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Der Beitrag arbeitet den Expertisebegriff für die inklusionsbezogene Professionalisierungsforschung auf und diskutiert diesen im Kontext des Desiderats nach einem übergreifenden Forschungsparadigma, das den strukturtheoretischen, den berufsbiografischen und den kompetenztheoretischen Ansatz verbindet. Die Überlegungen werden anhand von empirischen Befunden einer qualitativen (Teil-)Studie zur Expertise von Fortbildner*innen im Feld der inklusionsbezogenen Fortbildung exemplifiziert.
Der vorliegende Beitrag fasst Inklusion unter Bezugnahme auf Oevermanns (1996) „Skizze einer revidierten Theorie professionalisierten Handelns“ als Auftrag zur Professionalisierung entlang der therapeutischen Dimension in der Beziehung von Lehrpersonen und Schüler*innen. Dieser trifft in der beruflichen Bildung auf ein spezifisches Spannungsfeld, insofern unter dem Primat der Beruflichkeit eine starke Fokussierung auf ‚Wissen und Können‘ prozessiert wird. Vor diesem Hintergrund wird exemplarisch die Ausgestaltung der pädagogischen Praxis anhand von im BMBF-geförderten Forschungsprojekt StiEL entstandenen Datenmaterial mittels der Dokumentarischen Methode der Textinterpretation analysiert. Ziel ist es, die Orientierungen von Lehrpersonen hinsichtlich pädagogischer Fachlichkeit aus deren handlungsleitenden Wissensbeständen heraus zu rekonstruieren, um die Bedingungen für die Aufnahme des Inklusionsanspruchs in den eigenen Unterricht sowie implizite, durch den Anspruch ‚Inklusion‘ hervorgerufene Ambivalenzen des pädagogisch-professionellen Handelns sichtbar zu machen. Abschließend werden Ansatzpunkte für Fort- und Weiterbildungen abgeleitet.
Ausgehend von spezifischen Anforderungen inklusiver Settings wird in diesem Beitrag ein Ansatz zur Weiterentwicklung des Modells der professionellen Handlungskompetenz von Lehrkräften für inklusiven (Mathematik-)Unterricht vorgestellt. Inklusion wird dabei verstanden als fachliches Lernen und gemeinsame Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler. Für die Weiterentwicklung werden zunächst Anforderungen durch inklusive Bildung betrachtet, einerseits abgeleitet aus verschiedenen Aufgaben- und Kompetenzkatalogen, andererseits basierend auf Kernbeständen für den Umgang mit Heterogenität im (Mathematik-)Unterricht im Allgemeinen und für inklusiven (Mathematik-)Unterricht im Speziellen. Anschließend wird daraus Wissen zur Bewältigung dieser Anforderungen abgeleitet und unter Rückgriff auf die verschiedenen Bereiche des Professionswissens (Fachwissen, pädagogisches Wissen, fachdidaktisches Wissen, Organisationswissen und Beratungswissen) weiter ausgeführt, wobei der Fokus auf das fachdidaktische Wissen im inklusiven Mathematikunterricht gelegt wird. Die affektiven und motivationalen Merkmale (Überzeugungen, Selbstregulation und Motivation) der professionellen Handlungkompetenz werden ebenfalls in die Weiterentwicklung des Modells einbezogen. Insgesamt erfolgt die Weiterentwicklung des Modells somit im Rahmen einer Erweiterung der einzelnen bestehenden Kompetenzbereiche um Aspekte, die unter Inklusionsgesichtspunkten besondere Bedeutung erfahren. Mit der Identifizierung von Kompetenzbereichen bei Lehrkräften zu Beginn einer Fortbildung zu inklusivem Mathematikunterricht wird ein Beispiel präsentiert, wie das weiterentwickelte Modell angewendet werden kann. In diesem Zusammenhang konnten in den Äußerungen der Lehrkräfte – abgesehen vom Fachwissen – alle Kompetenzbereiche identifiziert werden. Abschließend werden Möglichkeiten vorgestellt, wie das Modell im Kontext der Lehrerprofessionalisierungsforschung weiterhin eingesetzt werden kann.
Inklusion ist (k)eine Frage der Persönlichkeit - Inklusive Kompetenzen institutionell verankern!
(2020)
Orientiert am Themenschwerpunkt der „theoretischen und empirischen Klärung des Verständnisses pädagogischer Fachlichkeit“ beschäftigt sich unser Beitrag mit den Barrieren und Chancen, die sich in der Hochschulstruktur und –kultur und der universitären Lehre darstellen, wobei wir uns exemplarisch der Ausbildung inklusionsbezogener pädagogischer Fachlichkeit bei angehenden Lehrkräften zuwenden. Mit Bezug zu aktuellen Entwicklungen der bildungspolitischen Landschaft in Deutschland wird zunächst die Notwendigkeit eines Umdenkens in der Lehramtsausbildung, wie auch in der gesamten Hochschullandschaft, dargelegt und diskutiert. Dabei wird das dem Beitrag zugrunde liegende Verständnis von Inklusion verdeutlicht. Die sich daraus ergebenden Anforderungen an Hochschulen, besonders in Bezug auf ihr Selbstverständnis, das Verständnis von Wissenschaftlichkeit und die gelebte Hochschulkultur, werden daraufhin formuliert. Daran schließen Überlegungen zur Umsetzung inklusionsorientierter Praxen in der Lehrer*innenbildung an. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der partizipativen Lehre als möglichem Werkzeug für eine inklusionssensible Hochschulentwicklung. Am Beispiel partizipativer Lehre gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten1 werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie Menschen, die bisher keinen Zugang zur akademischen Wissensvermittlung hatten, als Lehrende tätig sein und so sowohl von Biografien unter der Erfahrung von Diskriminierung berichten, als auch diese Erfahrungen in die Produktion von Wissen einfließen lassen können. In der Diskussion um partizipative Lehre werden verschiedene Widersprüche und Diskurse deutlich, die geeignet sind, um über Hochschulkulturen und -praxen neu nachzudenken.
Das Spektrum kunstpädagogischer Thematisierungen von Inklusion ist – vergleichbar mit anderen Fachdidaktiken - wenig entfaltet. Die bisher vorliegenden Beiträge sind bisher kaum auf eine inklusionsbezogene Professionalisierung hin reflektiert. Die kontinuierliche Weiterentwicklung pädagogischer Professionalität zählt aber zu den grundlegenden Aufgaben der Kunstpädagogik und Bildungswissenschaft. Insbesondere da einzelne Zugänge der Professionalisierungsforschung theoretisch wie empirisch leistungsfähig sind und eine Reihe spezifischer Untersuchungen zu Aspekten der Professionalisierung hervorgebracht haben. Damit geht jedoch eine Zersplitterung der Professionalisierungsforschung in wenig miteinander kommunizierende Forschungslinien einher – diese Problematik lässt sich analog im kunstpädagogischen Diskurs wiederfinden. Unter den Erklärungsansätzen nehmen die verschiedenen Spielarten und Fortentwicklungen der struktur- und kompetenztheoretischen Argumentationen eine Schlüsselstellung ein, wobei sie jedoch eher Dissens als Konsens widerspiegeln. Infolgedessen wird das Konzept der Kontingenz im Beitrag als verbindendes Element herausgestellt und ein integrierender Vorschlag der Professionalisierung auf Basis von Kontingenzbearbeitung entwickelt.
Auf der Grundlage empirischer Rekonstruktion der Tiefenstrukturen der inklusionsbezogenen Professionalisierungsprozesse von angehenden Kunstlehrkräften (n=23) wird dazu ein Vorschlag unterbreitet, der auf zwei Pfeilern beruht: erstens der Analyse der Wahrnehmung und Deutung von Kontingenz im Professionalisierungsprozess und zweitens der Rekonstruktion von Mechanismen der Kontingenzbearbeitung. Das Moment der Kontingenzbearbeitung erweist sich zugleich als Ausgangs- wie Endpunkt entwicklungsgerichteter (kunst-)pädagogischer Professionalisierungsprozesse und als entscheidendes, anschlussfähiges Brückenglied zwischen den tradierten Argumentationslinien.
Die Qualifizierung von Sportlehrkräften für einen inklusiven Sportunterricht stellt eine zentrale Herausforderung für die sportdidaktische Lehre und Forschung dar. Obwohl die Bedeutung situationsspezifischer Fähigkeiten für die universitäre Sportlehrkräftebildung auch im Zusammenhang mit einem inklusiven Sportunterricht betont wird, fehlt es an Kompetenzmodellen, die die Ebene der situationsspezifischen Fähigkeiten berücksichtigen und somit eine Grundlage für Lehrkonzepte bilden können, die auf die Förderung situationsspezifischer Fähigkeiten für einen inklusiven Sportunterricht abzielen. Zudem mangelt es bestehenden Lehrkonzepten auch an Arbeits- und Organisationsformen, um gezielt situationsspezifische Fähigkeiten für einen inklusiven Sportunterricht anzusprechen. Schließlich existieren bisher keine Testverfahren, mit denen situationsspezifische Fähigkeiten für einen inklusiven Sportunterricht gemessen und darauf abzielende Lehrkonzepte evaluiert werden können. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es demzufolge, konzeptionelle Überlegungen anzustellen, wie ein Kompetenzmodell für den inklusiven Sportunterricht generiert werden kann, welches die Ebene der situationsspezifischen Fähigkeiten berücksichtigt, wie ein Lehrformat angelegt sein müsste, um gezielt die situationsspezifischen Fähigkeiten für einen inklusiven Sportunterricht anzusprechen und wie diese situationsspezifischen Fähigkeiten gemessen werden können, um eine diesbezügliche Evaluation zu ermöglichen.
Die UN-Behindertenrechtskonvention bringt unter anderem eine „inklusionsorientierte Lehrer*innenbildung“ hervor, die Lehrkräfte für inklusive Settings kompetent machen soll. Damit das gelingen kann, müssen einerseits für inklusive Settings notwendige Kompetenzen identifiziert und operationalisiert werden, andererseits sind Erkenntnisse darüber notwendig, wie Studierende diese Kompetenzen entwickeln. Erst dann können wirksame Lehr- und Lernformate konzipiert werden. Inzwischen liegen Forschungsergebnisse zu inklusionsbezogenen Aufgaben- und Anforderungsprofilen vor, jedoch über vereinzelte Best-Practice-Beispiele kaum evidenzbasierte Erkenntnisse über Kompetenzentwicklungsprozesse in diesem Bereich oder gar Ableitungen für die Vermittlung solcher Kompetenzen. In diesem Artikel wird für die inklusionsbezogene Teilkompetenz „(multi-)professioneller Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft“ ein kompetenzorientiertes Lehr- und Lernformat im Rahmen des Lehramtsstudiums an der Universität Paderborn konzipiert. In Anlehnung an das Constructive-Alignment-Modell werden dafür anhand eines Kompetenzmodells Learning Outcomes definiert, didaktisch-methodische Lernwege zugeordnet und Möglichkeiten einer Evidenzbasierung in Form von Prüfungen und Evaluation diskutiert. Dieser Artikel leistet so einen Beitrag zu einer inklusiven Hochschuldidaktik als Werkzeug, aber auch Voraussetzung und gleichzeitig Ergebnis, einer pädagogischen Fachlichkeit im Spannungsfeld inklusiver Realität.
Über problematische Straßennamen und Denkmäler wird politisch debattiert. Wie der öffentliche Raum aussieht, wird gemeinhin nicht als juristische Frage behandelt. Trotzdem taucht die Frage, was die Gesellschaft im öffentlichen Raum sehen will, auch als rechtliches Argument auf. Wann erkennt der Diskurs solche Fragen politischer Ästhetik als juristisches Argument an? Und welche Bedingungen entscheiden darüber?
This paper adds to the growing field of conversation analytical re-search on smartphone-use in face-to-face interactions. Whenever smartphones are used in mobile-supported sharing activities - e. g. to show a picture to co-present others - the smartphone user needs to search for and find the “searchable object” in the World Wide Web, an App or on the device’s local memory. Analyzing audio-recordings of naturally-occurring conversations, this paper iden-tifies two types of practices of speech that explicitly orient to on-going smartphone-supported searches: Collaborative search (cf. Brown/McGregor/McMillan 2015) and search-accompanying com-mentary by the smartphone-user. Both practices verbally provide for the accountability of the otherwise opaque device use. They differ in the way they produce opportunities for co-present others to substantively contribute to the progression of the search as well as the degree to which they produce the search as an interactionally public event.
Das Versprechen der Demokratie ist nicht, dass dem Willen des Volkes Geltung verschafft wird. Denn den Willen des Volkes gibt es nicht. Es gibt vielmehr nur unzählige Kombinationen von Meinungen und Interessen, aus denen jeweils von neuem ein dem Volk zurechenbarer Wille gebildet werden muss. In dem so gebildeten Willen werden sich nie alle wieder finden. Das Versprechen der Demokratie ist aber, dass alle bei der Bildung des Willens mitwirken und also Einfluss auf das Ergebnis nehmen können und dass der jeweiligen Mehrheit nicht alles erlaubt ist, insbesondere nicht, die Minderheit um ihre Chancen zu bringen, selbst Mehrheit zu werden, samt den Voraussetzungen, die dafür nötig sind.
Eine mobile Welt, Lebensläufe, die uns mal hierhin, mal dorthin führen und dann noch die globale Pandemie: Auch kleine Kunstprojekte müssen sich damit auseinandersetzen, wie sie ihren kreativen Prozess in räumlicher Entfernung organisieren. Welche digitalen Werkzeuge können helfen? Was das Projekt vi·son in den letzten Monaten über kreative Online-Zusammenarbeit gelernt hat.
Christine Lagarde verband die Ankündigung ihres ersten, moderaten Rettungspakets mit der Aufforderung an die Mitgliedstaaten, fiskalische Hilfen bereitzustellen. Die Märkte scheinen sich das Vertrauen in die Fiskalpolitik indessen abgewöhnt zu haben. Da starke geldpolitische Signale zunächst ausblieben, ging die Talfahrt weiter, bis Lagarde im zweiten Versuch in die Fußstapfen ihres Vorgängers trat und die Schleusen öffnete.
Warum das Stichwort Corona Bonds so viele falsche Assoziationen weckt, und wie sie beschaffen sein müssten, damit auch Deutschland damit gut klarkommt: Vor der morgigen Sitzung der Eurogruppe spricht Max Steinbeis mit MATTHIAS GOLDMANN über seinen Vorschlag und die damit verknüpften Chancen und Risiken.
Die fragmentierte und scheinbar kontingente Struktur von Goethes Roman "Wilhelm Meisters Wanderjahre" folgt, so soll hier gezeigt werden, nicht zuletzt auch einem besonderen Zeitregime. Der Roman erprobt vor allem in seiner um Wilhelm und Lenardo gruppierten Handlung Formen des analeptischen Erzählens, das die Ereignisse nicht chronologisch-linear, sondern in wiederholten Rückgriffen und Zeitschleifen entwickelt. Dieses Erzählen 'von' und 'in' Vorgeschichten folgt einem Schema, das Goethe in den homerischen Epen vorgeprägt sieht, das aber auch mit Zeitreflexionen aus seinen geologischen Studien korrespondiert.
In vielen literarischen Texten umkreist Goethe problematische Effekte von Bildern und Bildpraktiken. Bilder können dazu einladen, das bildlich Dargestellte für einen Teil der Wirklichkeit zu halten, sie können Gegenstand fragwürdiger Projektionen werden oder aber dazu beitragen, die Wirklichkeit selbst bildhaft erstarren zu lassen. Diese Gefahren im Umgang mit Bildern sind nicht zuletzt auf deren spezifische temporale Verfasstheit zurückzuführen, insbesondere wenn die physische Präsenz eines Bildes genutzt wird, um Vergangenes oder Abwesendes zu vergegenwärtigen. Der Beitrag entfaltet diese Problemlage an verschiedenen exemplarischen Texten Goethes. Am Beispiel des Aufsatzes "Ruysdael als Dichter" skizziert er eine alternative Form des Umgangs mit Bildern, die nicht allein auf deren Präsenzeffekt setzt, sondern eine dem Bild eigene Temporalität im Prozess des Sehens und Reflektierens zur Geltung bringt.
In seinem Buch "Einfache Formen" (1930) entwickelt André Jolles in Auseinandersetzung mit Goethes Naturkunde die Vorstellung einer besonderen Zeitlichkeit der von ihm so genannten "Einfachen Formen", die er als "Jedesmaligkeit" bezeichnet. Jolles greift damit den morphologischen Gedanken einer Vielgestaltigkeit von Form vor dem Hintergrund der sprachwissenschaftlichen Debatten seines politisierten akademischen Umfelds in Leipzig auf, das den Saussure'schen Systemgedanken der Sprache unter Rückbezug auf Wilhelm von Humboldt holistisch umdeuten wollte. Der Aufsatz verortet Jolles' Überlegungen in der formorientierten Literatur- und Kulturtheorie der Zeit. Anhand seiner Zeitbegriffe und seines Formkonzepts wird gezeigt, wie er die zeitgenössischen Ideen der Ganzheit und der Verzeitlichung von Form im Ausgang morphologischer Fragen auf eigenwillige Weise interpretierte.
"...indem die Tage rollen..." : Zeit, Recht und 'Klassik' in Goethes "Die Natürliche Tochter"
(2020)
Der Beitrag geht von der These aus, dass Goethes Arbeit an der 'klassischen' Dramenform sich einer tieferen Einsicht in die zeitliche wie rechtliche Problematik der 'tragédie classique' verdankt als allgemein angenommen. Dabei dürfte es maßgeblich die Französische Revolution gewesen sein, die eine neue Attraktivität der 'alten' Form bewirkte. Das zeigt sich vor allem an "Die Natürliche Tochter", einem Stück, in dessen Entstehungszeit nicht zufällig Goethes Übersetzungen zweier Dramen Voltaires fallen. Figurationen politischer Gründung und Legitimation bildeten das Zentrum des 'klassischen' Dramas bereits bei Corneille und stellten es zuverlässig auf eine um 1800 für konservative Autoren aktuelle Zerreißprobe. Die forciert gelassene Präsentation legitimer Herrschaft unter der Berufung auf Zeitkontinuität und lang währende 'Gewohnheiten' stand in der 'tragédie classique' nämlich in massiver Spannung zur normativen Forderung der 'Einheit' der Zeit, die das Drama auf eine disziplinierte Zeitökonomie und idealerweise sogar auf die Synchronisierung von dargestellter Zeit und Zeit der Darstellung verpflichtete. Dort, wo Corneille solche Spannungen entweder zu kaschieren oder politisch zu nutzen versuchte, reißt Goethe in "Die Natürliche Tochter" zwischen Figurenrede und Dramaturgie eine unüberwindbare Kluft und lässt ursprüngliche Funktionen der 'klassischen' Zeitökonomie konsequent leerlaufen. Sein Drama betreibt demnach keine restaurative Formpolitik, sondern führt die historische Uneinholbarkeit der 'klassischen' Form angesichts zeitgenössischer politischer Entwicklungen vor.
Vorwort
(2020)
Lange waren Formkonzepte dem Zug der Zeit entzogen, um dann am Ende des 18. Jahrhunderts, und prominent in Goethes Naturforschung, massiv unter ihren Einfluss zu geraten. Wenn Goethes Überlegungen zu Morphologie und Metamorphose Manifestationen der im späten 18. Jahrhundert auf breiter Front beobachtbaren Verzeitlichungsprozesse darstellen, drängt sich die Frage auf, wie das Verhältnis von Zeit und Form in der als Zeitkunst verstandenen Literatur des Autors wirksam wurde.
Ziel des Lehr-Lern-Projektes war die Schaffung einer kollegialen Arbeitsgemeinschaft zwischen Lehramtsstudierenden der hochschulischen Ausbildungsphase und bereits im Beruf etablierten Lehrkräften im Fachbereich Geschichte. Traditionell hierarchische Strukturen wurden aufgebrochen, um die jeweiligen Kompetenzen der Teilnehmenden für beide Seiten gewinnbringend zu vereinen. Anders als in den hochschulischen Praktika treten Lehramtsstudierende den Lehrkräften mit Expertise gegenüber: Der Austausch ist daher weniger einseitig als vielmehr von doppelseitigem Nutzen. Dieses Konzept bietet im Sinne einer community of practice nicht nur den Lehramtsstudierenden die Chance, ihr theoretisch erworbenes Wissen praxisorientiert anzuwenden und zu reflektieren, sondern ermöglicht auch den Lehrkräften, an den aktuellen geschichtsdidaktischen Forschungen und Entwicklungen an den Hochschulen teilzuhaben und mithilfe der Studierenden in der eigenen Schulpraxis zu reflektieren und gegebenenfalls anzuwenden. Anliegen des Lehr-Lern-Projektes ist ein Plädoyer, das Potenzial der Hochschulen über die eigenen Studierenden im Fortbildungsbereich der Lehrkräfte gewinnbringend zu nutzen, die schulische Reichweite von fachdidaktischer For-schung auszuschöpfen und den Lehramtsstudierenden zugleich eine weitere Möglichkeit einer schulpraktischen Erfahrung zu bieten. Nicht zuletzt: Die Verzahnung von Ausbildungs- und Weiterbildungsphase ist eine weitere gewinnbringende Möglichkeit, Akteur*innen der Lehrer*innenbildung in einen gewinnbringenden und praxisnahen Dialog zu bringen.
Joschua Yesni Arnaut verwebt sein künstlerisches Schaffen eng mit seinen persönlichen Erfahrungen: In "Didn’t We Deserve A Look At You The Way You Really Are?" in der Schleuse der Rüsselheimer Opelvillen stellt er das Thema Gewalt in den Mittelpunkt. Ein Gespräch über Neurosen, Privilegien und den Charme des Zufalls.
Ende November hat Bundesjustizministerin Christine Lamprecht (SPD) vorgeschlagen, das Grundgesetz zu ändern und darin ausdrücklich Kinderrechte zu verankern. Der Vorschlag befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung. Auf dem Verfassungsblog hat sich Friederike Wapler kritisch mit diesem Entwurf auseinandergesetzt und am Ende empfohlen, statt einer schlechten Grundgesetzänderung lieber gar keine zu verabschieden. Ich hingegen halte eine solche Grundgesetzänderung für ebenso sinnvoll wie möglich.
Der Zweifel muss schweigen, soll ein richterliches Urteil überzeugen. Gewissheit zu verbreiten, ist das nicht allzu heimliche Ziel der juristischen Ausbildung. Der Charme der Gutachtentechnik, alles Mögliche zu erwägen und zu prüfen, wird in der Referendarausbildung durch die Relationstechnik ersetzt und in der richterlichen Urteilspraxis vollends desavouiert. Gewissheitsdenken und Erledigungsökonomie gehen in Führung. Vieles bleibt "dahingestellt", wenn die Entscheidung einmal feststeht. Und die Gutachten von Rechtsexperten hängen dem Interesse der Auftraggeber häufig einen mehr als fadenscheinigen Mantel um. Ungewissheit, das scheint gewiss, ist Sache der juristischen Zunft nicht. ...
Krisen als Normalität
(2020)
Es gibt in Krisenzeiten wenig Verlässliches. Doch auf eines kann man immer zählen: Irgendwann, und meistens früher als später, fällt der Begriff der Ausnahme oder einer seiner zahlreichen Verwandten. Hierzu gehört vor allem die große Schwester der Ausnahme: der Ausnahmezustand. Da unterscheidet sich die Corona-Krise nicht von der Eurozonenkrise, die Eurozonenkrise nicht von der globalen Finanzkrise und diese nicht von der durch die Terroranschläge vom 11. September ausgelöste Sicherheitskrise. Auch wenn wir über den Corona-Virus selbst nicht viel wissen, scheint vieler Orten Gewissheit darüber zu herrschen, dass wir derzeit im Ausnahmezustand leben. ...
Angesichts der in Deutschland und anderswo präzedenzlosen Eingrenzung des rechtlich Erlaubten stehen die begrenzenden Rechtsverordnungen, Allgemeinverfügungen und vollziehenden Maßnahmen des Staates im Zentrum grundrechtlicher Aufmerksamkeit. Freiheitsschonendere Alternativen werden in erster Linie durch das Prisma der Erforderlichkeit in den Blick genommen. Sich in einer Pandemielage gegen Beschränkungen zu entscheiden, erscheint grundrechtlich unverdächtig. Doch wäre es das tatsächlich? Im Folgenden werden zwei unterschiedliche Szenarien einer solchen Entscheidung vorgestellt und es wird ein näherer Blick auf die Folgen für den individuellen Grundrechtsgebrauch geworfen. Es zeigen sich Grundrechtsfragen, die im Ergebnis auch für die Beurteilung des beschränkenden Staates aufgeworfen sind.
Wenn die Bedrohung, wie im Fall des Virus, als natürliche Gegebenheit auftritt, kommen leicht auch die Maßnahmen, um ihn zu beseitigen, als natürliche, d.h. fraglos vorgegebene Maßnahmen in Betracht. Eine Gefahr liegt hier darin, von einer Natürlichkeit des Zwecks auf die Natürlichkeit der Mittel zu schließen. Dass die Maßnahmen aber nicht natürlich gegeben, sondern politisch entschieden sind, muss demgegenüber im Blick bleiben.
Seit Wochen nun beobachten wir, wie Menschen auf sehr unterschiedliche Weise auf die COVID-19-Pandemie reagieren. Die unmittelbare Gefahrenursache ist zwar für das bloße Auge nicht sichtbar. Sichtbar hingegen sind die von der Weltgesundheitsorganisation, der Johns Hopkins Universität oder dem Robert-Koch-Institut veröffentlichten Daten. Täglich steigende Zahlen von Infizierten, täglich steigende Zahlen von Toten. Vielleicht ist es nachvollziehbar, dass "in diesen Zeiten" Regelungsmaßnahmen "mit heißer Nadel gestrickt" (noch so eine Phrase) sind. Selbst wenn in der Theorie Krisenszenarien vielleicht irgendwann einmal durchgespielt worden sind (siehe BT Drs. 17/12051, S. 57 ff.), lässt sich nicht jede Variante einer Krise antizipieren – genauso wenig wie der tatsächliche Stressmodus, in dem andere und man selbst sich befinden werden. In diesem Modus sind nun Entscheidungen getroffen worden. Entscheidungen, deren Konsequenzen ohne jegliche Übertreibung als der "massivste kollektive Grundrechtseingriff in der Geschichte der Bundesrepublik" bezeichnet werden können. ...
Bevor der Bundesgesundheitsminister mit der Corona-Bewältigung in das Rampenlicht der Öffentlichkeit treten konnte, versuchte er in einer Reihe von Gesetzgebungsvorhaben und Maßnahmen, die deutsche gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu verändern. Eine seiner Maßnahmen war das Digitale-Versorgung-Gesetz, das der Bundestag im Dezember 2019 verabschiedete (DVG, BGBl. I, S. 2562) und die medizinische Versorgung durch Digitalisierung und Innovation verbessern sollte. Es sieht u.a. vor, Gesundheits-Apps auf Rezept zu verschreiben und Videosprechstunden und Telemedizin zum Alltag werden zu lassen. Vor allem aber sollen umfangreiche medizinische Daten der Versicherten in einem Forschungsdatenzentrum zusammengeführt und effektiv ausgewertet werden, um bessere Erkenntnisse in der Gesundheitsforschung zu erlangen.
Dagegen hatte ein Versicherter Beschwerde erhoben, und das Bundesverfassungsgericht hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass Teile dieses Gesetzes – nämlich §§ 68a Abs. 5 und 303a-303f SGB V – in der Tat erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken aufwerfen. Dennoch hat das Gericht den Vollzug dieser Regelungen nicht ausgesetzt (Rn. 6 ff.) und noch nicht einmal die hilfsweise beantragte Reduktion des Datenumgangs angeordnet. Das ist im Ergebnis, vor allem aber in seiner Begründung unter mindestens zwei Aspekten kritisch zu betrachten.
Datenschutz versus Katastrophenschutz : Standortdaten als Mittel zur Bekämpfung der Corona-Pandemie
(2020)
Einige Länder setzen Standortdaten jetzt schon gezielt ein, um die weitere Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen. Ein Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der weitreichende Befugnisse vorsah, um mithilfe von Standortdaten Kontaktpersonen von Infizierten über deren Handys zu orten, stieß auf teilweise heftige Kritik. Der Gesetzentwurf wurde daraufhin zurückgezogen, ohne dass nähere Einzelheiten an die Öffentlichkeit gelangt sind. Ein genauer Blick zeigt jedoch, dass eine Verarbeitung von Standortgesundheitsdaten nicht nur tatsächlich nützlich sein kann, sondern auch rechtlich möglich ist.
Hintergrund: Die chronische metabolischen Azidose (cmA) ist eine häufige Komplikation bei chronischer Niereninsuffizienz, deren Behandlung bei niereninsuffizienten Patienten mit Diabetes mellitus die Insulinresistenz verbessern kann. Um die aktuelle Therapiesituation der cmA im diabetologischen Umfeld abzubilden und mehr über die Zusammenarbeit von Diabetologen und Nephrologen zu erfahren, wurden diabetologisch tätige Haus- und Fachärzte zur cmA befragt.
Methoden An 5863 Ärzten mit diabetologischer Zusatzqualifikation wurde postalisch ein Fragebogen versandt. Alle 97 erhaltenen Antwortbögen wurden deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse Die meisten Teilnehmer sind Internisten mit diabetologischer Zusatzqualifikation (46 %) und behandeln im Median 50 (10; 112) Patienten mit Typ-1-Diabetes bzw. 210 (100; 450) Patienten mit Typ-2-Diabetes pro Quartal. Eine cmA wurde von 12 % der Teilnehmer in den letzten 12 Monaten bei median 4 (2; 6) Patienten mit Typ-1-Diabetes und 10 (3; 30) Patienten mit Typ-2-Diabetes beobachtet. Die cmA wird überwiegend durch Bestimmung des Serum-Bikarbonats (27; 28 %) und des Base Excess (19; 20 %) diagnostiziert. 38 (39 %) der Teilnehmer erhalten regelmäßig von Nephrologen die Empfehlung zur Behandlung der cmA. Sie wird von knapp 1 Drittel als relevant (29 %) und gut umsetzbar (27 %) betrachtet. Zur Behandlung der cmA wird vor allem orales Bikarbonat empfohlen (Bikarbonat: 39 %, Zitrat: 5 %, sonst: keine Angabe). Maßnahmen, die die Mehrheit der Diabetologen in der Verantwortung der Nephrologen sehen, sind ergänzende Diagnostik (87; 90 %) einschließlich Blutgasanalyse (59 %) sowie die Behandlung der cmA (62 %) und renalen Anämie (53 %). 34 % der Diabetologen gaben an, bisher noch keine cmA-Fälle in der Praxis behandelt zu haben. Die meisten Diabetologen überlassen die Behandlung und Überwachung der cmA dem Nephrologen (38 %). Dabei wird die Zusammenarbeit mit den Nephrologen als zufriedenstellend (81 %) bewertet. 38 % der Befragten haben in der täglichen Praxis beobachtet, dass die Einstellung der cmA auch die Insulinresistenz positiv beeinflusst. Eine CME-Fortbildung in der Diabetologie speziell zur cmA würden 76 (78 %) begrüßen.
Diskussion Bei der Behandlung der cmA wird die Kooperation zwischen Diabetologen und Nephrologen generell gut bewertet, wobei die Diagnose, Behandlung und Überwachung einer cmA in der Verantwortung des Nephrologen gesehen werden. Da die Behandlung der cmA die Insulinresistenz verringern kann, sollte der Stellenwert der cmA-Therapie im diabetologischen Umfeld nicht unterschätzt werden. Um die cmA-Behandlung bei diabetischer Nephropathie zu optimieren, wären CME-Fortbildungen zur cmA geeignet. Zudem könnten Schulungen im Rahmen einer interdisziplinären Kooperation mit Diätberatern die Umsetzbarkeit diätetischer Interventionen zur Behandlung der cmA verbessern.
The paper examines the application of the category of ‘populism’ to Athenian democracy. Unlike previous works on the subject, which have focused on the fifth century, it studies the fourth, where the tradition is much better, since we can refer to contemporary public speeches. It shows that, despite some parallels on the lexical level, 'populist’ strategies matching the criteria of modern political science cannot be identified in Athenian political communication and interprets this result in its historical context.
Brutalität ist der Kunst Richard Jacksons inhärent. Sie zeigt sich jedoch nicht nur in der Darstellung sich bekriegender Enten oder in dem Blick auf eine augenscheinlich schmerzhafte und chaotische Geburt, sondern in etwas anderem. Etwas, das sich direkt vor unseren Augen abspielt, aber unbenannt bleibt. Ein Kommentar.
Hintergrund: Das genaue Wissen um die Umstände eines jeden tödlichen Arbeitsunfalls ist Voraussetzung für die Identifizierung von Unfallschwerpunkten und ermöglicht eine effektive Präventionsarbeit. Mit dieser rechtsmedizinischen Studie zum Arbeitsunfallgeschehen soll ein Beitrag dazu geleistet werden, die Zahl tödlicher Arbeitsunfälle in Deutschland zu senken.
Material und Methode: Zur Untersuchung kamen die tödlichen Arbeitsunfälle, die sich im Einzugsbereich des rechtsmedizinischen Instituts Frankfurt am Main in den Jahren von 2005 bis 2016 ereigneten. Ausgewertet wurden Obduktionsprotokolle sowie die dem Institut zur Verfügung gestellten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten.
Ergebnisse: Es fanden sich 87 tödliche Arbeitsunfälle in dem genannten Zwölfjahreszeitraum. Die Altersstruktur reichte vom jugendlichen Alter bis in das Rentenalter. Betroffen waren zum größten Teil männliche Arbeiter (96,6 %, p < 0,0001), verhältnismäßig häufig ausländischer Nationalität (34,5 %). Die meisten Unfälle ereigneten sich in der 2. Jahreshälfte (58,6 %), an Montagen (26,4 %), kurz vor und nach der Mittagspause. In 3 Fällen lag die Blutalkoholkonzentration über 0,5‰. Die Baubranche (55,2 %) war der unfallträchtigste Wirtschaftszweig. Der Absturz (28,7 %) war der häufigste Unfallmechanismus und das Polytrauma (39,1 %) gemeinsam mit dem Schädel-Hirn-Trauma (24,1 %) gemäß dem ISS die häufigste Todesursache.
Diskussion: Nach den Ergebnissen dieser Studie sollten Alter der Arbeiter sowie die Tages‑, Wochen- und Jahreszeit bei der Ausführung risikoreicher Arbeiten im Baugewerbe berücksichtigt werden. Besonderes Augenmerk sollten Arbeitgeber auf die Kontrolle von Sicherheitsvorkehrungen bei Arbeiten in der Höhe sowie auf die Durchsetzung der Helmpflicht gerade auch bei ausländischen Arbeitnehmern legen.
In der Krise sind wir um einiges fremdbestimmter und befolgen die unterschiedlichsten neuen Regeln; die Museen sind geschlossen und mit ihren Werken können wir uns nur aus der Ferne auseinandersetzen. Line Kroms Arbeiten geben die Möglichkeit, Strukturen und Abläufe, in denen wir leben, zu hinterfragen.
Leider geschlossen! Theater spielt sich normalerweise auf der Bühne und im besten Fall vor ausverkauftem Haus ab. Da gerade nichts normal ist und die Spielstätten geschlossen sind, versuchen viele Schauspielhäuser ihren kulturellen Beitrag online zu leisten. Ein kurzer Einblick in digitale Wege der Schauspielkunst zu Krisenzeiten.
Die zunehmende Nutzung von Online-Kommunikationskanälen vereinfacht nicht nur den alltäglichen, zwischenmenschlichen Austausch, sondern eröffnet auch der erziehungswissenschaftlichen Forschung neue Möglichkeiten. Gleichzeitig stehen Chancen wie der Reichweitenerhöhung von Forschungsaktivitäten auch Herausforderungen bspw. im Bereich der Validität gegenüber. Vor diesem Hintergrund geht der Beitrag der Frage nach, ob sich diese Nachteile durch die methodologisch fundierte Kombination von Offline- und Online-Umgebungen kompensieren lassen. Anhand eines Forschungsszenarios werden drei verschiedene Designs konzipiert, die auf genau diese Herausforderung eingehen. Dazu wird eine Mixed Methods Perspektive eingenommen, um verschiedene Möglichkeiten aufzuzeigen, die einzelne Schwächen der Methoden adäquat ausgleichen oder sogar Synergieeffekte erzielen.
Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft steht vor gewaltigen Herausforderungen. Traditionell starke Sektoren wie die Automobilindustrie oder der Maschinenbau befinden sich angesichts disruptiver Veränderungen durch neue Technologien, den Kampf gegen den Klimawandel und veränderte regulatorische Rahmenbedingungen in einer Umbruchphase. Zahlreiche Industriezweige wandeln sich durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu „Smart Industries“. Gleichzeitig gewinnt die Kompetenz in Querschnittstechnologien wie Cloud Computing oder Cyber Security an Bedeutung, da diese den effektiven Einsatz von Künstlicher Intelligenz erst ermöglichen. Eine Analyse der Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft zeigt auf, dass in manchen Zukunftsfeldern ein erheblicher Nachholbedarf besteht.
Vor zwei Monaten traf ich Sascia Bailer, die Künstlerischen Leiterin des M.1 der Arthur Boskamp-Stiftung in Hohenlockstedt, um über ihr Programm "Care" zu sprechen. Seitdem haben die dramatischen Geschehnisse uns gezwungen, die Realität neu zu überdenken. Bailers Konzept hat in der gegenwärtigen Krise nur an Aktualität gewonnen: Wir alle werden uns noch lange erinnern, wie sich die Care-Arbeitenden – Krankenschwestern, Pfleger*innen, Ärzt*innen und Sozialarbeiter*innen – in den Zeiten der höchsten Not, um uns gekümmert haben. Das Programm in der Ausstellungshalle M.1 hat das Ziel, die Unsichtbarkeit der Fürsorge und ihre Überlastung zu thematisieren und dieser entgegenzuwirken. Im Moment sind die Räume des M.1 sowie alle anderen Museen in Deutschland geschlossen, es lohnt sich aber, genau hinzuschauen, wie neue Dialoge in unserer Gemeinschaft hergestellt werden und welche Rolle dabei die Kunst spielen kann.
Der vorliegende Beitrag diskutiert, wie mithilfe von Unterrichtsvideographien die Reflexionskompetenz angehender Englischlehrkräfte bereits in der ersten Ausbildungsphase angebahnt und geschult werden kann. Er geht von der Annahme aus, dass praktizierenden Lehrkräften häufig die Gelegenheiten oder auch die Kompetenzen zur systematischen Reflexion fehlen (vgl. Kittel & Rollett, 2017) und diese bereits vorher grundgelegt werden müssen. Anhand von zwei Seminarbeispielen aus der Englischdidaktik, welche sich auf die disziplinspezifischen Heterogenitätsdimensionen Mehrsprachigkeit (vgl. u.a. Elsner & Wildemann, 2012; Niesen, 2018) und Transkulturalität (vgl. u.a. Viebrock, 2018; Kreft, 2019a, 2019b) beziehen, werden praktische Umsetzungsmöglichkeiten bzw. die wechselseitige Integration theoretischer Konzepte und unterrichtlicher Handlungen/Interaktionen illustriert. Die vorgestellten Aufgabenformate beziehen sich auf die kasuistische Fallarbeit (nach Lindow & Münch, 2014) sowie auf VierSchritt-Analysen (nach Santagata & Guarino, 2011). Als grundlegende Struktur für die Entwicklung von Reflexionskompetenz in videobasierten Lernsettings wird eine adaptierte Fassung des Modells von Aeppli und Lötscher (2016) mit den Verfahrensschritten „Erleben“, „Erkennen“, „Darstellen“, „Analysieren“ und „Alternative Szenarien entwickeln“ verwendet. Es zeigt sich, dass die gewählte Vorgehensweise Studierende in die Lage versetzt, die konzeptionelle und unterrichtspraktische Bedeutung von sprachlicher und kultureller Heterogenität im Englischunterricht zu erkennen und, in einem weiteren Schritt, Möglichkeiten zur Förderung von transkulturalitäts- bzw. mehrsprachigkeits-sensitivem Handeln zu identifizieren und somit ihre Reflexionskompetenzen zu schulen.
Der Ausnahmezustand
(2020)
Wenn wir die Berechtigung der Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie unterstellen, dann deshalb, weil wir darauf hoffen, dass sie greifen und etwas bewirken, und zwar in nicht allzu ferner Zukunft. Tun sie es, ist alles gut. Aber was, wenn nicht – und wenn der Zustand, der durch sie eintritt, länger und länger dauert, vielleicht ein Ende auch gar nicht absehbar ist? Dazu drei knappe, aber grundsätzliche Bemerkungen aus der Sicht der Staatstheorie, des Verfassungsrechts und der Rechtsphilosophie.
Sei es ein Stadtteil im Nordend oder ein Park samt dazugehörigem Schlösschen – der Name Holzhausen ist in Frankfurt am Main allgegenwärtig. Die von Holzhausen zählen zu den ältesten Familien Frankfurts. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts prägten ihre Vertreter die Geschicke der Stadt, vor allem im Bereich der Politik, aber auch dem der Kultur. Im frühen 19. Jahrhundert teilte sich die Familie in zwei Linien: Der ältere Zweig verblieb in Frankfurt und starb mit Adolph Freiherr von Holzhausen 1923 aus, die jüngere Linie hingegen ist seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Österreich ansässig. Mit dem Tod Adolph von Holzhausens ging das Erbe des Frankfurter Familienzweigs an die Stadt Frankfurt. Adolph von Holzhausens Vorhaben, schon zu seinen Lebzeiten mit dem Erlös aus dem Verkauf der Grundstücke im Holzhausenviertel den Bau der Universitätsbibliothek zu finanzieren, wurde durch die Hyperinflation vereitelt.
Im nachfolgenden Interview spricht Elena Holzhausen über die heutige Rolle ihrer Familie, deren Bezug zu Frankfurt, die Fortführung der Familientradition und das Mäzenatentum. Elena Holzhausen ist Diözesankonservatorin der Erzdiözese Wien und verheiratet mit Georg Holzhausen. Dessen Bruder, der Dokumentarfilmer Johannes Holzhausen, hatte für die im Jahre 2014 im Historischen Museum Frankfurt gezeigte Ausstellung "Die Holzhausen. Frankfurts älteste Familie" einen Film über das gegenwärtige private Leben der Familie gedreht.