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Die Geschichte der europäischen Integration wird in der Regel als Erfolgsgeschichte erzählt, vor allem als wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, die sich in Folge kluger und aus historischer Erfahrung getroffener Entscheidungen ergeben habe (vgl. Loth 2014; vgl. auch Mittag 2008). Der Zweite Weltkrieg habe endgültig gezeigt, dass das durch zahlreiche Nationalstaaten gekennzeichnete Europa, sollte es nicht zusammenarbeiten, zu verheerenden Konflikten neige. Und die Zusammenarbeit sei nicht nur politisch klug; sie zahle sich zusätzlich wirtschaftlich aus. So seien allen Teilnehmerstaaten auch in einem ganz ordinär materiellen Sinne Profiteure der europäischen Einigung, die in dieser Logik dann auch gar nicht weit genug gehen kann, bedingen sich hiernach doch das politisch Sinnvolle und das ökonomisch Erfolgreiche gegenseitig – und zwar genau in der Form der supranationalen Organisation, die die Europäische Union mittlerweile angenommen hat. Liest man einen Satz der Bundeskanzlerin Angela Merkel so, dann ist die europäische Integration nach Brüsseler Art deshalb alternativlos, weil es kein vergleichbares Erfolgsmodell gibt. Aus der zunächst durch das Leid des Krieges geprägten Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist unter der Hand eine Art Sachzwang geworden, denn von der einmal eingeschlagenen Straße der Integration kann man in dieser Sicht nur unter erheblichen Wohlstandsverlusten und politischen Risiken abweichen.
In dieser Sachzwanglogik war allerdings die Euro-Krise nicht vorgesehen. Sie konnte im strengen Sinne auch gar nicht passieren, war doch die weitere Vertiefung der europäischen Union zur Währungsunion in den 1990er Jahren gerade damit begründet worden, dass derartige Krisen zukünftig ausgeschlossen seien (vgl. Tietmeyer 2005). Dass die Politik auf sie zunächst überrascht, fast panisch und dann durch konsequentes Vorantreiben der institutionellen und finanziellen Integration reagiert hat, zeigt auch, dass hier ein Denken vorherrscht, das nach dem Motto funktioniert, es könne doch nicht sein, was nicht sein dürfe. ...
Ob nun jeweils sicherheits-, innen- oder finanzpolitische Motive zu Grunde liegen, stets stehen Straffreiheit und Straferlass im Spannungsfeld von zwingender Verantwortung des Einzelnen als Grundlage unseres Rechtssystems und der Forderung nach ausgleichender Gerechtigkeit und sozialem Frieden. Das Rechtsinstitut der Amnestie steht nicht nur begrifflich, sondern auch sachlich in antiker Tradition, vergleichbare Maßnahmen sind aus allen Epochen des Altertums nachzuweisen. Fünfzehn renommierte AutorInnen aus Deutschland, Großbritannien und Österreich, alle ExpertInnen in verschiedenen Fachgebieten und Epochen des Altertums, nämlich der Altorientalistik, des pharaonischen Ägypten, der Griechischen und Römischen Rechtsgeschichte, des archaischen und klassischen Griechenland, des Hellenismus, der altitalischen Geschichte, der Römischen Republik, der frühen und hohen römischen Kaiserzeit und der Spätantike, präsentieren ihre Beiträge in diesem Band. Sie behandeln das Thema jeweils aus der eigenen Perspektive — entweder in Form von Spezialuntersuchungen zu exemplarischen Fällen oder aber in breit angelegten Übersichtsreferaten. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass alle Kategorien von Schriftquellen, also die literarische Überlieferung, juristisches Schrifttum, Inschriften und Papyri, in die Analyse eingeflossen sind. Hierdurch wurden erstmals in der Forschungsgeschichte die Voraussetzungen geschaffen, eine Gesamtschau über Fragen der Amnestie und des Straferlasses vom Alten Orient bis in die Spätantike zu bieten und rote Fäden durch die Jahrhunderte zu ziehen. Auf diese Weise wurde auch eine neue Grundlage für eine Typologisierung von Amnestien gelegt.
Das vierte Jahrhundert war ein Jahrhundert der Bürgerkriege. Diese forderten einen überaus hohen Blutzoll und lähmten teils auch die Verteidigung an den Grenzen. Ein Bürgerkrieg aber war die weitestgehende Form der Desintegration des Reiches, da die Armee auseinanderbrach, in der sich doch das Kaisertum und — wenn man auf Kaisererhebungen blickt — das römische Volk verkörperte. Zudem bedeutete Auseinanderbrechen einen gewaltigen Ressourcenverlust, da einem Kaiser nur ein Teil der ohnehin schwer zu erneuernden römischen Armee zu Gebote stand. ...
Die Gründung der Europäischen Gemeinschaften in Paris 1951 und Rom 1957 geht auf einen politischen Impuls zurück. Alle Staaten, die sich 1951 und 1957 zu den ersten Europäischen Gemeinschaften zusammengeschlossen haben, sind nach 1945 durch neue Verfassungen neu gegründet worden. Die neuen Verfassungen der Gründungsmitglieder orientieren sich nicht nur in ähnlicher Weise an egalitärer Menschenwürde und universellen Menschenrechten, konstituierten die nationale Gesellschaft als soziale Massendemokratie und den von ihnen hervorgebrachten Staat als internationalrechtlich offenen Staat. Sie erklären darüber hinaus auch ihren ausdrücklichen Willen zur europäischen Einigung. Die Gründungsverträge führen deshalb lediglich die Verfassungsprinzipien der Gründungsnationen zu einem höherstufigen constitutional moment zusammen, um die von vornherein supranational organisierten Gemeinschaften als Vereinigungsprojekt eines demokratischen Europa zu begründen. ...
Le fait de savoir si le Saint-Empire romain germanique constituait un État est, en soi, une question peu stimulante, la réponse dépendant qui plus est des représentations fondamentales que l’on se fait de l’État. La recherche allemande, obsédée par le modèle de l’État national souverain, s’est accordée à penser pendant près d’un siècle et demi et en dépit de toutes les ruptures institutionnelles que l’Empire ne formait pas un État. En référence à cette tradition, l’introduction du concept d’« Empire-État complémentaire » (« komplementärer Reichs-Staat ») a mis en émoi une partie de la communauté des historiens modernistes germanophones, tandis qu’une autre part accueillait avec sérénité ou bienveillance ce nouveau modèle interprétatif. On pourrait ce faisant et en s’appuyant sur l’historicité de la formation de « l’État » procéder à l’analyse de l’Empire à partir de divers modèles. Mais une telle approche n’est pas sans conséquences sur l’appréciation de l’histoire allemande dans son ensemble. Définir l’Empire comme État et nation bouscule sensiblement le « grand récit » traditionnel : l’écart par rapport à une voie réputée normale de l’histoire européenne a jusqu’à présent conféré au passé allemand une signification pourvue d’une finalité tantôt légitimante tantôt déstructurante, mais toujours facteur d’intégration politique. Le concept d’Empire-État complémentaire ébranle l’idée de la singularité de l’histoire allemande moderne* sur un point capital, car il facilite la comparaison avec d’autres pays et oblige à considérer l’Allemagne comme partie prenante de l’Europe des États modernes. La notion d’Empire-État complémentaire ne peut dès lors servir ni de point de départ d’une « voie allemande particulière », ni d’archétype ou de modèle supra-étatique et supranational, ou d’équivalent fonctionnel de l’Europe contemporaine. ...
Depuis le milieu des années 1970, on assiste dans le monde entier à un retour en force des thématiques et problématiques relatives à la culture dans le champ de la sociologie. Ce regain d’intérêt va de pair avec le déclin croissant de la tradition, d’inspiration avant tout marxiste, de la théorie de la société, et s’inscrit dans un cultural turn global,qui a eu ces dernières années des répercussions sur la plupart des disciplines universitaires. ...
Die Themenschwerpunkte Lehr-Lern-Forschung und Professionalisierung werden aus Sicht aktueller Forschungsprojekte sowohl empirisch als auch theoretisch analysiert. Im Vordergrund stehen die Wirksamkeit spezifischer Unterrichtsmethoden und Fördermaßnahmen sowie professionelle Kompetenzen des Bildungspersonals.
Professionelle Fehlerkompetenz von Lehrkräften – Wissen über Schülerfehler und deren Ursachen
(2011)
Die Ergebnisse nationaler und internationaler Vergleichsstudien rücken das Thema Bildungsqualität in den letzten Jahren vermehrt in den Blickpunkt öffentlicher und wissenschaftlicher Diskussion und führen zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit Bedingungen des Ge- bzw. Misslingens von Schülerlernen. Als bedeutsamer Einflussfaktor auf den Lernerfolg wird dabei die Lehrperson bzw. deren Kompetenz ausgemacht (vgl. bspw. Blömeke, Kaiser & Lehmann 2008; Lankes 2008; Schaper & Hochholdinger 2006; Zlatkin-Troitschanskaia, Beck, Sembill, Nickolaus & Mulder 2009). In der Folge dieser Diskussion werden deshalb nicht mehr nur Leistungs- und Kompetenzerwartungen als Standards für Lernende, sondern auch für Lehrende definiert (vgl. bspw. Terhart 2006). Die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen sind allerdings nicht neu (vgl. z.B. Cochran-Smith 2001), stellt doch das Expertenparadigma bereits seit den 1980er Jahren eine der zentralen Leitlinien der empirischen Bildungsforschung dar. ...
Rezension zu:
Achim Geisenhanslücke / Georg Mein (Hrsg.): Schriftkultur und
Schwellenkunde (Literalität und Liminalität 1). Bielefeld: Transcript, 2008a, ISBN 978-3-89942-776-9, 318 S.
Achim Geisenhanslücke / Georg Mein (Hrsg.): Grenzräume der
Schrift (Literalität und Liminalität 2). Bielefeld: Transcript, 2008b, ISBN 978-3-89942-777-6, 290 S.
From the very outset of European expansion, scholars have been preoccupied with the impact of proselytization and colonization on non-European societies. Anthropologists such as Margaret Mead and Bronislaw Malinowski, who witnessed these processes at the beginning of the twentieth century while at the same time benefitting from the colonial structure, were convinced that the autochthonous societies could not possibly withstand the onslaught of the dominant European cultures, and thus were doomed to vanish in the near future. The fear of losing their object of research, which had just recently been discovered, hung above the heads of the scholars like a sword of Damocles ever since the establishment of anthropology as a discipline. They felt hurried to document what seemed to be crumbling away. Behind these fears there was the notion that the indigenous cultures were comparatively static entities that had existed untouched by any external influences for many centuries, or even millennia, and were unable to change. This idea was shared by proponents of other disciplines; in religious studies, for example, up to the late 1980s the view prevailed that the contact between the great world religions and the belief systems of small, autochthonous societies doomed the latter to extinction. However, more recent studies have shown that this assumption, according to which indigenous peoples have not undergone any changes in the course of history, is untenable. It became apparent that groups supposedly living in isolation have extensive contact networks, and that migration, trade, and conquest are not privileges of modern times. Myths and oral traditions bore witness of journeys to faraway regions, new settlements founded in unknown territories, or the arrival of victorious foreigners who introduced new ways and customs and laid claim to a place of their own within society.
Indonesia is a multicultural and multireligious nation whose heterogeneity is codified in the state doctrine, the Pancasila. Yet the relations between the various social, ethnic, and religious groups have been problematic down to the present day, and national unity has remained fragile. In several respects, Christians have a precarious role in the struggle for shaping the nation. They are a small minority (about 9% of the population) in a country predominantly inhabited by Muslims; in the past they were interconnected in manifold ways with the Dutch colonial government; they exert great influence in economy and the military, and constitute the majority of the population in some parts of the so-called Outer Islands (such as Flores, Sumba, and Timor), which are characterized by an attitude fraught with ambivalence towards the state apparatus perceived as ‘Javanese’ and ‘Muslim’. In the aftermath of the former president Suharto’s resignation and in the course of the ensuing political changes – in particular the independence of East Timor – Christians were repeatedly discredited for allegedly posing a threat to Indonesian unity, and have been involved both as victims and perpetrators in violent regional clashes with Muslims that claimed thousands of lives. Since the beginning of the new millennium the violent conflicts have lessened, yet the pressure exerted on Christians by Islamic fundamentalists still continues undiminished in the Muslim-majority regions. The future of the Christians in Indonesia remains uncertain, and pluralist society is still on trial. For this reason the situation of Christians in Indonesia is an important issue that goes far beyond research on a minority, touching on general issues relating to the formation of the nation-state.
Unter dem Vorzeichen der "Reform" kündigen sich heute fundamentale Veränderungen der Institution Universität an. Die Prinzipien der Hochschulautonomie, der Wissenschaftsfreiheit und einer Bildung, die mehr ist als Ausbildung, werden dabei in nie gekanntem Maße ausgehöhlt. Die Konsequenzen für Universität und Gesellschaft sind noch kaum bedacht und analysiert worden. Was ist aus der modernen Universität geworden, wie sie um 1800 entworfen wurde? Wie behauptet sie ihren Anspruch gegenüber den aktuellen Forderungen nach Effizienz und Exzellenz?
Die Beiträge des Bandes widmen sich diesen Fragen aus unterschiedlichen Perspektiven.
"People are border-crossers who make daily transitions between two worlds – the world of work and the world of family" (Campbell Clark 2000: 748). Diese Feststellung von Campbell Clark hebt die Vereinbarkeitsproblematik von Beruf und Familie im Leben von Männern und Frauen hervor, die oft unbemerkt, aber unzählige Male im Alltag auftritt. Familie und Beruf sind die zentralen Lebensbereiche von Frauen und Männern in der heutigen europäischen Gesellschaft. Diese zwei Bereiche stehen in einer wechselseitigen, aber nicht gleichgewichtigen Beziehung. Im Folgenden wird diese Problematik detailliert aufgegriffen und mit zukunftsfähigen Handlungsempfehlungen verbunden. Wir beginnen mit einem kurzen historischen Überblick zu Familie und Beruf in Europa.
Seit 2005 bestehen zwischen Angehörigen der Institute bzw. Abteilungen für Germanistik der Universitäten Prešov und Trier lebhafte Kontakte, die zu einer 2006 und 2007 abgehaltenen Vortragsreihe führten. In dem vorliegenden Sammelband haben diese sichtbaren Ausdruck gefunden. Die Beiträgerinnen und Beiträger beschäftigen sich mit Themen verschiedener Gebiete der Germanistik und angrenzender Disziplinen wie Philosophie, Geschichte, Landeskunde und vermitteln so einen guten Eindruck in die Arbeitsgebiete der beteiligten Lehrenden und Studierenden. Zur Zielsetzung der Vortragsreihe gehört es, auch fortgeschrittene Studierende zu Wort kommen zu lassen. Dass sich deren Beiträge von denen der wissenschaftlich stärker profilierten Germanistinnen und Germanisten mehr oder weniger stark unterscheiden, liegt auf der Hand. Ein Verzeichnis der Mitwirkenden sowie eine Übersicht über die bisherigen Aktivitäten bieten die Möglichkeit, sich über die Personalia zu informieren.
Die Überlieferung des kulturellen Erbes, traditionell eine der Aufgaben von Bibliotheken, Archiven und Museen, ist durch die Einführung digitaler Medien und innovativer Informationstechnologien deutlich anspruchsvoller geworden. In der heutigen Zeit werden zunehmend mehr Informationen (nur) digital erstellt und veröffentlicht. Diese digitalen Informationen, die Güter des Informations- und Wissenszeitalters, sind einerseits wertvolle kulturelle und wissenschaftliche Ressourcen, andererseits sind sie z.B. durch die Kurzlebigkeit vieler Formate sehr vergänglich. Die Datenträger sind ebenso der Alterung unterworfen wie die Datenformate oder die zur Darstellung notwendige Hard- und Software. Um langfristig die Nutzbarkeit der digitalen Güter sicherzustellen, muss schon frühzeitig Vorsorge getroffen werden. Es müssen Strategien zur digitalen Langzeitarchivierung entwickelt und umgesetzt werden. ...
Ein Spaziergang im Wald: Die Baumkronen wiegen sich im Sommerwind, unser Weg ist in ein animierendes Wechselspiel von Licht und Schatten getaucht, dazu zwitschern die Vögel. Hier und dort treffen wir auf andere Spaziergänger, die ebenfalls der Stadt entflohen sind – zum Familien-Picknick in Waldlichtungen, zum verliebten Zwiegespräch, zum einsamen Grübeln. Auf unseren Gruß reagieren manche freundlich und offen, andere unwirsch. Hier werden wir zum Wein geladen und zum Versteckspiel mit den Kindern, dort fühlt man sich gestört, ja einmal werden wir sogar bedroht, weil man unsere Kontaktaufnahme als Einmischung in fremde Angelegenheiten mißversteht. ...
Dieser Band versammelt Beiträge zu Generationenbeziehungen und Generationenkonzepten in der Vormoderne, die auf eine Tagung des DFG-Graduiertenkollegs 'Generationenbewusstsein und Generationenkonflikte in Antike und Mittelalter' in Bamberg zurückgehen. Die behandelten Untersuchungsgegenstände reichen von den antiken Diadochenreichen über die ottonische Königsfamilie des 10. und 11. Jahrhunderts bis zum frühneuzeitlichen Landadel Westfalens. Dabei werden historische, literaturwissenschaftliche und soziologische Fragestellungen aufgegriffen, um den Erkenntniswert des Konzepts 'Generation' interdisziplinär zu diskutieren.
Goethes Medientheorie
(2007)
Medientheoretische Zugänge zu Goethe sind bis heute eher die Ausnahme. Denn Goethe gilt uns als letzter Vertreter der sogenannten "Kunstperiode", die mit seinem Tod ihr Ende gefunden habe – so urteilten schon seine Zeitgenossen Hegel, Heine und Gervinus. Und wenn Goethe heute in ein Verhältnis zu unserer sogenannten "Mediengesellschaft" gebracht wird, so geschieht das vorwiegend in negativer Abgrenzung der Literatur gegen die audiovisuellen Medien. ...
Mit 457 Codices zählt Gießen zu den Standorten, die einen mittelgroßen Bestand an mittelalterlichen Handschriften vorweisen können. Es gibt allerdings zwei Besonderheiten, die die Handschriftenabteilung der Gießener Universitätsbibliothek gegenüber vergleichbaren Sammlungen auszeichnen: Das ist zum einen die so gut wie geschlossen überlieferte spätmittelalterliche Bibliothek der Fraterherren oder Brüder vom Gemeinsamen Leben zu Butzbach, die 1771 auf Befehl Landgraf Ludwigs IX. von Hessen-Darmstadt der Universitätsbibliothek Gießen übergeben wurde. Die intensivere Beschäftigung mit und die sorgfältige Arbeit an den Texten wird erst jetzt umfassend möglich. Die 221 Handschriften (von den ebenfalls an die Universitätsbibliothek gelangten Wiegendrucken soll hier nicht die Rede sein) sind durch moderne Kataloge (verfasst von Wolfgang Georg Bayerer und Joachim Ott) seit 2004 in Gänze erschlossen. Zum anderen ist es der hohe Anteil von fast einem Drittel (genauer 137) volkssprachiger Handschriften, die das weltweite Interesse der germanistischen Mediävistik, Rechtsgeschichte und Spätmittelalter-Geschichtsschreibung am Standort Gießen geweckt haben.
Das Forschungsprojekt PROTOSOZIOLOGIE an der J.W. Goethe-Universität Frankfurt am Main hat seit 1991 eine grundlagentheoretische Forschung auf dem Gebiet der Theoriebildung der modernen Sozialwissenschaften durchgeführt. Dabei waren die drei Kontexte Phänomenologie, System- und Sprachtheorie relevant. Die Phänomenologie der Lebenswelt und die Systemtheorie haben in der Philosophie und Soziologie des 20. Jahrhunderts – neben dem Sprachbegriff – eine paradigmatische Bedeutung. Edmund Husserls Lebensweltbegriff ist in der phänomenologischen Schule und der phänomenologischen Soziologie von Alfred Schütz, in der konstruktiven Wissenschaftstheorie von Paul Lorenzen und seiner Schüler, in der Systemtheorie Niklas Luhmanns und der Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas wirkungsgeschichtlich geworden. Die Systemtheorie und der soziologische Funktionalismus hat seit den 40er Jahren eine paradigmatische Bedeutung für die Sozialwissenschaften und Wissenschaftstheorie. System und Lebenswelt avancierten somit zu den zentralen Begriffen der Philosophie, Soziologie und Kommunikationstheorie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Für die beiden deutschen Soziologen Luhmann und Habermas ist darüber hinaus – wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung – die Verbindung beider Begriffe von grundlegender Bedeutung. Im Rückblick können wir feststellen, daß in der Philosophie des 20. Jahrhunderts drei Philosophien dominierten: die Sprachphilosophie in der heute weitverzweigten und dominierenden analytischen Philosophie (Frege, Russell, Wittgenstein, Carnap u.a.), Husserls Phänomenologie in der »Phänomenologischen Schule« und Soziologie und Heideggers Fundamentalontologie in der Philosophischen Hermeneutik. Gemeinsam ist den Hauptrichtungen der Philosophie in diesem Jahrhundert, daß sie die Erkenntnistheorie nicht mehr cartesianisch und mentalistisch konstruieren. Paradigmatisch wurde diese Umorientierung in der Erkenntnistheorie Wittgensteins, der Frege folgend, in seinem »Tractatus« lakonisch formuliert: »Das denkende, vorstellende Subjekt gibt es nicht«. Husserl nimmt zwar eine Sonderstellung ein, da seine Egologie und Erkenntnistheorie cartesianisch orientiert ist. Mit der Hinwendung zur Lebensweltanalyse gibt er auch eine Antwort auf die Konstruktionsprobleme des modernen Mentalismus. Die Dekonstruktion des erkennenden Ichs (transzendentalen Bewußtseins) hat sich in der Philosophie, Wissenschaftstheorie und Soziologie des 20. Jahrhunderts durchgesetzt. Dies gilt sowohl für den radikalen Konstruktivismus, die allgemeine und die soziologische Systemtheorie Luhmanns aber auch für die konstruktive Philosophie von Lorenzen, den sogenannten »Erlangener Konstruktivismus« und seine heutigen Vertreter. Belegen läßt sich das Ende der Bewußtseinsphilosophie aber auch in der Erkenntnistheorie ohne erkennendes Subjekt von Popper, dem erkenntnistheoretischen Naturalismus von Quine und Davidson, der sprachtheoretischen Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie von Essler (W.K.) und in der Organtheorie der Sprache von Chomsky. Inhalt Einleitung: »Lebenswelt« und »System« in Philosophie und Soziologie 9 Gerhard Preyer, Georg Peter, Alexander Ulfig ZUM BEGRIFF DER LEBENSWELT Ernst Wolfgang Orth ›Lebenswelt‹ als unvermeidliche Illusion? Husserls Lebensweltbegriff und seine kulturpolitischen Weiterungen 28 Walter Biemel Gedanken zur Genesis der Lebenswelt 41 Alexander Ulfig Lebenswelt und Reflexion. Anhang: Lebenswelt als Fundament der Wissenschaft 55 Gerhard Preyer Hintergrundwissen: Kritik eines Begriffs 81 Hubert A. Knoblauch Soziologie als strenge Wissenschaft? Phänomenologie, kommunikative Lebenswelt und soziologische Methodologie 93 LEBENSWELT – BEGRÜNDUNG – WISSENSCHAFT Jürgen Mittelstraß Das lebensweltliche Apriori 106 Peter Janich Die Rationalität der Naturwissenschaften 133 Jürgen Mittelstraß Rationalität und Reproduzierbarkeit 152 Elisabeth Ströker Lebenswelt durch Wissenschaft: Zum Strukturwandel von Welt- und Selbsterfahrung 163 Paul Janssen Lebenswelt, Wissen und Wissenschaft – Möglichkeiten ihrer Konstellation 184 Richard T. Murphy E. Husserl's Phenomenology of Reason 202 LEBENSWELT / LEBENSFORM – SPRACHE Pierre Kerszberg Lifeworld and Language 216 John F.M. Hunter The Motley Forms of Life in the Later Wittgenstein 228 Peter A. French Why did Wittgenstein read Tagore to the Vienna Circle? 241 Georg Peter Die Nebenbeschäftigung der Symbole: Zu Wahrheit und Funktion der Metapher 251 SYSTEM – SOZIALSYSTEM – GESELLSCHAFT Niklas Luhmann Die Lebenswelt nach Rücksprache mit Phänomenologen 268 Niklas Luhmann Observing Re-entries 290 Gerhard Preyer System-, Medien- und Evolutionstheorie. Zu Niklas Luhmanns Ansatz 302 Richard Münch Autopoesis per Definition 347 Hans Zitko Codierungen der Kunst: Zur Kunstsoziologie Niklas Luhmanns 357 James Bohman The Completeness of Macro-Sociological Explanations: System and Lifeworld 370 Göran Ahrne Outline of an Organisational Theory of Society 382 Anhang: Karl Otto Hondrich Zu Göran Ahrnes Ansatz 390
As editor of the next iteration of the Köchel Catalogue, I have to deal with the current (sixth) edition’s Appendix C, devoted to "Doubtful and Misattributed Works." My goal is to reduce the potentially vast dimensions of that appendix to only those works for which some connection to Mozart cannot be ruled out. In the decades since 1964, when the current edition of Köchel was published, many of the works listed in Appendix C have been convincingly attributed to other composers. Other works therein can confidently be dismissed as never having had any meaningful connection to Mozart. Yet even after removing the reattributed and trivially misattributed works from the appendix, we are left with a handful of works that may possibly have had something to do with Mozart, even if clear evidence one way or the other remains elusive. One must, of course, be cautious in removing questionable and doubtful works from the catalogue, as the present case-study will illustrate. The work under consideration, catalogued as K6 Anh. C 9.07, is an unaccompanied piece for three or four voices with the text "Venerabilis barba capucinorum." ...
Historische Adelsbibliotheken sind unschätzbare Geschichtsquellen. Überliefern die erhaltenen Adelsarchive überwiegend Dokumente, die sich einerseits auf Herrschaftsverhältnisse und Grundbesitz und andererseits auf "Familiensachen" beziehen, aus denen die verwandtschaftliche Verflechtung der adligen Häuser hervorgeht, so werfen die Adelsbibliotheken in ganz besonderer Weise Licht auf die Kultur-, Bildungs- und Sozialgeschichte des Adels seit dem ausgehenden Mittelalter.
Während der Brief in Zeiten von persönlichen Krisen und Konflikten mancherlei Unannehmlichkeiten aus dem Kommunikationsweg räumt, stellt der Kontext Krieg für das Briefeschreiben in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung dar. Der Privatbrief (Epistula familiaris) ist in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Westeuropa – das heisst auch zur Zeit des 2. Weltkriegs – das wichtigste Medium informeller Distanzkommunikation, welche im Allgemeinen durch Inoffizialität und Spontaneität, durch Individualität und Vertraulichkeit gekennzeichnet ist. In der Regel ist der Privatbrief im juristischen Sinne nicht verfügbar. Ein Kennzeichen ist somit auch seine Nichtreproduzierbarkeit. Neben der thematischen Offenheit macht sich meist eine stärkere stilistische Freiheit bemerkbar. Zeichen von Flüchtigkeit oder Sorgfalt sind ausser den Formalia des Datums, der Anrede, des Textkörpers und der Unterschrift, über das geschriebene Wort hinaus nonverbale Informationen wie die Lesbarkeit der Schrift, die Wahl des Papiers, Schreibwerkzeug sowie die Länge eines Briefes (vgl. Ermert 1979, Nickisch 1991, Beyer/ Täubrich 1996, Zott 2003). Der Privatbrief wird zwar im graphischen Medium der Schrift realisiert, steht aber stilistisch der konzeptionellen "Mündlichkeit" näher. (Koch/ Oesterreicher 1994, 587) Der private Briefwechsel wird spontan aufgenommen und kann in der Regel ohne Zwang abgebrochen werden (vgl. Zott 2003). ...
Wie Schrift und Bild im Verhältnis zur Imaginatio stehen, will ich untersuchen. Dabei kommt ein weiteres Verhältnis ins Spiel, nämlich das zum Körper. "Bilder denken" im Sinne von imagines agentes heißt nicht, bloße Vorstellungen von etwas ohne Gegenwart eines Gegenstandes im Kopf haben, wie Kant die Einbildungskraft im Unterschied zur Anschauung definiert. Agent, also aktiv, ergreifend, handlungsauslösend zu sein –: dies heißt mehr, nämlich daß Bilder inkorporiert werden und körperliche Erregungen, Veränderungen oder Handlungen auslösen. Das ist die Performanz der Bilder. Diese körperliche Spur der Bilder, ja, das Einspuren des Körpers durch Bilder ist die energischste Form, in der Erinnerungen inskribiert werden, und die energischste Form, in der Bilder zur Resonanz von Körpern und Körper zur Resonanz von Bildern werden können.
Wissenschaft, so heißt es, sei ein Projekt, das auf Erkenntnis zielt. Damit verbunden ist die Vorstellung, daß wir heute mehr wissen als gestern und morgen mehr wissen werden als heute. Die Frage ist nur, ob sich das zu Erkennende auch in diese Gedankenfigur fügt. Wie müßten wir vorgehen, wenn jene weißen Flecken auf der Landkarte des Wissens, welche zu besetzen und zu füllen ein konsti-tutiver Bestandteil wissenschaftlichen Selbstverständnisses ist, eo ipso als Wirklichkeiten anzuerkennen sind, die unerkannte Möglichkeiten in sich bergen? Wie können wir diesen virtuellen Realitäten (im emphatischen Sinne der Prägung, nicht dem geläufigen, der auf einem technizistischen Mißverständnis beruht) gerecht werden, ohne sie durch den fixierenden Zugriff, das Aussagen und Ausmalen, Aufschreiben und Aufzeichnen ihrer Virtualität zu berauben? ...
German dialects vary in which of the possible orders of the verbs in a 3-verb cluster they allow. In a still ongoing empirical investigation that I am undertaking together with Tanja Schmid, University of Stuttgart (Schmid and Vogel (2004)) we already found that each of the six logically possible permutations of the 3-verb cluster in (1) can be found in German dialects.
Klugheit wird gemeinhin als das Gegenteil von Torheit aufgefasst. Auf diese Weise erfährt sie eine sprachlich vorstrukturierte positive Bewertung und erhält einen ausgezeichneten gesellschaftlichen Status. "Positiv" bedeutet eine Verknüpfung mit spezifischen je gesellschaftlich richtigen Wertmassstäben, die aber in unterschiedlichen Milieus und Regionen durchaus verschieden ausfallen. Diese bilden den impliziten Subtext für die alltägliche Zuschreibung von "Klugheit". Klugheit fokussiert das Verhalten der Menschen, die Handlungen, die Performanz. Klugheit wird denjenigen Personen zugeschrieben, die "das Richtige" tun, und nachdem sie das Richtige getan haben, etabliert sich erst das Kriterium für die Richtigkeit dieser Beurteilung: der Ausgang der Geschichte. Klugheit wird zwar im vornhinein behauptet, stellt sich aber erst im Nachhinein heraus: denn sie misst sich nicht an der vorgeführten Handlung selbst, sondern am Ausgang der "Geschichte". Eine Bauerntochter handelt dann klug, wenn ihre Handlungen zu einem – im Sinne des Erzählers – guten Ende führen, zu einem Happy-End sozusagen. ...
Alles nach Plan, alles im Griff : der diskursive Raum der DDR-Literatur in den Fünfziger Jahren
(2004)
Die DDR-Literatur gehört nicht mehr zu den bevorzugten Forschungsgebieten der Literaturwissenschaft. Die letzte umfassende Darstellung erschien 1996. Die Auslandsgermanistik allerdings ist von einem anhaltenden Interesse gekennzeichnet. Nahezu vergessen scheinen die fünfziger Jahre. Die folgenden Überlegungen möchten die These ins Spiel bringen, dass dies nicht zufällig so ist. Obwohl noch Ende der siebziger Jahre emphatisch von der Herausbildung einer sozialistischen Nationalliteratur gesprochen wurde, ist heute abzusehen, dass kein einziges Werk der DDR-Literatur aus den Fünfzigern in den Kanon der deutschen Nachkriegsliteratur eingehen wird, sieht man von Uwe Johnsons Roman "Mutmaßungen über Jakob" ab, der zwar in der DDR geschrieben wird, jedoch 1959 in der Bundesrepublik erscheint. Man muss ohnehin fast immer die Fernleihe des Bibliothekenverbunds bemühen, um diese Werke überhaupt noch in die Hand zu bekommen.
Viele Bibliotheken, Archive und Museen stehen vor der gewaltigen Herausforderung, das schriftliche Kulturgut, das sie aufbewahren und für die Öffentlichkeit bereithalten, sachgerecht zu erhalten. Schriftquellen sind Zeugnisse menschlichen Denkens und Handelns; schon aufgrund dieser Eigenschaft erwächst eine besondere Aufgabe hinsichtlich ihrer Erhaltung für künftige Generationen. Doch sind Handschriften, alte Drucke und Inkunabeln – die Druckerzeugnisse aus der Frühzeit des Buchdruckes vor 1500 – aufgrund ihres oft empfindlichen Charakters besonderen Belastungen ausgesetzt. Substanzschäden und Gebrauchsspuren haben schon heute ein dramatisches Ausmaß erreicht. Nach repräsentativen Untersuchungen sind etwa 20% – 40% der Sammlungsbestände bereits geschädigt oder akut gefährdet. Der Prozess des physischen Verfalls, der unter anderem durch Wasser, Schimmel- und Insektenbefall, unsachgemäße Aufbewahrung, fortschreitende Alterungsprozesse oder die altersbedingte chemische Veränderung der Papiersubstanz verursacht wird, schreitet langsam aber stetig voran. Für die Verantwortlichen heute führt dies zu einem Wettlauf mit der Zeit. Häufig wird diese Gefahr erst zu spät erkannt, so dass wichtige Bestandteile unseres kulturellen Gedächtnisses in Gefahr sind, unwiderbringbar verloren zu gehen. So besteht für Schriftquellen aller Art derzeit eine gesteigerte Gefährdungssituation; es droht der Verlust bedeutender kulturgeschichtlicher Werte. Vor einigen Jahren hat sich erfreulicherweise die Kulturstiftung der Länder dieser Problematik des Erhaltens von mobilem Kulturgut mit großem Interesse angenommen. Die sieben großen wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes Hessen und die Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt, die allesamt über bedeutende Bestände an Handschriften und kostbaren alten Drucken verfügen, haben sich daraufhin bereit erklärt, an einem gemeinsamen Projekt zur Sicherung ihrer Bestände mitzuwirken. Die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen- Thüringen hat die Initiative der Konferenz der Direktorinnen und Direktoren der wissenschaftlichen Bibliotheken Hessen (HDK) aufgegriffen, die sich der Problematik des vom Verfall bedrohten Bibliotheksgutes und der Bestandserhaltung angenommen hat. Die Initiatoren und Herausgeber dieser Broschüre wollen der Öffentlichkeit bewusst machen, welche Gefahr den bedeutenden Handschriften, Autographen und Altbeständen in unserem Lande droht, wenn ihre Substanz nicht mehr gesichert werden kann. Daher haben die Bibliotheksleiterinnen und -leiter ausgewählte Stücke mit erläuternden Texten versehen, um beispielhaft Problemstellungen und Lösungsansätze vorzustellen. Sie verbinden dies mit einer Einführung in die gegenwärtigen Aufgaben- und Sammlungsschwerpunkte der Bibliotheken und ihre Geschichte. So wird ein plastischer Eindruck von diesen Institutionen vermittelt, die mehr sind als Ausleihstationen und Datenvermittler. Die Bedeutung von gefährdetem Bibliotheksgut für unser Wissen über die Vergangenheit aufzuzeigen, ist eine der wesentlichen Aufgaben dieses Buches, mit dem beispielhaft einige der besonders bedrohten Bücher und Handschriften vorgestellt werden. Der kritische Zustand der beschriebenen Stücke mit ihrem Sanierungsbedarf soll daran erinnern, dass sich in den Bibliotheken Einzigartiges befindet, ohne dessen Existenz unser Wissen um die Geschichte unseres Landes und des menschlichen Denkens letztendlich verloren gehen würde. Es ist daher von außerordentlich großer Bedeutung, sich der ständigen Aufgabe des Erhaltes zu stellen. Es fehlen nicht nur in der heutigen Zeit aufgrund der immensen Restaurierungskosten und der stark angespannten wirtschaftlichen Situation der öffentlichen Haushalte ausreichende Mittel, um den gesamten Restaurierungsbedarf der hessischen Bibliotheken abdecken zu können. Den wissenschaftlichen Bibliotheken will diese Schrift deshalb ein Medium sein, das Problem der Bestandserhaltung von Handschriften und Rara konkret vorzustellen, und zur Übernahme von Restaurierungspatenschaften animieren. Insofern sind alle beteiligten Bibliotheken, und nicht nur diese, auf die Hilfe vieler einzelner Paten angewiesen, die einen wichtigen Beitrag zu dem existenziellen Anliegen der Initiatoren leisten können. Die Bibliothekare der beteiligten Institutionen wollen mit ihren fachkundigen Beiträgen möglichst viele Buchpaten ansprechen und über diese Publikation einen Zugang zu den Aufgaben ihrer Häuser vermitteln. Es bleibt zu wünschen, dass diese Broschüre ihren Beitrag leistet, dass Bibliotheken, Archive und Museen auch weiterhin ihren kulturhistorischen Auftrag erfüllen können und Orte der generationsübergreifenden Verständigung und Auseinandersetzung bleiben. Schon jetzt Dank an alle diejenigen, die Buchpaten werden wollen.
Bestandserhaltung
(2004)
Das kulturelle Gedächtnis ist bedroht. Rund 60 Millionen Bücher stehen in den deutschen Bibliotheken vor dem endgültigen Aus, sofern sie nicht, und möglichst in absehbarer Zeit, einer restauratorischen Behandlung zugeführt werden können. Auch in Hessen haben die Bibliotheken die Gefahr erkannt, Abhilfe ist technisch möglich, aber teuer. Das zur Lösung anstehende Problem ist grundsätzlich in der Voraussetzung begründet, dass alle in der Buchgeschichte bisher genutzten Informationsträger und vorzüglich solche aus organischem Material prinzipiell dem physischen Verfall ausgesetzt sind. Insbesondere beim Papier sind dabei besondere Substanzen von Bedeutung. Die seit Beginn der Industrialisierung bis in die Gegenwart hinein weit überwiegende Herstellungsweise von Papier unter starker Verwendung von Holzstoff hinterlässt im Produkt Substanzen von realem oder potentiellem Säurecharakter, die unter der Einwirkung von Licht und Wärme einen progressiven Abbau bewirken. Weiter verstärkt wird das Problem durch Bestandteile, die das Papier und andere Buchmaterialien aus der verschmutzten Luft aufnehmen. Ein dritter Faktor ist die mechanische Energie aus der im Lauf gerade der letzten Jahrzehnte erheblich verstärkten Benutzung in herkömmlichen und neuen Formen, so etwa bei der Fernleihe und den damit verbundenen Kopiervorgängen. ...
Hervorgegangen ursprünglich aus der Ratsbibliothek und der Bibliothek des Barfüßerklosters, ist die spätere Entwicklung der Bibliothek eng verbunden mit der bürgerlich-demokratischen Geschichte Deutschlands vom Zeitalter der Französischen Revolution bis zur Errichtung des Zweiten Kaiserreichs. Die Frankfurter Bibliothek ist die Bürgerliche unter Adligen: In ihrer 500-jährigen Geschichte war sie nie Adelsbibliothek, nie Hofbibliothek, als Bibliothek einer ehemals reichsunmittelbaren freien Stadt repräsentiert sie vor allem das historische Erbe der stadtbürgerlichen Kultur des Reiches. ...
The aim of this paper is the exploration of an optimality theoretic architecture for syntax that is guided by the concept of "correspondence": syntax is understood as the mechanism of "translating" underlying representations into a surface form. In minimalism, this surface form is called "Phonological Form" (PF). Both semantic and abstract syntactic information are reflected by the surface form. The empirical domain where this architecture is tested are minimal link effects, especially in the case of "wh"-movement. The OT constraints require the surface form to reflect the underlying semantic and syntactic representations as maximally as possible. The means by which underlying relations and properties are encoded are precedence, adjacency, surface morphology and prosodic structure. Information that is not encoded in one of these ways remains unexpressed, and gets lost unless it is recoverable via the context. Different kinds of information are often expressed by the same means. The resulting conflicts are resolved by the relative ranking of the relevant correspondence constraints.
Der Fotobestand des "Digitalisierten kolonialen Bildprojekts" ist keine homogene Sammlung, sondern ein Konglomerat unterschiedlicher Sammlungen und Zusammenstellungen. Diese vielen Einzelteile sind, je nach Intention des Photographen oder Sammlers, unterschiedlich erschlossen und dokumentiert. Ein besonders gutes Beispiel ist der Bericht von Gustav Adolf Riemer, der an der Marine-Expedition nach Ostasien und den Südsee-Inseln 1874 – 1877 teilnahm und diese Reise mit seiner Kamera dokumentierte. Für die Reiseteilnehmer stellte er ein kommentiertes Fotoalbum zusammen. Ein Exemplar dieses Tagebuchs wurde von Eugen Ley, Sohn des Oberbootsmanns Carl Alexander Ley (1847 – 1928), 1947 an das Museum für Völkerkunde der Universität Kiel übergeben, das den Bildbestand dieses Albums der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main für die Veröffentlichung im Internet zur Verfügung stellte. Neben dem kommentierten Album liegt eine wissenschaftliche Bewertung der Arbeit und des Lebens von Gustav Adolf Riemer vor. Der leicht gekürzte Text von Uwe Lüthje (2002) zeigt den technischsozialen Hintergrund der Entstehung des genannten Tagebuchs-Auszuges auf.
Zum Geleit Die Bibliothek der ehemaligen Deutschen Kolonialgesellschaft und als Teil davon das „Koloniale Bildarchiv“ kamen kriegsbedingt in den Besitz und das Eigentum der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main. Über ein inzwischen über zehn Jahre andauerndes Projekt konnte die Mehrzahl der historischen Bilder gerettet und erhalten werden, mehr noch, die Bildeinheiten stehen inzwischen weltweit im Netz. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie privaten Stiftungen geförderte Projekt dient der Sicherung historisch-kultureller Information, so wie sie auf den überlieferten Fotografi en der Kolonialgeschichte festgehalten ist. Die physische Form der Bilder ist im Original vielgestaltig; neben den Fotoglasplatten verschiedener Größe fi nden sich unterschiedliche Formen von Negativen sowie Positivabzüge, darunter auch Filme aus leicht entzündlichem Nitromaterial. Die Bildeinheiten werden alle nach dem gleichen Schema durch Konversion auf moderne Medien verfügbar gemacht. Nach der Langzeitsicherheitsverfilmung auf Spezialfi lm durch eine ausgewiesene Dienstleistungsfi rma wird die Information digital abgenommen und auf eine CDROM übertragen, von dort gelangen die Bilder in einen Server, der auch die Erschließungselemente, hier verbale Deskriptoren (Schlagwörter) enthält. Inzwischen sind ca. 60 000 Bildeinheiten digitalisiert und nahezu vollständig über den Server im Internet verfügbar. Die Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt a. M. führt das Projekt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Hochschule für Technik und Wirtschaft (FH) in Dresden durch. Die Bibliothek wird dabei in fi nanzieller Hinsicht durch die Adolf-Messer-Stiftung sowie die Marga- und Kurt-Möllgaard Stiftung in Frankfurt a.M. zusätzlich und in beträchtlicher Höhe unterstützt. Das Material des bereits 1993 begonnenen Projekts wird z. Zt. durch eine Kooperation mit der Sam Cohen Bibliothek im namibischen Swakopmund um ca. 15 000 Einheiten erweitert. Weitere Kontakte bestehen in Namibia zur dortigen Deutschen Botschaft, zur Nationalbibliothek, zum Nationalarchiv und der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Windhuk. Unter dem Titel „Deutsch-Südwestafrika. Fotos aus der Kolonialzeit 1884 – 1919“ erschien zur Buchmesse 2001 im Sutton Verlag ein 144 Seiten umfassender Bildband (ISBN 3-89702-346-6). Die Fotografien illustrieren die Lebensumstände der Kolonialherren und Kolonisierten in allen Facetten. Verkehr und Wirtschaft, Kirchen und Krankenhäuser, Bergbau und Großwildjagd vor imponierenden Kulissen ebenso wie das Überleben in der wasserlosen Wüste. Weitere Bildbände dieser Art, z.B. über die Kolonialzeit in Ostafrika sind geplant. Bestandteil des mit Swakopmund zur Zeit durchgeführten Teilprojektes ist auch die vollständige Digitalisierung des bekannten, drei Bände umfassenden „Koloniallexikons“, welches jetzt ebenfalls über das Internet konsultiert werden kann. Allen am Projekt beteiligten Personen und Institutionen ist aus Sicht der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main sehr zu danken, den Stiftungen für ihre anhaltende fi nanzielle Förderung und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH), insbesondere dort dem Fachbereich Vermessungswesen / Kartographie (Prof. Dr. Uwe U. Jäschke) für seine jahrelange tätige Kooperation. Die Arbeit wäre jedoch nicht möglich und so erfolgreich gewesen, wenn nicht Frau Dr. phil. Irmtraud-D. Wolcke-Renk, die langjährige Leiterin der Abteilung „Afrika, Asien, Judaica“ bei der Frankfurter Universitätsbibliothek, schon früh ihr Herz für das Gesamtunternehmen „Koloniales Bildarchiv“ entdeckt hätte. Ihrem dienstlichen und auch starkem privaten Einsatz ist es in besonderem Maße zuzuschreiben, dass die historischen Bilder heute der Wissenschaft zur Verfügung stehen. Daher gebührt ihr anlässlich ihres Ausscheidens aus dem aktiven Dienst im Juni des Jahres 2004 besonderer Dank. Ltd. BDir. Berndt Dugall Direktor der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main Vorwort Das „Digitalisierte koloniale Bildprojekt“ motiviert und fasziniert seine Bearbeiter auch noch im fünfzehnten Jahr. Dabei fi ng alles eigentlich ganz harmlos an. Die Frage im Afrikalesesaal der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main (STUB) nach Fotos, um eine Dissertation zu bebildern, führte mich in ein Fotolager des Frobenius-Institutes. Hier lagen, verpackt in unzähligen Kisten und Kästchen, Fotoglasplatten, Filmnegative, Dias und Papierabzüge. Der Zahn der Zeit hatte kräftigt an ihnen genagt und sie schienen zu rufen: „Rette mich!“ Nach einem Gespräch mit Frau Dr. Wolcke-Renk wurde der Plan gefaßt, diese Fotos zu sichern und zu archivieren. Wir hatten keine Vorstellung, welche Arbeit wir uns damit vorgenommen hatten. Eine Grobsichtung und Erfassung des Bestandes war schnell geschehen, ein Forschungsantrag gestellt und abgelehnt, zahlreiche Entwürfe und Gutachten geschrieben, bis endlich die Deutsche Forschungsgemeinschaft einen Antrag zur Sicherheitsverfilmung genehmigte. Damit waren die Grundvoraussetzungen für ein erfolgreiches Projekt geschaffen. Sicherheitsverfilmung, Digitalisierung, Internetpräsentation, digitales Koloniallexikon, die Verfilmung des Fotobestandes der Sam Cohen Bibliothek in Swakopmund/Namibia und die Einbeziehung zahlreicher kleiner Sammlungen und Bestände in unser Projekt sind die Höhepunkte unserer fünfzehnjährigen Arbeit. Ohne die Unterstützung durch die Leitung der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, den Ltd. Bibliotheksdirektor Berndt Dugall und seinen Stellvertreter Dr. Wilhelm Schmidt, hätte das Projekt nicht so viele Verlängerungen erhalten. Der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH), insbesondere dem Fachbereich Vermessungswesen/Kartographie, ist für die Bereitstellung der technischen Ausstattung und der Arbeitsmöglichkeiten zur Erstellung der Internetpräsentation und des digitalen Kolonial-Lexikons zudanken. Die Diplom-Ingenieure Kati Goldmann und Stefan Hempel sowie die Studentinnen Andrea Füssel, Denise Turza und Kathleen Thiele waren hier für die technische Umsetzung verantwortlich. Für den Mut und die Bereitschaft, das Fotomaterial aus Swakopmund nach Deutschland zu schicken, danken wir dem Team der Sam Cohen Bibliothek unter der Leitung des leider viel zu früh verstorbenen Michael Weber. Die Organisation des Transports lag in den Händen von Frau Angelica Flamm-Schneeweiß, die die Deutsche Botschaft in Windhuk und die Deutsch-Namibische Gesellschaft in Göttingen zur Unterstützung und Hilfeleistung motivieren konnte. In Frankfurt wurde die Sicherheitsverfilmung des gesamten Bestandes und der zahlreichen Spenden und Leihgaben organisiert und die formale und wissenschaftliche Erschließung durchgeführt. Zahlreiche wissenschaftliche Hilfskräfte waren hier tätig. Die EDV-Abteilung der STUB ist verantwortlich für den Internetzugang des Projektes. Herr Eberhard Pietzsch hat jederzeit ein offenes Ohr für unsere Wünsche gehabt. Wenn Frau Dr. Wolcke-Renk nun in den wohlverdienten Ruhestand tritt, können wir nur hoffen, daß es in bezug auf unser Projekt noch einige Jahre ein Unruhestand sein wird. Denn soviel auch in den letzten Jahren erarbeitet worden ist, es ist noch genügend Arbeit für weitere Jahre vorhanden. Dresden im Juni 2004 Prof. Dr. Uwe Ulrich Jäschke
Wir alle wissen: Mittelalterliche Autoren haben schamlos abgeschrieben. Sie haben sich fremdes Geistesgut bedenkenlos zu Eigen gemacht und meistens auf korrekte Quellenangaben verzichtet. Heute bestimmt § 63 Absatz 1 deutsches Urheberrechtsgesetz: "Wenn ein Werk oder ein Teil eines Werkes in den Fällen des § 45 Abs. 1 [und weiterer Paragraphen] vervielfältigt wird, ist stets die Quelle deutlich anzugeben". Man sollte es kaum glauben: Die Werke Wolframs von Eschenbach und anderer höfischer Klassiker enthalten in ihren frühesten Handschriften keinerlei Fußnoten! "Mittelalterliche Intertextualität", schreibt Elisabeth Lienert, "auch die höfischer Romane, ist kaum exaktes Zitieren, sondern lockere Bezugnahme auf Texte, Texttraditionen, Gattungen, literarisches Hintergrundwissen". Merkwürdigerweise hat es trotzdem im Mittelalter keine Urheberrechtsprozesse gegeben.
Im folgenden wird nicht ein Versuch zur Geschichte männlicher Masken unternommen, ebenso wenig wie eine religionswissenschaftliche oder ethnologische Analyse des Maskengebrauchs und seiner gender-Ordnung. Im Kern geht es vielmehr um den denkwürdigen Punkt, dass an der Nahtstelle zwischen Mythos und Aufklärung in der griechischen Antike eine Neukartierung des Männlichen und Weiblichen im Feld des Generativen vorgenommen wird. Die späten Nachfahren dieser männlichen Machtergreifung, um die es im zweiten Teil geht, entwickeln Figuren des Sexuellen, worin das Generative radikal ausgeschlossen und das Begehren zum Schauplatz eines nur noch in sich selbst kreisenden Maskenspiels wird – jenseits jeder Reproduktionslogik. Man könnte die These wagen: die 'Männer' besetzen die mythische Generativität, doch generieren sie nichts mehr außer sich selbst. Vielleicht ist die ungeheure Kreativität, die in der europäischen Moderne (heute besonders auf dem Feld der 'Reproduktion des Lebens') entfesselt wird, nichts als eine Maske, die diese innere Unfruchtbarkeit überdeckt. Nach einer Abklärung des Maskerade-Konzepts, wie es hier verwendet wird, werden in einem ersten Kapitel mythische Beispiele gezeigt, in welchen die mythische Produktivität des Weiblichen (die Magna Mater) dem symbolischen Regime von Herren-Göttern unterstellt wird. Diese Umcodierung wird die abendländische, nämlich männliche Auffassung von Sexualität und Reproduktion nachhaltig prägen. Sie hat ihren Preis. Er wird, im zweiten Teil, errechenbar an den legendären Figuren des männlichen Sex – Casanova, Don Juan, Sade, 'Walter' und Sacher-Masoch –, welche die "Masken des Begehrens" (Ariès / Béjin) in der Moderne bestimmt haben. Im Mittelpunkt steht dabei Sacher-Masoch, der das masochistische Begehren, das den scheinbaren Kontrapunkt zur männlichen Selbstermächtigung darstellt, aus einer Vielzahl mythischer, literarischer und bildkünstlerischer Figurationen des übermachtig Weiblichen und des demütigen, gar geopferten Männlichen synthetisiert.
Steht ein neues Medium zur Verfügung, kommt es bei denjenigen, die einen Zugang zu diesem Medium haben oder finden, zu einer Umverteilung ihrer eigenen privaten und geschäftlichen Kommunikationen; das neue Medium wird im Rahmen der sich damit bietenden Möglichkeiten – wenn die soziokulturellen Kontexte dies unterstützen – auch genutzt, so dass es zu einer Ausdifferenzierung von Kommunikationsformen und bei längerem Gebrauch zu einer Änderung der Kommunikationsgewohnheiten führen kann. Ein neues Medium verändert in diesem Fall die alten Wertigkeiten der Medien, es entsteht eine Umverteilung der Funktionen und der Mediennutzung. (Vgl. Krotz 1998 und Krotz in diesem Band) Damit ist in der Regel ein gewisser Sprachwandel, sicher aber ein Sprachgebrauchswandel und nicht zuletzt ein Wandel der Spracheinstellungen zu erwarten, wie dies für die E-Mail-Kommunikation der Fall war und ist. Gerade für den Medienwechsel der Textsorte Liebesbrief und die damit etablierte Intermedialität mag gelten, was generell bei einem Medienwechsel beobachtet wird: der Medienwechsel wird von zwei fundamentalen leitenden Prinzipien geprägt, das konservative stilistische Trägheitsprinzip (Bausinger 1972, 81) auf der einen Seite, die medienspezifische Innovation auf der anderen Seite. So lautet die Frage: welche Aspekte des Alten lassen sich in das neue Mediumintegrieren und welche neuen Formen, Funktionen und Textkonstellationen sind zu beobachten? Welche Aspekte des Liebesbriefs werden im Medienwechsel verändert? Ob sich dabei eine weitere bereits für das 20. Jahrhundert konstatierte Tendenz hin zu einer Verstärkung der Mündlichkeit in schriftlichen Texten und ob sich dabei eine weitere Ausdifferenzierung von Textsorten in diesem Spannungsfeld zeigt, soll hier für den Liebesbrief als ein Beispiel einer zwar stark verbreiteten, jedoch noch wenig untersuchten Textsorte geklärt werden. (Vgl. von Polenz 1999, 37ff.) Dazu wird in einem ersten Schritt (Abschnitt 2) der Frage nach der Bestimmung des Liebesbriefs nachgegangen; in Abschnitt 3 wird zu diesem Zweck die dem Liebesbrief eigene Schriftlichkeit beschrieben und in Abschnitt 4 der Schriftlichkeit der E-Mail gegenübergestellt. In Abschnitt 5 und 6 werden zwei neue schriftliche Kommunikationsformen vorgestellt, die als Metamorphosen des Liebesbriefs im Internet entstanden sind.
Oliver Stone als politisches Phänomen ist eine vertrackte Sache, da seine Position sich klaren Definitionen entzieht - sich angesichts der Ambivalenz seiner Themen vermutlich auch entziehen muß. Stone fühlt sich nicht wohl mit jenen, die in ihm einen "liberalen Linken" sehen wollen: Im Gespräch mit dem Historiker Harry Kreisler 1997 äußerte er sich sehr konkret dazu: "Ich denke, die Erfahrung lehrt einen die Kombination aus Liberalismus und Konservativismus. Wir müssen progressiv sein und gleichzeitig die bestehenden Werte achten. Wie müssen die Vergangenheit bewahren wie wir die Zukunft entdecken müssen. Das ist eine schwierige Balance. Die Natur der Existenz. Ich glaube nicht an rechts oder links. Ich glaube nicht an liberal und konservativ. Ich glaube an beides."
Deutschland 1932: die Erfahrungen des Amerikanismus und des Fordismus waren gerade verarbeitet; man hatte die neuen Geschwindigkeiten und die Vermassung der Millionenstädte ebenso studiert wie das Industrieproletariat und die frischen Angestelltenschichten; der Funktionalismus hatte in allen Bereichen der Moderne, auch im Design und in der Architektur, seinen Siegesszug angetreten; man hatte an der Metropole Berlin erstmals auch die Wahrnehmungs-Modalitäten von Big Cities ästhetisch durchbuchstabiert; man hatte indes auch mit dem schwarzen Freitag die Konsequenzen globalisierter Wirtschafts- und Börsenverflechtungen erlitten – in diesem Jahr 1932 also bildet der österreichische Schriftsteller und Naturwissenschaftler Robert Musil in seinem "Mann ohne Eigenschaften" die "soziale Zwangsvorstellung" einer "überamerikanischen Stadt", "wo alles mit der Stopuhr in der Hand eilt oder stillsteht. Luft und Erde bilden einen Ameisenbau, von den Stockwerken der Verkehrsstraßen durchzogen. Luftzüge, Erdzüge, Untererdzüge, Rohrpostmenschensendungen, Kraftwerkketten rasen horizontal, Schnellaufzüge pumpen vertikal Menschenmassen von einer Verkehrsebene in die andre; man springt an den Knotenpunkten von einem Bewegungsapparat in den andern, wird von deren Rhythmus, der zwischen zwei losdonnernden Geschwindigkeiten eine Synkope, eine Pause, eine kleine Kluft von zwanzig Sekunden macht, ohne Überlegung angesaugt und hineingerissen, spricht hastig in den Intervallen dieses allegemeinen Rhythmus mit einander ein paar Worte. ...
Hegel hat endlos vielen Interpretationen von Tragödien, und so auch solchen der "Antigone" das Schema vorgegeben, wenn er den tragischen Konflikt als die Kollision zweier sittlicher Ansprüche bezeichnete, die beide in sich selbst gerechtfertigt sind. Für die "Antigone" hieß dies, daß die Sittlichkeit der Familie, durch Antigone repräsentiert wie erlitten, auf die Sittlichkeit des Staates stoße, die in Kreon resümiert ist. Und da beide Sittlichkeiten in sich notwendig seien, müsse die Kollision einen tragischen Terminus finden. Dies umso mehr, als zur tragischen Kollision gehöre, daß beide Positionen jeweils Momente der Gegenposition enthielten, die aber jeweils implizit und unausgedrückt blieben, so daß weder Antigone noch Kreon die Berechtigung der jeweils anderen Auffassung auch nur ansatzweise teilen könne. Unversöhnlich prallen beide Positionen aufeinander, weil die Protagonisten innere Ambivalenzen nicht zuließen. ...
Der Liebesbrief des 20. Jahrhunderts ist Ausdruck einer konkreten lebensweltlichen und historisch zu verortenden Praxis der Liebeskommunikation. Liebesbriefe sind Brautbriefe, Liebesbekenntnisse, Berichte aus dem Alltag, Soldatenbriefe, Vereinbarungen von Treffen, E-Mail-Korrespondenzen, Flirtbriefe und Zettelchen – es gibt eine reiche Palette an Funktionen und Typen. Im Hinblick auf eine Geschichte des Liebesbriefs im 20. Jahrhunderts zeigte sich, dass im Liebesbrief neben der Liebeserklärung auch „Beziehungsarbeit“ und besonders aber die Konstruktion von Intimität eine zentrale Rolle spielt. Die Kritik an der Sprache der Liebe und des Liebesbriefs (des 19. Jahrhunderts) kann bereits in den 1920er Jahren beobachtet werden. Zu einem Codewechsel kommt es in Briefen der 1960er Jahre. Die Schriftlichkeit des Liebesbriefs entfernt sich allmählich von einer ausschließlichen Schreibschriftlichkeit. Der Liebesbrief wird mehr und mehr zu einem Sprache-Bild-Text. Die neuen Medien der Liebesschriftlichkeit zeigen eine Mediatisierung auch im Bereich des Liebesdiskurses: neben neuen Liebesbrieftypen, wie dem Flirtbrief, bilden sich neue Liebesbeziehungstypen heraus. Darüber hinaus fungieren die neuen Medien immer schon selbstreflexiv als Metakommunikatoren der Modernität.