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Wer sich mit dem Common Law beschäftigt, kommt nicht um William Blackstones Werk herum: Schon bei ihrem Erscheinen galten seine vierbändigen Commentaries on the Laws of England als Meilenstein der juristischen Literatur. Dank der systematischen und logischen Struktur des Werkes, der umfassenden und gründlichen Behandlung des englischen Rechts und nicht zuletzt auch des flüssigen Stils wegen fanden die Commentaries schnell allgemeine Anerkennung. ...
Rezension zu: Hans Erich Troje: Gegenpositionen. Aspekte zur Zukunft von Ehe und Familie. Köln u.a.: Böhlau Verlag 2009. 260 Seiten, ISBN 978-3-412-20342-9, € 39,90.
Der Sammelband ist in der Reihe „Rechtsgeschichte und Geschlechterforschung“ des Böhlau Verlags erschienen. Er enthält Aufsätze des emeritierten Rechtswissenschaftlers aus den Jahren 1975 bis 1999, die in ideologischer und polemischer Form Positionen zu Familien- und Gleichstellungspolitik formulieren, wie sie in der Geschlechterforschung längst überholt sind.
Nach den Worten des Bundesverfassungsgerichts ist die Gewaltenteilung ein tragendes Organisationsprinzip des Grundgesetzes (BVerfGE 3, S. 225 ff. [247]). Keine Gewalt darf ein von der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über die andere Gewalt erhalten (BVerfGE 9, S. 268 ff. [279]). Wo in der deutschen Verfassungswirklichkeit im Verhältnis zwischen Exekutive und Judikative solche Organisationsstrukturen von zureichender Wirkungskraft zu finden sind, stellt das Bundesverfassungsgericht nicht klar. Die allein mit rechtswissenschaftlichen Instrumentarien nicht zu klärende Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland bereits Organisationsstrukturen besitzt, die ein psychosoziales Übergewicht der Exekutive über die Rechtsprechung ausschließen, begegnet bei näherer Betrachtung der Verfassungswirklichkeit in Deutschland (Kapitel III., Schwerpunkt der Dissertation) erheblichen Zweifeln. Die nach dem Ende des 2. Weltkriegs vorgefundene und bis heute in ihrer Grundstruktur unveränderte Verwaltung der Dritten Gewalt durch die Exekutive entspricht nicht den Zielen des Gewaltenteilungsprinzips. Ein Prinzip ist eine Einsicht, ein Ziel und eine Handlungsregel, die methodisch am Anfang eines theoretischen Aufbaus oder Systems von Handlungsorientierungen steht. Montesquieu umschreibt die seinem Gewaltenteilungsprinzip zu Grunde liegende anthropologische Einsicht mit den Worten: „Eine ewige Erfahrung lehrt jedoch, dass jeder Mensch, der Macht hat, dazu getrieben wird, sie zu missbrauchen. Er geht immer weiter, bis er an Grenzen stößt. Wer hätte das gedacht: Sogar die Tugend hat Grenzen nötig“. Die deutsche Verfassungswirklichkeit der Rechtsprechung kennt keine Schutzgrenzen gegenüber der Exekutive. Es gibt keine Organisationsstrukturen, die subtile Übergriffe der vollziehenden Gewalt auf die Rechtsprechung von vornherein objektiv unmöglich machten. Deutschland begnügt sich mit Appellen an die mit der Justizverwaltung betrauten Regierungsmitglieder (i.d.R. Justizminister) und an die ihnen nachgeordneten Staatsorgane (z.B. Gerichtspräsidenten); sie hofft auf deren Rechtstreue und Augenmaß. Deutschland folgt dem Hoffnungsprinzip, nicht dem Gewaltenteilungsprinzip. Das im Grundgesetz festgeschriebene Prinzip der Gewaltenteilung organisatorisch umzusetzen, ist ein Ziel und eine Handlungsregel und damit eine vom Grundgesetz gestellte Aufgabe (a.M. BVerfGE 55, S. 372 ff. [388]). Die der Dreiteilung der Staatsgewalten (Art. 20 II 2 GG) vorausgehende anthropologische Einsicht Montesquieus ist überdies einer der bei der Auslegung des Grundgesetzes anzulegenden Maßstäbe. Der Wortlaut des Art. 92 erster Halbsatz GG ist die an die Spitze des Abschnitts „IX. Die Rechtsprechung“ gestellte Bestätigung der Grundentscheidung des Art. 20 II 2 GG für die Gewaltenteilung. Er bringt den Willen des Grundgesetzes zum Ausdruck, dass in der Verfassungswirklichkeit Deutschlands die rechtsprechende Gewalt in einer organisatorisch gleich wirkungsvollen Weise den Richtern anvertraut sein möge wie die gesetzgebende Gewalt den Parlamentsabgeordneten.
Juristischer Polyzentrismus : wie unterrichtet man vergleichende europäische Rechtsgeschichte?
(2010)
Auch Fragen, die offen klingen, können Suggestionen enthalten. "How to teach European comparative legal history?" lautete der Titel eines Workshops, der vom 19. – 21. August 2009 im südschwedischen Lund stattfand. Eingeladen hatten die örtlichen Rechtshistoriker Kjell Å. Modéer und Per Nilsén. Die Vorannahme, die der Titel transportierte, wurde durch das einleitende Referat Modéers begründet und als Imperativ bekräftigt: Ja, wir sollen vergleichende europäische Rechtsgeschichte lehren! Modéer scheint die europäisch-vergleichende Perspektive in diesen Zeiten hochgradig angemessen, da sie nationale Kurzsichtigkeiten und Engführungen überwinde. Den Wandel skizzierte er mit den Stichworten der Europäisierung des Rechts, der Internationalisierung der Studenten in den universitären Kursen und gesellschaftlich allgemeiner mit den zunehmenden Konflikten der Kulturen sowie der "postkolonialen Situation". Juristisch habe sich die Perspektive von der Pluralität der Rechtssysteme hin zur Pluralität der Rechtsordnungen gewandelt. Unter diesen Umständen sollten, so Modéers Credo, Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung kooperieren und neue Perspektiven auf das Recht entwickeln. Immerhin gebe es ja Theorien der Rechtsvergleichung, allerdings lehre die Erfahrung, dass sie im Unterricht entweder dominierten oder fehlten. Wie aber soll der Rechtshistoriker dieses Programm in der Lehre umsetzen?
Vom "Staat der Mitte" zum "Reich der Mitte" scheint es nicht weit zu sein. Aber so, dass die Bewohner des "Staates der Mitte" sich als Zentrum der Welt und die am Rande wohnenden Völkerschaften als Barbaren betrachten, möchte der Osnabrücker Staatsrechtler seine Verfassungsgeschichte nicht verstanden wissen. Deutschland ist ihm vielmehr die geographische und historisch-politische Mitte zwischen Ostund West-, Nord- und Südeuropa, aber auch das Gemeinwesen "mittlerer" konsensorientierter Lösungen zwischen Etatismus und Civil Society, und als föderativer Staat ein Gebilde in der Mitte zwischen Einheitsstaat und Staatenbund. ...
Das materialreiche Buch ist im Verlag "Europa Law Publishing" erschienen, der sich auf Publikationen zum "European Union Law" spezialisiert hat. Damit ist schon eine Programmatik angezeigt, die die Dissertation aus der Schule von W. J. Zwalve aus Leiden verfolgt. Van den Berg (vdB) hat sich zum Ziel gesetzt, die europäische Kodifikationsgeschichte des 18. und frühen 19. Jahrhunderts in den Dienst aktueller Europa-Politik zu stellen. Rechtsgeschichte soll für die Gestaltung des europäischen Gemeinschaftsrechts nutzbar gemacht werden, ihre Dialogfähigkeit beweisen und Legitimationskraft für Europa und seine Einigung entfalten. Das ist ein ehrgeiziges und sympathisches Unterfangen, das Macht und Ohnmacht von Rechtsgeschichte am Beispiel europäischer Gesetzgebungsgeschichte zu beleuchten vermag. ...
Der Tagungsvortrag von Herrn Pilch, und noch mehr dessen Ausarbeitung in diesem Band, weist im Verhältnis zu seinem Buch eine klarere Ausrichtung auf die rechtshistorische Problematik auf. Die doppelte Fragestellung gegenüber dem modernen Normbegriff und der mittelalterlichen Rechtsgewohnheit wurde zu Gunsten einer Konzentration auf die letztere reduziert. So steht die Thematik jetzt viel deutlicher vor uns. Ich kann mich deshalb darauf beschränken, einige grundsätzliche Probleme noch einmal aus meiner Sicht anzusprechen und schärfer zu beleuchten. ...
Die vormoderne "gute Policey" theoretisch zu durchdringen, die Vielfalt ihrer Normen zu systematisieren und die Policeypraxis zu analysieren – damit hatte bereits die vormoderne Policeywissenschaft Schwierigkeiten. Die neuere "Policeyforschung" hat dann auch meist exemplarische Fallstudien bevorzugt und einzelne Städte, Territorien und Regelungsbereiche untersucht oder die Policeydiskurse unter spezifischen Fragestellungen analysiert. Andrea Iseli will dagegen einen kompakten Überblick – "handbuchartig" (Umschlagtext) – über die gute Policey im vormodernen Europa geben. ...
Ob eine Suche nach Rechtsbegriffen des Mittelalters förderlich sei, erscheine – so Harald Siems – zweifelhaft. Theoretische Reflexionen über Recht habe man im Frühen Mittelalter kaum angestellt. Jedenfalls nicht in der Intensität, dass sie sich zum Begriff verdichtet hätten. Die Frage nach dem Rechtsbegriff sei auch deshalb fehl am Platze, weil im Frühmittelalter so etwas zur Lösung von Rechtsfragen nichts hätte beitragen können. Warum sollte jemand auf die Idee kommen, "quasi auf Vorrat" Rechtsbegriffe zu entwickeln? Schon wenn es um konkrete Rechtsfragen wie beispielsweise die Behandlung von Diebstahl oder Raub geht, fehle es "noch lange an Begriff und System". Diese knappe Feststellung bringt Siems’ Ausführungen für einen kurzen Moment in die Nähe von Überlegungen, die Pilch anstellt und die auf dieser Tagung zu verfolgen sind. Aber wirklich nur für einen Augenblick blitzt das auf: Siems sagt, Rechtsbegriffe seien eine schwierige, abstrakte Kategorie, für die heute die Vertreter der Rechtstheorie und der Rechtsphilosophie zuständig seien. ...
Martin Pilchs rechtstheoretische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Rechtsgewohnheit bzw. Rechtsgewohnheiten sowie dem Rechtsbegriff als solchem, wie sie seit geraumer Zeit innerhalb der Rechtsgeschichte des Mittelalters diskutiert werden, bietet Gelegenheit zu einer Stellungnahme aus der Perspektive der altorientalischen Rechtsgeschichte. Während in anderen Bereichen der antiken Rechtsgeschichte Rechtsgewohnheiten als Begriff und als Phänomen jedenfalls in jüngerer Zeit durchaus thematisiert werden, spielt dies im Zusammenhang mit Untersuchungen zu den Keilschriftrechten bislang eine allenfalls untergeordnete Rolle. ...
Diese Bemerkungen entspringen einem Diskussionsbeitrag in der lebendigen Januar-Runde. Naturgemäß fehlen etliche Kontexte. Ein Wort auch hier sei trotzdem gewagt, da im Ganzen sonst doch manches beiseite bliebe. Im Hinblick auf hier die gebotene Kürze bitte ich um Verständnis für einige Hinweise auf frühere Ausführungen. ...
Die Augsburger historische Dissertation von Andreas Toppe ist aus dem Projekt "Wehrmacht in der nationalsozialistischen Diktatur" des Münchner Instituts für Zeitgeschichte hervorgegangen. In der Einleitung legitimiert sich der Verfasser durch die gesellschaftlichen Diskussionen, welche im Zusammenhang mit der sogenannten Wehrmachtsausstellung Mitte der 1990er Jahre entstanden. Sie hätten gezeigt, so Toppe, dass "die deutschen Kriegsverbrechen hauptsächlich nach den moralischen Kategorien der'Nachgeborenen' bewertet werden, nicht aber nach den damals herrschenden Maßstäben des international gültigen Kriegs- und Völkerrechts" (9). Das Buch will demnach zu einer Verrechtlichung des Werturteils beitragen, diese Verrechtlichung wiederum soll dann eine "sachlich korrekte Verortung der Wehrmacht in der Geschichte" ermöglichen, an der es aus Sicht des Verfassers wohl fehlt; klar gesagt wird dies jedoch nicht. ...
Verfassung und Verfassungsrecht in Lateinamerika im Licht des bicentenario : Einleitung zur Debatte
(2010)
Mit einem knappen Aufruf hatten wir zur Debatte "Verfassung und Verfassungsrecht in Lateinamerika im Licht des bicentenario" eingeladen. Uns schien, dass die anstehenden 200-Jahrfeiern zur Unabhängigkeitsbewegung in Lateinamerika dazu genutzt werden müssten, Fragen an die Rechtsgeschichte zu stellen und rechtshistorische Erfahrung in die Diskurse um Verfassung und Verfassungsrecht in Lateinamerika einzubringen. ...
Während des Kalten Kriegs, in den späten fünfziger Jahren, gab es DDR-Kampagnen gegen die "Blutrichter" des NS-Staates, die in der Bundesrepublik wieder in ihre Ämter als Richter und Staatsanwälte gelangt waren. Bald folgten auch in Westdeutschland Ausstellungen, Vorlesungsreihen und eine unübersehbare Zahl von Publikationen, in denen nicht nur die personellen Kontinuitäten skandalisiert, sondern auch weiterwirkende Denkmuster der Rechtsprechung selbst behauptet wurden. Die sowjetische Besatzungszone, die nach 1945 alle bürgerlichen Richter, von denen etwa 80% NSDAP-Mitglieder gewesen waren, entlassen hatte, gab sich vor diesem Hintergrund selbstzufrieden als "antifaschistischer" Staat. Die NSDAP-Mitgliedschaft zahlreicher eigener Kader hielt sie verborgen. ...