Biochemie und Chemie
Refine
Year of publication
- 2012 (22) (remove)
Document Type
- Doctoral Thesis (22) (remove)
Has Fulltext
- yes (22)
Is part of the Bibliography
- no (22)
Keywords
- Kopplungskonstanten (1)
- Kristallstrukturanalyse (1)
- NMR (1)
- Peptide (1)
- RDCs (1)
- RNA (1)
- Tetraederstruktur (1)
Institute
- Biochemie und Chemie (22)
- Pharmazie (1)
Analyse und Vorhersage von Kristallstrukturen tetraederförmiger Moleküle und fehlgeordneter Phasen
(2012)
Die Kristallstrukturen tetraederförmiger EX4-Moleküle mit E = C, Si, Ge, Sn, Pb und X = F, Cl, Br, I konnten in sieben Strukturtypen eingeteilt werden. In fast allen Verbindungen nehmen die Halogenatome eine verzerrte Kugelpackung (ccp, hcp, bcc, cp) ein. Die E-Atome besetzen in den dichtesten Kugelpackungen 1/8 aller Tetraederlücken, wobei sich für diese Atome ebenfalls eine Anordnung wie für verzerrte Kugelpackungen ergibt (cp, ccp, hcp). In den anderen Fällen (bcc, cp für die Anordnung der Halogenatome) ergibt sich für die Anordnung der E-Atome selbst ebenfalls eine verzerrte Kugelpackung (bcc, s). Dabei steht s für die Anordnung der E-Atome analog der Schwefelatome im Pyrit (FeS2). Jeder Strukturtyp unterscheidet sich in der Art der kürzesten Halogen-Halogen-Wechselwirkungen. Die in der Literatur für halogenierte organische Verbindungen beschriebenen Typen der Wechselwirkung lassen sich auch bei den EX4-Verbindungen finden. Die E-X-X-Winkel liegen in einem Bereich von 80-100° und 130-160° und sind damit etwas kleiner als für die halogenierten organischen Verbindungen. Mit Hilfe von Gitterenergieminimierungen konnten diverse potentielle Polymorphe für die EX4-Verbindungen vorhergesagt werden.
Eine vollständige Kristallstrukturvorhersage wurde für SiBr4 durchgeführt. Für diese Vorhersage wurden die Van-der-Waals-Parameter neu bestimmt. Dazu wurde das Br-Br-Potential mit Hilfe von Vergleichsrechnungen an den beiden experimentellen Strukturen des GeBr4 in den Raumgruppentypen Pa3, Z = 8 (s/ccp), und P21/c, Z = 4 (hcp/hcp), optimiert. Für die Vorhersage des SiBr4 konnten zwei der vorhergesagten Strukturen durch extern durchgeführte Kristallisationsexperimente bestätigt werden. Eine Hochtemperaturmodifikation kristallisiert oberhalb von 168K im Raumgruppentyp Pa3, Z = 8 im Strukturtyp s/ccp. Diese Struktur konnte bei der Vorhersage auf Rang 9 gefunden werden. Die Tieftemperaturmodifikation, die unterhalb von 168K vorliegt, kristallisiert im Raumgruppentyp P21/c, Z = 4 (Strukturtyp hcp/hcp). Diese Struktur hat Rang 4 der Vorhersage. Die vorhergesagten und experimentellen Strukturen zeigen nur geringe Abweichungen voneinander.
Für die tetraederförmigen E(CH3)4-Moleküle wurden für Tetramethylsilan und Tetramethylgerman vollständige Kristallstrukturvorhersagen durchgeführt. Die energetisch günstigste Struktur ist für beide Verbindungen im Raumgruppentyp Pa3 mit Z = 8 zu finden. Die energetisch zweitgünstigste Struktur hat den Raumgruppentyp Pnma mit Z = 4. Für Tetramethylsilan konnten die Strukturen mit Rang 1 und 2 experimentell bestätigt werden. Eine Hochdruckmodifikation des Tetramethylsilans kristallisiert im Raumgruppentyp Pa3 mit Z = 8. Diese Struktur entspricht der berechneten energetisch günstigsten Struktur auf Rang eins. Ihr konnte der Strukturtyp s/ccp zugeordnet werden. Mit Tieftemperatur-Röntgenpulverbeugungsexperimenten konnte eine Tieftemperaturmodifikation bei T = 100 K im Raumgruppentyp Pnma, Z = 4, mit Strukturtyp ccp/hcp gefunden werden.
Gitterenergieberechnungen wurden für die Strukturanalysen von drei fehlgeordneten Phasen eingesetzt. Experimentell bestimmte Kristallstrukturen von Azulen und Pigment Red 194 haben den Raumgruppentyp P21/c, Z = 2. Die Moleküle befinden sich dabei auf einer Punktlage mit Inversionssymmetrie. Da beide Moleküle kein Inversionszentrum aufweisen, kommt es zu einer Orientierungsfehlordnung. Für die rechnerische Analyse der Fehlordnung wurden jeweils sechs geordnete Modelle ausgehend von den fehlgeordneten Strukturen erstellt, die möglichst wenige Moleküle pro Elemenarzelle aufweisen sollten. Gitterenergieberechnungen und die Auswertung der Boltzmann-Verteilung zeigten, dass in bei beiden Kristallstrukturen eine statistische Fehlordnung der Moleküle vorliegt, die sich aus mehreren geordneten Modellen aufbauen lässt. Bei Azulen ist eine geordnete Struktur im Raumgruppentyp Pa, Z = 4, energetisch etwas günstiger als die anderen Modell. Für Pigment Red 194 zeigte sich, dass die Fehlordnung unter der Annahme, dass nur die berechneten Modelle die fehlgeordnete Struktur bilden, mit über 99%iger Wahrscheinlichkeit aus den vier energetisch günstigsten Modellen Pc, Z = 2, P21, Z = 2, P21/c, Z = 4 und Pc, Z = 4 besteht.
Die dritte untersuchte fehlgeordnete Struktur ist die des Natrium-p-chlorphenylsulfonat-Monohydrats. Die Fehlordnung bezieht sich hier nur auf die Phenylringe, die dort mit einer Besetzung von 50% zueinander senkrecht stehen. Mit Hilfe der Order-Disorder-Theorie konnten zwei geordnete Modelle im Raumgruppentyp P21/c und ein weiteres geordnetes Modell im Raumgruppentyp C1c1 (Z = 16, Z'= 2) aufgestellt werden. Gitterenergieminimierungen dieser Modelle zeigten, dass sich die Fehlordnung statistisch aus allen drei Modellen zusammensetzt. Das energetisch günstigste geordnete Modell im Raumgruppentyp P21/c, Z = 8 (Z' = 2), konnte als verzwillingte Struktur aus Einkristalldaten bestätigt werden.
Der 2‘-Desoxyguanosin-Riboschalter gehört zur unter Bakterien weit verbreiteten Klasse der Purin-Riboschalter. Allerdings wurden 2‘-Desoxyguanosin-bindende Riboschalter bisher ausschließlich in M. florum gefunden, damit stellt diese RNA eine Ausnahme unter den ansonsten verbreiteten Purin-Riboschaltern dar. In der vorliegenden Arbeit wurde ein NMR-Strukturmodell des IA-Aptamer-2‘-Desoxyguanosinkomplexes erstellt und anhand der mittels NMRSpektroskopie zugänglichen strukturellen Informationen sowohl Struktur und Dynamik des freien RNA-Aptamers als auch des 2‘-Desoxyguanosinkomplexes charakterisiert. Dabei wurde insbesondere der Einfluss von Mg2+ auf Struktur und Dynamik der jeweiligen Zustände sowie auf den durch 2‘-Desoxyguanosin induzierten Faltungsprozess untersucht.
Mg2+-Ionen modulieren die Faltungstrajektorien von sensorischen RNA-Domänen. Die Übertragbarkeit von Mg2+-abhängigen Charakteristika der RNA-Faltung innerhalb verschiedener Messmethoden ist durch die schlechte Vergleichbarkeit der relativen Konzentrationsverhältnisse eingeschränkt. Die NMR-spektroskopisch beobachtbaren Mg2+-Einflüsse sollten also unter besonderer Berücksichtigung der für NMR benötigten vergleichsweise sehr hohen RNAKonzentrationen mit Ergebnissen aus kalorimetrischen oder fluoreszenzspektroskopischen Messungen interpretiert werden. Die in der NMR-Spektroskopie üblichen hohen Probenkonzentrationen befinden sich in dem Regime, in dem auch der physikalische Effekt des verdrängten Volumens eine Rolle zu spielen beginnt. Demnach ist es für die RNA-Moleküle im NMR-Probenröhrchen bei Konzentrationen von 5-10 mg/ml auch ohne Zugabe von Mg2+ entropisch günstiger, kompakte Konformationen einzunehmen. Die Relevanz des Effekts des verdrängten Volumens für die RNA-Faltung unter NMR-Bedingungen und unter zellulären Bedingungen ist Gegenstand der aktuellen Forschung und wird in dieser Arbeit am Beispiel des IA-Aptamers diskutiert.
Der oft einzigartige Bindungsmodus ubiquitärer Metaboliten durch bakterielle Riboschalter (Montange and Batey, 2006) ermöglicht prinzipiell den Einsatz von RNA-Aptameren in vivo, ohne mit zellulären Proteinsystemen zu interferieren (Mulhbacher et al., 2010). Therapeutische Ziele sind beispielsweise die Anwendung von Riboschaltern gegen bakterielle Pathogene beziehungsweise gegen pathogene Bakterien selbst. Eine weitere Rolle wird RiboschalterElementen zukünftig als Bausteine in der synthetischen Biologie zukommen (Dixon et al., 2010; Knight, 2003; Topp and Gallivan, 2008). Hierfür ist es von grundlegender Bedeutung, Charakterisierung von Struktur als Basis für das Verständnis von Funktion unter zellulären Bedingungen zu etablieren. Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Robert Hänsel aus dem Arbeitskreis von Prof. Dr. Volker Doetsch wurde am Beispiel des IA-Aptamers und einer nichtnatürlichen Sequenzvariante gezeigt, dass eine strukturelle Charakterisierung von Riboschaltern mittels in cell NMR-Spektroskopie möglich ist. In Zusammenarbeit mit Karl von Laer aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Beatrix Suess wurden beide RNA-Aptamer hinsichtlich ihrer Funktion in einem biologischen Assay getestet. Die Ergebnisse dieser Experimente zeigten eine deutliche Korrelation von Struktur und Funktion in vivo, während Diskrepanzen zwischen Struktur in vitro und Funktion in vivo demonstriert werden.
Weiterhin wurde im Rahmen dieser Arbeit gezeigt, dass eine gewisse strukturelle Flexibilität der Bindungstaschen regulatorischer RNA-Motive für Selektion und Adaption während Evolution nötig ist. Beispielsweise wurde für den Guanin-Riboschalter gezeigt, dass der nicht-native Ligand 2‘-Desoxyguanosin zur Komplexbildung des Aptamers führt. Demnach könnte die Bindung von 2‘-Desoxyguanosin im Guanin-Riboschalter bereits evolutionär angelegt sein und die Entstehung des IA-Aptamers nach Genomreduktion der Mesoplasmen begünstigt haben. Das IA-Aptamer dagegen bindet Guanin nicht, stattdessen besitzt M. florum auf Guanin spezialisierte Sequenzvarianten dieses Riboschalters (Kim et al., 2007). Strukturell hochauflösende Einblicke in unterschiedliche Zustände der Bindungstasche im G-Aptamer-Thioguaninkomplex, die durch die Lösung der Kristallstruktur des GLoop-Aptamers ermöglicht wurden, unterstützen die Hypothese einer anpassungsfähigen Bindungstasche im G-Aptamer. Für B. subtilis wäre es interessant, die physiologische Bedeutung der Komplexbildung des G-Aptamers mit 2‘-Desoxyguanosin zu untersuchen.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Strukturen supramolekularer Komplexe, die aus einem Wirkstoff und einem Modellrezeptor bestehen. Um die spezifische Bindung durch H-Brückenbildung nachzuahmen, wurden Co-Kristallkomponenten ausgesucht, die komplementäre Bindungsstellen besitzen. Die Strukturen der erhaltenen Komplexe sowie einiger (pseudo)polymorpher Formen wurden mit Hilfe der Einkristallstrukturanalyse bestimmt. Ein Vergleich mit Kristallstrukturen ähnlicher Verbindungen ergab Hinweise auf die bevorzugten Konformationen sowie die am häufigsten gebildeten H-Brückenmotive. Theoretische Berechnungen mit den Programmen MOMO und GAUSSIAN wurden bei der Einstufung der Stabilität der Konformere und Tautomere sowie bei der Abschätzung der Komplexbildungsenergien eingesetzt.
Zunächst wurden Co-Kristalle synthetisiert, deren Komponenten ausschließlich fixierte H-Brücken-bindungsstellen besitzen. Die Co-Kristallisationsversuche des Antimalariamittels Pyrimethamin mit Orotsäure führten zur Bildung einer neuen polymorphen Form, zwei Solvaten sowie dem gewünschten Co-Kristall.
In dem ADA/DAD-Komplex zwischen dem Antibiotikum Nitrofurantoin und 2,6-Diacetamidopyridin werden die Co-Kristallkomponenten durch drei H-Brücken verbunden. In den Kristallstrukturen wird die energetisch ungünstigere sp-Konformation von Nitrofurantoin bevorzugt. In dieser Konfomation besitzt das Molekül eine positive und eine negative Seite; dies ermöglicht eine dichtere Kristallpackung.
Aufgrund der Elektronegativitäten der O- und S-Atome sollte das Watson-Crick-Basenpaar zwischen den Nucleosiden 2-Thiouridin und Adenin, das durch eine N-H•••O-Brücke verbunden ist, stabiler sein als das entsprechende Wobble-Basenpaar mit einer N-H•••S-Brücke. Um die Stabilitäten der beiden H-Brücken zu untersuchen, wurden Co-Kristallisationsversuche mit dem Thyreostatikum 6-Propyl-2-thiouracil durchgeführt. Im Co-Kristall mit 2-Aminopyrimidin wird das R_2^2(8)-Heterodimer durch eine N-H•••N- und eine N-H•••S-Brücke verbunden, während N-H•••O-Brücken die 6-Propyl-2-thiouracilmoleküle zu Ketten verknüpfen. Aufgrund der ungünstigen intramolekularen Donor/Akzeptor-Abstände wird im Co-Kristall mit 2,6-Diacetamidopyridin der gewünschte ADA/DAD-Komplex nicht beobachtet. Stattdessen bildet 6-Propyl-2-thiouracil mit Hilfe zweier N-H•••S-Brücken R_2^2(8)-Homodimere, mit denen 2,6-Diacetamidopyridin nur durch eine N-H•••O-Brücke verbunden ist. Die Mitwirkung der N-H•••S-Brücke bei der „Basenpaarung“ kann dadurch erklärt werden, dass bei der Beteiligung der N-H•••O-Brücken an dem R_2^2(8)-Motiv N-H•••S-Brücken für die Kettenbildung zuständig wären; dieses Strukturmotiv wird jedoch in Kristallstrukturen selten beobachtet. Insgesamt zeigen diese Untersuchungen, dass C-O- und C-S-Gruppen konkurrenzfähige H-Brückenakzeptoren sind.
Anschließend wurden mehrere Co-Kristalle des Antimykotikums 5-Fluorcytosin synthetisiert. Im Co-Kristall mit 2-Aminopyrimidin wird das gewünschte AD/DA-Heterodimer beobachtet. Ein ähnliches R_2^2(8)-Heterodimer könnte zwischen 5-Fluorcytosin und N-Acetylkreatinin gebildet werden, jedoch werden die Komponenten lediglich durch eine H-Brücke miteinander verknüpft. Energieberechnungen machen dies plausibel. Trotz der komplementären AAD/DDA-Bindungsstellen wird im Co-Kristall mit 6-Aminouracil das Heterodimer nur durch zwei H-Brücken verbunden. Die dadurch gewonnene Energie reicht offenbar aus, um den Energieunterschied zum AAD/DDA-Heterodimer zu kompensieren. Die Co-Kristalle des 5-Fluorcytosins mit 6-Aminoisocytosin sowie der Co-Kristall mit dem antiviralen Wirkstoff Aciclovir bestätigen die Stabilität des AAD/DDA-H-Brückenmusters, welches dem Watson-Crick-Basenpaar C-G ähnelt.
Es gelang auch, das Konformations- und das Tautomerengleichgewicht durch eine spezifische Bindung zu beeinflussen. In den Co-Kristallen von 5-Fluorcytosin mit den beiden konformationell flexiblen Molekülen Biuret und 6-Acetamidouracil wird nur diejenige Konformation gefunden, die zur Bildung des gewünschten AAD/DDA-Heterodimers führt. Dabei liegt Biuret in der energetisch günstigeren trans-Form, 6-Acetamidouracil jedoch in der ungünstigeren cis-Form vor. Die drei AAD/DDA-Komplexe von 6-Methylisocytosin zeigen, dass durch die Bildung komplementärer H-Brückeninteraktionen Tautomere getrennt kristallisiert werden können: in den Co-Kristallen mit 5-Fluorcytosin findet man ausschließlich die 3H-Form, während in dem Komplex mit 6-Aminoisocytosin lediglich die 1H-Form vorliegt.
In dieser Studie werden somit neue Einblicke in die Anwendung von Co-Kristallen als Modellsysteme für die Untersuchung von Wirkstoff/Rezeptor-Wechselwirkungen gewonnen. Um Wirkstoff/Rezeptor-Komplexe noch besser nachzuahmen, sollten zukünftig Co-Kristallisationsversuche mit größeren und flexibleren Modellrezeptoren vorgenommen werden. Weiterhin wäre die Berücksichtigung schwacher Wechselwirkungen bei der Synthese von Co-Kristallen von Interesse.
Ziel dieser Arbeit war es zum einen Informationen über den Mechanismus in Dodecinproteinen zu gewinnen, der zu der effizienten Fluoreszenzlöschung von gebundenem Riboflavin und einer deutlichen Verlängerung der Lebendsdauer des Chromophors unter Lichteinwirkung führt. Zum anderen sollte mit Hilfe eines kurzen Modellpeptids, das eine Azobenzoleinheit als Photoschalter in seinem Peptidrückgrat enthielt, erste Schritte der Peptidfaltung untersucht werden.
Die Untersuchungen an Dodecinproteinen konzentrierten sich hauptsächlich auf archaeales Dodecin aus Halobacterium salinarum (HsDod). Eine Besonderheit der Dodecinproteine ist, dass sie im Gegensatz zu anderen Flavinbindeproteinen zwei Flavinmoleküle in jeder ihrer sechs identischen Bindetaschen einbauen können. Kurzzeitspektroskopische Untersuchungen im UV/vis-Spektralbereich zeigen, dass nach Photoanregung eines gebundenen Riboflavinmoleküls nach etwa 10 ps der Ausgangszustand wieder erreicht wird. Weiterhin zeigt das Fehlen der stimulierten Emission in den transienten Daten, dass bereits innerhalb der Zeitauflösung des Experiments, in weniger als 150 fs, der erste angeregte Zustand des Riboflavins entvölkert wird. Dies verhindert unerwünschte Reaktionen des Riboflavins und stellt eine Versorgung der Zelle mit diesem wichtigen Baustein für die Biosynthese von FMN und FAD sicher. Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass zwei Spezies mit unterschiedlichen spektralen Signaturen und Lebensdauern an dem Löschungsmechanismus und der Wiedererlangung des Ausgangszustands beteiligt sind. Der Vergleich von HsDod-Proteinen in nicht-deuteriertem und deuteriertem Lösungsmittel sowie die spektrale Signatur der Spezies, die mit einer Zeitkonstante von etwa 800 fs zerfällt deuten an, dass ein Elektronen- sowie ein Protonentransfer Teil des Mechanismus sind. Mit Hilfe von HsDod-Proteinen, bei denen der Asparaginsäurerest unterhalb der Bindetasche, der für das Binden eines wasserkoordinierten Magnesiumions verantwortlich ist, gegen Serin (D41S) oder Glutaminsäure (D41E) ausgetauscht war, konnte gezeigt werden, dass das wasserkoordinierte Magnesiumion nicht relevant für den Löschungsmechanismus ist. Dennoch konnte eine Beteiligung von Wassermolekülen nicht ausgeschlossen werden. Die Beteiligung eines Elektronentransfers von einem Tryptophanrest in der Bindetasche auf das photoangeregte Flavin konnte durch Messungen an Dodecinproteinen mit Tryptophan-Derivaten mit unterschiedlichen Ionisationsenergien bestätigt werden.
Die Spezies, die mit einer Zeitkonstante von etwa 5 ps zerfällt, die ebenfalls zu einer Wiederbesetzung des Ausgangszustands führt, konnte nicht eindeutig identifiziert werden. Die spektrale Signatur des zerfallassoziierten Spektrums könnte neben einer neutralen Tryptophanspezies und einem kationischen Riboflavinradikal auch durch schwingungsangeregte Riboflavinmoleküle verursacht werden.
Eine Beteiligung der Ribitylkette am Mechanismus kann aufgrund der Ergebnisse von HsDod-gebundenem Lumiflavin ausgeschlossen werden. Weiterhin konnte anhand der Ergebnisse für HsDod-gebundenes FAD, das in seiner geschlossenen Konformation gebunden wird, wobei der Adeninrest die zweite Position in der Bindetasche besetzt, eine Beteiligung des zweiten Flavins in der Bindetasche am Löschungsmechanismus sowie ein Beitrag zu den Differenzspektren ausgeschlossen werden. Somit dient die Besetzung einer Bindetasche mit zwei Flavinmolekülen vermutlich lediglich der Maximierung der Flavinbeladung. Nicht eindeutig geklärt werden konnte die Frage, ob es sich um einen sequentiellen oder parallelen Mechanismus handelt.
Neben archaealem wurde auch bakterielles Dodecin mittels transienter UV/vis-Spektroskopie untersucht. Für Dodecin aus Halorhodospira halophila (HhDod) konnte ebenfalls eine sehr schnelle Wiedererlangung des Ausgangszustands nach Photoanregung des gebundenen Riboflavins beobachtet werden. Allerdings spiegeln einige Unterschiede in den transienten Daten die Unterschiede in den Bindetaschen von archaealem und bakteriellem Dodecin wider und geben Hinweise darauf, dass die Funktionen in der Zelle für die Dodecine unterschiedlich sind. Diese Hypothese wird durch verschiedene Cofaktoren, Riboflavin und Lumichrom für HsDod und FMN für HhDod, in vivo unterstützt. Die ermittelten Zeitkonstanten sind für das bakterielle Dodecin etwas länger als für das archaeale und die transienten Daten weisen in den spektralen Signaturen der Differenzsignale sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten auf.
Im zweiten Teil dieser Arbeit wurden erste Schritte der Peptidfaltung mit Hilfe eines wasserlöslichen bizyklischen Modellpeptids, das den Photoschalter 4(4’-Aminomethylphenylazo)benzoesäure (AMPB) enthält, untersucht. Hierfür wurden Kurzzeitspektroskopische Messungen im mittleren infraroten Spektralbereich für den Schaltvorgang von der cis-Form des Azopeptids in die trans-Form durchgeführt. Diese Methode erlaubt es, transiente Konformationsänderungen des Peptidrückgrats zu verfolgen. In der cis-Form kann das Peptid mehrere unterschiedliche Konformationen einnehmen, während der Konformationsraum für die trans-Form deutlich eingeschränkt ist. Nach der Photoanregung im Bereich der n-pi*-Bande der Azobenzoleinheit finden die grundlegenden konformationellen Änderungen innerhalb der ersten 10-20 ps statt. Dies wurde durch polarisationsabhängige Messungen bestätigt.
Auf dieser Zeitskala finden die größten Änderungen in den transienten Differenzspektren statt, die auf Konformationsänderungen sowie Kühlprozesse zurückzuführen sind. Diese Prozesse konnten mit einer Zeitkonstanten von 5 ps zusammengefasst werden. Auf längeren Zeitskalen finden weitere Reorganisationsprozesse statt, die mit einer Zeitkonstante von 300 ps zusammengefasst werden können. Bei maximaler Verzögerungszeit des Experiments (1,8 ns) ist der Gleichgewichtszustand noch nicht erreicht und es finden weitere Prozesse auf längeren Zeitskalen statt. Im Vergleich zu einem ähnlichen bereits untersuchten DMSOlöslichen bizyklischen AMPB-Peptid konnte keine schnellere Dynamik durch den Einsatz von Wasser als Lösemittel festgestellt werden, wie es vorangegangene transiente Experimente im UV/vis-Spektralbereich an wasser- und DMSO-löslichen bizyklischen Azopeptiden angedeutet hatten. Die Ergebnisse der transienten Messungen zeigen gute Übereinstimmungen mit molekulardynamischen Rechnungen. Das so gewonnene Modell von den Prozessen nach der Isomerisierung des Photoschalters erlaubt Einblicke in erste Schritte bei der Faltung von Peptiden in ihrem natürlichen Lösungsmittel Wasser und die Zeitskalen der entsprechenden Prozesse.
Übergeordnetes Ziel der Arbeit war die Synthese von Molekülen, die zur gezielten Funktionalisierung von Oberflächen dienen sollten. Dazu mussten jeweils Synthesewege inklusive geeigneter Schutzgruppenchemie sowie Reinigungsstrategien entwickelt werden. Im Rahmen dieser Zielsetzung wurde zunächst eine Anlage zur Gradientensublimation aufgebaut, mit der sich die Substanzen in sehr hoher Reinheit erhalten ließen.
Lewis-azide Organoborverbindungen finden Verwendung als Anionensensoren und als (Co)katalysatoren in der Metallocen-vermittelten Olefinpolymerisation bzw. in elektrocyclischen Reaktionen. Mit Lewis-Basen, die sterisch anspruchsvolle Reste tragen, können sie keine stabilen Addukte ausbilden. Solche Systeme werden als „frustrierte Lewispaare“ (FLPs) bezeichnet. Diese zeigen eine besondere kooperative Reaktivität gegenüber kleinen Molekülen und haben sich insbesondere in der metallfreien Aktivierung molekularen Wasserstoffs bewährt. Ein Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung einer kostengünstigen, ungefährlichen und einfachen Synthese von (C6F5)2BH („Piers' Boran“). Dieses stark elektrophile Reagenz wird in der FLP-Chemie eingesetzt und monohydroboriert selektiv terminale C≡C-Funktionen. Die literaturbekannten Darstellungsmethoden dieses Borans sind präparativ aufwendig oder erfordern kostspielige Startmaterialien. Die Hydrid-Abstraktion aus dem [(C6F5)2BH2]−-Anion, welches aus einer Eintopfreaktion zwischen BH3·SMe2, C6F5MgBr und ClSiMe3 erhalten wurde und je nach Aufarbeitung in der Zusammensetzung [Mg2(Et2O)3Br2Cl][(C6F5)2BH2] bzw. [Mg(Et2O)2][(C6F5)2BH2]2 kristallisiert, bietet eine Methode zur insitu-Präparation von Piers' Boran. Es kann mit terminalen Alkinen als Monohydroborierungsprodukt oder mit Dimethylsulfid als Lewis-Säure-Base-Addukt abgefangen werden (Abbildung 1). Zusätzlich sind sowohl das Salz [Mg2(Et2O)3Br2Cl][(C6F5)2BH2] als auch das Addukt (C6F5)2BH·SMe2 geeignete Präkursoren für die literaturbekannten FLPs I und II...Mit dem Ziel der Synthese eines Methylen-verbrückten Boran-Phosphans zur H2-Aktivierung wurde der Borinsäureester (C6F5)2BOEt mit dem Lithiumorganyl LiCH2PtBu2 umgesetzt. Dies lieferte nicht die Zielverbindung (C6F5)2BCH2PtBu2, sondern in sehr selektiver Reaktion das bicyclische Phosphoniumborat (EtO)(C6F5)B(CH2)(C6F4)PtBu2 ((III)OEt), welches mit HCl quantitativ zum Chlorid-Addukt (III)Cl reagiert (Abbildung 2). Dadurch wird am (chiralen) Borzentrum eine bessere Abgangsgruppe eingeführt und die luftund wasserstabile Spezies (III)OEt aktiviert. Der Fluorierungsgrad in (III)Cl kann durch Austausch des exocyclischen C6F5-Restes gegen eine Phenylgruppe oder durch eine F/H- bzw. F/tBu-Substitution am verbrückenden C6F4-Ring variiert werden. Nach Ersatz einer tBu-Funktion am Phosphoratom gegen eine Methylgruppe wurde ein zweites Chiralitätszentrum in das Molekülgerüst des Phosphoniumborats eingeführt. Mit Silbersalzen schwach koordinierender Anionen (AgA) reagiert (III)Cl quantitativ zu den entsprechenden Addukten (III)A (A = Acetat, Trifluoracetat, Nitrat, Tosylat, Triflat). Ungeladene Donoren (Do) verdrängen den Triflat-Rest in (III)OTf und führen zu den Salzen [(III)Do]+[OTf]− (Do = OPEt3, Pyridin, H2O)...Das freie Boran [III]+ existiert nur in Gegenwart des sehr schwach koordinierenden Anions [Al[OC(CF3)3]4]–. Mit einer Gutmann-Akzeptornummer (AN) von AN = 87.3 ist es eine stärkere Lewis-Säure als die ungeladene Verbindung (C6F5)3B (AN = 80.0). Auch die – im Vergleich zu (C6F5)3B·Do – kürzeren B–O/N-Bindungslängen in [(III)Do][OTf] (Do = OPEt3, Pyridin, H2O) bestätigen diese Beobachtung. Sowohl die freie Lewis-Säure [III]+ als auch ihr Triflat-Addukt (III)OTf katalysieren die Diels-Alder-Reaktion zwischen Cyclopentadien und 2,5-Dimethyl-,4-benzochinon. Die Reaktion läuft in Gegenwart von [III]+ schneller ab als in Anwesenheit von (III)OTf. Dennoch hat das Triflat-Addukt gegenüber [III]+ den Vorteil, dass im Laufe der Cycloaddition keine konkurrierende Polymerisation des Cyclopentadiens auftritt.
Hepatitis C virus (HCV) assembly and production is closely linked to lipid metabolism. Indeed, lipid droplets (LD) have been shown to serve as a platform for HCV assembly. To investigate the effect of HCV on the host cell proteome, 2D-gelelectrophoresis with subsequent MALDI-TOF mass spectrometry of HCV replicating and the corresponding control cells were done. Based on this analysis, it was found out that HCV-replicating Huh7.5 cells revealed lower amounts of TIP47 (tail interacting protein of 47kD) compared to HCV-negative cells. TIP47, a cytoplasmic sorting factor, has been shown to be associated with lipid droplets. As it is known that HCV-replication and assembly takes place at the so called ”membranous web” that is composed of LDs and rearranged ER-derived membranes, it was tempting to investigate the role of TIP47 in HCV life-cycle. Western blot analysis did reveal that overexpression of TIP47 in HCV replicating Huh7.5 cells leads to decreased amounts of the HCV core protein while the levels of non-structural protein (NS)5A and intracellular HCVgenomes are increased. Moreover, in TIP47 overproducing cells higher amounts of infectious HCV particles are secreted. Vice versa, inhibition of TIP47 expression by siRNA results in a decreased level of intracellular NS5A, increased amounts of intracellular core and less infectious viral particles in the supernatant. In addition, complete silencing of TIP47 by lentiviral transduction abolishes HCV replication that can be restored by transfection of these cells with a TIP47 expression construct. It has been shown recently that apoE binds to NS5A and that this interaction plays an important role for the HCV life cycle (Benga et al., 2010). The C-terminal part of TIP47 harbours a 4 helix bundle motif and displays high homology to the N-terminus of apoE. Therefore, we investigated the interaction of NS5A and TIP47. Confocal double immunofluorescence microscopy revealed that a fraction of NS5A colocalizes with TIP47. Coimmunoprecipitation experiments and a yeast-two-hybrid screening confirmed the interaction between NS5A and TIP47 and deletion of the N-terminal-TIP47-PAT domain abolishes this interaction. From this we conclude that the TIP47-NS5A interaction is required for virus morphogenesis. Moreover, TIP47 can bind to Rab9 and this is relevant for targeting the viral particle out of the cell. In accordance to this, TIP47 was identified to be associated to the viral particle. Mutants of TIP47 that fail to bind Rab9 reveal lower amounts and a changed distribution of the HCV core protein. Furthermore, we could see that the core staining colocalizes with subcellular structures that were identified as autophagosomes using a p62-specific antibody which is a specific autophagosome-marker. Based on this, we hypothized that destruction of the Rab9 binding domain misdirects the viral particle towards the lysosomal compartment.
For the first time it could be shown that TIP47 interacts with NS5A and is associated to the viral particle, therefore plays a crucial role for the virus morphogenesis and secretion of the viral article.
Taken together, these results indicate that TIP47 is an essential cellular factor for the life cycle of HCV Abstract and might be used as target for antiviral treatment, e.g. by targeting the NS5A-TIP47 interaction, based on small molecules that mimic the NS5A-specific sequence that binds to TIP47 which might result in a competition of the TIP47/NS5A interaction.
5-Lipoxygenase (5-LO) catalyzes the two initial steps in the biosynthesis of leukotrienes, a group of inflammatory lipid mediators derived from arachidonic acid. Here, the regulation of 5-LO mRNA expression by alternative splicing and nonsense-mediated mRNA decay (NMD) was investigated. In the present study, the identification of two truncated transcripts and four novel 5-LO splice variants containing premature termination codons (PTC) was reported. The characterization of one of the splice variants, 5-LOΔ3, revealed that it is a target for NMD since knockdown of the NMD factors UPF1, UPF2 and UPF3b in the human monocytic cell line Mono Mac 6 (MM6) altered the expression of 5-LOΔ3 mRNA up to 2-fold in a cell differentiation-dependent manner suggesting that cell differentiation alters the composition or function of the NMD complex. In contrast, the mature 5-LO mRNA transcript was not affected by UPF knockdown. Thus, the data suggest that the coupling of alternative splicing and NMD is involved in the regulation of 5-LO gene expression.
RT-PCR analysis of different cell types revealed the existence of a large number of 5-LO splice variants. The most interesting splice variants were observed in BL41-E95A cells, which give a raise to novel 5-LO protein isoforms. This leads to the hypothesis of a novel regulatory mechanism in which the dimerization of 5-LO with 5-LO isoforms might regulate the 5-LO activity.
The 5-LO protein expression was reduced on translational level in UPF1 knock down cells, suggesting that UPF1 has a positive influence on 5-LO translation. Therefore, a mass spectrometry based proteomics study was started to identify compartment specific protein expression changes upon UPF1 knockdown in differentiated and undifferentiated MM6 cells. The proteomics analysis demonstrated that the knockdown of UPF1 results in numerous protein changes in the microsomal fraction (~ 21%) but not in the soluble fraction (< 1%). Western blot data confirmed the trend of the proteomics analysis. This data suggest that UPF1 is a critical gene expression regulator in a compartment specific way. During differentiation by TGFβ and calcitriol the majority of UPF1 regulated proteins was adjusted to normal level. It appears that that not only the NMD mechanism alters its composition during differentiation. Also the gene expression regulation on translational level by UPF1 seems to be also cell differentiation dependent. An interesting group of UPF1 target genes represent the downregulated proteins. qRT-PCR analysis of randomly chosen genes revealed no effect on mRNA expression upon UPF1 knockdown, suggesting that UPF1 positively influences the translation of these genes. Computational sequence analysis identified a conserved C-rich sequence which might be a hnRNP E2-binding site. hnRNP E2 has been characterized as a translational repressor in myeloid cells. Western blot analysis revealed a differentiation independent up regulation of hnRNP E2 by UPF1 knockdown. Additionally, microRNA-328 (miR-328) has been described as an RNA decoy modulating hnRNP E2 regulation. Due to this, stem loop qRT-PCR showed an up regulation of miR-328 in TGFβ and calcitriol differentiated MM6 cells. Based on this data we suggest a model in which downregulation of UPF1 increases hnRNP E2 expression, leading to translation inhibition. During differentiation, miRNA-328 is upregulated thereby competing with hnRNP E2 leading to an efficient translation
Die Untersuchung von RNA mittels NMR-Spektroskopie hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, weil die Zahl der neu entdeckten RNA-Funktionen, wie z.B. RNA-Schalter in Bakterien, stark gestiegen ist. Ziel dieser Arbeit war es, mithilfe der NMR-Spektroskopie einen Beitrag zum besseren Verständnis der biochemischen Prozesse, in die RNA-Moleküle involviert sein können, zu leisten.
Im ersten Teil dieser Arbeit (Kapitel 2, 3 und 4) werden zum einen die Entwicklung neuer Methoden für die RNA-Strukturbestimmung vorgestellt und zum anderen die Leistungsfähigkeit der modernen NMR-spektroskopischen Strukturaufklärung demonstriert.
Im zweiten Teil dieser Arbeit (Kapitel 5) wird die NMR-Spektroskopie zur Untersuchung der RNA-Schalter-Funktion eingesetzt. Die biologische Funktion von RNA oder Proteinen setzt oftmals eine dynamische Struktur voraus und involviert Konformationsänderungen infolge biochemischer Signalweiterleitung. Für die Charakterisierung solcher Prozesse eignet sich die NMR-Spektroskopie insbesondere gut, weil sie in Lösung unter verschiedenen Reaktionsbedingungen angewandt wer-den kann. Durch den direkten NMR-spektroskopischen Nachweis von Basenpaarungen können wichtige strukturelle Eigenschaften (Faltung, Strukturhomogenität und Dynamik) entschlüsselt und in einen Zusammenhang mit der Funktion gebracht werden.
Im Folgenden werden die einzelnen Kapitel vorgestellt.
Nachdem das erste Kapitel eine allgemeine Einleitung in die NMR-Spektroskopie, RNA-Struktur und Funktion der RNA-Schalter darstellt, folgt im Kapitel 2 die Einführung einer neuen Methode, die eine quantitative Bestimmung der Torsionswinkel alpha und zeta in RNA/DNA mittels NMR-Spektroskopie ermöglicht (Abb. 1). Sie basiert auf der Wechselwirkung zwischen dem CH-Dipol und der 31P-CSA, die von der relativen Orientierung abhängig ist. Die Methode wurde für die CH- und CH2-Gruppen in Form von zwei Pulssequenzen (2D- und 3D-G-HCP) zur Messung von insgesamt fünf kreuz-korrelierten Relaxationsraten entlang des RNA/DNA-Rückgrats optimiert. Die Funktionsfähigkeit der Methode wurde zunächst an der 14mer cUUCGg-Tetraloop RNA getestet und zur Bestimmung der Torsionswinkel alpha und zeta genutzt. Die Ergebnisse flossen in die Strukturrechnung der 14mer RNA, die im Kapitel 3 vorgestellt wird, mit ein. Des Weiteren gelang es die Anwendbarkeit der Experimente an einer größeren 27mer RNA zu demonstrieren. Die neue Methode ist deswegen von Bedeutung, weil die Winkel alpha und zeta nicht über 3J-Kopplungskonstanten gemessen werden können.
(Nozinovic, S., Richter, C., Rinnenthal, J., Fürtig, B., Duchardt-Ferner, E., Weigand, J. E., Schwalbe, H. (2010), J. Am. Chem. Soc. 132, 10318-10329.)
Im Kapitel 3 wird die NMR-spektroskopische Bestimmung der Struktur einer Model-RNA, der 14mer cUUCGg-Tetraloop RNA, vorgestellt. Die Strukturrechung wurde mit verschiedenen NMR-Datensätzen, die in der Arbeitsgruppe einschließlich dieser Doktorarbeit gesammelt wurden, durchgeführt. Zusammen mit den Ergebnissen aus dem Kapitel 2 konnte eine sehr präzise Struktur mit einem RMSD von 0,37 Å (20 Strukturen) in sehr guter Übereinstimmung mit experimentellen Daten ermittelt werden. Die gerechnete Struktur repräsentiert eine der gegenwärtig genauesten und umfassendsten Strukturbestimmungen einer RNA, bei der jeder Torsionswinkel quantitativ bestimmt wurde. Einen besonderen Höhepunkt stellt die strukturelle Analyse der 2’OH-Gruppen dar, die im anschließenden Kapitel 4 weiter vertieft wurde.
(Nozinovic, S., Fürtig, B., Jonker, H. R. A., Richter, C., Schwalbe, H. (2010), Nucleic Acids Res. 38, 683-694)
Über Jahre war bekannt, dass die Größe der 1J(C1’,H1’)- und 1J(C2’,H2’)-Kopplungskonstanten innerhalb der Ribonukleotide von der lokalen Struktur des Zuckers und der Orientierung der Nukleobase beeinflusst wird. In dieser Arbeit (Kapitel 4) wurde zum ersten Mal ein systematischer Vergleich zwischen NMR-Messungen und DFT-Rechnungen durchgeführt, der eine eindeutige Zuordnung der Hauptkonformationen des Zuckers (C3’- oder C2’-endo) und der Nukleobase (anti oder syn) anhand der 1J(C,H)-Kopplungskonstanten erlaubt. Die beschriebene Methode wurde an einer größeren 27mer RNA erfolgreich erprobt. Weiterhin wurde erstmalig entdeckt, dass zudem die Orientierung der 2’OH-Gruppe einen signifikanten Einfluss auf die 1J(C,H)-Kopplungen hat (Abb. 3). Mithilfe von NMR-Messungen und DFT-Rechnungen konnte aus 1J(C,H)-Kopplungskonstanten die Orientierung von allen 2’OH-Gruppen in der 14mer cUUCGg-Tetraloop RNA bestimmt werden. Die Methode hat den großen Vorteil, dass 2’OH-Gruppen, die aufgrund des schnellen Austauschs mit Wasser oder D2O keine NMR-Signale liefern, analysiert werden kön-nen.
(Nozinovic, S., Gupta, P., Fürtig, B., Richter, C., Tüllmann, S., Duchardt-Ferner, E., Holthausen, M. C., Schwalbe, H. (2011), Angew. Chem. Int. Ed. 50, 5397-5400)
Im Kapitel 5 wird eine NMR-spektroskopische Untersuchung an der Aptamerdomäne des Adenin-bindenden RNA-Schalters (pbuE) vorgestellt. Im Fokus der Forschung stand die Frage: Welchen Einfluss hat die Länge der P1-Helix auf die Struktur und die Ligandbindung der freien Aptamer-domäne?
Durch den Vergleich von zwei Konstrukten mit unterschiedlich langer P1-Helix war es möglich, intrinsische Scherkräfte, die durch die Ausbildung der P1-Helix in der freien Aptamerdomäne entstehen, festzustellen. Es hat sich im Konstrukt mit der verlängerten P1-Helix gezeigt, dass diese zur Destabilisierung der P3-Helix und des Schlaufenkontakts führen. Diese strukturellen Änderungen haben außerdem zur Folge, dass die Bindungsstärke des Liganden reduziert wird. Die Ergebnisse zeigen, dass ein strukturelles Gleichgewicht zwischen Sekundärstrukturelementen die tertiäre Faltung beeinflusst und die Funktion moduliert.
(Nozinovic, S., Reining, A., Noeske, J., Wöhnert, J., Schwalbe, H. (2011), in Vorbereitung)
Die in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen an GXG Modellpeptiden konnten eindeutig zeigen, dass diese Peptide, auch ohne das Vorhandensein von langreichweitigen Wechselwirkungen, bestimmte Sekundärstrukturen präferieren. Ein Teil der beobachteten, auftretenden Strukturmotive lässt sich hierbei über den sterischen Anspruch der Seitenkette erklären, ein anderer Teil über die Ladung der Seitenkette. In Kombination mit anderen Spektroskopischen Methoden konnten zehn dieser Peptide genauestens untersucht werden. Hierbei zeigte sich, dass diese Peptide nicht nur die favorisierten Regionen des Ramachandran-Diagramms besetzen. Ein Vergleich mit dem Vorkommen bestimmter Aminosäuren, beispielsweise in loop Regionen von Proteinen, zeigt dass die Sequenz dieser loops nicht zufällig ist. Tatsächlich besitzt ein Teil der Aminosäuren, die besonders häufig an bestimmten loop Positionen vorkommen, bereits die intrinsische Vorliebe, die notwendige Konformation einzunehmen. Diese Aminosäuren und die umgebenden loops sind somit eventuell nicht nur das simple Verbindungsglied zwischen zwei Sekundärstrukturen, sondern kommen selbst als Ausgangspunkte für Peptid- bzw. Proteinfaltung in Frage.
Ein weiteres Augenmerk der Arbeit lag auf der Messung von skalaren und dipolaren Kopplungen an isotopenmarkierter RNA. Es wurden vier Pulssequenzen entwickelt, die es ermöglichen, 1J skalare bzw. dipolare Kopplungen in der Zuckerregion von 13C- markierter RNA mit hoher Präzision zu messen. Die entwickelten J-modulierten Experimente ermöglichen die Messung von 1J(H2’C2’), 1J(C1’C2’) sowie 1J(C2’C3’) Kopplungen selbst für größere RNA Moleküle. Die Detektion erfolgt hierbei auf den C1’H1’ Signalen, die Zuordnung der Kerne, deren Kopplung gemessen wird, ist nicht einmal erforderlich. Die Anwendbarkeit konnte für verschiedene Systeme mit 14 bis 70 Nukleotiden demonstriert werden. Die erreichte Präzision ermöglichte es außerdem auch sehr kleine Effekte, wie beispielsweise die Ausrichtung von RNA im Magnetfeld zu detektieren.
Diese Arbeit zeigt außerdem zwei Beispiele für die gezielte Modifikation, um Lanthanid Bindungsstellen einführen zu können. Auf chemischen und biochemischen Weg konnte isotopenmarkierte, in vitro transkribierte RNA modifiziert werden. Die Ergebnisse zeigen eindeutig eine Bindung von Lanthanid-Ionen an die modifizierte RNA. Die auftretenden, eher kleinen Effekte, sind vermutlich auf die noch zu hohe Flexibilität der eingeführten Modifikationen. Vor allem bei der chemischen Modifikation besteht hier noch Potential zur Optimierung, nachdem die generelle Anwendbarkeit der Methode demonstriert wurde.
Der letzte Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Analyse von Kopplungsmustern zur Analyse und zum Vergleichen von Naturstoffen. Hier konnten aus einer Reihe von Derivaten eindeutig die identifiziert werden, die verglichen mit der Ausgangsstruktur, die gleiche Konformation besitzen. Die gewonnenen Ergebnisse decken sich hier mit durchgeführten biologischen Tests, die ebenfalls dasselbe Derivat als aktiv identifizieren konnten, was klar für eine Struktur-Aktivitäts-Beziehung spricht.
In der vorliegenden Arbeit werden Methoden und Anwendungen gezeigt, um skalare und dipolare Kopplungen im Bereich von Peptiden, Nukleinsäuren und kleinen Molekülen zu nutzen. Die durchgeführten Arbeiten reichen dabei von der speziellen Probenpräparation zur Messung von dipolaren Kopplungen bis hin zur Entwicklung neuer NMR-spektroskopischer Methoden zur Messung von Kopplungen mit höherer Präzision und an größeren Systemen als bisher.