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Rezension zu Uta Degener u. Norbert Christi an Wolf (Hg.): Der neue Wettstreit der Künste. Legitimation und Dominanz im Zeichen der Intermedialität. Bielefeld (Transcript) 2010. 269 S.
Im Konnex der Intermedialitätsdebatte werfen die Herausgeber einleitend die Frage nach der künstlerischen Dominanz wie auch der gesellschaftlichen Legitimität distinkter Kommunikationsmedien auf, worauf auch der Fokus dieses Sammelbandes gerichtet ist.
Bernhard Pörksen, Professor für Medientheorie an der Universität Tübingen, ist Herausgeber einer in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen Anthologie. Anfangs sei erwähnt, dass Pörksen seit vielen Jahren die Dynamik des Diskurses des Konstruktivismus aktiv verfolgt. Zusammen mit Heinz von Foerster gab er das Buch Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. Gespräche für Skeptiker heraus. Zu erwähnen wäre auch ein Band mit Gesprächen Die Gewissheit des Ungewissen. Gespräche zum Konstruktivismus, in denen die Väter der Ideen des Konstruktivismus zu Wort kommen, wie der bereits erwähnte Heinz von Foerster, aber auch seine "Landsleute" Ernst von Glasersfeld und Paul Watzlawick, aber auch der Hauptmentor des Konstruktivismus Siegfried J. Schmidt, weiters Gerhard Roth, Humberto R. Maturana, Francisco J. Varela, Helm Stierlin.
Rezension zu Geert Brône u. Jeroen Vandaele (Hg.): Cognitive Poetics. Goals, Gains and Gaps. Edited by. Berlin, New York (Mouton de Gruyter). 561 S.
Der von Geert Brône (Leuven) und Jeroen Vandaele (Oslo) herausgegebene Band zeigt auf einem sehr hohen und sachkundigen Niveau, an welchen Stellen tatsächlich Skepsis angebracht ist, aber zugleich auch, dass es sich bei den 'Cognitive Poetics' um ein außerordentlich vielfältiges, interdisziplinäres und forderndes Gebiet handelt.
Boris Previšić (Hg.): Die Literatur der Literaturtheorie. Bern u. a. (Lang) 2010. S. 199.
Dieser Band markiert eine veritable Lücke in der Literaturwissenschaft und schließt sie wenigstens ansatzweise, indem er eine alltägliche Beobachtung fruchtbar macht: Bestimmte (naturgemäß genau deshalb mittlerweile kanonisierte) Autoren oder Texte haben so innovativ in die Weiterentwicklung literarischer Möglichkeiten eingegriffen oder den Lesern so elementar die Augen für Neues oder Selbstverständliches geöffnet, dass sie nicht nur in dem Umfang, wie dies für jeden beliebigen Beitrag zur Literatur gilt, sondern mit erheblicher Wirkung die Literaturwissenschaft selbst verändert haben.
Rezension zu Peter Schnyder: Alea. Zählen und Erzählen im Zeichen des Glücksspiels 1650-1850. Göttingen (Wallstein Verlag) 2009. 436 S.
Wenn man sich mit der bedeutenden Rolle beschäftigt, die der Zufall in der Literatur und Kunst des 20. Jahrhunderts von Dada über John Cage bis hin zu von Zufallsgeneratoren hergestellten Werken spielt, übersieht man leicht die gut zweihundertjährige Vorgeschichte, in der der Zufall und das untrennbar mit ihm verbundene Glücksspiel bereits durch die Literatur geisterte. Die ab der Mitte des 17. Jahrhunderts zu beobachtende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Zufall und Wahrscheinlichkeit blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Literatur - und vice versa: neue Narrative führten zur Veränderung der Sicht auf die Möglichkeiten der Vorhersehbarkeit der Zukunft. Das Glücksspiel wurde zum gängigen Motiv in literarischen Texten, und auch die formale Ebene (Handlungsführung, Erzählweise u. ä.) blieb von den Überlegungen zu den Geheimnissen des Weltlaufs nicht unberührt. In seiner Züricher Habilitationsschrift widmet sich Peter Schnyder eben der Frage, wie die Glücksspielmetapher "zu einer der zentralen (Des-)Orientierungsmetaphern der Moderne" und zum Inbegriff des Irrationalen und Abenteuerlichen wurde, sowie der durch die verstärkte Kontingenzerfahrung ausgelösten Krise des Erzählens.
Der Band Grundfragen der Literaturwissenschaft. Theorien, Methoden, Tendenzen. Teil I. von Roman Mikuláš und Andrea Mikulášová ist ein Einführungswerk in die Literaturwissenschaft, wie sie sich in den deutschsprachigen Ländern entwickelte. Auf dem deutschen Buchmarkt gibt es schon mehrere ähnliche Publikationen, die eine Einführung in die Literaturwissenschaft zu vermitteln versuchen. Der Band von Roman Mikuláš und Andrea Mikulášová unterscheidet sich jedoch in mehreren Punkten. Die Betonung auf germanistische Literaturwissenschaft stellt eine Eingrenzung dar, die sich als sehr interessant erweist. Die einzelnen Philologien entwickeln freilich ihre eigenen theoretischen Ansätze. Sie rezipieren auch theoretische Zugänge aus anderen Philologien oder Disziplinen unterschiedlich. Diese Tatsache wird in den meisten Einführungen in die Literaturwissenschaft nicht genügend berücksichtigt (inklusive der den einzelnen Philologien gewidmeten). Der vorliegende Band erfasst gerade diese Besonderheiten der germanistischen Literaturwissenschaft auf empfindsame Art und Weise.
The reviewed tome gathers 25 studies written by Germanists, historians and German, Austrian, Romanian, Czechoslovak and Hungarian writers. These studies are focused onto the German literature in the South-Western Europe and aim to reveal the background in which various prosperous literary center appeared in several regions of the above mentioned geographic area, but also the characteristic features, the main ways of development and the contribution of some outstanding
personalities.
This article is a critical presentation of the study Der Zauber des fernen Königreichs. Carmen Sylvas Pelesch-Märchen/Farmecul regatului îndepãrtat. Poveştile Peleşului, (The Magic of the Faraway Kingdom. Carmen Sylva’s Tales of the Pelesh), edited at the Ibidem publishing house in Frankfurt this year. The author proves that – contrary to some opinions in current literary criticism, according to which the works of the queen poet were but recorded and retold Romanian folk tales and legends – Carmen Sylva’s writings are personal works with intrinsic literary value, where themes and motifs from the folklore and mythology or from the Romanian and occidental literature are used only as pre-texts. Silvia Zimmermann’s merit is a significant one, namely that of rediscovering Carmen Sylva who has not only been a creator, but also an important mediator between the Romanian and the German culture.
This review presents Delia Cotârlea’s monography Schreiben unter der Diktatur. Die Lyrik von Anemone Latzina / Writing under Dictatorship The Poetry of Anemone Latzina. In her study, the Romanian Germanist analyses the poetry and the translation work of the Romanian-born German author Annemone Latzina. Delia Cotârlea’s monography comprises a lot of new information, picked up from unpublished diaries, from chronicles published in the print media etc.
Rezension zu Konrad Meisig (Hg.): Ruhm und Unsterblichkeit. Heldenepik im Kulturvergleich. Wiesbaden (Harrassowitz) 2010. VII u. 194 S.
Es ist erstaunlich, wie schmal die neuere Forschungsliteratur zu jenem literarischen Genre ist, das bis ins 18. Jh. die Dignitätsrangliste der Gattungen anführte: das Epos. Wenngleich dieser Terminus mit den Spielarten Lehrgedicht, geistliches oder allegorisches Epos, mock-heroic u. a. deutlich mehr Optionen umfasst, assoziiert die Literaturgeschichte doch zumeist das sogenannte Heldenepos. So war es eine sinnvolle und zugleich lückenfüllende Initiative, im Sommersemester 2007 eine Ringvorlesung an der Universität Mainz der Heldenepik im Kulturvergleich zu widmen. Die zwölf Beiträge des Sammelbandes sind denn auch grundsätzlich nach dem Maß einer Vorlesung dimensioniert. Sie sind chronologisch angeordnet und behandeln einerseits "gesetzte", kanonische Texte der Heldenepik wie die Werke Homers und Vergils, andererseits aber wenig bekannte Paradigmen aus außereuropäischen Literaturen bzw. exzentrischere Beispiele, an denen sich die Spannbreite des Heroisch-Epischen beweist.
Rezension zu Martin Schüwer: Wie Comics erzählen. Grundriss einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen Literatur. Trier (WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier) 2008 (= WVT-Handbücher und Studien zur Medienkulturwissenschaft; Bd. 1). 574 S.
Mit seiner 2006 an der Universität Gießen eingereichten Dissertation, die hier in der Druckfassung vorliegt, hat sich der Verf. nicht weniger zum Ziel gesetzt als die Formulierung einer "modifizierten Erzähltheorie, mithin einer Theorie nicht mehr des sprachlichen, sondern des visuellen Erzählens" anhand des Mediums Comic.
Das Thema Krieg und Gewalt hat in den vergangenen zwei Dekaden in den verschiedenen kulturwissenschaftlichen Disziplinen eine neue Aufmerksamkeit erlangt. Der Schwerpunkt lag dabei vor allem auf den Kriegen der Moderne und Gegenwart, während Gewalt in ihren verschiedenen Erscheinungsformen einen Untersuchungsschwerpunkt der Frühneuzeitforschung bildet. Der hier vorzustellende interdisziplinäre Sammelband, der aus einer Sektion des Konstanzer Historikertages von 2006 hervorgegangen ist und um drei Aufsätze erweitert wurde, positioniert sich an der Schnittstelle dieser beiden Forschungsfelder Krieg und Gewalt und bietet durch die Fokussierung auf visuelle Repräsentationen zugleich eine Öffnung der Geschichtswissenschaften hin zu bildwissenschaftlichen Fragestellungen. Damit leistet er einen wichtigen Beitrag zur frühneuzeitlichen Kriegsgeschichte und ihren bildlichen Darstellungen im Medium der Sprache und der Bilder, einem besonders in der deutschsprachigen Forschung nach wie vor zu wenig beachteten Thema. ...
Das vorliegende Buch von Anne Kolb (Zürich) und Joachim Fugmann (Konstanz) beinhaltet eine Sammlung von 58 Grabinschriften aus der Stadt Rom samt den dazugehörigen Monumenten, die als „charakteristische Beispiele ihrer Gattung“ (9) fungieren und einen Überblick über die ganze Bandbreite römischer Inschriftenkultur liefern. Reich bebildert und mit ausführlichen Begleittexten versehen erfüllt das Werk gleich zwei grundlegende Funktionen: Zum einen kann es vom Leser als Handbuch genutzt werden, um sich – auf fachlich hohem Niveau und unter Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes – gezielt über einzelne Monumente zu informieren. Zum anderen gewährt es, bei einer zusammenhängenden Lektüre, tiefe Einblicke in die facettenreiche Sozialgeschichte der römischen Republik und Kaiserzeit. ...
Rezension zu: Sternkopf, Viviane 2011: Molecular Analysis in sea gulls (Laridae) to reveal genetically relationship and phylogeographic differentiation.
Vogelwarte 49: 175-177.
Dissertation an der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald, Mathematisch- Naturwissenschaftliche Fakultät, durchgeführt
am Deutschen Meeresmuseum in Stralsund und dem LUMC in Leiden (Niederlande), betreut von Dr. Dorit Liebers-Helbig,
Prof. Peter de Knijff und Prof. Klaus Fischer
Das lakedaimonische Reich und seine hegemoniale Stellung standen oft im Fokus der historischen Forschung, während die übrigen Staaten auf der Peloponnes weniger Berücksichtigung in der wissenschaftlichen Diskussion fanden. Seit den letzten Jahren existiert zwar eine Vielzahl an Detailstudien zu einzelnen peloponnesischen Poleis, allerdings wird in ihrer Darstellung der in den Quellen vorherrschenden Perspektive Spartas Folge geleistet. Das Beziehungsgefüge der Mittel- und Kleinstaaten untereinander ist bislang nicht näher untersucht worden. In der hier zu besprechenden Dissertation "Sparta und die peloponnesische Staatenwelt in archaischer und klassischer Zeit" ändert die Autorin Christina Wolff den bisher vorherrschenden Blickwinkel. ...
Die allzu berühmte römische Wölfin gehört einer Gruppe von Bronzeplastiken an, deren Überleben dem Umstand geschuldet ist, dass sie im Mittelalter am römischen Lateranpalast, der Papstresidenz, ausgestellt waren, bevor sie 1471 bzw. 1538 auf das Kapitol und somit in den Besitz der römischen Kommune gelangten. Seit ihrer Restaurierung bei Ende der neunziger Jahre wurden erste Zweifel laut, ob es sich bei dieser lange Zeit der etruskischen Kunst zugeordneten Tierfigur tatsächlich um einen antiken Bronzeguß handeln könne. Die italienische Archäologin Anna Maria Carruba hat diese Skepsis in ihrer Monographie La Lupa Capitolina: un bronzo medievale im Jahre 2006 zu der vor allem auf technische Befunde gestützten These verdichtet, die Lupa sei zwischen dem 9. und 15. Jahrhundert entstanden. Gerade aufgrund stilistischer Erwägungen stieß diese Vermutung bei den italienischen Archäologen auf nachdrückliche Vorbehalte. Mit dem hier anzuzeigenden, unter reißerischen Titel und gleich auf zwei Sprachen daherkommenden Band mischt sich nun auch die überwiegend in Deutschland verankerte Forschung in diese Diskussion ein. ...
Regulierte Selbstregulierung ist ein Modus der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Sie findet statt, wenn gesellschaftliche Selbstorganisation einen Verbund mit staatlicher Steuerung eingeht. Nichtstaatliche Formen der Normsetzung, der Normdurchsetzung, der Kontrolle und der Konfliktentscheidung treten in mannigfachen Kombinationen mit staatlicher Rahmen- und Detailgesetzgebung, staatlicher Aufsicht, staatlicher Finanzierung und administrativer Mitbestimmung auf. Gesellschaftliche Partikularinteressen und staatliche Steuerungsambitionen amalgieren in Kooperation und Konflikt zu vielfältigen Ausdrucksformen von »Gemeinwohl«. Der Staat instrumentalisiert gesellschaftliche Expertise, gesellschaftliche Initiative und gesellschaftliche Mobilisierungsfähigkeit für seine Zwecke, nichtstaatliche Akteure wiederum nutzen das staatliche Handlungspotential und staatliche Finanzmittel, um eigene Koordinationsprobleme oder Ressourcenengpässe zu bewältigen. – Dieser bunte Karneval der Regelungskulturen ist Teil unserer Rechtsordnung. Seine Geschichte kann aber weder von den historischen Erzählplots der sich über das Privatecht selbst regulierenden bürgerlichen Gesellschaft angemessen erfasst wird noch von jenen, die die Herausbildung eines alle Machtmittel monopolisierenden Staatswesens in den Mittelpunkt stellen. Dieser Komplex bedarf vielmehr einer historischen Bearbeitung, die die Verflechtungen, Übergänge, Hybridisierungen und Ambivalenzen in den Mittelpunkt rückt. ...
Rezension zu Gerigk, Horst-Jürgen: Ein Meister aus Russland. Beziehungsfelder der Wirkung Dostojewskijs. Vierzehn Essays. Heidelberg (Winter) 2010. 215 S.
Gerigk vereinigt vierzehn Essays zu Dostoevskij, darunter drei Erstpublikationen und elf Bearbeitungen von Veröffentlichungen der Jahre 1981 bis 2006. Texte Dostoevskijs kommunizieren mit solchen von Turgenev, Heidegger, Schiller, E.T.A. Hoffmann, Faulkner, Flaubert, Hauptmann, Salinger, Joyce, Sylvia Plath und anderen.
"A landmark series" – ein Meilenstein also, nicht weniger, soll die neue dreizehnbändige Oxford History of the Laws of England sein, will man den Worten der Oxford University Press Glauben schenken. Was wie vollmundige Verlagswerbung klingt, mag indes mehr Wahrheit in sich bergen als erwartet. Schon der erste erschienene, von Sir John Baker verfasste Band zur frühen Tudorzeit war eine meisterhafte Synthese der rechtshistorischen Forschung der letzten vierzig Jahre, die umfassende Darstellung, die man sich von dem Doyen der englischen Rechtsgeschichte seit langem erhofft hatte. Angesichts dessen schien es allerdings eher unwahrscheinlich, dass die nachfolgenden Bände diesen hohen Standard würden halten können, vor allem diejenigen, die das 19. Jahrhundert zum Gegenstand hatten: Während sich die Anstrengungen der Disziplin in den letzten Jahrzehnten darauf konzentriert hatten, nach der traditionell gut erforschten mittelalterlichen Rechtsgeschichte auch die frühe Neuzeit in den Blick zu nehmen, stellte die Geschichte des englischen Rechts in der Moderne im Großen und Ganzen eine terra incognita dar. Nicht nur, dass die Lehrbücher die Entwicklungen nach der Glorious Revolution weitgehend aussparten, auch waren sie weitgehend auf eine Dogmen- und Institutionengeschichte des englischen Rechts fixiert und blendeten soziale und ökonomische Aspekte gänzlich aus. ...
Die Kommunikation der Verwaltung mit dem Bürger ist nach heutigem Verständnis der Verwaltungsrechtswissenschaft eines ihrer zentralen Themen. Aus verschiedenen Gründen – u. a. der Entwicklung der Grundrechtsauslegung in Schrifttum und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der Zunahme komplexer Verwaltungsentscheidungen, der Entdeckung bzw. Förderung von Kommunikation als Steuerungsfaktor, wachsender gesellschaftlicher, aber auch staatlicher Sensibilität für die Bedeutung von Informationen – haben die deutschen Gesetzgeber ein Verwaltungskommunikationsrecht herausgebildet. Die Entwicklung eines eigenen Fachrechts im Fächer des Besonderen Verwaltungsrechts ist bemerkenswert, da die Kommunikationsformen (Anhörung, Akteneinsicht, Auskunft, Begründung, Kontakte aufgrund Amtsermittlung) zum Verwaltungsverfahren ressortieren und dem Verfahren im deutschen Recht traditionell ein nur geringer Eigenwert zugeschrieben wird. Man denke nur an die §§ 45, 46 VwVfG. ...
Seit den 1990er Jahren erlebt das brasilianische Zivilrecht eine Erneuerung, deren entscheidende Impulse auf Auseinandersetzungen über Prinzipien, Struktur und rechtspolitische Bedeutung einer neuen Zivilrechtskodifikation zurückgehen. Die Diskrepanz zwischen der demokratischen Verfassung von 1988 und einem aus der Zeit der Militärdiktatur stammenden Kodifikationsentwurf löste bei seiner Inkraftsetzung 2003 eine Reihe von historischen und methodischen Fragen aus, die die Diskussion in Brasilien noch heute beherrschen. Nicht zufällig bilden Fragen zum Verhältnis von Privatrecht und Verfassung, zu Zielen und Grenzen privatrechtlicher Systembildung durch Kodifikation sowie zum funktionalistischen Zugriff auf Eigentum und Vertrag Schwerpunkte der brasilianischen Literatur. ...
Aus der Sicht der deutschen Innenpolitik ist heute kaum eine andere inter-nationale Relation so brisant wie das Verhältnis zwischen Türken und Deutschen. Nicht erst seit Sarrazins Buch wird die Herausbildung und strukturelle Verfestigung einer neuen Kategorie des "Inländers", der Kategorie des "Deutschtürken", mit großem Argwohn betrachtet. Aber Sarrazin hat diesen Argwohn angeheizt, indem er das Thema in einer Weise angesprochen hat, die den Maximen der obwaltenden Medien- und Jetzt-rede-ich-Gesellschaft entspricht. Seither wird so laut auf "Klärung" gedrungen, dass selbst auf Verdrängung programmierte Ohren den Ruf nicht überhören können. Die Politik reagiert, will Gutes bewirken oder wenigstens die Scherben zusammenkehren und ruft sich selbst zur "integrationspolitischen" Ordnung. Man kündigt eine neue Offensive an, die sich reibungslos in das Netz der zahllosen Offensiven einfügt, die auf allen möglichen Feldern in unserer Offensivenzeit unternommen wurden und noch kommen werden. Dass die integrationspolitischen Blaupausen, die da entstehen sollen, eigentlich gar nicht von Integration im strikten Sinne, sondern von Assimilation handeln, spielt keine Rolle. Falsa demonstratio non nocet. Unterscheidungen stören nur, und "Multi-Kulti" ist tot, wie jeder weiß oder wissen müsste. ...
Rezension zu Klimek, Sonja: Paradoxes Erzählen. Die Metalepse in der phantastischen Literatur. Paderborn (mentis) 2010 (= Explicatio. Analytische Studien zur Literatur und Literaturwissenschaft). S 442.
Sonja Klimek versucht in ihrer Arbeit, die im Jahr 2009 als Dissertation an der 'Université de Neuchâtel' angenommen wurde, eine - wie sie ihre Einleitung betitelt - "Annäherung an ein (nicht nur) literarisches Phänomen": die Metalepse.
Rezension zu Theisohn, Philipp: Plagiat. Eine unoriginelle Literaturgeschichte. Stuttgart (Kröner) 2009. 591 S.
Eine "Mentalitätsgeschichte" verspricht Philipp Theisohn in seiner Einleitung - "sie enthüllt nicht, sondern beobachtet vielmehr, wie sich Enthüllungen und Verhüllungen von Textvergehen im Laufe der Jahrhunderte entwickeln." (XII). Es gilt zu wissen, "in welcher Weise, unter welchen Umständen, zu welcher Zeit und mit welchen Folgen der Mensch auf die Vorstellung des Plagiats verfällt." (XIII) Auf dem Weg durch die Literaturgeschichte hin zu diesem Wissen sollen drei Thesen überprüft werden (3):
1. Zu einem Plagiat gehören immer drei Beteiligte: ein Plagiierter, ein Plagiator und die Öffentlichkeit.
2. Plagiate entstehen dadurch, dass man sich von ihnen erzählt.
3. Plagiate verhandeln grundsätzlich ein "inneres" Verhältnis von Text und Autor.
Rezension zu Elisabeth Arend, Elke Richter u. Christiane Solte-Gresser (Hg.), Mittelmeerdiskurse in Literatur und Film / La Méditerranée: représentations littéraires et cinématographiques. Frankfurt am Main (Peter Lang) 2010 (= Mittelmeer: Literaturen - Kulturen, hg. von E. Arend u. E. Richter, Bd. 2). 317 S.
Das Buch von Joachim Ehlers enthält der Zielsetzung der Reihe "Wissen" entsprechend eine relativ kurze und kompakte monographische Darstellung des Hundertjährigen Krieges, bei der die Aufgabe der Wissensvermittlung im Vordergrund steht. Damit hat es für deutsche Leser dieselbe Funktion, die in Frankreich die in einem sehr ähnlichen Format erscheinenden Bände der Reihe "Que sais-je?" erfüllen. Dort wurde eine vergleichbare Darstellung des Hundertjährigen Krieges von Philippe Contamine (La guerre de Cent ans, 9. aktualisierte Auflage, Paris 2010) veröffentlicht. ...
[Rezension zu:] Wilhelm Amann, Georg Mein u. Rolf Parr (Hg.): Gegenwartsliteratur und Globalisierung
(2011)
Rezension zu Wilhelm Amann, Georg Mein u. Rolf Parr (Hg.): Gegenwartsliteratur und Globalisierung. Konstellationen - Konzepte - Perspektiven. Heidelberg (Synchron) 2010. 360 S.
Der vorliegende Band ist das Ergebnis der Tagung "Globalisierung und deutschsprachige Gegenwartsliteratur. Konstellationen, Konzepte, Perspektiven" im Dezember 2008 an der Universität Luxemburg. Wie bei einem solchen Projekt zu erwarten, bietet der Band einen (durchaus positiv zu wertenden) inhomogenen Einblick in den aktuellen Stand der Forschung zum "Konzeptschlagwort" Globalisierung.
Rezension zu Egon Schwarz: (Mit) Schwarz lesen: Essays und Kurztexte zum Lesen und Gelesenen. Hrsg. v. Jacqueline Vansant. Wien: Praesens, 2009, Egon Schwarz: Unfreiwillige Wanderjahre. Auf der Flucht vor Hitler durch drei Kontinente. München: Beck, 2009 und Ursula Seeber/Jacqueline Vansant (Hrsg.): Schwarz auf Weiß. Ein transatlantisches Würdigungsbuch für Egon Schwarz. Wien: Czernin, 2007
Rezension zu: Michalik, Andreas 2011: Foraging and sexual segregation in a diving seabird, the Imperial cormorant Phalacrocorax atriceps,
during contrasting environmental conditions. Vogelwarte 49: 29-30.
Diplomarbeit an der Universität Osnabrück, Experimentelle Ökologie betreut durch Prof. Dr. Till Eggers und am Max-Planck-
Institut für Ornithologie, Vogelwarte Radolfzell betreut durch Dr. Petra Quillfeldt
Rezension zu Eckart Goebel u. Elisabeth Bronfen (Hg.), Narziss und Eros. Bild oder Text? Göttingen (Wallstein Verlag) 2009. (= Manhattan Manuscripts, hg. von Eckart Goebel, Paul Fleming u. John T. Hamilton, Bandnummer: 2), 302 S.
'Narziss und Eros', Band 2 der 'Manhattan Manuscripts', die Eckart Goebel mit Paul Fleming und John T. Hamilton herausgibt, setzt literaturhistorisch bei Ovids Fassung des Narziss-Mythos an und geht zeitgemäß - kontextgebunden - einen großen Schritt über Freud hinaus. Anstatt sich an den Ungereimtheiten, Spannungen und Widersprüchen der Ausführungen Freuds abzuarbeiten, legt der Band ohne viel Aufhebens die Kriterien narzisstischer Persönlichkeitsstörung nach dem Diagnoseklassifikationssystem DSM-N ('Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders', Fourth Edition) der American Psychiatrie Association zugrunde, holt Eros in den Titel und bringt damit (Un)Ordnung in Ovids und Freuds Ordnungen der Geschlechter.
Der Sammelband enthält die Vorträge einer altertumswissenschaftlichen Tagung, die unter gleichem Titel am Freiburger Antike-Zentrum (dort auch "Antikenzentrum" genannt) stattfand und an der Historiker, Kirchenhistoriker, Philologen und Philosophen teilgenommen haben. ...
Hartmut Leppin dokumentiert exemplarisch das Eindringen christlichen Geistes in das traditionelle Kaiserbild. ...
Auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Gibt es für Historiker etwas Banaleres als Schuhe, um den Charakter des Nationalsozialismus zu entschlüsseln? Geht das überhaupt? Ja, es geht, und es geht sogar ganz großartig, jedenfalls wenn man so viel Einfallsreichtum, Sorgfalt und Mühe aufwendet wie Anne Sudrow, die dafür 2010 zu Recht mit dem Preis des Historikerverbandes ausgezeichnet worden ist. ...
Rezension zu Georg Herwegh: Werke und Briefe. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe. Hg. von Ingrid Pepperle in Verbindung mit Volker Giel, Heinz Pepperle, Norbert Rothe und Hendrik Stein. Band 5: Briefe 1832-1848. Bearbeitet von Ingrid Pepperle. Bielefeld: Aisthesis, 2005. Band 6: Briefe 1849-1875. Bearbeitet von Ingrid und Heinz Pepperle. Bielefeld: Aisthesis, 2010.
Rezension zu Michael Niehaus: Das Buch der wandernden Dinge. Vom Ring des Polykrates bis zum entwendeten Brief. München (Hanser) 2009. 406 S.
"Die Geschichte eines wandernden Dinges kann dazu bestimmt werden, das Ding mit Bedeutung zu beladen, zu befrachten. Doch was geschieht mit dieser akkumulierten Bedeutung, wenn die Geschichte am Ende ist?"(159), fragt Michael Niehaus mitten in seiner groß angelegten Studie zu wandernden Dingen in Literatur und Film.
Rezension zu Robert Matthias Erdbeer: Die Signatur des Kosmos. Epistemische Poetik und die Genealogie der Esoterischen Moderne. Berlin, New York (de Gruyter) 2010 (= Studien zur deutschen Literatur, Bd. 190). 766 S.
Friedrich Schlegels Würdigung der schriftstellerischen Leistungen Georg Forsters bietet Anlaß zur einleitenden Exposition des Themas dieser groß angelegten Studie, einer Tübinger Dissertation, die qualitativ wie quantitativ den Vergleich mit Habilitationsschriften bestens aushält: In den Blick rücken Schreibweisen, die inhaltlich zwar auf die Vermittlung von Wissen über die Welt, insbesondere über die Natur, abzielen, damit aber ästhetische Merkmale und Arrangements verbinden, die sie der literarischen Sphäre naherücken lassen.
Im Jahre 2010 wurde von Petra Besedová und Lenka Maryšková ein literarisches Lexikon herausgegeben. Dieses Sammelwerk konzentriert sich auf die deutschsprachige Literatur für Kinder und Jugendliche, dabei werden sowohl ältere als auch moderne Autoren und ihre Werke vorgestellt. In keiner der bisher veröffentlichten tschechischen und slowakischen Publikationen dieser Art wurde diese Problematik in einem so großen Umfang erarbeitet. Die Leser erhalten mit Hilfe dieses Lexikons wichtige Informationen über Leben und Werk der bedeutendsten, aber auch weniger bekannten deutschsprachigen Schriftsteller für Kinder und Jugendliche.
Die Autorin der vorliegenden Monographie gehört zu der jüngeren Generation slowakischer Germanisten, die sich systematisch der Forschung deutschsprachiger Kinder und Jugendliteratur widmet. Im Rahmen ihrer Forschung orientiert sie sich auf literaturtheoretische und literaturhistorische Aspekte der Literatur für Kinder in den deutschsprachigen Ländern.
Das Buch "Qualitative Evaluation" zeigt Schritt für Schritt die Vorgehensweise und stellt damit in sehr anwendungsorientierter Form das Handwerkszeug für eine qualitative Evaluation zur Verfügung. So werden Lesende in die Lage versetzt, eine solche Evaluation auch bei geringen Vorkenntnissen durchzuführen, wobei damit das Risiko verbunden sein kann, dass bei der Interpretation der Befunde wichtige Voraussetzungen für das Gelingen einer qualitativen Studie wie Verwurzelung der Interpretation im tatsächlich aufgezeichneten Text vernachlässigt werden.
Kürzlich ist ein weiterer Band der Reihe „Beiträge zur Araneologie“ veröffentlicht worden, der sechste. Der erste Band dieser Reihe ist vor zwanzig Jahren erschienen; er behandelte die Spinnen der Makaronesischen Inseln. Der Titel des neuen Bandes ist mit dem letzten Band – Fossil and extant spiders – nahezu identisch. Der neue Band enthält 23 Teile. Diese sind sehr unterschiedlich hinsichtlich ihres Umfangs und ihres Inhalts. 18 davon sind wissenschaftliche Arbeiten, Jörg Wunderlich ist Autor von 17 Beiträgen, einer wurde in Zusammenarbeit mit Christa Deeleman-Reinhold erstellt. Die übrigen 5 Teile sind in gewisser Weise technischer Art: (1) Einleitung, Methode, Danksagung, Material betreffend den gesamten Band; (2) Berichtigungen zu Band 5; (3) Liste supragenerischer Taxa von Band 6; (4) Liste der Bücher des Joerg-Wunderlich-Verlags und (5) die Farbfotos. Alle Artikel des vorliegenden Bandes sind in englischer Sprache verfasst.
Dies ist keine Gefälligkeitsbesprechung, dies ist, mehr noch, eine Jubelanzeige, handelt sie doch von einer Jubilarin und zwei Jubiläen. Der Unterzeichnende – oft genug hat er mit scharfer Rezensentenklinge gefochten – darf eine Kollegin rühmen, die nach ihrer Pensionierung als Forschungsdirektorin am C.N.R.S. 2011 in Bourges mit einem internationalen Kongress geehrt wurde (Église et État, Église ou État? Les clercs et la genèse de l’État moderne) und die in den letzten Jahren als Summa ihrer Forschungen zum großen abendländischen Schisma gleich drei Bände vorlegen konnte, von denen zwei wiederum Konzilien jener Zeit mit Jubiläumsdatum galten: So gab Hélène Millet 2009 die Akten einer Tagung heraus, die, wesentlich von ihr konzipiert und organisiert, im Jahr zuvor aus Anlass des sechsten Centenariums des Konzils von Perpignan an ebendiesem Ort stattgefunden hatte 1 . Damit rückte sie jene Synode Benedikts XIII. gegen das anstehende und ihn bedrohende Pisanum in klareres Forschungslicht, die im Deutschen seit der Edition ihrer Akten durch Franz Ehrle (1889/1900) als "Afterconcil von Perpignan" allenfalls randhaft zur Kenntnis genommen wurde. H. Millet hat danach selbst noch wiederholt zu Inhalt und Ertrag dieses Kolloquiums Stellung genommen, so schriftlich in "cristianesimo nella storia" (29, 2008, S. 219–229) und mündlich im Rahmen einer Tagung über den "Languedoc médiéval" im Februar 2011 in Montpellier. 2009 war zudem das Jahr, in dem sie unter dem Titel "L’Église du Grand Schisme 1378–1417" eine Auswahl ihrer – meist frankreichzentrierten – Studien zur Kirchenspaltung vorlegte 2 . Immer wieder lassen sie ihre Kompetenz im prosopographisch-biographischen Bereich und damit auch ihre – computergestützten – Erfahrungen in der Kanoniker- und Kapitelforschung aufscheinen, aus denen wiederum das von ihr inspirierte und mittlerweile wohletablierte Unternehmen der Fasti Ecclesiae Gallicanae großen Nutzen gezogen hat und zieht. ...
Es ist schon erstaunlich: Da richtet ein Verlag eine sich ausschließlich an Fortgeschrittene wendende Reihe ein, vertreibt die über recht spezielle Themen handelnden Bände zu für Privatleute prohibitiven Preisen zwischen 100 und 160 Euro und kann dennoch innerhalb von nur vier Jahren (bis Sept. 2010) nicht weniger als 23 Publikationen vorlegen. Offensichtlich rechnet sich das bei einem international agierenden und mit den "Companions" wohl primär auf wissenschaftliche Bibliotheken zielenden Haus: eine gute Sache bei selbst für diese Institutionen schlechtem Preis. Ob es – bei einer bisherigen gewissen Schwerpunktsetzung in Spätmittelalter und Früher Neuzeit – um theologische Quodlibeta im 13. und 14. Jahrhundert, um Wyclif und Gerson oder um katholische Aufklärung geht, stets enthalten die Bände acht bis fünfzehn Beiträge einschlägig ausgewiesener Autoren samt Einführung, (teilweiser) Konklusion und Auswahlbibliographie der Herausgeber. Jedes Buch soll die Summe des Forschungsstands darstellen, und recht selbstbewusst spricht man im Untertitel der Reihe von "A series of handbooks and reference works". ...