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Die Frage nach Konflikten zwischen den Rechtskulturen der USA und Deutschlands wirft ein kürzlich erschienener zweisprachiger Sammelband auf. Wer aber so fragt, der fragt nach mehr als Differenz. Er sucht nach Differenz in Interaktion, in der unterschiedliche Geltungsansprüche gleichzeitig erhoben werden. Sonst ginge es um das weniger abenteuerliche Vergleichen eines Nebeneinander. Leider bleibt die Publikation der Bayerischen Amerika-Akademie aber hierbei stehen und streift die emphatische Frage ihres deutschen Titels nur in Einzelbeobachtungen. Der Einfluss des amerikanischen Rechts in vielen internationalen Verträgen – Ausdruck der politischen Hegemonialstellung der USA – und die Dominanz amerikanischer Juristen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit – Ausdruck der wirtschaftlichen Bedeutung der USA – hätten jedoch Anlass gegeben, immunologische Reaktionen an lebenden Rechtskörpern zu studieren. So aber bleibt es bei der In-vitro-Insemination des deutschen Lesers mit Hinweisen darauf, dass und warum die anderen es anders machen (etwa in Beiträgen zur Kriminalprävention von Streng und Kelling oder zum Jugendstrafrecht von Silverman). In letzterem, in kulturhistorischen Erklärungsversuchen des Warum, findet der Band freilich seinen gedanklichen Schwerpunkt und einige interessante Einsichten. Lamento also nach hinten und Lob nach vorne. ...
Anders als in seinen früheren Schriften, in denen er das Subjekt als ein reines, gesellschaftlichen Zwängen unterworfenes Produkt moderner Machtmechanismen betrachtete, betonte Foucault in seinem späteren Werk dessen Möglichkeit zu Selbstentwurf und Selbstgestaltung. Die Subjektkategorie ist unverzichtbar, wenn wir Ideen wie Gerechtigkeit oder Freiheit mit Leben füllen wollen, denn diese Ideen haben keinen Ort, wenn sie nicht im Menschen Ereignis werden.
Welchen Menschen wollten wir erklären? : Wider den überhöhten Geltungsanspruch der Hirnphysiologie
(2005)
Neurowissenschaftler fordern einen illusionslosen Umgang mit Begriffen wie Willensfreiheit und Bewusstsein. Philosophen kritisieren offen die Thesen von Hirnforschern. Stehen sich diese Positionen unversöhnlich gegenüber? Wo gibt es Möglichkeiten einer Annäherung, gar einer Kooperation? Der Religionsphilosoph Prof. Dr. Thomas M. Schmidt und der Biologe Stefan Kieß loten die Situation in Frankfurt aus; ihre Gesprächspartner sind der Hirnforscher Prof. Dr. Wolf Singer (links), Direktor am Max-Planck-Institut für Hirnforschung, und Prof. Dr. Marcus Willaschek (rechts), Philosoph an der Universität Frankfurt.
Für den Politikwissenschaftler Herfried Münkler ist Solidarität das "Stiefkind der Moralphilosophie, aber auch der Gesellschaftstheorie". Die Sache, so Münkler in dem von Beckert, Eckert, Kohli, Streeck vorzüglich edierten Tagungsband, sei offenbar "nicht sonderlich theoriefähig". So habe Kant, der Philosoph der Französischen Revolution, kurzerhand die Brüderlichkeit aus der Trias Liberté, Egalité, Fraternité entfernt und durch den schnöden Besitzindividualismus der Selbständigkeit substituiert. Genauso in der Theorie der Gesellschaft, in der die Prominenz des Solidaritätsbegriffs bei "Émile Durkheim (…) eine der wenigen Ausnahmen" darstelle. ...
Einmal zu einer Zeit, als der Krieg sich in Bosnien-Herzegowina fortzusetzen begann, bekam ich von einer deutschenWochenzeitung den Auftrag, einen Beitrag über das Profil des Krieg führenden jugoslawischen Personals zu schreiben. Was sind das für Offiziere, die auf Zivilbevölkerung, Städte, Kirchen, Moscheen schießen lassen, ganze Dörfer platt machen und Gegenden entvölkern – muss man sich gefragt haben. Während meiner Jugend war ich vielen Kindern und Jugendlichen begegnet, die aus Offiziersfamilien kamen, und kannte so auch eine Menge Geschichten mit Elementen, die mir als charakteristisch für diese besondere Mentalität erschienen. Aber die Idee, aus solchen erinnerten Erfahrungen so etwas wie ein Täterprofil zu skizzieren, gab ich bald auf. Obwohl es dabei eindeutige Hinweise gab – so war ich mit der Leidenserfahrung einer Schulkameradin vertraut, deren brutaler Vater nach dem Kasernenregiment zu Hause herrschte –, stand keine brauchbare Mentalitätsforschung zusätzlich zur Verfügung, die die eigene Beobachtung hätte untermauern können. Das andere unüberwindbare Problem war, dass es sich bei dieser Gruppe fast ausnahmslos um Serben handelte und eine Generalisierung Gefahr gelaufen wäre, als ethnizistisch einseitig missverstanden zu werden. ...
Qualitatives Denken : John Deweys Erfahrungsbegriff zwischen Erkenntnislehre und Kunsttheorie
(2005)
Inhalt: Vorwort S. 4 Einleitung: John Deweys Radikalität. Eine Erinnerung S. 10 Erstes Kapitel: Implosionen des Empirismus 1.1 Rorty als Apologet und Kritiker Deweys S. 42 1.2 Darwin als Anstoß der Philosophie S. 58 1.3 Die Naturalisierung der menschlichen Intelligenz S. 64 1.4 Brandoms Pragmatismus: Phänomenalismus in Bezug auf Wahrheit S. 75 1.5 Peirce und Dewey als Antipoden? S. 85 Zweites Kapitel: Der Mythos des Gegebenen 2.1 Sellars’ Attacke gegen den Empirismus S. 93 2.2 Inferentialismus und Handlungstheorie S. 101 2.3 Common Sense als Kritik S. 105 Drittes Kapitel: Nach dem Ende der Gewißheit 3.1 Der Dualismus von Theorie und Praxis S. 112 3.2 Raum der Gründe und Raum der Handlungen S. 116 3.3 Qualitatives Denken S. 127 Viertes Kapitel: McDowell und Dewey über Erfahrung und Natur Zur Rehabilitierung des Erfahrungsbegriffs S. 145 4.1 Kohärenz und Kausalität in Davidsons Kritik des Empirismus S. 151 4.2 Die Konstruktion der zweiten Natur S. 160 4.3 Physiologie des Verstehens: Deweys Kritik am Behaviorismus S. 168 Fünftes Kapitel: Erfahrung als Kunst 5.1 Erfahrungen und eine Erfahrung S. 185 5.2 Die kommunikative Dimension expressiven S. 198 Verhaltens 5.3 Hermeneutische Aspekte einer expressiven Theorie der Erfahrung S. 212 Literaturnachweis S. 233 Lebenslauf S. 240 Erklärung S. 242
Ist die Willensfreiheit eine Illusion oder können wir auch anders? Eine Auseinandersetzung mit den neueren Ergebnissen der Hirnforschung von Hanko Uphoff. Anstatt zuzugestehen, dass man bisher keine Erklärung für eine vollgültige Freiheit habe, leugnet man sie lieber, da sie nicht ins angelegte Raster passt. Wenn die Folgerungen, die aus experimentellen Ergebnissen der Hirnforschung gezogen werden sollen, offensichtlich die Gestalt absurder Stilblüten annehmen, sollten die Akteure überlegen, ob sie nicht anders fragen müssten, anstatt die Wirklichkeit zu vergewaltigen.
Wie kaum ein anderer hat Sartre die Freiheit des Menschen betont und gegen die Zwangsvorstellung angeschrieben, der Mensch sei determiniert. Kann die Freiheit sich selbst zum Wert erheben? Zum hundertsten Geburtstag Jean-Paul Sartres sind dessen Entwürfe für eine Moralphilosophie auf Deutsch erschienen.
In der vorliegenden Arbeit beschäftige ich mich mit der "gesellschaftstheoretischen Rekonstruktion der praktischen Philosophie Immanuel Kants" mit ihren Ergänzungen von dem phänomenologischen, wertethischen und philosophisch-anthropologischen Gesichtspunkt Max Schelers. Hier kommt es darauf an, zu versuchen, gegenüber der üblichen, an der "Wissenschaftstheorie" orientierten, objektivistischen Gesellschaftstheorie wie der systemtheoretischen, sowie der diskursethischen einen anderen Gesichtspunkt vorzulegen, nämlich denjenigen, der an der "Qualifikation der Person" orientiert ist. Schon Kants so genannte "Kopernikanische Wende", die der Erkenntnistheorie eine neue Basis gegeben hat, hat die Implikation, dass es bei der gegenständlichen Erkenntnis nicht auf die zu erkennenden Objekte als "Ding an sich" ankommt, sondern dass es sich um die Stellung des erkennenden Subjekts in den als "Erscheinung" erkennbaren Objekten handelt. Gleichwohl kommt es auch bei der "praktischen Erkenntnis" darauf an, dass der Mensch in seiner inneren- und äußeren Natur sowie im Mitverhältnis mit anderen Personen seine eigene Position richtig bestimmen kann, welches sogar für Kants teleologische Geschichtsauffassung gilt. Dieses Motiv der persönlichen Qualifikation kann man auch bei Scheler in seinem Ansatz der philosophischen Anthropologie sowie bei Max Horkheimer in seiner Bestimmung des historischen Materialismus als "Haltung" des Forschers, nicht also als "Weltanschauung", verschiedenartig thematisiert finden. Die vorliegende Arbeit, die versucht, das Wesen und die Aktualität dieses Motivs im Kontext der Geschichte der Philosophie seit Kant bis zur Gegenwart zu verdeutlichen, ist daher insofern eine Art Rehabilitierung der neuzeitlichen Subjektivierung der gegenständlichen Erkenntnis sowie der Willensbestimmung, als diese Subjektivierung die normative Grundlage für die Würde der gleichberechtigten Menschen, für die menschliche Freiheit qua Zwangsfreiheit sowie Zurechnungsfähigkeit und für die Selbständigkeit der Person von Sachen sowie von anderen Personen liefern kann.
Oder - ist er doch frei?
(2005)
Die Arbeit beschäftigt sich mit der interdisziplinären Kontroverse um die Willensfreiheit. Es wird aufgezeigt, dass, unter Einbezug der heutigen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und deren Grenzen, es immer noch möglich ist, eine Willensfreiheit mit der damit verbundenen Verantwortung in der starken Begriffsform von Kant im Sinne eines Kausalneuanfangs anzunehmen. Die Hinführung zu einer positiv bejahten Willensfreiheit erfolgt entsprechend der Beweisführung Kants. Es werden neuro- und naturwissenschaftliche Erkenntnisgrenzen und Widersprüche (inhaltlicher und methodischer Art) aufgezeigt, und es wird so ein „Spielraum“ für eine theoretisch denkbare Willensfreiheit eröffnet. Dieser theoretisch denkbare Raum wird mit Hilfe empirischer Studien mit der aus der Praxis erforderlichen Annahme einer praktischen Willensfreiheit ausgefüllt. Neurowissenschaftliche, genetische und sozialwissenschaftliche Studien zeigen hierbei auf, dass das Gehirn wegen seiner Plastizität nur ein Glied in einer Kausalkette ist und deswegen zu keiner Falsifikation einer Hypothese von einem Kausalanfang, das heißt der Willensfreiheit, dienen kann. Die praktische Umsetzung der Willensfreiheit wird einerseits durch die Zuhilfenahme des Informationsbegriffes, der neurowissenschaftliche und philosophische Kategorien umfassen kann, und andererseits durch das Konzept eines emotionalen Gleichgewichtes zugelassen. Letzteres stellt den Zustand im Menschen dar, der als informationelles Patt einen nicht vorhersagbaren Kausalneuanfang ermöglicht. Dieser ist in jedem Menschen als Freiheitspotential angelegt, mit dem allerdings in einer aktiven Weise gearbeitet werden muss, damit Freiheit zur Geltung kommen kann. Letzteres ist von Bedeutung hinsichtlich kultureller Veränderungen, technischer Innovationen, Therapien, Motivationen, Identifikationen und vieler anderer menschlicher Potentiale.
Die Hermeneutik des sozialen Selbst : Bausteine einer Kritik des partikularistischen Individualismus
(2005)
Im Zentrum des Textes steht eine Diskussion der Bedeutung, die die Artikulation der Perspektive der ersten Person Singular, d. h. der expressive Anteil sprachlicher Verständigung, in kommunikativen Prozessen hat. Dabei geht es zum einen um Aspekte der kommunikativ-intersubjektiven Prägung binnenperspektivischer Wahrnehmung, zum anderen wird die Frage diskutiert, welche Rolle die Äußerung innerer Wahrnehmungen grundsätzlich, vor allem aber in praktischen Diskursen spielt. Neben diesem systematisch-sozialphilosophischen Erkenntnisinteresse, das darauf abzielt, die Kriterien zu bestimmen, unter denen individuelle Bindung an intersubjektive Kommunikation erzielt werden kann und die Bedingungen zu benennen unter denen erwartet werden kann, daß diskursiv gewonnene Einsichten handlungswirksame Kraft entfalten können, verfolgt die Untersuchung eine zweite Absicht: Vor dem Hintergrund der oben angedeuteten Überlegungen soll gezeigt werden, daß in der Entstehungsgeschichte des modernen Individualismus Formen der Artikulation erstpersonaler Wahrnehmungen etabliert wurden, die die spezifischen Funktionen und Potentionale öffentlicher (politischer) Diskurse beeinträchtigen bzw. reduzieren. Im Rahmen einer historisch-rekonstruktiven Argumentation soll diese Entwicklung als ein zentraler Indikator des gesellschaftlichen Strukturwandels in Europa seit Beginn der frühen Neuzeit interpretiert und als Erklärung für zeitgenössische Sozialpathologien in Anschlag gebracht werden. Diese beiden Argumentationslinien werden in der Auseinandersetzung mit Texten von Jürgen Habermas und Richard Sennett entwickelt. Im ersten Teil der Arbeit werden die zentralen Charakteristika öffentlicher Kommunikation vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Strukturveränderungen in Europa seit dem Beginn der frühen Neuzeit umrissen. Im zweiten Teil werden die dabei gewonnenen Erkenntnisse für eine Modifikation des sprechakttheoretischen Kerns der ›Theorie des kommunikativen Handelns‹ genutzt, auf deren Grundlage die Frage nach der Bedeutung der Perspektive der ersten Person Singular auf den verschiedenen Ebenen der Handlungskoordination und Konfliktlösung erörtert werden kann. Im Zentrum dieser Argumentation steht die Entwicklung eines Modells der expressiven Modalisierung zweiter Ordnung, mit dessen Hilfe den performativen Charakteristika menschlichen Sprachgebrauchs adäquat Rechnung getragen werden kann. Hierdurch kann gezeigt werden, daß in metasprachlichen Diskursen die expressiven Bestandteile sprachlicher Äußerungen vor allem dazu dienen, die Opponenten an das Prinzip diskursiver Verständigung zu binden. Auf der Grundlage dieser Einsicht wird erörtert, welche Rolle die Artikulation von Sprecherperspektiven in praktischen Diskursen erfüllt. Hierzu wird Habermas' Diskursethik mit Blick auf die Bedeutung moralischer Gefühle diskutiert. Dabei zeigt sich, daß die kognitivistischen Reduktionismen der TkH sich auch auf die Diskursethik erstrecken. Weil Habermas die affektiven Qualitäten diskursiver Praktiken als Teil der expressiven Artikulation der in ihnen engagierten Teilnehmer ausblendet, gelangt er zu einer pessimistischen Bewertung der Bindungskräfte, die prozedural begründete Normen entfalten können. Nur durch die Erfahrung der autonomiesichernden Kraft verständigungsorientierter Prozesse soll eine existentielle Wertschätzung von Seiten der Akteure erreicht werden können, die hinreichende Bindungsmomente mobilisieren kann. An diesem Punkt tritt die die Doppelfunktion von Expressivität als Medium der Erschliessung und Gestaltung von Selbst und Welt und ihre grundlegende Funktion für die Integration und Steuerung moderner Gesellschaften deutlich zutage. Die Möglichkeit, das Zusammenleben in einer posttraditionalen pluralistischen Gesellschaft befriedigend zu gestalten, hängt wesentlich davon ab, daß es den Akteuren gelingt, ihre Handlungskonflikte so zu lösen, daß alle Beteiligten das Gefühl haben, ihre individuellen Interessen seien gleichermaßen berücksichtigt worden. Die 'Hermeneutik des sozialen Selbst' erweist sich als eine Theorie des Selbst, die die artikulierte Expressivität als Brückenprinzip zwischen Selbstverständigung und Selbstbestimmung ansiedelt. Durch den verständigungsorientierten Austausch ihrer binnenperspektivischen Evaluationen knüpfen die Akteure ein Netz ethisch-existentieller Bedeutsamkeiten, mit dessen Hilfe sie den space of reason (Sellars) in der geteilten Lebenswelt verankern. Je mehr es ihnen gelingt, ihre individuellen Teilnehmerperspektiven zu entschränken und je glaubhafter sie diese Entschränkung in ihren Redebeiträgen expressiv artikulieren, desto wahrscheinlicher wird ein Grad der Selbstaufklärung, der jene Symmetrie der Anerkennungsverhältnisse als wünschenswert erscheinen läßt, die prozedural gewonnenen Normen dadurch handlungsmotivierende Schubkraft verleiht, daß sie in den Adressaten das sentiment of rationality (W. James) auslöst.
Die Behauptung von Jürgen Habermas, man könne ohne „metaphysische Rückendeckung“ philosophieren, wird nicht nur von Manfred Kühn bezweifelt. So ist auch Richard Rorty der Ansicht, ein Begründungsanspruch, wie ihn Habermas trotz aller Distanznahme zum apelschen „Restfundamentalismus“ noch immer vertritt, könne nur metaphysisch genannt werden. In dem Text untersucht der Autor zunächst, welchen Begriff von "Metaphysik" Jürgen Habermas selbst verwendet, um dann aufzuzeigen, dass dieser sich durch spezielle Argumentationsstrategien von metaphysischen Annahmenfreizumachen versucht. Besonders folgenreich ist dabei die Strategie, auf naturalistische Argumentationsmuster Bezug zu nehmen. In seinen neueren Schriften spricht Habermas nun auch selbst von einem „schwachen Naturalismus“. Ein wichtiges Ergebnis der Arbeit ist, dass diese Strategie letztendlich mit bestimmten Aussagen der Diskursethik nicht in Einklang zu bringen ist, und in Folge dessen Widersprüche zwischen dem Versuch, keine metaphysische Rückendeckung zu verwenden und bestimmten ethischen Aussagen auftreten. Nachgewiesen wird dies anhand einer Analyse des Selbstbewusstseins- und des Begründungsbegriffs bei Habermas, wobei im Zusammenhang des Selbstbewusstseinsbegriffs vor allem die Bezugnahme auf Mead, im Zusammenhang des Begründungsbegriffs hauptsächlich die Detranszendentalisierung der Kantischen Ethik und die Auseinandersetzung mit Apel im Mittelpunkt stehen. Da eine Beschäftigung mit dem Naturalismus in den meisten philosophischen Diskursen im Rahmen epistemologischer Überlegungen stattfindet, versteht sich die Arbeit darüber hinaus implizit auch als eine Analyse der Auswirkungen naturalistischer Argumentationsstrategien auf ethische Fragestellungen. Sie verbindet die Analyse der metaphysischen Implikationen im Werk von Jürgen Habermas mit einer Untersuchung der Konsequenzen des habermasschen Naturalismus auf die Diskursethik.
Dass Menschen für das, was sie tun, verantwortlich sind, ist eine Annahme, die im Alltag ohne weitere Begründung gemacht wird. Dies schließt natürlich nicht aus, dass es bezüglich der Verantwortlichkeit bestimmter Personen für bestimmte Handlungen unterschiedliche Ansichten geben kann, aber die allgemeine Unterstellung, dass man für seine Handlungen Verantwortung trägt, ist so tief in der alltäglichen Praxis verwurzelt, dass sie in der Regel unhinterfragt vorausgesetzt wird. Von philosophischer Seite gibt es seit jeher Versuche, diese Alltagsgewissheit durch verschiedene Einwände zu erschüttern. Zu nennen sind hierbei zum einen die Einwände der Verantwortungsskeptiker, denen zu Folge Verantwortung Bedingungen erfordert, die von Menschen prinzipiell nicht erfüllt werden können und die daher die These vertreten, dass niemand für das, was er tut verantwortlich sein kann. Zum anderen gibt es Einwände von Seiten der sogenannten ’Harten Deterministen’. Diese sind der Meinung, dass die Bedingungen für Verantwortung unvereinbar sind mit der These des Determinismus und da einige Ergebnisse der modernen Neurowissenschaft für eine Determiniertheit des menschlichen Gehirns sprechen könnten, wäre daher niemand verantwortlich für seine Handlungen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, im Ausgang von der bestehenden Praxis der Verantwortungszuschreibung zu zeigen, dass sowohl der skeptische als auch der deterministische Einwand unberechtigt sind und es keinen Anlass gibt, auf Grund philosophischer Argumente oder neurowissenschaftlicher Erkenntnisse an der Berechtigung und Sinnhaftigkeit dieser Praxis zu zweifeln. Um dies zu leisten, muss untersucht werden, was es genau heisst, eine Person für ihre Handlung verantwortlich zu machen; auf der Basis dieser Analyse kann dann gezeigt werden, dass beide Einwände gegenüber dieser Praxis ins Leere laufen.
Zeit ist einer jener Begriffe, für die man die Augustinische Charakterisierung gelten lassen wollte, es sei klar, was sie bedeuten, solange nicht danach gefragt werde (Augustinus Confessiones Lib. XI, 17). Die Frage aber nach dem, was "Zeit" eigentlich ist, erscheint umso berechtigter, als es insbesondere die Naturwissenschaften sind, die für sich in Anspruch nehmen, hier Antworten geben zu können. Die zu erwartenden Antworten wären danach wesentlich empirischer Natur – also direkt oder indirekt experimentell gestützt und mithin Ergebnis dieser Forschung. ...
Jon Elster hat sich in der rational choice-Theorie durch Studien zu Selbstbindungstechniken als Absicherung gegen Irrationalitäten im Entscheidungsprozess einen Namen gemacht. Passend zu diesem Theoriehintergrund untersucht Elster in seinem Buch "Die Akten schließen" Entscheidungsmöglichkeiten nationaler Gesellschaften, mit dem Irrationalen umzugehen und gesellschaftliche Umbrüche zu bearbeiten. Elster geht es darum zu zeigen, dass die Art und Weise, wie Gesellschaften ihre offenen Rechnungen nach Regimewechseln begleichen, höchst unterschiedlich ist. Darum trägt er unterschiedliche Formen der "Vergangenheitsbewältigung" zusammen und setzt sie miteinander in Bezug. ...
Wir wissen nicht, was König Adolf von Schweden in seiner Satteltasche trug, als er im 30jährigen Krieg hoch zu Ross in die Schlacht zog. Angeblich soll es ein Exemplar des Buches "De iure belli ac pacis" gewesen sein, des völkerrechtlichen Hauptwerks von Hugo Grotius. Spätestens seit Louis Aubéry du Mauriers "Memoires pour servir a l’histoire de Hollande et des autres Provinces-unies" (1688) gehört diese Anekdote zum festen Bestandteil des Grotius- Mythos. Erzählt wird sie meist dann, wenn es um die Frage nach dem Verhältnis von Theorie und Praxis im Völkerrecht und ihrer Geschichte geht. Umdiese Frage dreht es sich auch in dermit Spannung erwarteten Arbeit von Martine Julia van Ittersum über die Verstrickungen des jungen Grotius in die Überseepolitik des ebenfalls noch jungen niederländischen Staates. ...
Unser die Welt : sprachphilosophische Grundlegungen der Erkenntnistheorie ; ausgewählte Artikel
(2007)
Die Weiterentwicklung der Gedanken, die Wilhelm K. Essler 1972 in seinem Buch "Analytische Philosophie I" vorgetragen hat, ist bislang nur in Artikeln erfolgt. Die hier vorgelegte Auswahl hat das Ziel, den Kern seines Philosophierens, nach Sachgebieten geordnet, darzustellen. Im Zentrum seines Philosophierens steht die Untersuchung des Reflektierens, genauer: des philosophischen Reflektierens, anhand semantischer und epistemologischer Beispiele. Er orientiert sich dabei nicht an der Untersuchung vorhandener Erkenntnisakte, die oft schwer faßbar und noch schwerer eindeutig bestimmbar sind, sondern an deren rationaler Rekonstruktion in Modellen, gemäß dem Vorgehen in experimentellen Wissenschaften, und das besagt in der Philosophie natürlich: in Modellsprachen. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, daß unter Einsatz des Instrumentariums der modernen Logik und ihrer Metalogik definitive Ergebnisse erzielt werden können, aufbauend auf den metalogischen Resultaten Gödels und Tarskis. In der Weiterführung der Ergebnisse von Gödel und Tarski wird gezeigt, daß die methodologische Unterscheidung von Erwähnen und Verwenden genau dem Vorgehen des semantischen Reflektierens gemäß der Sprachstufentheorie Tarskis entspricht und daß diese daher das geeignete Instrument zur Darstellung des epistemologischen Reflektierens und damit auch der erfahrungswissenschaftlichen Semantik ist. Anhand solcher präziser Sprachmodelle wird die Voraussetzungshaftigkeit allen sprachgebundenen Erkennens jeweils am Beispiel nachgewiesen. Macht man eben dieses Reflektieren zum neuen Gegenstand des untersuchenden Reflektierens, so benötigt man hierzu, will man die zuvor benützte Sprache des Reflektierens nun vollständig darstellen, abermals zusätzliche, in ihr noch nicht ausdrückbare Mittel des Reflektierens, und so fort ohne Ende. Dabei zeigt sich, daß dieses "und so fort ohne Ende" zum Problem der Grenze des Sagbaren gehört, und damit a fortiori zu den Grenzen des Philosophierens. Wie bei Platon wird Denken als ein inneres Sprechen verstanden, was eine enge Verbindung von Sprachphilosophie und Philosophie des Geistes impliziert. In neueren Untersuchungen hat Wilhelm K. Essler gezeigt, daß die Grundgedanken der buddhistischen Philosophie des Geistes mit diesen Ergebnissen des Reflektierens weitgehend übereinstimmen, daß jedoch diese über zwei Jahrtausende alte buddhistische Philosophie darüber hinaus auch Instrumente zur individuellen Anwendungen einer solchen sprachphilosophisch und erkenntnistheoretisch untermauerten Philosophie des Geistes enthält, die diese dann zu einer gelebten Philosophie werden lassen können, mit dem Ziel des Mottos, das auf der Eingangspforte des Tempels von Delphi zu lesen stand, nämlich: "Erkenne Dich selbst!"
Auch wenn die Anzahl theoretischer Arbeiten über die Anerkennungstheorie enorm gewachsen ist, scheint es immer noch relativ unklar zu sein, welche Rolle genau der Begriff der Anerkennung in den verschiedenen Disziplinen übernehmen sollte. Die Internationalisierung der Debatte über die Theorie der Anerkennung hat die ganze Komplexität und Vielfältigkeit des Anerkennungsbegriffs zum Vorschein gebracht. Dieser Vielfältigkeit von Analyseperspektiven gilt es heute Rechnung zu tragen. Mit der Darstellung der in dieser Dissertation skizzierten Reflexionsstufen der Anerkennungstheorie (der subjektive, der objektive Geist der Anerkennung und die Sittlichkeit der Anerkennung) wurde allerdings nicht nur versucht, den Stand der Forschung einfach wiederzugeben, sondern auch immanent die Notwendigkeit einer verfassungstheoretischen Erweiterung der Anerkennungstheorie nachzuweisen. Ob das mir gelungen ist oder nicht, kann nur der Leser beurteilen.
Dieses Verfahren bedient sich der logischen Methode Hegels. Sowohl Hegel als Adorno haben immer erneut versucht, "aufs Ganze" zu gehen. Eine stillschweigende These dieser Dissertation war daher, dass die Darstellung des Ganzen, der Reflexionsstufen der Anerkennungstheorie nicht nur möglich ist, sondern notwendig, damit der Anerkennungsbegriff, seine sittliche Verwirklichung und seine Normativität angemessen begriffen werden konnte. Die Darstellung dieser drei großen Paradigmen diente daher dem nicht bescheidenen Versuch, die drei notwendigen Reflexionsstufen der Anerkennungstheorie darzustellen.
Diese in dieser Dissertation vertretene These steckte freilich erst nur ein Arbeitsfeld ab. Von ihr ausgehend eröffnen sich vielfältige Perspektiven. Mit dem in dieser Dissertation entwickelten Gedankengang ist jedoch in indirekter Form die systematische Idee schon angesprochen, von der ich mich in meiner Auseinandersetzung mit dem Werk von Honneth habe leiten lassen. Einerseits hatte ich mir in dieser Dissertation das Ziel gesetzt, die Herausbildung auf die Weise nachzuvollziehen, dass dabei die logischen Prämissen meiner eigenen Argumentation schrittweise ihren bloß arbiträren Charakter verlieren und somit gerechtfertigt werden; andererseits wollte ich auf demselben Weg zumindest in ersten Umrissen auch zeigen, dass nur eine verfassungstheoretische Erweiterung der Sphäre der Anerkennung um jenes institutionelle Moment Hegels Theorie der Sittlichkeit erklärbar macht, deren Rechtfertigung sich eigentlich der transzendentalen Argumentation von Hegels Logik verdankt.
Trotz der vielen Mängel, die die Dissertation zweifellos aufweist, bin ich fest davon überzeugt, dass sie auf eine vielleicht geradezu naiv anmutende Weise viele der Gründe enthält, die zeigen, dass die Anerkennungstheorie ihre Ziele nur angemessen verwirklichen kann, indem sie die intersubjektive Dimension mit einer verfassungstheoretischen verbindet. Aus diesen Resultaten ergibt sich die Richtung einer plausiblen Erweiterung der Anerkennungstheorie: wer die intersubjektive Dimension der Anerkennung in einem verfassungstheoretischen Rahmen zu integrieren versucht, ist auf Hegels transzendentale Phänomenologie angewiesen, für die Hegels Logik mit ihrer Idee einer Kommunikativen Freiheit und einer Einheit von Darstellung und Kritik noch immer das große Anregungspotential bietet.
Es werden ontologische Antinomien, semantische Antinomien und die Sätze von Tarski, Gödel, Rosser und Church miteinander verglichen. Der Vergleich verläuft in zwei Schritten: Abstrakte Formulierungen der Sätze von Tarski, Gödel, Rosser und Church ermöglichen eine direkte Gegenüberstellung mit der Lügner-Antinomie und der Antinomie von Grelling. Der Beweis des Unvollständigkeitssatzes wird dabei mit und ohne Verwendung des Fixpunktsatzes betrachtet und die Rolle des Fixpunktsatzes analysiert. Parallel zur Antinomie von Richard werden abstrakte Sätze für Terme anstelle von Formeln gebildet. Hieraus erhält man wiederum einen Unvollständigkeitssatz. Im zweiten Schritt werden ontologische und semantische Antinomien gegenübergestellt. Es wird der Begriff einer Diagonalstruktur entwickelt, auf den beide Antinomietypen bezogen werden. Im Fall von ontologischen Antinomien werden die Antinomien von Cantor, Russell und Burali-Forti behandelt.
Diese Arbeit befasst sich mit dem Philosophen Emmanuel Levinas und dem persischen Dichter Hafis, die als genuine Denker der Situation vorgestellt werden. Levinas und Hafis folgend, versucht die Autorin aufzuweisen, dass unser Sein immer ein In-Situation-sein ist. Das "In" zeigt dabei nicht ein "Innen" im Gegensatz zu einem "Außen" an. Hingegen ist der Mensch in Situationen sowohl Innen als auch Außen. Situation ist jedoch kein bestimmter Zustand des Seins des Menschen, sondern Weise des Daseins, im wie des Seins. Dieses In-sein schließlich wird von der Autorin, und hierin folgt sie explizite Emmanuel Levinas, übersetzt als Ausgesetztheit. Ausgesetztheit als solche ist Ur-Situation, Situation der Situation und somit ein anderer Ausdruck für das Beziehungs-sein. Das Beziehungssein aber hat sein Äußerstes in der Liebe. Liebe jedoch ist nicht deshalb unbedingt, weil sie eine bloße Steigerung des Lebensgefühls bedeutete, auf die der Mensch "aus ist". Liebe ist Grunderfahrung und als solche eine Bewegung, die sich von sich her übersteigert. Liebe bewahrt die Kontinuität des Lebens als Relatio. Denn Liebe "relativiert" nicht das "Böse des Schmerzes" aufgrund des Guten der Heiligkeit. Liebe ist Ertragen im Schmerz, Aufenthalt in der Heiligkeit. So situiert sie als reine Passivität und Empfänglichkeit stets "jenseits von Gut und Böse". Die Öffnung der Liebe, d.i. der Zugang zum Anderen, vollzieht sich durch das Weibliche. Die Autorin beschreibt Weiblichkeit als Konkretisierung des Eros, der mit Levinas und Hafis als Fruchtbarkeit vorgestellt wird, die schon "jenseits" der biologischen Bedeutung Sinn "hat". Mit der Explikation der von der Autorin entwickelten Figur "Schleier der Weiblichkeit" wird schließlich versucht, über die Referenzen Levinas und Hafis noch hinauszugehen. Im Schleier "symbolisiert" sich die Macht der Weiblichkeit, die zugleich "Passivität" und "Zärtlichkeit" ist. Der Schleier ist Ausdruck einer Weiblichkeit, die das Geheimnis des Seins als das Geheimnis des Antlitzes infiniert.
Situierte Kritik: Modelle kritischer Praxis in Hermeneutik, Poststrukturalismus und Neopragmatismus
(2008)
Wie ist Kritik an sozialen Verhältnissen möglich? Welches sind ihre Bedingungen, ihre Verfahren und ihre Grenzen? Diese Studie konturiert den Spielraum kritischer Praxis, indem sie die Aspekte der Analyse, Evaluation und Transformation gesellschaftlicher Wirklichkeit mit Blick auf Ansätze hermeneutischer, poststrukturalistischer und neopragmatistischer Philosophie (insbesondere von Gadamer, Butler und Rorty) expliziert. Aufgrund der sozialen Konstitution von Subjektivität, Rationalität und Normativität kann Kritik dabei nicht mit Bezug auf universelle überzeitliche Maßstäbe erläutert werden, sondern als ‚situierte Kritik‘, die ihre Ausgangs- und Orientierungspunkte in den herrschenden Verhältnissen selbst findet.
In diesem Beitrag gehe ich dem wechselseitigen Zusammenhang zwischen Vernunft und Freiheit nach, indem ich zu zeigen versuche, dass unterschiedliche Konzeptionen von Vernunft auch unterschiedliche Konzeptionen von Freiheit nach sich ziehen. Ich diskutiere zwei Argumente für den Inkompatibilismus (Strawsons Basic Argument und van Inwagens Konsequenzargument), von denen sich herausstellt, dass sie auf strukturgleichen Hintergrundannahmen beruhen, die ihrerseits Spezialfälle jenes Grundsatzes vernünftigen Denkens sind, den Kant als das "oberste Prinzip der reinen Vernunft" bezeichnet. Diese ("absolutistische") Konzeption von Vernunft ist keineswegs alternativlos. Die "intuitive" Plausibilität des Inkompatibilismus wird folglich in Frage gestellt.
Die Allgegenwärtigkeit des Begriffs der Menschenrechte in politischen Kontexten kann leicht übersehen lassen, dass der rechtsphilosophische, rechtstheoretische und praktische Streit um die genaue Bestimmung, Begründung und Kodifizierung dieser »Rechte« alles andere als beigelegt ist. Der notorische Dissens zwischen Philosophen und Juristinnen und sogar Theologen steht in einem seltsamen Missverhältnis zur Selbstverständlichkeit, mit der politische Akteure die Notwendigkeit dieser oder jener außenpolitischen Handlung durch Bezug auf die Menschenrechte rechtfertigen. ...
Sowohl in den 1920er als auch in den 1960er und 70er Jahren waren materialistische bzw. marxistische Ansätze Bestandteil des Rechtsdiskurses. Diese Orientierung ist seitdem etwas aus dem Blick geraten. Man kann vielleicht sogar sagen, dass die materialistischen Ansätze auf dem Terrain der Rechtstheorie eher marginalisiert sind. Im Laufe der letzten Jahre hat Sonja Buckel in einer Reihe von Artikeln1 und in ihrem vor kurzem erschienenen Buch Subjektivierung und Kohäsion. Zur Rekonstruktion einer materialistischen Theorie des Rechts diese Fehlentwicklung in der Rechtstheorie zu korrigieren versucht. Die theoretische Originalität und soziologische Umsicht, mit der Sonja Buckel auf diesem Weg die weitreichenden Ansprüche einer materialistischen Rechtstheorie zu erneuern versucht, wären sicherlich schon Grund genug, sich mit ihrer materialistischen Theorie des Rechts gründlich auseinander zu setzen. Immerhin gelingt es ihr, im Gang ihrer Argumentation auch den Stellenwert einer Reihe von zeitgenössischen Ansätzen der politischen und rechtlichen Theorie im Rahmen der sozialen Auseinandersetzungen zu klären, von denen zumindest die europäischen Länder heute geprägt sind. Aber ein weiterer und für mich wesentlicher Grund, ihre Überlegungen mit großer Sorgfalt zu prüfen, ergibt sich aus der speziellen These, die sie als einen Leitfaden ihrem Erneuerungsversuch zugrunde legt: Es ist ihre Überzeugung, dass das Recht sich in kapitalistischen Gesellschaften seine "gespenstige Eigenwelt" (9) erzeugt. Die Faszination ihrer Theorie besteht gerade im Versuch, diese "phantasmagorischen" bzw. verdinglicht-verdinglichenden Prozesse des Rechts, seine Verselbständigung also, einer sowohl theoretischen als empirischen Analyse zu unterziehen. ...
Wissenschaftliche Literatur über Serbien zählt im Westen zur Mangelware. Auf dem Büchermarkt überwogen bis vor kurzem geschichtliche Abrisse von Journalisten und dilettierenden Historikern. Montenegro ist ein noch seltenerer Gegenstand wissenschaftlicher Geschichtsschreibung. Daher weckt ein Sammelband zur Gesellschafts-, Kultur-, Politik- und Staatsgeschichte, der von einem wissenschaftlichen Institut und ausgewiesenen Kennern der serbischen Geschichte herausgegeben wurde, hohe Erwartungen. ...
Emotionen in der Ökonomie
(2008)
Bisherige ökonomische Modelle erklären das Zustandekommen von Handlungen primär durch den Wunsch, mit möglichst geringem Aufwand vorgegebene Ziele bzw. Absichten zu realisieren, also durch Unterstellung eines bestimmten Typs von Rationalität, nämlich ökonomischer Zweckrationalität. Lassen sich Handlungen nicht mehr alleine durch die Voraussetzung dieser Art von Rationalität bei den Handelnden erklären, werden sie als Ausnahmen oder Anomalien betrachtet. Bei vielen dieser Anomalien lassen sich emotionale Einflüsse vermuten. Gelänge es nun, diese emotionalen Einflüsse für das Zustandkommen von Handlungen näher zu bestimmen, könnten ökonomische Modelle in ihrer Reichweite und Aussagekraft beim Erklären von Handlungen verbessert werden. Deshalb lautet meine Hauptfragestellung: inwieweit bestimmen Emotionen unser wirtschaftliches Handeln? An welchen Stellen und auf welche Weise spielen sie bei zweckrationalen Entscheidungen eine Rolle? Zweckrationalität besteht darin, effektive Mittel für bestimmte Ziele zu benennen. Voraussetzung dafür ist es, Ziele zu haben. Deshalb wird eine zweite Frage lauten: wie können Emotionen die teleologische Gerichtetheit, die Ziele oder Zwecke unserer zweckrationalen Handlungen bestimmen oder mitbestimmen? Diese Frage spielt vor allem auf unsere Motivation an: würden wir mit bestimmten Zielen keine Emotionen verbinden, würden uns viele Handlungen sinnlos erscheinen. Emotionen sorgen für die Ziele, die dann mittels Zweckrationalität in Angriff genommen werden können. Eine Frage betrachtet den umgekehrten Fall: Lassen sich Emotionen instrumentalisieren, indem bestimmte Emotionen manipuliert oder modifiziert werden, um bestimmte Ziele zu erreichen? Schlussendlich bleiben noch die Kosten (Zeit, Mühe, Aufwendungen, psychischer und monetärer Art) einer solchen Investition zu erwägen. ...
In dieser Arbeit ging es um die Frage, ob die folgenden fünf zentralen Grundannahmen, die das Denken über das Unsterblichkeitsproblem gegenwärtig bestimmen, erwiesen sind oder nicht: (1) Es existiere nur die uns bekannte raumzeitliche Welt und Hinweise oder Belege für andere Dimensionen und Realitätsebenen seien nicht vorhanden. (2) Aus der Faktizität des Evolutionsprozesses könne geschlossen werden, dass die Lebewesen ohne Absicht und Plan ausschließlich durch rein mechanistisch- materialistische Prozesse entstanden seien. (3) Es gebe keine rationalen Argumente für die Existenz eines transzendenten Urgrundes der Welt, einer transzendenten wahren Wirklichkeit und transzendenter Entitäten. (4) Das Bewusstsein werde vom Gehirn hervorgebracht und sei nichts anderes als ein Produkt der Komplexität des Nervensystems und Belege für die Transmissionshypothese, nach der das Hirn wie ein Transmitter für ein eigenständiges Bewusstsein wirkt, gebe es nicht, ebenso wenig wie Belege für Trennbarkeit des Bewusstseins vom physischen Körper und für die postmortale Kontinuität des Bewusstseins. (5) In der Aufklärung sei gezeigt worden, dass die Annahme einer unsterblichen Seele irrational sei. Häufig wird behauptet, dass es sich bei diesen Grundannahmen um unbezweifelbare Selbstverständlichkeiten handele oder um unumstößliche naturwissenschaftliche oder philosophische Erkenntnisse, die mit Hilfe logischer Operationen oder naturwissenschaftlicher Methoden eindeutig nachgewiesen worden seien oder zwingend daraus folgten. Insofern wird davon ausgegangen, dass diese Grundannahmen als gültig vorausgesetzt werden können, wenn das Unsterblichkeitsproblem erörtert wird.
Steigeisen fürs Theoriegebirge : zwei Neuerscheinungen zum 80. Geburtstag von Jürgen Habermas
(2009)
Rezensionen zu: Michael Funken (Hrsg.) : Über Habermas. Gespräche mit Zeitgenossen. Darmstadt 2008, Primus Verlag, ISBN 978-3-89678-645-6, 192 Seiten, 24,90 Euro. Stefan Müller-Doohm : Jürgen Habermas. Frankfurt 2008, Suhrkamp Verlag, BasisBiographien 38, ISBN 978-3-518-18238-3, 157 Seiten, 7,90 Euro.