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Rezension zu Ingo Stöckmann: Vor der Literatur. Eine Evolutionstheorie der Poetik Alteuropas. Tübingen (Niemeyer) 2001 (= Communicatio; Bd. 28). 402 Seiten.
Der Titel könnte mißverständlich sein: Es handelt sich nicht um eine 'soziobiologische' Erklärung, sondern um eine systemtheoretische Untersuchung der europäischen Poetik im 17. und 18. Jahrhundert.
Gertrud Bleichröder, 23 Jahre alte, noch unverheiratete Tochter einer großbürgerlichen, jüdischen Bankiersfamilie, führte während einiger Monate des Jahres 1888 Tagebuch. Dabei handelte es sich nicht um Anfänge schriftstellerischer Ambitionen oder den Versuch, den Alltag, das gesellschaftliche und politische Leben schreibend zu durchdringen. Es war auch keine sentimentalische Selbstbespiegelung, obwohl sie dieses Tagebuch auf Anraten eines Freundes begann, um in einer späteren Zukunft sich vergewissern zu können, "wie man früher zu Eltern gestanden hat und Duldung und Teilnahme für neue Ideen verlangt, was man später aller Wahrscheinlichkeit nach wieder andern verweigern wird" (74). Meist sind es kurze Notizen, oft in unvollständigen Sätzen, mit denen die Autorin knapp ihre Beschäftigung und die Begegnungen des jeweiligen Tages festhält, Stichworte zu ihrem Alltag. Nur gelegentlich sind ausführlichere Beschreibungen oder Reflexionen enthalten. Diese gehen jedoch nicht über das rein Persönliche hinaus. Gertrud Bleichröder schreibt nichts über Geld, Vermögen, das Bankhaus des Vaters. Politische Themen, auch der Tod Kaiser Wilhelms und die kurze Regierung Friedrichs III., werden erwähnt, doch auch dies geschieht mehr nebenbei. All dies ist nicht der Gegenstand dieses Tagebuchs, sondern fließt als Hintergrund ihres Lebens mit ein. Das Tagebuch Gertrud Bleichröders gibt Einblick in den Alltag einer jungen Frau des Großbürgertums, in ihr Selbstverständnis und ihre Zukunftshoffnungen. Das Rollenbild wird sichtbar, das von ihr erwartet, hübsch und charmant, eine gute Gesellschafterin und anregende Plauderin, belesen, gebildet, doch nicht allzu kritisch zu sein. Deutlich wird auch der Umgang der jungen Frau mit diesem Rollenbild, das sie trotz mancher kritischen Äußerung nicht grundsätzlich infrage stellt, sondern vielmehr mit sich hadert, wenn sie ihm nur ungenügend entspricht (zum Beispiel 35). ...
Um es gleich zu Beginn zu sagen: Thomas Rothers "Die Krupps. Durch fünf Generationen Stahl" ist ein Ärgernis. Das Buch ist, grob zusammengefasst, schlampig recherchiert, schlecht strukturiert und miserabel geschrieben. Dabei sind Absicht und Ansatz zunächst viel versprechend. Mit einer journalistischen Herangehensweise will der langjährige Redakteur der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" keine wissenschaftliche Forschungsarbeit präsentieren, sondern einem breiten Publikum die Geschichte der Stahlfirma Krupp als die einer Familie erzählen. Die Familie gibt es nicht mehr, zumindest nicht mit dem berühmten Namen, auch eine Verbindung der Nachkommen zum Unternehmen besteht nicht mehr. Und so beginnt das Buch mit einem Rundgang über den Essener Friedhof. Anhand der Monumente werden die Personen aus fünf Generationen vorgestellt und zugleich in groben Umrissen der Gang der Krupp-Geschichte skizziert. ...
Kaum auf dem Markt, hatte Simon Coles Buch Suspect Identities schon einigen Wirbel verursacht. Cole, in Harvard in Science and Technology Studies promoviert, beschäftigt sich mit der Geschichte des Fingerabdrucks und anderer Identifizierungsverfahren. Sein Buch schildert die Revolution der Kriminaltechnik ab der Mitte des 19. Jahrhunderts und endet in der Gegenwart: Auf die Begeisterung für die Polizeifotografie folgen Versuche mit dem Fingerabdruckverfahren (Daktyloskopie) sowie der "anthropometrischen Bertillonage", die eine Person anhand ihrer Knochenlängen und anderer körperlicher Merkmale identifizieren wollte. Aus der Konkurrenz und Koexistenz geht schließlich das Fingerabdruckverfahren ob seiner Einfachheit in der Datenerhebung und -archivierung als eindeutiger Sieger hervor. Mittlerweile wird es zunehmend vom genetischen Fingerabdruck ergänzt, der eine historisch nie dagewesene Zuverlässigkeit bietet, aber als forensisches Beweismittel verblüffend ähnliche Strukturprobleme in sich birgt. ...
Rezension zu Ute Faath/Hansgeorg Schmidt-Bergmann (Hgg.): Literatur und Revolution in Baden 1848/49: Eine Anthologie. Karlsruhe: Literarische Gesellschaft/Scheffelbund, 1997 [und]
Hansgeorg Schmidt-Bergmann (Hg.): "Ihr könnt das Wort verbieten - ihr tötet nicht den Geist". Literatur und Revolution in Baden 1848/49. CD-Rom-Edition zur Literatur am Oberrhein No. 1. Karlsruhe: Literarische Gesellschaft/Scheffelbund, 1997
Steht die Revolution bevor?
(2003)
Rezension zu: Slavoj Zizek: Die Revolution steht bevor. Dreizehn Versuche über Lenin, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002, 188 S. (Tb.), EUR 9 Für Slavoj Zizek gründet sich die Passivität im Denken und Handeln sowohl auf der relativistischen Gleichsetzung aller Standpunkte als auch auf der verzweifelten Sehnsucht nach dem Absoluten. ....
Rezension zu Thomas Klinkert: Literarische Selbstreflexion im Medium der Liebe. Untersuchungen zur Liebessemantik bei Rousseau und in der europäischen Romantik (Hölderlin, Foscolo, Madame de Staël und Leopardi). Freiburg im Breisgau (Rombach) 2002 (= Reihe Litterae; Bd. 92). 283 Seiten.
Thomas Klinkert hat es sich in seiner Regensburger Habilitationsschrift (2001) zur Aufgabe gemacht, das Konzept einer europäischen Romantik in der historischen Erfahrung eines fundamentalen gesellschaftlichen Umbruchs zu begründen, der sich an der Ausprägung "gemeinsame[r] Tendenzen der französischen, der deutschen und der italienischen Literatur um 1800" ablesen lässt. Der wesentliche literarische Kristallisationspunkt dieser in ganz Europa geteilten Umbrucherfahrung ist die Rede über die Liebe. In der Thematisierung der Liebe artikuliert sich nicht nur in besonders prägnanter Form das veränderte Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft, die Liebe avanciert in der Romantik auch zu einem bevorzugten Medium der literarischen Selbstreflexion, die ihrerseits wiederum durch den historischen Funktionswandel der Literatur motiviert ist.
BUCHAR, Jan & Vlastimil Růžička (2002): Catalogue of spiders of the Czech Republic [Rezension]
(2003)
Das Ausmaß des ökofaunistischen Schrifttums über die Spinnen von Mitteleuropa hat es längst unmöglich gemacht, ohne großen Aufwand die für konkrete Fragen relevante Literatur angemessen und ausgewogen zu berücksichtigen. Zudem sind vie1e in regionalen bzw. lokalen Organen veröffentlichte Arbeiten nicht unmittelbar zuganglich, sowohl wegen des Erscheinungsortes wie aus sprachlichen Gründen. Umso wichtiger sind nun regionale Datenbanken und Kataloge, die das Schrifttum über ein bestimmtes Gebiet bzw. die Information über die regionale Verbreitung und das Auftreten der Arten zusammenfassen und erschließen. Die Aussagekraft einer solchen Zusammenschau hangt wesentlich ab von Art und Umfang der Datenbasis, also der Verläßlichkeit der Daten und Arbeiten sowie von Grad und Ausmaß der Durchforschung von Lebensraumen und Landesteilen.
Auf dem von Sabine Holtz bearbeiteten Feld kreuzen sich Forschungslinien der württembergischen Landesgeschichte, der Bildungs- und Sozialgeschichte, der Geschichte des Beamtentums und der Rechtswissenschaft. Es geht, ähnlich wie in Rudolf Stichwehs Buch "Der frühmoderne Staat und die europäische Universität" (1991), um die "Interaktion von Politik und Erziehungssystem". Um die Fragen konkreter zu machen, werden Begrenzungen eingeführt, nicht nur territorial und zeitlich auf das Württemberg des 17. Jahrhunderts, sondern auch durch Konzentration auf die 418 Beamten der Zentralbehörden des Herzogtums. Was haben diese Kanzler und Vizekanzler, Landhofmeister, Oberräte, Regierungsratssekretäre, Kanzleiadvokaten, Rentkammerräte, Rentkammer-Expeditionsräte, Kirchenräte und Kirchenratsadvokaten studiert? Waren es Landeskinder, sind sie in Lateinschulen oder Gymnasien vorbereitet worden, und schließlich, wie haben sie gelebt? ...
Wer an die allmähliche Verbesserung der Menschheit durch den "Fortschritt" glaubt, muss das immer wieder auftauchende Verbrechen für die letzte Bastion des Irrationalen halten. Je mehr man über Kriminalität weiß, desto größer wird die Herausforderung ihrer Beseitigung. Seit der Mitte des fortschrittstrunkenen 19. Jahrhunderts entsteht deshalb nicht nur der Kriminalroman, sondern es bemächtigen sich auch die Naturwissenschaften des Verbrechens und der Verbrecher. Das Rätsel Kriminalität scheint lösbar durch Biologie, Medizin, Eugenik und Psychiatrie. Schädel werden vermessen, man sucht Merkmale für "geborene Verbrecher", streitet um die Merkmale "geistiger Minderwertigkeit" und kombiniert dies mit Kriminalstatistiken und Milieustudien der beginnenden Soziologie. Die Juristen spüren, dass der ganze Sanktionsapparat von Schuld und Vergeltung durch die Aufdeckung determinierender Faktoren ins Wanken kommt. Setzen sie nicht mehr auf die Freiheit, sondern auf den Schutz der Gesellschaft, dann haben sie Schwierigkeiten zu begründen, dass der Schutz irgendwo aufhören muss, da man nicht alle "Minderwertigen" vorsorglich einsperren kann. Also erwägt man (neben anderen Schutzmaßnahmen) deren Sterilisation. Wenn es "geborene Verbrecher" gibt, dann sollte sich doch, so meinte man, wenigstens auf diesem Weg die nächste Generation dieser unerwünschten Variante des Menschseins verhindern lassen. ...
"Die Frage nach Rollen, Handlungsräumen und Deutungen von Frauen und Männern in der sozialen Praxis politischer Geschichtsprozesse wurde bisher kaum untersucht." So schwungvoll und unzutreffend steht es in der Einleitung dieser Untersuchung. Die Verfasserin mag aber damit Recht haben, wenn sie sich den Untersuchungsgegenstand in bestimmter Weise zurechtlegt. Das geschieht so: Sie richtet ihr Hauptaugenmerk auf die "geschlechter- und alltagsgeschichtliche Perspektive", untersucht nur die "Hochverratsverfahren gegen den linken Widerstand" und sie sortiert vor allem die in Frage kommenden 258 Prozesse vor dem Volksgerichtshof in der Weise, dass herauskommt, was herauskommen soll. Die Autorin sagt es selbst: "Ausschlaggebend war … mein Ziel, Frauen soweit wie möglich selbst als Handelnde ins Blickfeld zu rücken und sie nicht von vornherein nur als Begleiterinnen des männlichen Widerstandes zu verstehen". ...
Raul Hilberg ist heute einer der bekanntesten Holocaust-Forscher der Welt. Er hat Preise und Orden bekommen, zuletzt in Deutschland die höchste Stufe des Verdienstordens der Republik und den Geschwister-Scholl-Preis 2002. Seine Anfänge waren eher mühsam. Seit 1948 studierte der 1938 mit seinen Eltern aus Wien in die USA geflohene Hilberg die Akten, die papierne Hinterlassenschaft des großen Mordens. Jahrzehntelang lehrte und schrieb er an der kanadischen University of Vermont. 1961 erschien sein dreibändiges Hauptwerk "The Destruction of European Jewry". Eine erste deutsche Ausgabe blieb fast unbeachtet. Die Taschenbuchausgabe von 1990 brachte den Durchbruch. Nun wurden auch die übrigen Bücher erfolgreich (Sonderzüge nach Auschwitz, Mainz 1981; Täter, Opfer, Zuschauer, Frankfurt 1992; Unerbetene Erinnerung. Der Weg eines Holocaust-Forschers, Frankfurt 1994). ...
[Rezension zu:] Heine und die Folgen. Ein Streifzug durch Tagungsbände aus dem Jubiläumsjahr 1997
(2003)
Rezension zu Heine und die Folgen. Ein Streifzug durch Tagungsbände aus dem Jubiläumsjahr 1997
"Dichter unbekannt". Heine lesen heute. Internationales Symposium. Bonn, Mai 1997. Hrsg. v. Dolf Oehler und Karin Hempel-Soos. Bonn: Bouvier, 1998.
Differenz und Identität. Heinrich Heine (1797-1856). Europäische Perspektiven im 19. Jahrhundert. Tagungsakten des internationalen Kolloquiums zum Heine-Gedenkjahr. Lissabon, 4.-5. Dezember 1997. Hrsg. v. Alfred Opitz. Trier: Wissenschaftlicher Verlag, 1998.
"Die Emanzipation des Volkes war die große Aufgabe unseres Lebens". Beiträge zur Heinrich-Heine-Forschung anläßlich seines zweihundertsten Geburtstags 1997. Hrsg. v. Wolfgang Beutin, Thomas Bütow, Johann Dvořàk, Ludwig Fischer. Hamburg: von Bockel, 2000.
Heine und die Weltliteratur. Edited by Terence James Reed and Alexander Stillmark. Oxford: Legenda, 2000.
"Ein einzelner Mensch kann einer Zeit nicht helfen oder sie retten, er kann nur ausdrücken, daß sie untergeht." Christa Wolf zitiert diesen Satz aus Kierkegaards Tagebüchern voller Trauer. In der Tat ist ihr neues Buch "Ein Tag im Jahr" nichts Anderes als ein Grabgesang auf die DDR. Ein fulminantes Memento, was bekanntlich Erinnerung und Mahnung einbegreift.
[Rezension zu:] Friedrich Rückert: Werke, Historisch-kritische Ausgabe, "Schweinfurter Edition"
(2003)
Rezension zu Friedrich Rückert, Werke, Historisch-kritische Ausgabe, "Schweinfurter Edition". Hrsg. v. Hans Wollschläger und Rudolf Kreutner, Göttingen: Wallstein-Verlag, bisher vier Bände: 1998 (2), 2000 und 2001. 1817/18 Gedichte von Rom und andere Texte (hrsg. v. Claudia Wiener),748S., 2000; 1835/36 Die Weisheit des Brahmanen. Ein Lehrgedicht in Bruchstücken (in zwei Bänden), 1115S., 1998; 1846/47 Liedertagebuch. 1. Band, 443S., 2001; (2-4 jeweils von den Hauptherausgebern)
Rezension zu Harald Fricke: Gesetz und Freiheit. Eine Philosophie der Kunst. München (Beck) 2000. 274 Seiten.
"Was ist Kunst? Und: was ist große Kunst? Was für Arten von Kunst gibt es? Wie verändert sie sich im Verlauf der Geschichte? Wie hängt sie mit der natürlichen, wie mit der gesellschaftlichen Welt zusammen - und wie mit dem einzelnen in dieser Welt?" Bereits der erste Absatz in Harald Frickes Vorwort zu seinem Buch 'Gesetz und Freiheit', macht ebenso unmißverständlich klar, daß es um Grundlegendes geht, wie der Untertitel des Buches: 'Eine Philosophie der Kunst'. Fricke stellt sich den großen Fragen, die hier formuliert sind, und seine 'Philosophie der Kunst' weist einen im besten Wortsinn bedenkenswerten Weg zu ihrer Beantwortung auf - einen von individuellen Neigungen und Interessen bestimmten Weg, der aber gleichwohl oder eben darum überzeugt.
Rezension zu Carola Hilmes: Das inventarische und das inventorische Ich. Grenzfälle des Autobiographischen. Heidelberg (C. Winter) 2000 (= Frankfurter Beiträge zur Germanistik; Bd. 34). 446 Seiten.
Carola Hilmes' einleitenden gattungstheoretischen Reflexionen zur Autobiographie beginnen mit der These: "Die perfekte Biographie ist die einer erfundenen Person". Diese Einleitung faßt zum einen grundlegende gattungstheoretische und gattungspoetologische Erörterungen zusammen. Sie stellt zum anderen auch in der gebotenen Deutlichkeit die Beziehung gerade dieser literarischen Gattung zur Frage des Subjekts nach sich selbst und der Diskurse nach dem Subjekt heraus - und sie führt an die im folgenden vorgestellten und interpretierten Fallbeispiele autobiographischen Schreibens heran, indem Kriterien für deren Auswahl benannt werden.
Rezension zu Erika Greber: Textile Texte. Poetologische Metaphorik und Literaturtheorie. Studien zur Tradition des Wortflechtens und der Kombinatorik. Köln, Weimar, Wien (Böhlau) 2002 (= pictura & poesis; Bd. 9). 771 Seiten.
Die Text-Metapher spielt in der modernen Poetik wie in Prozessen literarischer Autoreflexion eine zentrale Rolle; sie ist zur Modellierung des "Internet" aktualisiert worden, findet frühe und prägnante Ausformulierungen aber bereits in der Antike. Dabei zeichnen sich insbesondere zwei Leitparadigmen ab: das des Flechtens und das des Webens. Erika Grebers komparatistischer Untersuchung gelingt es, um es vorgreifend zu sagen, am Leit-Faden dieser beiden kulturanthropologisch signifikanten Paradigmen, einen dichten Strang poetologisch-autopoetologiseher Reflexion von den Anfängen der europäischen volkssprachlichen Literatur bis in die Gegenwart aus einer Vielzahl von Kontexten herauszupräparieren und aus souveräner Überschau darzustellen.
Rezension zu Frank Zipfel: Fiktion, Fiktivität, Fiktionalität. Analysen zur Fiktion in der Literatur und zum Fiktionsbegriff in der Literaturwissenschaft. Berlin (Erich Schmidt) 2001 (= Allgemeine Literaturwissenschaft - Wuppertaler Schriften; Bd. 2). 344 Seiten.
Dem Grundbefund, den die vorliegende Monographie (zugleich eine Mainzer Dissertation von 1999) zum Ausgangspunkt der Erörterung nimmt, kann nur zugestimmt werden: Der Fiktionsbegriff steht in den vergangenen Jahrzehnten mehr denn je im Zentrum literaturtheoretischer und literaturwissenschaftlicher Diskurse, so divergent deren methodische Grundlagen auch sein mögen.
Durch diese Studie beabsichtigt Vanda Fiorillo, die deutsche Naturrechtslehre der frühen Neuzeit auf einen gemeinsamen Nenner zurückzuführen, um damit ein Modell zu identifizieren, das uns auch dabei helfen kann, unsere Gegenwart, d. h. den historischen Zustand der polyarchischen Demokratien, zu verstehen und zu beherrschen. Das erwünschte allgemeine Prinzip findet die Verfasserin in der Theorie des Pflichtenstaats, die sich dadurch auszeichne, dass sie in der Konstruktion des Gemeinwesens nicht vom Recht des Einzelnen, sondern von dessen Pflichten ausgehe, und so ein besonderes Modell (7), einen "sittlichen und vernunftmäßigen Archetyp in der deutschen Auffassung von der Politik" (8) darstelle. Am eindeutigsten lasse sich die Idee des Pflichtenstaats bei den Autoren der Kant-Zeit rekonstruieren, deren theoretische Voraussetzungen auf Wolff und Pufendorf zurückgingen. Die Idee der Pflicht sei bei allen Autoren des späten 18. Jahrhunderts so grundlegend, dass auch Schriftsteller aus entgegengesetzten Lagern wie der preußische Liberale Johann Adam Bergk und der radikale Demokrat Ernst Ferdinand Klein gleichermaßen berücksichtigt werden können. ...
Nachdem die 20-bändige Gustav Radbruch- Gesamtausgabe bis auf den Register-Band erschienen ist, sind Gesamtblicke auf das Werk des Heidelberger Rechtslehrers und SPD-Politikers erleichtert worden. Einen solch anspruchsvollen Gesamtblick unternimmt Hanno Durth in seiner Frankfurter Dissertation. Durth geht es um die (Re-)Konstruktion eines komplexen Sinnzusammenhangs, den er – in Anknüpfung an den bei Radbruch eher beiläufigen Begriff des Kulturrechts sowie an Wiethölters Begriff der Rechtskulturverfassung – Radbruchs "Theorie eines Kulturverfassungsrechts" nennt. Ausgangspunkt ist die Behauptung, dass die übliche Einordnung Radbruchs in den südwestdeutschen Neukantianismus mehr verwirre und versperre als weiterhelfe (3). Um "Neues an Radbruch" zu entdecken, wendet Durth Theorieströmungen auf Radbruchs Rechtslehre an, "die hierauf bisher keine Anwendung fanden" (5) … und die "Radbruchs ganzheitlichen Ansatz widerspiegeln" sollen: "sie müssen eine Rechtstheorie beschreiben können, die eine Gesellschafts- und eine Geschichtstheorie beinhaltet" (6). Im Einzelnen rekurriert Durth vor allem auf die Systemtheorie Luhmanns, daneben aber je nach Gegenstand auf die Theorien von Habermas, Derrida, Assmann, Baumann, Beck, Cornell, Marcuse "und andere(n)" (6). ...
Rezensionen zu: Enthüllung und Entrüstung / Karl Otto Hondrich. - Frankfurt am Main : Suhrkamp Verl., 2002. - 166 S., ISBN 3-518-12270-3, 9 Euro. Der Neue Mensch / Karl Otto Hondrich. - Frankfurt am Main : Suhrkamp Verlag, 2001. - 222 S., ISBN 3-518-1227-8, 10 Euro. Wieder Krieg / Karl Otto Hondrich. - Frankfurt am Main : Suhrkamp Verlag, 2002. - 192 S., ISBN 3-518-12297-5, 9 Euro.
Mit dieser Übersicht legen die Autoren eine Liste von insgesamt 634 Gefäßpflanzen vor, die getrennt nach Baum- und Strauchschicht sowie Krautschicht sechs verschiedenen Gruppen zugeordnet wurden. Von den insgesamt 526 Arten der Krautschicht sind lediglich 217 (ca. 41 %) weitgehend an Wald gebunden, die übrigen Arten kommen sowohl im Wald als auch im Offenland vor, wodurch der Titel der Liste etwas fragwürdig erscheint.
Die Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich kreisten jahrelang um das Reichskammergericht (RKG). Dass sich das nun zu ändern beginnt, ist aus zwei Gründen ein Verdienst Eva Ortliebs. Zum einen verzeichnet sie in Wien die Akten des zweiten höchsten Reichsgerichts, des Reichshofrats (RHR), zum anderen beleuchtet sie in ihrer Dissertation einen zentralen Tätigkeitsbereich des RHR im 17. Jahrhundert, nämlich das Kommissionswesen. Aus der RKG-Forschung wusste man, dass Kommissionen im Rahmen von Beweiserhebungen eine wichtige Aufgabe im gemeinrechtlichen Zivilprozess erfüllten. ...
Rezensionen zu: Stefan Müller-Doohm : Adorno. Eine Biographie. Suhrkamp Verlag, Frankfurt, 2003, ISBN 3-518-58378-6, 1056 Seiten, 24 Seiten Abbildungen, 36,90 Euro. Lorenz Jäger: Adorno. Eine politische Biographie. Deutsche Verlagsanstalt, München, 2003, ISBN 3-421-05493-2, 320 Seiten, 22,90 Euro. Detlev Claussen : Theodor W. Adorno. Ein letztes Genie, S. Fischer Verlag, Frankfurt, 2003, ISBN 3-10-010813-2, 352 Seiten, 22,90 Euro. Theodor W. Adorno Archiv (Hrsg.), Adorno-Bildmonographie, Suhrkamp Verlag, Frankfurt, 2003, Leinen, ISBN 3-518-58377-8, 309 Seiten, 39,90 Euro. Kartoniert, ISBN 3-518-58382-4, 309 Seiten, 24,90 Euro Reinhard Pabst (Hrsg.) : Adorno. Kindheit in Amorbach. Bilder und Erinnerungen. Mit einer biographischen Recherche. Insel Verlag, Frankfurt 2003, it 2923, ISBN 3-458-34623-6, 228 Seiten, 9,50 Euro. Christoph Gödde und Henri Lonitz (Hrsg.) : Theodor W. Adorno, Briefe an die Eltern. 1939–1951, Suhrkamp Verlag, Frankfurt, 2003, ISBN 3-518-58376-X, 576 Seiten, 8 Seiten Abbildungen, 39,90 Euro. Wolfram Schütte (Hrsg.) : Adorno in Frankfurt. Ein Kaleidoskop aus Texten und Bildern, Suhrkamp Verlag, Frankfurt, 2003, ISBN 3-518-58379-4, etwa 250 Seiten, zirka 24,90 Euro. Wolfgang Schopf (Hrsg.) : »So müßte ich ein Engel und kein Autor sein« Adorno und seine Frankfurter Verleger. Der Briefwechsel mit Peter Suhrkamp und Siegfried Unseld. Suhrkamp Verlag 2003, ISBN 3-518-58375-1, 760 Seiten, zirka 39,90 Euro. Roger Behrens : Adorno-Abc, Verlag Reclam Leipzig, Leipzig, 2003, ISBN 3-379-20064-6, 248 Seiten, 11,90 Euro.
Rezension zu Andreas Böhn: Das Formzitat. Bestimmung einer Textstrategie im Spannungsfeld zwischen Intertextualitätsforschung und Gattungstheorie. Berlin (Erich Schmidt) 2001 (= Philologische Studien und Quellen; Heft 170). 208 Seiten.
Einen breit angelegten Beitrag zur Intertextualitäts- bzw. Transtextualitätsforschung hat jüngst Andreas Böhn mit seiner Studie 'Das Formzitat' vorgelegt, die 1999 von der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaft der Universität Mannheim als Habilitationsschrift angenommen wurde. Böhns Studie versteht sich zum einen als Beitrag zur Allgemeinen Literaturwissenschaft. Begriff und Phänomen des Formzitats werden theoretisch beschrieben und definiert. Zum anderen zeigt Böhn an ausgewählten literarischen Beispielen aus der deutschen Literatur vom 18. bis zum 20. Jahrhundert die verschiedenen Funktionen des Formzitats und versucht auf diesem Wege, seine theoretischen Ausführungen historisch zu akzentuieren.
Rezension des Werkes: Mas Weber Gesamtausgabe I/22-1: Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlass, 1. Gemeinschaften (ed. Wolfgang J. Mommsen in collaboration with Michael Meyer; Tübingen: J.C.B. Mohr [Paul Siebeck], 2001), pp. xxvi + 402. ISBN 3-16147558-5 (hb).
"Die Jurisprudenz ist eine philologische Wissenschaft", wusste schon Friedrich Carl von Savigny. Die Zeit, in der sich juristische Auslegungslehre und literarische Philologie in enger wechselseitiger Beziehung entwickelten, liegt aber nun schon mehr als hundert Jahre zurück; seither haben sich Sprach- und Rechtswissenschaft so sehr verselbständigt, dass von einer Diskussion zwischen den Disziplinen kaum mehr die Rede sein kann. Der Geschichte der Rechtssprache ist es dabei ergangen wie allen anderen zwischen den Disziplinen liegenden Gegenständen: Weder die Juristen noch die Linguisten haben es gewagt, sie anzufassen. Den Offenbarungseid der Rechtsgeschichte leistet insoweit das Coingsche Handbuch, das der Gesetzessprache gerade einmal neuneinhalb Zeilen widmet und damit nur allzu deutlich macht, dass es sich in der Tat um ein "gänzlich unerforschtes Problem" handelt. ...
Die Erinnerung ist eine seltsame Macht und bildet den Menschen um, schreibt Erich Kästner. Wie sich Menschen und insbesondere der sogenannte "gemeine Mann" in der Vergangenheit an die Vergangenheit erinnerten und wie sie soziale Wirklichkeit und deren Veränderung wahrnahmen, ist Thema eines Sammelbandes von – meist jüngeren – Historikern. Als Dokumente der Wahrnehmungen des "einfachen Mannes" werten sie Zeugenverhörprotokolle aus. Derartige Protokolle liegen für den Bereich nördlich der Alpen erst seit der Frühen Neuzeit in großer Zahl und Ausführlichkeit vor, weswegen alle Beiträge zum deutschen Raum sich diesen Untersuchungszeitraum gewählt haben. Allerdings vernachlässigen die meisten Einzelbeiträge eine konsequente Analyse ihrer Quellenbeispiele anhand rechtshistorischer Kategorien. Anscheinend erinnern sich heutige Historiker nicht daran, wie starke juristische Wurzeln gerade die frühe Geschichtswissenschaft hatte. Nur so lässt sich erklären, warum in vielen Beiträgen staunend empirische Befunde aus Zeugenverhörprotokollen mit teilweise erheblichem, sozialwissenschaftlichem Theorieaufwand "erklärt" werden, statt sie zunächst konsequent an den zeitgenössischen normativen Vorstellungen zu messen. Diese waren von Juristen seit Jahrhunderten in der Doktrin des gelehrten Prozessrechts bis hin zu einfachen Praktikerleitfäden präzisiert worden. Im Untersuchungszeitraum wurden sie zunehmend auch in den verschiedenen Prozessordnungen mit der Sanktion des Gesetzgebers versehen. ...
Für die Erforschung der spätantiken Herrscherideologie hat Andreas Alföldi (1895-1981) Grundlegendes geleistet. Ihm gelang es, bildliche Darstellungen zum Sprechen zu bringen und ihre Bedeutung für die Repräsentation der Kaiser zu verdeutlichen. In dieser Tradition bewegt sich der Tübinger Althistoriker (und zeitweilige Assistent Alföldis) Frank Kolb mit seinem hier anzuzeigenden Buch. Darin führt er die verstreuten, von verschiedenen altertumswissenschaftlichen Disziplinen vorangetriebenen Forschungen zur spätantiken Herrscherideologie zusammen, die er durch eigene Beiträge wesentlich beeinflußt hat. ...
Nach der im Jahr 2000 für Sachsen-Anhalt erschienenen Karte der Potentiellen natürlichen Vegetation (PNV) liegt nun auch für Sachsen eine solche vor, die durch namhafte Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden im Rahmen von zwei Forschungs- und Entwicklungsvorhaben erarbeitet wurde. Diese Karten sind heute allgemein anerkannte und angewandte Planungshilfen. Die auf Landesebene erarbeiteten Karten dienen als Grundlage für eine bundesweite PNV-Karte. Daher erfolgte die Förderung der Forschungsprojekte sowohl durch das Sächsische Landesam t für Umwelt und Geologie (Manuskriptkarten zur PNV im Maßstab 1:50 000) als auch durch das Bundesamt für Naturschutz (vertiefende Bearbeitung der 1:50 000 Karten und darauf aufbauend einer Karte im Maßstab 1:200 000 für Sachsen sowie 1:500 000 für eine PNV-Karte Deutschlands).
Korsch, H.; Westhus, W.; Zündorf, H.-J.: Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Thüringens
(2003)
Thüringen ist nach Sachsen das zweite ostdeutsche Bundesland, für das nun ein flächendeckender Verbreitungsatlas der Höheren Pflanzen vorliegt. Auf den ersten Blick überraschen im Vergleich zum sächsischen Pendant die deutlich geringeren „Ausmaße“, obwohl der Thüringer Atlas mit 1968 Sippen nur ca. einhundert weniger umfasst. Bewusst wurde z.B. auf umfangreiche Darstellungen zur Geschichte der botanischen Forschung in Thüringen verzichtet, da dies in der „Flora von Thüringen“ berücksichtigt sein wird, die zusammen mit dem Verbreitungsatlas ein Gesamtwerk bilden soll. Im Interesse einer raschen Veröffentlichung der Ergebnisse wurde auch die Auswertung der Daten zurückgestellt. Den Verbreitungskarten liegt der Maßstab von 1/16 Messtischblatt (MTB) zugrunde.
UVP-Kongresse haben seit Ende der 1980er Jahre in Deutschland Tradition. Unter dem wegweisenden Motto „Europa macht Dampf - UVP im Aufwind?“ wurde der UVP-Kongress des Jahres 2002 entsprechend der drei behandelten Instrumente der Umweltfolgenabschätzung in die Themenkomplexe Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), Strategische Umweltprüfung (SUP) und FFH-Verträglichkeitsprüfung (FFH-VP) gegliedert.
Rezension des Werkes: Titel: Die Griechen und der Vordere Orient. Beiträge zum Kultur- und Religionskontakt zwischen Griechenland und dem Vorderen Orient im 1. Jahrtausend v. Chr. Reihe: Orbis biblicus et orientalis 191 Herausgeber: Witte, Markus; Alkier, Stefan Ort: Göttingen Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht Jahr: 2003 ISBN: 3-525-53048-X Umfang/Preis: X, 135 S.; € 38,90 Der Band "Die Griechen und der Vordere Orient" geht aus einem interdisziplinären Symposion hervor, welches die Projektgruppe "Altorientalisch-hellenistische Religionsgeschichte" der Johann-Wolfgang-Goethe Universität Frankfurt am Main im April 2002 abgehalten hat (S. VII). Vier der Vorträge sind hier abgedruckt und von den Herausgebern, Markus Witte und Stefan Alkier, im Vorwort hilfreicherweise kurz zusammenfasst. ...