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Die zuerst als Ansprache bei einem Festakt der "Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden" formulierten Bemerkungen beziehen Überlegungen zu den kulturellen Folgen von Schrift und zu den Wachstumsschüben schriftlich gespeicherten Wissen auf die Institution der Bibliothek. Sie skizzieren deren kulturelle Gedächtnisfunktionen und leiten daraus auch Prinzipien des Verhältnisses von Bibliothek und Wissenschaft bzw. Universität ab.
Dort (…), wo (…) von der politischen Seite der Universitäts- und Wissenschaftsdebatten sowie von aktuellen rechtlichen Neuregelungen die Rede (…) [ist], wo es mehr um Beliebigkeit (…) [geht] als um ernsthafte und notwendige Veränderung: Dort (...) [zeigen] sich Diskurse und Entscheidungen als Ausdruck einer Politik, die in ihrer derzeitig hegemonialen Form den Prinzipien von Bildung und Wissenschaft in Wahrheit befremdet gegenübersteht. Eine Fortsetzung dieser Politik würde die Freiheit von Forschung und Lehre gefährden können und sie würde in den Universitäten und in der universitären Wissenschaft nicht weniges von dem verkümmern lassen, was Vorraussetzungen für ihren gesellschaftlich notwendigen Beitrag zum öffentlichen Gebrauch der Vernunft ist.
Kippfiguren : Erzählmuster des Schwankromans und ökonomische Kulturmuster in Strickers „Amis“
(2007)
Jede Dichotomie von Affirmation und Negativierung, von Ordnungsentwurf und Kontingenz unterbietet (...) die spannungsreiche Komplexität des Textes. Und man kann dies sehen, wenn man den Aufbau des ‚Pfaffen Amis’ aus unterschiedlichen Erzählkomplexen ernst nimmt, wenn man die Differenzen ihrer Handlungsordnung und narrativen Prinzipien beachtet, und wenn man von daher Relationen neu durchdenkt. (...). Der primäre Handlungsantrieb des Pfaffen Amis ist (...) nicht Besitzgier, sondern im Gegenteil die auf Dauer gestellte entdifferenzierende Verschwendung der Reichtümer im ‚milten’ Statuskonsum. In der Schwankhandlung tritt (...) ein zielgerichtetes Interesse [zutage]: die Kontinuität der Freigiebigkeit. Sie aber konstituiert ein endloses Fest in Tranis als dauerhafte Besiegelung dauerhafter Ordnung. (...) Freilich sind die Vorder- und die Rückseite repräsentativen Handelns, das Karriere-Syntagma in Tranis und das Schwank-Paradigma, nicht allein auf der Handlungsebene funktional zusammengeschlossen. Der Stricker entdeckt zwischen ihnen auch strukturelle Differenzen, und in denen zeigt sich die Welt der Erzählung als eine Kippfigur. Deren beide Seiten, die Bühne und die Freigiebigkeit und Statuskonsum einerseits, die Hinterbühne des betrügerischen Besitzerwerbs in der Schwankreihe andererseits, existieren sozusagen synchron, sie sind funktional verkoppelt, und sie gehören doch ganz verschiedenen Ordnungen an. (...) [So entdeckt der Text] die Knappheit jener Ressourcen, die Voraussetzungen aller Freigiebigkeit [ist], zeigt (...) jene Begrenztheit von Reichtümern, welche die idealisierenden literarischen Entwürfe feudaler Konsoziation (...) gerade ausblenden.
‚Institutionalität’ als leitender Konzeptbegriff zielt in dem hier gemeinten Sinn nicht auf eine Analyse von ‚Institutionen’ als historische Entitäten im Sinne von einzelnen ‚Organisationen’, ‚Körperschaften’, ‚Anstalten’. Es geht vielmehr um etwas, das sich das ‚Institutionelle’ an gesellschaftliche Strukturen des Kommunizierens und Handelns analysieren läßt: Formen der Geltungssicherheit und Stabilisierung, die in sozialen Ordnungen auch gewissermaßen ‚unterhalb’ der Ebene von durchgebildeten Organisationen oder Institutionen (im traditionellen Wortsinne) wie Ehe, Kirche, Staat, Universität usw. begegnen. (...)
Wenn man (...) fragte, welche Mechanismen es sind, die im Gegenzug zu (...) institutionellen Ungesichertheiten das Gelingen literarischer Kommunikation und die Wiederholbarkeit ästhetischer Rede am Hof gleichwohl möglich oder wahrscheinlich gemacht haben mochte, dann könnten jene Momente der Texte in den Vordergrund treten, von denen die folgenden Untersuchungen gleichfalls handeln: (...) [D]as [also], was (...) [Strohschneider] einmal die ‚Formiertheit’ höfischer Texte zu nennen versuchte. Gemeint sind Textmerkmale wie Schemata oder Topiken, welche die Rede gegenüber der Kontigenzen des Okkasionellen stabilisieren, welche kommunikative Wiederholbarkeit und Wahrscheinlichkeit von Dichtung dort produzieren, wo entsprechende außertextliche Institutionen noch fehlen.
New Philology: Das ist zunächst ein Schlagwort gegenwärtiger mediävistischer Methodendiskussion, und fast möchte man meinen, es hätte noch prägnanter formuliert werden können, wenn man etwas auf eine Bildung in Analogie zu anderen kurrenten ‚New-isms’ – New Medievalism (…) oder New Historicism (…) etwa – verfallen wäre: ‚New Philologism’. (…) Als Interdependenz (…) [einer] relativ situationsabstrakten ‚Formiertheit’ der poetischen Rede und der spezifischen situationellen variance des Textes (…) müsste man die soziale, also kommunikative Logik des mittelalterlichen Textes rekonstruieren können. Dabei dürfte dann auch sichtbar werden, daß die ‚Schließung’ des Textes nicht nur eine Generalisierung und Anonymisierung von poetischen Kommunikationssituationen voraussetzt (…) Sondern es könnte sich dann auch zeigen, daß an die stabile soziale Institution des Autors sowie an generalisierte und anonymisierte Kommunikationsverhältnisse gebundene und daher weitgehend invariante Text fortschreitend verzichten kann (…) auf jene Formierungen der literarischen Rede, welche unter den Voraussetzungen okkasioneller poetischer Kommunikation die Bedingung ihrer Möglichkeit waren. Der Text und seine Textualität sind dann etwas ganz anderes, weil seine Situationalität sich grundsätzlich verändert hat.
In welchen Konzepten und Phantasmen, also: in welchen kategorialen Ordnungen war in der volkssprachigen Adelsliteratur diskursivierbar, was die Literaturwissenschaft ‚Text’ und ‚Überlieferung’ nennt? Hierauf sucht der Beitrag eine Antwort, indem er Problemkonfigurationen mittelalterlicher Textualität in einer Interpretation der „Urstende“ des Konrad von Heimesfurt durchspielt. Narrative und metanarrative Partien werden dabei aufeinander bezogen, dass das in ihnen als Bedingung ihrer Möglichkeit gespeicherte, historisch fremd gewordene Textwissen hervortreten kann.
Die Geltungssicherung von Texten durch die eigenhändige Unterschrift, welche einen abwesenden Körper ‚vergegenwärtigt’ in der Spur seiner (seit der Erfindung des Buchdrucks: einzigartigen) Bewegung, die Speicherung von symbolischem wie ökonomischem Kapital in Autographensammlungen (oder Autogrammkarten), Verfahren der konkreten-visuellen Poesie, die Praxis von Tätowierungen: Dies und anderes mehr zehrt noch immer in der einen oder anderen Weise von nicht-repräsentatorischen Dimensionen von Schrift. Zumindest setzt es solche Dimensionen der Unlesbarkeit doch voraus – wie dies auch noch die dumpfen Versuche der Auslöschung von Bedeutung durch Verbrennung von Büchern tun.
Die Geschlechterdifferenzierung von Frau und Mann wird in den mittelalterlichen Adelsgesellschaften vorrangig funktionalisiert über Ehe und über Sexualität. Ehe übernimmt dabei ökonomisch-politische Funktionen, ist Instrument von Herrschaft, Friedensschluß usw. Der Sexualität andererseits sind allererst provokative Funktionen zugewiesen. (...) Dies ändert sich erst in einem langandauernden und durchgreifenden mentalitätsgeschichtlichen Prozeß, der – um ein Datum zu nennen – nach dem Jahrtausend allmählich in Gang kommt und von so weit reichenden Folgen ist, daß man geradezu von der „Entdeckung der Liebe im Hochmittelalter“ gesprochen hat.
Die Geschichte von Tristan und Isolde in ihren verschiedenen volkssprachigen Fassungen ist seit der Mitte des 12. Jahrhunderts wohl eine der wichtigsten erzählerischen Vollzugs- und Reflexionsformen jener Entdeckung. Diese Geschichte will i(...) [Peter Strohschneider] von einem einzelnen Text her zum Thema machen, demjenigen des – wie man seinem Namen rekonstruiert – Eilhart von Oberg.
Es mag generell lohnend sein, bei Fazetien und Schwänken die eingefahrenen Wege von Stoff- und Gattungsgeschichte zu verlassen und analytisch genau zu werden, denn in den Niederungen des ‚niederen’ Erzählens sind komplexe Spuren epistemischer Verunsicherungen zu entdecken. Was indes speziell die Repräsentationen religiöser Praxis in frühmodernen Schwankerzählungen anbelangt, wäre von Fall zu Fall zu urteilen. So sehr Reliquienpraxis im 16. Jahrhundert ins Zentrum konfessioneller Konflikte gerät, so wenig kann das schwankhafte Erzählen von ihr immer schon eindeutig auf die Seite frühmoderner Pluralisierungen geschlagen werden. Solches Erzählen kann vielmehr einerseits als Ort konfessionalistischer Verarbeitung und Eindämmung sozialer, religiöser, ideologischer Differenz genützt werden. Andererseits steht es aber fallweise auch dort als Raum literarischen Probehandelns zur Verfügung, wo es schwer oder unmöglich zu sein scheint, Konkurrenzen relevanter Propositionen, Orientierungskomplexe oder Geltungsfonds durch Negativierung und Asymmetrisierung zu entschärfen. Dann dürfte indes von Pluralisierungen, auch solchen des Religiösen, die Rede sein. Einstweilen offen bliebe hierbei allerdings, ob es sich allein um die Verarbeitungs-, oder auch um Produktionsformen des frühzeitlichen Umbaus der Welt handelt.
Die Forschung bediente sich (…) [des Begriffes Schwankroman] im Sinnes eine Gattungsbegriffes, auch wenn sie nicht übersah, daß 'Schwankroman' bei aller Praktikabilität zugleich Ausdruck einer Verlegenheit ist, in welche ursprünglich wohl die ästhetische Norm von der geschlossenen Einheitlichkeit jeder Dichtung, die diesen Namen verdienen soll, geführt hat, einer Verlegenheit nämlich angesichts der offenkundig episodischen Struktur der genannten epischen Großerzählungen, die ihr Zusammengesetztsein aus kurzen, in sich weithin vollständigen Erzähleinheiten kaum je verleugnen. Dieses Dilemma schlägt sich nieder in der Binnenspannung zwischen den beiden Komponenten des Begriffs auf quantitativer, formal-struktureller und kategorialer Ebene: (…)