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Das Interesse an den literarischen Antworten auf den Krieg war in Österreich nicht besonders ausgeprägt, sonst hätte die Literatur zum Krieg einen größeren Stellenwert als sie hatte und hat – bei den Lesern wie bei den Literaturhistorikern. Es gibt zwar Aufsätzen zu einzelnen Werken, doch es existiert – mit Ausnahme einer Monographie zur Dramatik – bis heute keine umfassende Arbeit zum Thema. Die Ausstellung ‚Verbrechen der Wehrmacht’, die sie begleitende wissenschaftliche Debatte und die durch beide ausgelösten öffentlichen Kontroversen haben unseren Blick auf den Zweiten Weltkrieg entscheidend verändert. Sie haben ihn geschärft für das, was den anderen angetan werden sollte und tatsächlich angetan wurde. Das lässt auch eine Lektüre der Literatur über diesen Krieg nicht unberührt. Was ist vom nationalsozialistischen Vernichtungskrieg gegen diese Personengruppen in der österreichischen Literatur sichtbar? Der folgende Bericht bezieht sich auf die unmittelbare Nachkriegszeit bis zum Abschluss der Staatsvertragsverhandlungen 1955. Dieses politische Datum bildet, wie sich zeigen wird, einen auffallenden Einschnitt.
Since antiquity, poetry and music in the Near East have been interrelated and were believed to have extraordinary powers. Both the context in which oral poetry is set, and the musically induced state of enchantment or ecstasy it produces, are defined in Arabic by the word 'ṭarab'. This article aims to provide an exhaustive definition of this concept, as well as a brief introduction to the artistic domain that encompasses extemporary performance of songs/poems, from the pre-Islamic period up until our modern era. Drawing on literary excerpts, the article attempts to highlight how music, literary performance and aesthetic emotion are amalgamated through the holistic experience of 'ṭarab', which has maintained its basic features virtually unchanged from the days of Ǧāhiliyya until the golden age of Umm Kulthum.
El presente artículo propone estudiar a una figura destacada del movimiento expresionista alemán poco conocido en lengua española: Georg Heym. Notorio especialmente por su poesía y la fuerte influencia que ejerció en el desarrollo de la lírica en la Alemania del siglo XX, el estudio busca explorar la faceta menos conocida del autor: sus 'Novellen'. A través de este género, el autor radicaliza sus exploraciones estéticas, al mismo tiempo que expone las formaciones ideológicas de la burguesía del Imperio Alemán. En este sentido, el presente trabajo también ofrece una lectura política y las consecuencias de la creación artística expresionista en la configuración espiritual del nacionalsocialismo y la identidad alemana. Para indagar a profundidad dichas relaciones entre filosofía, política y literatura en la Alemania guillermina, se toma en consideración una selección de las 'Novellen' más emblemáticas del autor. Teniendo en cuenta esto, el artículo presenta una lectura renovada de un autor fundamental en la historia de la literatura alemana.
Seit der griechischen Antike schreibt sich bis in die heutige Zeit ein medialer Faszinationstyp fort, der in der Theorie mit Begriffen wie Nachahmung (mimesis) und Realismus, den Konzepten des Bildes bzw. des ikonischen Zeichens sowie der Illusion bezeichnet wird. Diese Theoriestränge lassen sich locker den Grundelementen der kommunikativen Urszene, in der eine 'virtuelle Realität' entsteht, zuordnen: Ein Sender ahmt nach beziehungsweise stellt dar, das mediale Substrat seiner nachahmenden Mitteilung ist das anschauliche Zeichen (Ikon), durch welches der Empfänger 'getäuscht' beziehungsweise illudiert wird.
Was ist der theoretische Kern dieser drei Aspekte? Sie alle kursieren um das Gravitationszentrum der Ähnlichkeit: Eine Konstruktion, demzufolge Texte, Zeichen, Medien ihren Signifikaten ähnlich werden können. Der Begriff Simulation, abgeleitet aus ‚similis‘, 'ähnlich', weist dieses Fundament noch aus; und um es schon einmal zuzuspitzen: Die Ähnlichkeit ist geradezu die Bedingung der Möglichkeit von Nachahmung, Bild, Realismus und Illusion.
In der diskursiven Konfiguration von Darstellung, Ikonizität und Illusion erzeugt die Ähnlichkeit das Phantasma einer Überschreitung der Medialität: Dem Modell nach akkumuliert das Zeichen Ähnlichkeiten und nähert sich dabei dem Referenten so lange, bis es idealerweise mit diesem konvergiert, seine eigene Zeichenhaftigkeit durchstreicht und die Illusion der Präsenz hervorruft. Das heißt: Die Rezipienten - so jedenfalls die innere Logik der Simulation - fallen für einen bestimmten Zeitraum auf die Illusion der virtuellen Wirklichkeit herein. Die Rezeptionsweise wird eigentlich seit der Antike bis in die Neuzeit immer wieder gleich beschrieben: Das Medium 'stellt vor Augen', das Zeichen wird in Richtung auf das Bezeichnete 'durchsichtig', der Rezipient verfällt der Illusion und verwechselt das Artefakt mit der Wirklichkeit.
Den Kaukasus als einen Grenzraum anzusehen ist in der Forschung über die russische Kaukasusliteratur längst Konsens. Trotzdem wurde er auf die raumsemantische Spezifik der Grenze hin kaum untersucht. Während die sowjetische Literaturwissenschaft den Kaukasus als Thema bzw. Topos der russischen Literaturgeschichte betrachtete, hat die primär westliche Forschung der letzten Jahre die russische Kaukasusliteratur im Orientalismusdiskurs verortet. Harsha Ram erweitert den Kontext, indem er diese Literatur im Rahmen einer Poetik des Imperiums untersucht. Ohne den Anspruch zu erheben, die Poetik der Grenze erschöpfend zu behandeln, möchte ich im folgenden das kaukasische Kapitel der Poetik der Grenze in der russischen Literatur thematisieren. Dabei werde ich exemplarisch die Semantik des Grenzraums im 'Kaukasussujet' bei Aleksandr Puškin (1799-1837), Aleksandr Bestužev-Marlinskij (1797-1837) und Michail Lermontov (1814-1841) untersuchen.
2018 ist Georgien Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Zum ersten Mal nach der Wende wird die georgische Literatur damit prominent in einer fremden Sprache präsentiert. Gerade die Literaturen kleiner Nationen sind auf internationale Anerkennung dieser Art besonders angewiesen. Doch gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen Literaturen 'kleiner' und 'großer Nationen'? Diese Frage ist im Spannungsfeld zweier Konzepte zu diskutieren, die mit dem der Nationalliteratur als lange dominierendem Ordnungsprinzip literarischer Texte konkurrieren: kleine Literatur und Weltliteratur.
Eines der zentralen Konzepte, auf das sich die Sowjetunion in ihrem Selbstverständnis als neue Zivilisation berief, war das Konzept der "Völkerfreundschaft" (družba narodov). Über den naheliegenden Zusammenhang mit der sowjetischen Nationalitätenpolitik (insbesondere stalinscher Prägung) hinaus verweist es auf die propagierte sowjetische Ethik – die Gleichheit aller Sowjetbürger nach der Abschaffung der Klassengesellschaft. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wird dieses Modell des gemeinschaftlichen Zusammenlebens bezogen auf den Raum der Sowjetkultur vor allem als machtpolitische Strategie bzw. in seiner mythenhaften Dimension betrachtet. Anliegen des Workshops ist es, ausgehend vom sowjetischen Freundschaftsbegriff unterschiedliche Facetten und Implikationen der Freundschaft im interkulturellen Vergleich zu diskutieren. So haben Länder und Regionen im Süden und Osten Europas (wie Georgien) beispielsweise die Gastfreundschaft als kulturelle Praktik zu ihrem "Markenzeichen" erklärt. Die Art und Weise, wie die Gastfreundschaft in Literatur und Kunst verhandelt bzw. repräsentiert wird, ist ein Indiz für die nachhaltige Bedeutung des Paradigmas, das bis in aktuelle Konflikte und juristische Diskurse (wie etwa die Frage nach dem Gastrecht oder das ethnisch begründete Restitutionsgesetz im heutigen Abchasien) hineinreicht. Gefragt wird u.a. nach den politischen Implikationen des Freundschaftsbegriffs, nach der Übertragung des interpersonellen Konzepts Freundschaft auf Völker im (sowjetischen) Konzept der Völkerfreundschaft, nach Politisierungsstrategien, nach unterschiedlichen Praktiken der (Gast-)Freundschaft (u.a. im Kontext der Derridaschen Ethik oder der Positionen von C. Schmitt, P. Klossowski oder M. Mauss) oder etwa nach der Bildung formeller und informeller Netzwerke in unterschiedlichen kulturellen und historischen Kontexten. Schwerpunktmäßig im 20. und 21. Jahrhundert angesiedelt, wird im Rahmen des Workshops auch die Genese der (sowjetischen) Konzepte und Praktiken der Freundschaft aus der Antike bzw. der Vormoderne thematisiert.
Ao analisar o drama "Os bandoleiros" (1781), de Friedrich Schiller, este artigo defende a tese segundo a qual o pensamento antropológico desenvolvido à época do iluminismo tardio alemão serve de fundamento não apenas para os discursos médico e historiográfico, mas também para uma parcela significativa da produção literária do período. Para tanto, na primeira seção deste artigo, investigam-se as bases de formação da cultura letrada e, particularmente, da cultura médica alemã na segunda metade do século XVIII, bem como as discussões à época vigentes em torno do conceito de antropologia. Na segunda e na terceira seções, discutem-se as tendências da pesquisa contemporânea que exploram os pontos de contato entre o conhecimento histórico, o pensamento antropológico e a produção literária no século das Luzes. Esses passos fundamentam a tese aqui defendida e segundo a qual o modo de representação literária operado por Schiller em "Os bandoleiros" é expressão direta do projeto de compreensão - em termos antropológicos - das totalidades integradas do homem e da história da humanidade.
Die Übersetzung, insbesondere die literarische, ist vor allem eine Art Kulturübertragung. Neben der Beherrschung der Sprachen setzt sie die Kenntnis des Allgemeinen und Besonderen des Landes wie Kultur, Tradition, Glauben, geschichtliche und gesellschaftliche Begebenheiten und auch soziale Strukturen voraus. Wenn die Sprachen und Kulturen tiefgreifend wahrgenommen werden, können die übersetzten Texte die Adressaten erreichen, d.h., dass die Ausgangssprache und -kultur für die Zielrezipienten verständlich sein können. So wird der Übersetzer als Kulturträger angenommen. Cornelius Bischoff ist beispielsweise ein wohlbekannter Name für den deutschen und türkischen Literaturkreis. Er ist vor allem bekannt als "der deutscheste Türke und der türkischste Deutsche" sowie als eine Brücke zwischen Deutschland und der Türkei. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Cornelius Bischoff, einen Kulturträger zwischen der deutschen und türkischen Übersetzung, zu behandeln. Als ein "Haymatloser" fand er in der Türkei die Möglichkeit, die türkische Sprache und Kultur wesentlich kennenzulernen und viele türkische Werke ins Deutsche zu übersetzen. Als ein Übersetzer trug er zuallererst dazu bei, die türkische Literatur, die bedeutenden türkischen Schriftsteller, die türkische Kultur und Tradition sowie den türkischen Sprachgebrauch in Deutschland bekannt zu machen. In der vorliegenden Arbeit wird die Besonderheit Bischoffs in der Übersetzungswelt im Hinblick auf drei Aspekte diskutiert: zuerst im Hinblick auf den Zusammenhang seiner Wurzeln in der Türkei und im Türkischen - schon in seinen Wurzeln, besonders mütterlicherseits, wurde das Türkische verinnerlicht -, dann auf die in der Türkei verbrachten Jahre - die Jahre, in denen er "haymatlos" genannt wurde - und zuletzt auf die Wahrnehmung und Aneignung der türkischen Sprache, Kultur und Gesellschaft - was auf ihn lebenslang einwirkte. In diesem Kontext wird versucht, sein Leben, seine Werke und seine Wirkung im Rahmen der übersetzerischen Tätigkeit zu analysieren.
Was macht Rhythmus? Eine Figur des Übergangs zwischen Literatur und Musik : Veranstaltungsbericht
(2020)
Rhythmen geben Struktur - unseren Arbeitswelten, unserem Zusammenleben, den verschiedenen Tätigkeiten unseres Alltags. Zugleich ist "Rhythmus" ein schillernder Begriff in gegenwärtigen Debatten der Wissenschaften und der Künste. Er ist als analytische Kategorie einerseits, als Konzept künstlerischer Praktiken andererseits ungemein attraktiv, und das, verfolgt man seine Geschichte bis in die Antike, quasi seit jeher. Was aber jeweils gemeint ist, wenn von Rhythmus die Rede ist, welche ästhetischen Phänomene damit erfasst werden sollen, welche theoretischen Vorannahmen dabei im Spiel sind, ist angesichts der Vielfalt der Verwendungsweisen dieses Begriffs und der zahlreichen Kontexte seines Gebrauchs alles andere als eindeutig.
The concept of the “magic circle” (Johan Huizinga) defines the stage and the specific performative conditions for magic to work. This concept which was applied by Huizinga to spaces such as the courtroom, the church or the theatre is extended in this essay to the page of the literary text. It is argued that something of the age-old magic of oral poetry is preserved in contemporary German memory fiction that stages an encounter with dead family members. In novels by Peter Härtling (Nachgetragene Liebe) and Uwe Timm (Am Beispiel meines Bruders) a repressed past is emotionally revisited and at the same time exposed to new reflection in the light of hindsight. The therapeutic setting of “family constellation” is introduced as another manifestation of the magic circle in our contemporary world in which latent traumas are acted out and worked through in a cathartic process.
Das Kanonproblem gehört zu den Themen, die seit den letzten dreißig Jahren unvermindert aktuell waren, wenn sich auch die Perspektiven von Jahrzehnt zu Jahrzehnt grundlegend geändert haben. Es lassen sich mindestens drei Schwerpunkte des Interesses an diesem Thema ausmachen, die, auch wenn sie sich nicht gänzlich ausschließen, eine deutliche Verlagerung des Problembewußtseins markieren. In den 70er Jahren stand der Bildungs-Kanon auf dem Prüfstand, der an Schulen und Hochschulen die Geltung traditioneller Texte und Werte unverändert fortschrieb. Gegen diesen mehr oder weniger emphatischen Traditionalismus richtete sich ein ikonoklastischer Impuls, der seine Energien aus einem veränderten Geschichts- und Gesellschaftsbewußtsein bezog. Einerseits führte die Anerkennung der faschistischen deutschen Vergangenheit Ende der 60er Jahre durch die Nachkriegsgeneration zu grundsätzlichen Fragen an eine kontaminierte Tradition; andererseits führte die expansive Bildungspolitik der 60er und 70er Jahre zu einer Umstürzung der Bildungspläne. Auf die ikonoklastische Phase folgte in den 5Oer Jahren die klassizistische Phase.
Wem gehört die Geschichte? : Fakten und Fiktionen in der neueren deutschen Erinnerungsliteratur
(2011)
This essay discusses the distinct features of memory fiction, a new genre that has emerged during the last two decades. It works through memories of the Nazi past and traumatic episodes of the Second World War within new literary frameworks. In this orientation towards the past the memory novel maintains distance from the research of historical reconstruction, as well as from the popular presentation of the past in the visual mass media. With respect to the new literary genre, various questions arise concerning its status and quality. One of these concerns the distinction anti interplay between fictional and documentary features in the new format. Another one has to do with the emphasis on biographical experience that in many cases has become an important trigger and source for the text, endowing it with the stamp of authenticity or moral authority. It is also true, however, that war-related experience, trauma and suffering can no longer be claimed by members of the second and third generation who either write their own lives into the chain of generations connected with the Second World War and the Holocaust, or create a new access to central events of the traumatic national history from the perspective of a fictional private family. In both ways they testify to the aftermath of the traumatic past which, as they show, is still part of the present.
Das Konzept der Intersektionalität hat sich in den letzten Jahrzehnten in den Geistes-, Sozial- und Lebenswissenschaften als überaus einflussreich erwiesen. Auch in der Literaturwissenschaft gewinnen Intersektionalitätstheorien zunehmend an Bedeutung. Der Beitrag geht von dieser Entwicklung aus und fragt zunächst allgemein danach, wie sich das Konzept für literaturwissenschaftliche Methoden und Fragestellungen fruchtbar machen lässt, in denen die Beschäftigung mit Intersektionalität über ein Verständnis dieser als reine Identitätstheorie hinausgeht. Die Analyse von Bernardine Evaristos preisgekröntem Roman "Girl, Woman, Other" (2019) führt anschließend vor, wie Identitätsfragen aus intersektionaler Perspektive nicht nur Interdependenzen der Ungleichheiten zwischen Figuren in den Blick nehmen, sondern auch die systemischen Grundlagen dieser Ungleichheiten sowie deren Einbindung in eine hegemoniale Kulturindustrie. Mit seiner Thematisierung von Intersektionalität als Thema auf mehreren Ebenen dient der Roman als Beispiel, wie das Konzept als Theorie und Methode die Literaturanalyse bereichern kann, und umgekehrt, welche Impulse sich aus der Beschäftigung mit Literatur und narratologischen Analysekategorien wie Perspektive und Perspektivenstruktur auch für die Intersektionalitätsforschung gewinnen lassen.
Rezension zu:
Achim Geisenhanslücke / Georg Mein (Hrsg.): Schriftkultur und
Schwellenkunde (Literalität und Liminalität 1). Bielefeld: Transcript, 2008a, ISBN 978-3-89942-776-9, 318 S.
Achim Geisenhanslücke / Georg Mein (Hrsg.): Grenzräume der
Schrift (Literalität und Liminalität 2). Bielefeld: Transcript, 2008b, ISBN 978-3-89942-777-6, 290 S.
Ich spreche im Folgenden über ein Thema, das 'Hermeneutik nach Luther' heißen soll. Als Hermeneutik verstehe ich dabei im Anschluss an Friedrich Schleiermacher - also im Anschluss an einen protestantischen Theologen, der seine eigene Hermeneutikkonzeption vorwiegend mit Bezug auf die Auslegung des Neuen Testamentes entwickelt hat, das heißt in einem dezidiert christlichen und zugleich mehrfachen, noch näher zu klärenden nach-Luther'schen Sinn - die "Kunst des Verstehens". Die Bestimmung verdeutlicht, dass das Verstehen nichts Selbstverständliches ist. Verstehen versteht sich nicht von selbst. Es muss selbst verstanden werden. Hermeneutik bezeichnet nach diesem Verständnis eine Aufgabe, und zwar, wie Schleiermacher zu betonen nicht müde wird, eine niemals abgeschlossene, immer weiter fortzusetzende Aufgabe.
Literatur gilt trotz vielfältiger neuer Medienangebote als bedeutende kulturelle Praxis. Diese wurde und wird wissenschaftlich erforscht, wobei in den letzten Jahrzehnten gendertheoretischen Ansätzen wachsende Bedeutsamkeit zugemessen wurde. Gendertheoretisch orientierte Forschung kann und soll die Literaturwissenschaften unterstützen und begleiten. Sie kann zum Beispiel darüber nachdenken, wie literarische Texte funktionieren und wie geschlechtliche Identitäten in diesen konstruiert werden bzw. organisiert sind. Diese Untersuchung erfolgt theoriegeleitet, wobei Theorie und Praxis nicht als starre Oppositionen gefasst werden, sondern als in Wechselwirkung stehende verwobene dynamische Konzepte.
Queertheorie bestimmt sich über Vorläufigkeit, die sich nicht als fixiertes System versteht, sondern als eines, das lediglich ein Instrumentarium zur Verfügung stellt, um die Logik der Spezifität von Machtbeziehungen und Machtkämpfen, etwa in literarischen Texten, zu analysieren. Insofern jeder kritischen Theorie die Verpflichtung aufgegeben ist, kritisch gegen sich selbst gewendet, auch die Möglichkeit zu denken, dass sie nicht immer da sein wird, gilt es, sich nicht im eigenen Moment einzurichten. So möchte ich im Sinne einer vorläufigen und zugleich einer strategischen Kanonisierung vorschlagen: Die germanistische Literaturwissenschaft sowohl mit postkolonialen Theorien als auch mit Gender- und Queertheorien momenthaft und gleichsam verschränkt zu perspektivieren, um dadurch neue Realisationen von Texten zum Entstehen zu bringen.
»Der Kanon regelt Zuordnung und Ausgrenzung, Ja und Nein zu einem Text, es ergibt sich eine Serie von Opposition[spaar]en.« Diese Grundannahme ist, wie ich meine, die Voraussetzung jeder Auseinandersetzung mit der Frage »A Canon of Our Own?« und betrifft den literarischen Kanon in gleicher Weise wie den (literatur-)theoretischen Kanon, obwohl die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Letzterem seltener und wenn doch, so interessengeleiteter stattzufinden scheint und sich zudem häufig in Polemiken erschöpft. Auch der Titel meines Aufsatzes enthält ein Paar, wenngleich das »&« zwischen den Theorien den Anschein von Symmetrie, von Zusammengehörigkeit, nicht von Gegensätzlichkeit erweckt. In der Folge meiner Bestandsaufnahme dieser Theorien innerhalb der germanistischen Literaturwissenschaft und meines Versuchs einer weiteren Perspektivierung und Verschränkung derselben wird deutlich, dass definitiv ein hierarchisches Gefälle hinsichtlich deren Rezeption existiert. Es zeigt sich, dass die Kanonisierungsprozesse unterschiedlich und v.a. zeitversetzt verlaufen – ungeachtet dessen, wie Kanones bzw. »das ihnen anhaftende Phantasma von überzeitlicher und überregionaler Gültigkeit« per se zu bewerten sind.
FRAUEN.SCHREIBEN. So hieß das Thema des Symposiums, in dessen Zusammenhang dieser Text entstand. Die Frage, wie "Frau" in Texten von Schriftstellerinnen aus Österreich und China "geschrieben" wird, sollte dabei in den Blick genommen werden - Elfriede Jelinek stand dabei mit im Fokus der Analysen und ist auch meine Wahl im nachfolgenden Text. Diese Frage, nach dem "Wie-Frauen-Schreiben", die zunächst scheinbar recht simpel und unproblematisch gestellt werden kann, evoziert eine komplexe Auseinandersetzung mit Themen und Problemen, die der Literaturwissenschaft und Literaturtheorie konstitutiv zugrunde liegen - Fragen etwa nach einer potentiellen ('weiblichen') Autorschaft, einer 'weiblichen' Ästhetik, Fragen der Repräsentation 'von Frauen', hier im Besonderen 'in Texten von Frauen'.
Formas de literatura digital
(2015)
Este artículo presenta y analiza ejemplos de las principales formas de la literatura digital que recurre a las posibilidades de la programación. Los hipertextos provocan en el lector una búsqueda por caminos en estructuras no lineales; la poesía cinética visual anima letras y textos; las instalaciones multimedia combinan texto, imágenes o sonido; los generadores de textos intentan simular el proceso creativo de la escritura humana; los juegos de video literarios provocan la pregunta por la diferencia entre leer y jugar; finalmente, la poesía de código computacional mezcla el lenguaje natural con el código de la computadora. La literatura digital es altamente auto-reflexiva y, así, pone a debate aspectos vinculados con la lectura y la escritura, incluso la frontera entre textos literarios y pragmáticos, así como la relación de la literatura con las bellas artes y la música. Asimismo los textos que se generaron cinética o aleatoriamente exploran los mecanismos de la creación de significación al tiempo que la performatividad y la interactividad de la literatura digital llama la atención al papel del lectorusuario en el proceso de la comunicación literaria.
Edebi Çevirinin Özellikleri
(2017)
Rezension zu: Zengin, Dursun (2016): Edebi Çevirinin Özellikleri. Kayseri: Tiydem Yayıncılık. 176 S. ISBN: 9786054510979
Unter der Leitung der Ege Universität und der Beteiligung der Universität Paderborn, Istanbul und Hamburg fand vom 14. bis zum 16. November 2017 die erste internationale/kooperative Vierer-Tagung im Rahmen der Germanistischen Institutspartnerschaft an der Ege Universität in Izmir statt. Wissenschaftler und Interessierte reisten aus verschiedenen Städten wie Istanbul, Ankara, Eskişehir, Berlin, Paderborn, Hildesheim und Hamburg für die vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geförderte GIP Tagung an und leisteten mit gebiets- und themenbezogenen Vorträgen einen besonderen Beitrag dazu, eine international sehr vielschichtige Plattform entstehen zu lassen, die mehr als nur den literaturwissenschaftlichen Austausch ermöglichte
Thomas Mann und Otto Dix hätten die Kriegsjahre von 1914 bis 1918 nicht unterschiedlicher erleben können: Der Schriftsteller Mann, der mit 25 schon nach kurzer Zeit wegen eines Plattfußes und einer Sehnenscheidenentzündung aus dem Pflichtwehrdienst entlassen wurde, meldete sich 1914 zum Landsturm, wurde aber 1916 endgültig wegen Magenproblemen und Nervosität für untauglich erklärt und war so nie an der Front. Der Künstler Dix hingegen wurde als Ersatz-Reservist schon drei Wochen nach Kriegsausbruch zur Ausbildung eingezogen und kämpfte von September 1915 bis zum Kriegsende an der West- und Ostfront. Als Schütze und Führer eines Maschinengewehrzuges stand er dabei immer an vorderster Front.
Während der Kriegsjahre und der Weimarer Republik spielten der Konflikt und seine Auswirkungen auf die deutsche Gesellschaft eine zentrale Rolle in den Werken von Dix und Mann. Ein Vergleich von Dix' Triptychon 'Der Krieg' (1928-1932, Staatliche Kunstsammlungen Dresden) und der Kriegsszene am Ende von Manns Roman 'Der Zauberberg', die der Autor erst kurz vor dessen Veröffentlichung 1924 schrieb, zeigt, dass die beiden Werke sowohl in der Motivik als auch in dem die Darstellungen bestimmenden Verständnis von Krieg als einem Phänomen der menschlichen Existenz übereinstimmen. Beide Werke werden gewöhnlich als realistische Schilderungen der grausamen, entindividualisierenden und entmenschlichenden Kräfte des Krieges verstanden.
Internationales Kolloquium „Migration, kulturelle Identität und deutschtschechische Beziehungen im grenznahen Raum“ in Ústí nad Labem, 04.–05. Oktober 2011 (Gerd Ulrich Bauer)
Franz Werfel. Werk und Wirkung. Internationale Tagung der Absolventinnen und Absolventen des Franz Werfel-Stipendienprogramms in Wien, 23.–24. März 2012 (Sławomir Piontek)
National – postnational – transnational? Neuere Perspektiven auf die deutschsprachige Gegenwartsliteratur aus Mittel- und Osteuropa. Internationale Tagung am Lehrstuhl für Germanistik in Ústí nad Labem, 10.–13. Mai 2012 (Zdenka Konečná)
Tagung des Germanistenverbandes der Tschechischen Republik und Konferenz „Deutsch als Sprache der (Geistes-)Wissenschaften“ in Olomouc, 17.–18. Mai 2012 (Veronika Opletalová)
IX. Kongress der Germanisten Rumäniens, Sektion 3: „Differenzen und Überschneidungen. Deutschsprachige Literatur in und aus Ostmitteleuropa und kulturelle Differenz“ in Bukarest, 04.–07. Juni 2012 (René Kegelmann)
Projekt „Literature on the Move“, gefördert vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) (Wiebke Sievers / Sandra Vlasta)
Projekt „Literatur und Wissen“. Ein neues internationales Projekt im Slawischen Institut der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik (Helena Ulbrechtová)
'Die Literatur der Roma Frankreichs' von Julia Blandfort, vorgelegt 2013 als Dissertation an der Universität Regensburg, ausgezeichnet mit dem Prix Germaine de Staël 2014, erschienen 2015 bei de Gruyter, legt den Grundstein für die Beschäftigung, innerhalb der romanischen Literaturen, aber darüber hinausgehend auch allgemein komparatistisch, mit den Roma-Literaturen der Romania.
Webportal Polyphonie. Mehrsprachigkeit_Kreativität_Schreiben http://www.polyphonie.at
Das Webportal Polyphonie. Mehrsprachigkeit_Kreativität_Schreiben ist 2012 aus dem gleichnamigen Forschungsprojekt entstanden, das 2009 von einer Gruppe von ForscherInnen aus Italien und Österreich ins Leben gerufen wurde. Das Projekt untersucht die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Mehrsprachigkeit und Kreativität im Schreiben systematisch und aus interdisziplinärer Perspektive. Es setzt sich zum Ziel, den mehr oder weniger stringenten Zusammenhang von individueller oder gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit und Kreativität im Allgemeinen bzw. literarischer Kreativität im Besonderen zu erforschen.
Scharlatane waren für die Gelehrtendiskurse der Frühen Neuzeit von kaum zu überschätzender Bedeutung, da sich anhand ihres Negativbeispiels Verhaltensideale formulieren ließen, die für die Wissenschaft maßgeblich waren. Das Interesse an dieser Figur reichte auch in die Literatur hinein, wo sie in vielfältiger Weise aufgegriffen wurde und um 1800 verstärkt in Erscheinung trat. Christoph Martin Wieland war einer der Autoren, die sich besonders intensiv mit ihr befassten. In seinem Roman Geschichte der Abderiten (1773-1779) inszeniert er den geistigen Gegensatz, der zwischen dem Protagonisten Demokrit, einem beispielhaften Gelehrten, und seinen Mitbürgern, den törichten Abderiten, besteht. Die These des vorliegenden Beitrags lautet, dass Wieland damit auf eine poetische Reflexion von Wissen abzielt, wobei er mit Hilfe des Scharlatanmotivs die wissenschaftlichen Ausschlussmechanismen seiner Zeit ironisiert. Mithin sind es die Bedingungen der Produktion von Wissen, die im Text aufs Korn genommen werden. Dabei spielt Wieland die komischen Konflikte durch, die auftreten können, wenn das der Aufklärung nahestehende Wissenschaftsethos eines Demokrit auf den Eigendünkel einer unaufgeklärten Gesellschaft trifft.
The chapter explores the dimension of the living present as a form of temporal reduction, looking at its manifestation in literary texts. Bazzoni proposes here a focus on the living present as different from a still, eternal moment, and contrasts the experience of the living present with the reduction at play in trauma. Finally, the author discusses the affective, ethical, and political dimensions of the temporality of the living present as a site of subjectivation, which effects a counter-reduction of normative discourses.
Este artigo é baseado em duas publicações anteriores (BAßLER 2013a; 2013b) e analisa o realismo como procedimento narrativo do nosso presente; para esse fim, são tratadas obras da literatura de expressão alemã e da televisão. O autor constata, tanto na chamada alta literatura quanto em gêneros como fantasia e séries televisivas um realismo que invoca e confirma, mediante frames convencionalizados, a imagem corrente da realidade e os códigos de significado vigentes do presente, indiferente da apresentação do conteúdo como realista ou fantástico. Este tipo de literatura é bem-sucedida porque possibilita uma leitura fácil e, ao mesmo tempo, reclama legitimidade através de uma autenticidade de alta literatura. Como alternativa a este estilo internacional de realismo trivial se oferecem, por um lado, obras pós-modernas e da cultura pop que expõem abertamente ser construídas por citações e, por outro, procedimentos como short cuts que dissecam a narrativa linear metonímica e a reconfiguram numa nova totalidade complexa e significativa.
Geschichts- und Literaturwissenschaft, verstanden als Spezialdiskurse, stehen, so die an dieser Stelle vertretene These, in einem wechselseitig-kommunikativen Verhältnis, das sich sowohl im außerwissenschaftlichen Interdiskurs Literatur als auch im Interdiskurs Geschichtserzählung niederschlägt. Die interdiskursive Konstruiertheit beider Erzähltextformen zeigt sich nicht nur inhaltlich an referentiellen Bezügen, sondern oftmals auch an (gemeinsamen) Erzählformen oder an paratextuellen Elementen. In den nachfolgenden Überlegungen werden die Interferenzen von Geschichtserzählungen und historischen Romanen in den Blick genommen, um an geeigneten Beispielen die konkrete Überführung von Spezialwissen in einen Interdiskurs aufzuzeigen und zu diskutieren. Zugleich soll ein Vergleichsrahmen eröffnet werden, der die Interdiskursivität beziehungsweise interdiskursive Konstruiertheit von Historiografie und Literatur einander gegenübergestellt. Dabei müssen diskursanalytische und narratologische Ansätze miteinander verbunden werden, um der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes gerecht werden zu können. Die zu berücksichtigende Textauswahl beschränkt sich auf die zwei Romane "Imperium" und "Der Komet" und den geschichtswissenschaftlichen Text "The Boy", die in unterschiedlicher Weise interdiskursiv konstruiert sind. Beide Romane, und das ist neben einem allgemein historischen Sujet eines der wenigen inhaltlich verbindenden Elemente, verweisen in der fiktionalen Erzählung an verschiedenen Stellen auf Adolf Hitler und den Nationalsozialismus, und auch die faktuale Erzählung "The Boy" – erkennbar bereits am Untertitel "A Holocaust Story" – setzt sich mit dem Nationalsozialismus auseinander.
Das Kanon-Motiv "Der Wanderer" im Denkraum Sarmatien, ausgehend von Johannes Bobrowskis Gedicht
(2015)
Nach Bobrowskis Statement ist auch der Kanon eine "Vorstellung", die "zuende" geht, dennoch liegt in diesem klaren Eingeständnis gleichzeitig für ihn die Verpflichtung zu einer "Überschau", zur Darstellung von "Bindungen" in einem 'tiefen Verständnis', zu einer Allgemein-'Gültigkeit' trotz vergangener und zukünftiger Verlusterfahrungen. Wenn Kanon, dann in diesem neuen Sinne, im Bewusstsein einer Herkunft und eines Weiterziehens in eine andere, fremde Zukunft, in der offenen Beweglichkeit von Lebensräumen im Plural, in einer Bereitschaft zum Gehen im Spannungsfeld der Beobachtung von 'Vergehendem' und 'Noch-nicht-ganz-Vergangen-Sein'. [...] der Kanon [erweist sich] in Form des Motivs "Wanderer" als gattungsübergreifendes – hier Lyrik und Prosa – Narrativ in klarer chronologisch-topographisch-logischer Struktur. Das Wandern als Bewegung in Zeit und Raum ist Modell für eine Wandlungsbereitschaft, die erst Orientierung für das Leben in der Zukunft bietet.
The "Death of Literature" will be doubted as an affirmation, but, on the other hand, it will be analysed as an effective and dynamic theme in the history of literature. Considering the "Advent of new Medias" (J. Hörisch) and with reference to J. Derrida it will be demonstrated that literature since antiguity is orientated on an not only phonetical, but also optical 'Imaginary', and it is always playing with the auto-transgressing of itself- and that consequently the audio-visual medias represent a very special challenge as they are a kind of 'fulfilling' of these intraliterary tendencies. Modern German-speaking authors react upon this new "anxiety of influence" (H. Bloom) in at least five ways: by retreating in the 'essence' of literature (askesis), by adopting various technical elements (adaptio), by historizing and 'outstripping' the medias (reductio), by pretending an anticipation of the innovations of the medias by the literature (anticipatio) and last but not least with a fight under equals, using all means (agon).
Musik einer Erinnerungspoetik : Fallstudie über deutschsprachige und hebräische Literatur nach 1945
(2004)
Nach 1945 trägt die Literatur eine neue Last. Die Frage der Repräsentation ist nun mit einer Katastrophe verbunden. Es ist eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, mit den Gegenständen der Erinnerung und des Vergessens, in der sich die Fragen der Sprache selbst - die Fragen nach dem Sinn des Schreibens, der Darstellung und der Dokumentation - neu erschließen lassen. Das Ziel dieses Aufsatzes ist es, die Poetik einer Erinnerungsarbeit in der deutschen, österreichischen und hebräischen Literatur nach 1945 zu rekonstruieren, indem die Verwendungsweise musikalischer Diskurse als Grundlage einer Erzählkunst exemplarischer Texte geprüft wird. Der Aufsatz widmet sich den folgenden Romanen: Die 'Blechtrommel' (1959) von Günter Grass, 'Malina' (1971) von Ingeborg Bachmann, 'Beton' (1982) und 'Auslöschung' (1986) von Thomas Bernhard, 'Rosendorf Quartett' (1987) und 'Der Schatten von Rosendorf' (2001) von Nathan Shacham, 'Vom Wasser' (1998) von John von Düffel und 'Die Katze und der Schmetterling' (2001) von Yoel Hoffmann.
Es sind Texte von Autoren, die den Versuch unternommen haben, sowohl die semiotischen Elemente der musikalischen Sprache als auch einen spezifischen Diskurs über Musik in die literarischen Arbeiten zu übertragen, um eine Art von poetischem Gedächtnis zu rekonstruieren. Es sind poetische Räume der Wiederholungen, in denen verdrängte und verlorene Geschichten aufgedeckt und reflektiert werden. Es ist letztlich jedoch eine infragestellende Poetik der Spuren und Anspielungen, eine Literatur der Dissonanzen, die die Katastrophe der Vergangenheit zu Wort zu bringen versucht.
Rezension zu Francine-Dominique Liechtenhan (Hg.): L'ours et le coq. Trois siècles de relations franco-russes. Festschrift für Michel Cadot. Paris (Presses de la Sorbonne Nouvelle) 2000. 286 Seiten.
Michel Cadot ist unter anderem als Germanist bekannt geworden, wie die ihm zu Ehren verfaßte Festschrift durch eine im Anhang abgedruckte Bibliographie dokumentiert, die dem umfangreichen Oeuvre Cadots gewidmet ist. Der thematische Schwerpunkt des Bandes bilden drei Jahrhunderte französisch-russischer Beziehungen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart.
Rezension zu Gabriele von Glasenapp, Hans Otto Horch: Ghettoliteratur. Eine Dokumentation zur deutsch-jüdischen Literaturgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Teil I: Rezeptionsdokumente (1), Rezeptionsdokumente (2), Teil II: Autoren und Werke der Ghettoliteratur. Conditio Judaica 53-55. Studien und Quellen zur deutsch-jüdischen Literatur- und Kulturgeschichte. Hg. von Hans Otto Horch in Verbindung mit Alfred Bodenheimer, Mark H. Gelber und Jakob Hessing. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 2005, XV, 1162 Seiten.
In der Forschung ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass dem Leser in Ludwig Tiecks "Der blonde Eckbert" (ED 1797) verschiedene Lesarten angeboten werden, die auf den ersten Blick streng voneinander getrennt scheinen, sich aber bei naherem Hinsehen als indifferent erweisen. In einem ersten Schritt soll in diesem Aufsatz eruiert werden, worin die verschiedenen Lesarten bestehen und wie sie miteinander verbunden sind, bevor eine besondere, nämlich die des (zeitgenössisch zu denkenden) Verfolgungswahns, herausgehoben und auf ihre hereditaren und kindheitsmemorialen Aspekte befragt wird; all dies unter besonderer Berücksichtigung der romantischen Allegorie, innerhalb deren die verschiedenen Lesarten angeboten werden.
So wie man sich bei der Laterna magica der Illusion einer Geistererscheinung hingeben und gleichzeitig wissen kann, daß es sich 'lediglich' um eine Darstellung handelt, so kann man auch in der Kunst zwei Ebenen des Rezipienten "separat" ansprechen: seine Sinne und seinen Verstand. Für die Literatur, in die man diese medialen Effekte nicht "tatsächlich" integrieren kann, wird die Magia naturalis zum "metaphorischen" Modell. Einer der Literaten, der diesen Transformationsproze theoretisch und praktisch durchführt, ist Jean Paul.
Im Folgenden sollen mehrere Gedichte Flemings vorgestellt werden, [...]. Anhand ihrer möchte ich einen Gemeinplatz der Forschung diskutieren, der besagt, dass Fle ming mit "verbundenen Augen gereist" sei. Damit ist gemeint, dass er seine Gedichte nur nach der literarischen Tradition ausgerichtet und dafür die Beschreibung von Natur und Menschen in Russland und Persien ausgespart habe. Dagegen werde ich einwenden, dass Flemings – unbestrittene – Ausrichtung nach der literarischen Tradition die Thematisierung der eigenen Erfahrung nicht unbedingt ausschließt. In diesem Zusammenhang lege ich mein Augenmerk auf die bisher unbeachteten Titel der jeweiligen Gedichte und zeige, dass über sie – und zwar mittels eines scharfsinnigen literarischen Bezugs auf Scaligers Epigramm-Theorie – ein direkter Bezug zu den Orten und Zeitpunkten der Reise aufgebaut wird. Dementsprechend sind die Gedichte aus dem kontrapunktischen Zusammenspiel von reisebezogenem Titel und (mehr oder weniger) reiseunabhängigen Versen zu lesen.
Die zentralen Begriffe "Kunstliebhaberei", "Geselligkeit" und "Mäzenatentum" vorab verbindlich zu klären, ist im Hinblick auf die unterschiedlichen Fragen, Methoden und Erkenntnisinteressen der Einzeldisziplinen, die sich mit Anna Amalias "Musenhof" beschäftigen, nur bedingt möglich. Die Studien dieses Bandes [- hervorgegangen aus einer Tagung des Jenaer Sonderforschungsbereichs 482 "Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800" im Jahre 1999 -] sollen jedoch Wege weisen, ihre gegenseitige Bedingtheit, aber auch ihre Eigenständigkeit stärker deutlich zu machen. [Die Studienergebnisse sowie die daraus resultierenden neuen Fragestellungen innerhalb der Forschung präsentiert Justus H. Ulbricht überblicksartig im Einleitungstext zum 2001 erschienen Tagungsband.]
Im Folgendem werden (I.) die Handlungsspielräume und Gestaltungsmöglichkeiten der weiblichen Obervormünderin und Landesadministratorin Anna Amalia umrissen. Dann wird (II.) diskutiert, welche Formen und Handlungsspielräume sie während dieser Zeit für ihre Ambitionen als Kunstliebhaberin und dilettierende Künstlerin fand. Abschließend wird (III.) die Ausgangsfrage aufgenommen - "höfische Musenpflege als weiblicher Rückzugsraum?" Es handelt sich ausdrücklich um eine Fallstudie, um den Zusammenhang zwischen Hofkultur und aufklärerischen Reformen zu thematisieren. Vergleiche müssen mangels Raum und ähnlicher Studien außen vor bleiben.
In diesem Beitrag sollen die Differenzen zwischen der Praxis und den zeitgenössischen Idealen von Geselligkeit, Mäzenatentum und Kunstliebhaberei an Anna Amalias Hof zwischen 1775 und 1807 aufgezeigt werden. Als Voraussetzung dafür wäre es wünschenswert, alle Behauptungen der ,Musenhof‘-Legende, wie sie in den Biographien und sonstigen Publikationen über Anna Amalia und ihrem Hof kursieren, ausführlich und systematisch zu widerlegen. Dies ist im Rahmen dieses Aufsatzes nicht möglich. In den ersten Abschnitten werden daher drei Elemente der historiographischen Überhöhung, die bereits für die zeitgenössische Stilisierung des Hofs zentral waren, thesenhaft bzw. anhand von einschlägigen Gegenbeispielen zurechtgerückt. Es soll gezeigt werden, daß sich (I.) Geselligkeit und Kunstliebhaberei am ,Musen-hof‘ Anna Amalias in wesentlichen Phasen nicht im politikfreien Raum bewegten, und daß (II.) die Intentionen und Wirkungen ihres Mäzenatentums sowie damit verbundene Geselligkeitskonzepte in der Forschung überschätzt wurden. Anschließend wird (III.) genauer darauf eingegangen, wie sich die Freiräume der Herzogin als kunstliebhabender Gesellschafterin in den Jahren 1790 bis 1807 verengten. Diese verengten Freiräume werden (IV.) mit den Sinnkonstruktionen kontrastiert, die Anna Amalia und ihre Zeitgenossen ihrer Tätigkeit als Gesellschafterin, Kunstliebhaberin und Mäzenin verliehen, d.h. als Fürstin, die die Rahmenbedingungen der Geselligkeit und der künstlerischen Betätigung an ihrem Hof mitgestaltete. Mit diesen Sinnkonstruktionen wurde die Praxis von Geselligkeit, Kunstliebhaberei und Kunstförderung am Hof Anna Amalias überhöht. Dabei klafften Idealisierung und Realität phasenweise beträchtlich auseinander. Die ,Musensitz‘-Vision wurde zur ,Ideologie‘, womit hier vulgärmarxistisch ein "falsches Bewußtsein" der Realität bezeichnet wird. Am Ende ihres Lebens wurde der Herzogin diese Diskrepanz selbst bewußt. Abschließend soll (V.) gefragt werden, inwieweit die spätere historiographische ,Musenhof‘-Legende an die zeitgenössischen Stilisierungen des ,Musensitzes‘ anknüpfte, die von der Herzogin und ihrem engeren Hofstaat selbst ausgingen.
Aktuelle Berichte
(2007)
Bericht über die II. Germanisten-Tagung an der Universität Tallinn (Hana Bergerová/Renata Cornejo)
Kafka in Frankenstein. Böhmische Nerven-Politik zwischen 1890 – 1938. 100 Jahre Frankenstein. Zur Geschichte einer Heilstätte zwischen den Nationen, Systemen und Disziplinen (Ekkehard W. Haring/Mirek Němec/Benno Wagner)
Zum Germanistentreffen in Hradec Králové (Lenka Vaňková)
Aktuelle Berichte
(2014)
Repräsentationen der verlorenen Heimat in der deutschsprachigen Literatur Böhmens, Mährens und Schlesiens. Internationale Tagung in Vitoria-Gasteiz, 27.-29. Juni 2013
Transnationale Repräsentationen von Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg (Deutschland - Polen - Tschechien - Slowakei). Internationale Tagung an der Universität Lille 3, 20.–22. März 2014
"Ende einer Ära. 1914 in den Literaturen der Donaumonarchie und ihrer Nachfolgestaaten". 22. Franz Werfel-StipentiatInnen-Tagung in Wien, 28.–29. März 2014
Projekt SpoluRosteme :: ZusammenWachsen :: 30 Jahre GFPS-Geschichte im Kontext der gesellschaftlichen Entwicklung in Mittel- und Osteuropa. Internationales Seminar in Ústí nad Labem, 3.–6. April 2014
Zentren und Peripherien. Deutsch und seine interkulturellen Beziehungen in Mitteleuropa. Sektion: "Macht und Ohnmacht. Hegemonialität und Marginalität in den Literaturen Mitteleuropas". IV. Kongress des MGV in Erfurt, 10.–12. April 2014
Eine "Nomadisierung der Moderne"? Interdisziplinäre Perspektiven der Interkulturalitätsforschung. Internationale Tagung am Internationalen Forschungszentrum Chamisso-Literatur an der Universität München, 26.–28. Juni 2014
"Deutsch ohne Grenzen". Tagung des Germanistenverbandes der Tschechischen Republik in České Budějovice, 16.–18. September 2014
Frieden und Krieg im mitteleuropäischen Raum. Historisches Gedächtnis und literarische Reflexion. Kolloquium der Österreich-Bibliotheken im Ausland. Tschechische Republik, 20.−27. September 2014