt seine Lebenserinnerungen nicht obwohl, sondern weil er große Projekte vor sich hat. Er vollzieht die Retrospektive nicht im Interesse einer abschließenden Bilanz, sondern des Aufspürens kreativer Impulse. Im folgenden soll gezeigt werden, daß Goethe dieses Aufspüren schöpferischer Quellen durch eine Erinnerungstechnik vollzieht, die den faktischen Gang des äußeren Lebens in bestimmter Weise transzendiert. Erinnerung der eigenen "Vita" heißt bei ihm: Innewerden der lebendigen Naturproduktivität – nicht im abstrakten Zugriff auf das "große Ganze", sondern durch Bewußtmachung der Bedingtheit des kulturellen Gedächtnisses. ...
Schon bei seiner Einführung in die wissenschaftliche Literatur meinte der Begriff Déjà vu anderes als er besagt. Die beiden Primärquellen, auf die sich Ludovic Dugas in seinem terminologisch grundlegenden Artikel von 1894 bezog, verwenden bezeichnenderweise auch gar nicht diesen Ausdruck, sondern einen allgemeineren ...
Martin Heidegger
(2001)
Wenn wir im folgenden die problematische Persönlichkeitsstruktur Heideggers und deren Äußerung im Werk psychographisch untersuchen, so soll genauso wenig wie bei C. G. Jung und im späteren Beitrag über Axel Springer das Werk pathologisiert werden. Wohl aber soll, wie schon bei Jung, gefragt werden, welche Anteile die Persönlichkeitsstruktur am Werk hat. Das Geniale der Schöpfungen beider ist nicht ohne Hinzuziehung biographischer Faktoren zu erklären.
Glenn Gould
(1993)
Das Konstrukt vom öffentlich-privaten Doppelcharakter des Selbst, das in der vorherigen Arbeit eingeführt wurde, hat Konsequenzen für die Interpretation der Lebensgeschichte. Im folgenden wollen wir an drei Modellffällen die Fruchtbar-keit dieses theoretischen Konstrukts demonstrieren. Sie besteht vor allem darin, daß Man keine opulente Biographik benötigt, um Pathologisches zu verstehen. Bisweilen genügen schon einige Eckdaten, um beispielsweise auf depressive oder schizophrene Strukturen schließen zu können. Aber woran erkennt Man solche Eckdaten? Der Tod einer Mutter, die Atmosphäre im Elternhaus, die Anzahl der Geschwister, Leistungen in der Schule, Erfolg bzw. Probleme im Berufs- und Eheleben und dergleichen sind psychodynamisch vieldeutig, sowohl hinsichtlich der Entstehung wie auch der Folgen. Ohne die Zuhilfenahme einer angemessenen Theorie sind derartige Befunde nicht zu validieren, erst sie vermag Vieldeutigkeit in Eindeutigkeit zu verwandeln.
Goethes Medientheorie
(2007)
Medientheoretische Zugänge zu Goethe sind bis heute eher die Ausnahme. Denn Goethe gilt uns als letzter Vertreter der sogenannten "Kunstperiode", die mit seinem Tod ihr Ende gefunden habe – so urteilten schon seine Zeitgenossen Hegel, Heine und Gervinus. Und wenn Goethe heute in ein Verhältnis zu unserer sogenannten "Mediengesellschaft" gebracht wird, so geschieht das vorwiegend in negativer Abgrenzung der Literatur gegen die audiovisuellen Medien. ...
Während Fausts letzte Worte seit je den Kommentierungswillen der Interpreten herausfordern, macht sie die anschließende, das Drama erst abschließende Szene Bergschluchten vergleichsweise sprachlos. Schon das opernhafte Arrangement und die überschwenglichen Reime entziehen sich dem zugreifenden Gedanken, mit dem das Gemüt sich sonst wappnen mag. Zweifellos handelt es sich hier, wo es aus schwer erfindlichen Gründen mit Fausts Unsterblichem himmelan geht, um die abgründigste Szene der ganzen Dichtung. Scheu befiel schon ihren Autor bei der Abfassung vor jenen "übersinnlichen, kaum zu ahnenden Dingen", denen gegenüber man sich "sehr leicht im Vagen hätte verlieren können". Daß er diese Scheu überwunden und die Gefahr der Verschwommenheit "durch die scharf umrissenenen christlich-kirchlichen Figuren und Vorstellungen" zu bannen gesucht hat, wurde von den Interpreten jedoch erst recht als Verständnisbarriere erlebt. ...
Goethes Faust kann im doppelten Sinne als "Drama der Verzeitlichung" gelesen werden: Das Werk problematisiert den in ästhetischer wie außerästhetischer Hinsicht dramatischen Wandel der kulturellen Anschauungsformen vom Raum zur Zeit, von der Naturalisierung der Geschichte bis zur Historisierung der Natur. Diese Feststellung, die im folgenden konkretisiert werden soll, gründet sich auf die Beobachtung einer bemerkenswerten Korrelation. In der über sechzigjährigen Entstehungsgeschichte des Faust hat Goethe es vermocht, den jeweils aktuellen Stand seiner Auseinandersetzung mit den Akzentverschiebungen und Umwälzungen im naturgeschichtlichen Denken seiner Zeit dramaturgisch zu verarbeiten, ohne das früher Gestaltete durch das später Hinzugekommene zu ersetzen. ...
Paradoxes Gedächtnistheater: Dreitausend Jahre Kulturgeschichte – vom trojanischen Krieg bis zur industriellen Revolution – läßt Goethe in seinem Faust II Revue passieren, doch der Protagonist durchläuft dieses Panorama der Denkwürdigkeiten nicht als Erinnernder, sondern als Vergessender. Fausts "Cursum" durch die "große Welt" (V. 2052ff), der ihn aus der kleinen Welt des ersten Teils herausführt, beginnt mit einem Lethebad, und endet in einem Läuterungsprozeß, der "Alles Vergängliche", mithin die gesamte Memorialkultur des Abendlands, zum bloßen "Gleichnis" (V. 12104f) verflüchtigt. Auch, ja gerade dort, wo Faust sich im kulturellen Gedächtnis zu verewigen sucht – etwa in einer theatralischen Reanimation des antiken Schönheitsideals oder einem grandiosen Landgewinnungsprojekt – erweist er sich um so mehr als selbstvergessen: Kaum hat er die Bühnenexistenz Helenas herbeigezaubert, verpufft sie ihm in einer Explosion, die ihn bewußtlos zurückläßt; und der vermeintliche Entwässerungsgraben, an dem der blinde Kolonisator seine Arbeiter zu schaufeln wähnt, ist in Wirklichkeit nur sein eigenes Grab. Alles Bemühen um Fixierung des eigenen Tuns im Monument befördert es nur um so gründlicher in den Abgrund der Vergessenheit. ...
Faust I
(1996)
"Faust letztes Arrangement zum Druck." Mit dieser knappen Tagebuchnotiz besiegelte G. am 25. April 1806 das Ende einer über 35-jährigen Entstehungsgeschichte, die man eigentlich eine Unvollendungsgeschichte nennen müßte. Daß sie nun doch noch zum Abschluß kam, war auch für den Dichter nicht selbstverständlich. Noch weniger für seinen leidgeprüften Verleger: Cotta fuhr eigens nach Weimar, um das Manuskript abzuholen. Wegen der französischen Besatzung verzögerte sich der Druck um weitere zwei Jahre, dann erst konnte Faust. Eine Tragödie im achten Band der dreizehnbändigen Werkausgabe erscheinen. ...
Wissenschaft, so heißt es, sei ein Projekt, das auf Erkenntnis zielt. Damit verbunden ist die Vorstellung, daß wir heute mehr wissen als gestern und morgen mehr wissen werden als heute. Die Frage ist nur, ob sich das zu Erkennende auch in diese Gedankenfigur fügt. Wie müßten wir vorgehen, wenn jene weißen Flecken auf der Landkarte des Wissens, welche zu besetzen und zu füllen ein konsti-tutiver Bestandteil wissenschaftlichen Selbstverständnisses ist, eo ipso als Wirklichkeiten anzuerkennen sind, die unerkannte Möglichkeiten in sich bergen? Wie können wir diesen virtuellen Realitäten (im emphatischen Sinne der Prägung, nicht dem geläufigen, der auf einem technizistischen Mißverständnis beruht) gerecht werden, ohne sie durch den fixierenden Zugriff, das Aussagen und Ausmalen, Aufschreiben und Aufzeichnen ihrer Virtualität zu berauben? ...
Ein Spaziergang im Wald: Die Baumkronen wiegen sich im Sommerwind, unser Weg ist in ein animierendes Wechselspiel von Licht und Schatten getaucht, dazu zwitschern die Vögel. Hier und dort treffen wir auf andere Spaziergänger, die ebenfalls der Stadt entflohen sind – zum Familien-Picknick in Waldlichtungen, zum verliebten Zwiegespräch, zum einsamen Grübeln. Auf unseren Gruß reagieren manche freundlich und offen, andere unwirsch. Hier werden wir zum Wein geladen und zum Versteckspiel mit den Kindern, dort fühlt man sich gestört, ja einmal werden wir sogar bedroht, weil man unsere Kontaktaufnahme als Einmischung in fremde Angelegenheiten mißversteht. ...
Als ich meinen achtjährigen Sohn wieder einmal in televisionärer Trance versunken fand und mir aus seinem verglasten Blick das ganze Elend unserer Infotainment-Kultur zu starren schien, verfiel ich auf eine fragwürdige pädagogische Maßnahme. Ich streute in den nächsten Werbeblock die Information, zu meinem bevorstehenden Geburtstag könne ich mir nichts Schöneres vorstellen, als daß er mir ein Gedicht aufsage. Freilich sind Gedächtnisaufgaben Routinesache für ihn. Tapfer schluckt er seine Schulspeisung an dem, was man für kindgerechte Lyrik hält und als Stärkungsmittel gegen den heutigen Bildungsverfall durch Bildkonsum verabreicht. Und auch mich hat er schon durch eine Rezitation von Goethes Gefunden beglückt, da sie die Anschaffung eines größeren Gameboy begünstigte. Mit meinem Geburtstagwunsch aber hatte ich den Ehrenpunkt berührt. Nun mußte er zeigen, was er aus intrinsischen Motiven zu memorieren bereit war. ...
Auch wenn es in der Regel eilt: bevor man ein Kunstwerk erhalten kann, muss man es angemessen zu beschreiben wissen, sonst läuft man Gefahr, grobe Fehler zu begehen. Dies gilt für ein Werk auf Basis "alter" Materialien wie Stein, Holz, Leinwand, Fasern, Bindemittel und Pigmente, dies gilt in nicht geringerem Masse für ein Werk, das moderne Materialien enthält: Kunststoffe, synthetische Farben, Halbleiter und elektromagnetische Felder. Die Definition dessen, was eigentlich das elektronische Kunstwerk ausmacht, führt mitten in die Thematik, was zu berücksichtigen und was zu unternehmen ist, wenn das Werk vom Neuzustand in die Alterungsphase eintritt. ...
Rezepte gegen Rührseligkeit waren die Figuren nostalgischer Mythen nicht. Denn das hieße, sie pauschal zu verstehen im Sinne von Handlungsanweisungen, Gegengiften, Vorbildfiguren gegen das zu häufige Gerührtsein, gegen die Auflösung der hergebrachten Affektkontrolle, gegen zunelunende Gefühlsintensität, gegen die Tränen, die meist aus Ergriffenheit über moralische Konflikte, über besonders tugend- oder lasterstarke Situationen oder Menschen vergossen wurden. Die nostalgischen Mythen werden vielmehr, wie viele andere literarische Motive, seit den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts in den Rahmen empfindsamer Denk-, Handlungsund Gestaltungsmuster gestellt, ordnen sich also einer Zeitströmung unter. "Rezepte" gegen das zu häufige Weinen sind diese Figuren nicht per se - weder der arkadische oder idyllische Schäfer und Hirte, der Landmann und Bauer, der physiokratische Musterbauer, der leidende Negersklave, der passiv-edle, aber moralisch überlegene gute Wilde, der (statt eines besseren Ausdrucks sei dieser Pleonasmus gestattet) "wilde" Wilde oder der "nordische" Wilde (sprich: der Kelte oder Germane), noch schließlich der Südseeinsulaner, wie er aus den Berichten nach der Entdeckung Tahitis in Europa literarisch Furore und Mode machte, sind als Gegenfiguren konzipiert. Eine gewisse Ausnalune - und mit diesem Vorbehalt werden sie in die Diskussion einbezogen - stellen allenfalls der aufständische Negersklave, der melancholische, barbarische Wilde und der von moralischen Tabus (scheinbar) unbelastete Südseeinsulaner dar. Man kann an diesen Figuren die Durchdringung literarischer Topoi mit Mustern der empfindsamen Strömung studieren. In den nostalgischen Mythen, in jenen vemeintlich archetypischen Formen "natürlichen" Lebens, die mit trauernder Sehnsucht als Gegenstand von Hoffnung oder Kritik (mit Blick auf die eigene Gegenwart) beschrieben werden, finden sich allerdings eine ganze Anzahl von Situationen und Figuren, in denen das rührselige Weinen umgedeutet wird. Man kann an solchen Figuren auch andere Tränen als die bloß moralisch rührenden entdecken und in diesen nostalgischen Vorstellungen von Natürlichkeit Verschreibungen von Widerstandskraft, ja sogar Auflehnung gegen handlungslose Weinerlichkeit finden.
Die sich im westeuropäischen Impressionismus und Symbolismus entwickelnde Tendenz [generiert] zur Entreferentialisierung, die vor allem in den gängigen Theorien moderner Lyrik zu Unrecht an das Kriterium der emotionalen Abstinenz gekoppelt ist, eine neuartige, synästhetische Ebene der Präsentation von Gefühlen: die der Stimmung. Diese Ebene wird nicht nur für den frühen Rilke stilbildend, sie kann im Blick auf die kontinuierliche Auseinandersetzung mit den symbolistischen Verfahren Mallarmes, Rimbauds oder Valerys als Ferment und Konstituens des Gesamtwerks bezeichnet werden. Damit kann das unpopuläre Frühwerk Rilkes gegen die gängige Reduktion auf das Epigonentum neuromantischer Stimmungsdichtung abgegrenzt weiden. Es ist vielmehr der für den deutschsprachigen Raum charakteristischen, spannungsgeladenden Verschränkung antimimetischer Verfahren mit lebensphilosophischen und monistischen Tendenzen zuzuordnen, die auf das existenzielle, Entzweiungsphänomene kompensierende Erleben einer >Ganzheit< zielt. Das hochemotionale Ganzheitserlebnis ist um 1900, im Unterschied zur Romantik, längst nicht mehr metaphysisch zu verbürgen und bringt moderne, fragile Mythen des Lyrischen ebenso hervor wie die autonom werdende Wahrnehmung des Gefühls.
Im folgenden sollen Aspekte dieses ambivalenten Orientierungsrahmens beleuchtet werden, die für Goethes Beschäftigung mit dem Renaissance-Dichter Torquato Tasso im weiteren Entstehungskontext des gleichnamigen Dramas von 1789 relevant sind. Zunächst wird für die grob skizzierte deutsche Tasso-Rezeption des späteren 18. Jahrhunderts die Bedeutung zweier grundverschiedener Verbindungswege zur französischen Literatur und Philosophie nachgezeichnet, die Goethe selbst reflektiert. Diese Reflexionen verbleiben jedoch im Allgemeinen und geben keinen Aufschluß über konkretere Anknüpfungspunkte für die Gestaltung seines Tasso-Stückes, obwohl eine nähere Verbindung zu Rousseau und seiner Tasso-Rezeption zu vermuten steht. Es gilt daher, für diesen französisch-deutschen Transfer mentalitätsgeschichtliche und intertextuelle Bezüge von den philosophischen und literarischen Werken Rousseaus zu Goethe zu rekonstruieren, und zwar anband einschlägiger Texte aus dem Umkreis der Empfindsamkeit und Empfindsamkeitskritik. Auf diese Weise kann eine latente rezeptiongeschichtliche Linie aufgezeigt werden, die von Rousseaus epochemachendem Briefroman Julie ou la Nouvelle Heloise (1761) über Goethes Werther (1774) zu Torquato Tasso (1789) führt, den Goethe selbst dezidiert als »gesteigerten Werther« bezeichnet. Hierauf aufbauend wird schließlich eine Lesart des Tasso entwickelt, die der bisher für Goethe wenig beachteten Verbindung zur Entzweiungsphilosophie Rousseaus Rechnung trägt und diese Perspektive auf den Horizont der Weimarer Klassik, aber auch auf den simultanen der Romantik bezieht.