BDSL-Klassifikation: 15.00.00 19. Jahrhundert > 15.11.00 Vormärz und Revolution 1848
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Die Italien-Artikel von Friedrich Engels im Revolutionsjahr 1848/49 in der Neuen Rheinischen Zeitung
(2022)
François Melis widmet sich den politischen Entwicklungen in Italien: "Die Italien-Artikel von Friedrich Engels im Revolutionsjahr 1848/49 in der Neuen Rheinischen Zeitung" sind das Thema seines Beitrages, der sowohl die Veröffentlichungs- und Rezeptionsgeschichte von Engels' Italienberichten als auch den Stellenwert der italienischen Revolution von 1848/49 in Marx' und Engels' Denken skizziert. Diese Revolution wird auch in die Geschichte europäischer Demokratiebewegungen einbezogen. Zudem zeichnet Melis Parallelen zwischen Italien und den deutschen Ländern aus der Perspektive v. a. Engels' nach und analysiert dessen Darstellungsschwerpunkte. Aufschlussreich sind Engels' Italien-Artikel auch noch aus einem weiteren Grund: Sie lassen Engels' Arbeitsweise, seinen Umgang mit Quellen, Informationen und journalistischen Genres, erkennbar werden.
Wie kein anderes Land ist Italien im deutschsprachigen Raum seit mehr als 600 Jahren Gegenstand einer nahezu unüberschaubaren Auseinandersetzung in Kunst, Kultur, Philosophie und Politik. Als Kernland des römischen Imperiums, mit Rom als Zentrum der Christenheit und wichtiger Etappe auf dem Pilgerweg ins Heilige Land, durch jahrhundertelang politisch und wirtschaftlich mächtige Republiken wie beispielsweise Venedig, Genua und Florenz war Italien in vielerlei Hinsicht von besonderem Interesse. Dies gilt auch für die Zeit nach 1796, für die Zeit nach dem Einmarsch der französischen Truppen und die damit verbundene Umgestaltung der politischen Landkarte Italiens. Im ersten Teil stehen mit Blick auf das (post-)risorgimentale Italien zunächst exemplarische Untersuchungen in Literatur, Publizistik und Philosophie im Fokus. Der zweite Teil des Jahrbuchs ist dem Thema "Deutsche Künstler in Italien - zwischen politisch-ästhetischer Revolution und Traditionsbewahrung" gewidmet. Italien als Sehnsuchtsziel von Malern und Schriftstellerinnen sowie als Gegenstand von Reiseberichten, Gedichten und als Opernschauplatz bietet einerseits Inspiration und Freiraum zum künstlerischen Schaffen. Andererseits ist Italien aber auch ein kulturell seit Jahrhunderten beschriebenes Gebiet, das zu einer Auseinandersetzung mit den Kulturgeschichten beider Länder und bislang vorliegenden künstlerischen Gestaltungen herausfordert.
Wie kein anderes Land ist Italien im deutschsprachigen Raum seit mehr als 600 Jahren Gegenstand einer nahezu unüberschaubaren Auseinandersetzung in Kunst, Kultur, Philosophie und Politik. Als Kernland des römischen Imperiums, mit Rom als Zentrum der Christenheit und wichtiger Etappe auf dem Pilgerweg ins Heilige Land, durch jahrhundertelang politisch und wirtschaftlich mächtige Republiken wie beispielsweise Venedig, Genua und Florenz war Italien in vielerlei Hinsicht von besonderem Interesse. Dies gilt auch für die Zeit nach 1796, für die Zeit nach dem Einmarsch der französischen Truppen und die damit verbundene Umgestaltung der politischen Landkarte Italiens. Im ersten Teil stehen mit Blick auf das (post-)risorgimentale Italien zunächst exemplarische Untersuchungen in Literatur, Publizistik und Philosophie im Fokus. Der zweite Teil des Jahrbuchs ist dem Thema "Deutsche Künstler in Italien - zwischen politisch-ästhetischer Revolution und Traditionsbewahrung" gewidmet. Italien als Sehnsuchtsziel von Malern und Schriftstellerinnen sowie als Gegenstand von Reiseberichten, Gedichten und als Opernschauplatz bietet einerseits Inspiration und Freiraum zum künstlerischen Schaffen. Andererseits ist Italien aber auch ein kulturell seit Jahrhunderten beschriebenes Gebiet, das zu einer Auseinandersetzung mit den Kulturgeschichten beider Länder und bislang vorliegenden künstlerischen Gestaltungen herausfordert.
Nach wie vor ist die Geschichte der ästhetischen und auch der poetologischen Debatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, was ihre Breite und Heterogenität angeht, ein blinder Fleck der Forschung. Das überrascht angesichts der Dynamik der Verschiebungen innerhalb der Paradigmata des Schönen nach 1800, die der erstarkenden Bedeutung des Sehens im Horizont medialer Formerweiterungen ebenso Rechnung trägt wie der philosophischen Ausrichtung der Phänomenologie, der wachsenden Bedeutung der Psychologie und auch dem steigenden Einfluss von wissenschaftlichen Ordnungen auf die Künste. Allenthalben verschaffen sich neue Konzepte des Schönen, der Kontinuität, der Brüchigkeit und der Kritik, des Verhältnisses von Idee und Realität, von Phänomen und System, von Erscheinung und Abstraktion Ausdruck und werden wiederum in Ästhetik 'betrachtet' und eingeordnet.
Nach wie vor ist die Geschichte der ästhetischen und auch der poetologischen Debatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, was ihre Breite und Heterogenität angeht, ein blinder Fleck der Forschung. Das überrascht angesichts der Dynamik der Verschiebungen innerhalb der Paradigmata des Schönen nach 1800, die der erstarkenden Bedeutung des Sehens im Horizont medialer Formerweiterungen ebenso Rechnung trägt wie der philosophischen Ausrichtung der Phänomenologie, der wachsenden Bedeutung der Psychologie und auch dem steigenden Einfluss von wissenschaftlichen Ordnungen auf die Künste. Allenthalben verschaffen sich neue Konzepte des Schönen, der Kontinuität, der Brüchigkeit und der Kritik, des Verhältnisses von Idee und Realität, von Phänomen und System, von Erscheinung und Abstraktion Ausdruck und werden wiederum in Ästhetik 'betrachtet' und eingeordnet. Das vorliegende Jahrbuch holt mit seinem Themenschwerpunkt die Komplexität dieser Entwicklung nicht ein, kann das auch im hier zur Verfügung stehenden Rahmen nicht. Es versteht sich als Impuls für notwendig weitere Forschungen.
Hatten wir zu zeigen versucht, daß in der Romantik die "glückliche Vereinigung des Entgegengesetzten" - Kritik und Ethos - konstitutiv für die Gattung der Charakteristik wurde, so stoßen wir am Ende des Idealismus und der Kunstperiode auf die Verbindung von Kritik und Humor. [...] War freilich die Charakteristik in der Romantik mit ihrer Synthesebildung aus Philosophie, Philologie, Historie und Poesie die höchste Form der Kritik, ist sie jetzt im Vormärz nur noch eine gewichtige Vorübung für andere Bildungsarten.
Die Polemik lebt aus der Spannung extremer Gegensätze: von Affekt und Besonnenheit, von Argument und Bluff, von Logik und Paralogismen, von Dokument und Metapher, von akribischer Kriminalistik und wilder Spekulation, von rigorosem ethischem Prinzip und brutalem Vernichtungswillen, von kalkulierter Wirkungsstrategie und dem Spiel mit dem Zufall. Diese Spannungen sind in der Polemik so organisiert, daß sie die Sprache bis an die Grenze ihrer Verbalität, ja über sie hinaus zu treiben versuchen. Das Wort soll, was es nicht kann, nicht mittelbar, sondern unmittelbar Tat werden. Diese polemische Grenzüberschreitungssucht ihres Mediums der rational argumentierenden Sprache macht die Brisanz, das Interesse, aber auch die fortdauernde Distanzierung von der Polemik, zumal in der Aufklärung, verständlich. Im folgenden sollen einige Stationen der Verdächtigung und Legitimierung der Gattung Polemik von der Aufklärung bis zum Vormärz nachgezeichnet werden, wobei - unumgänglich - das Verhältnis der Polemik zur entstehenden Kritik in Aufklärung und Romantik ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt.
Entgegen der Vielschichtigkeit und Komplexität pädagogischen Denkens und Handelns im Vormärz zeigen sich in der Forschungslage jedoch Desiderate. So wurden pädagogische Themen bis dato nur wenig wahrgenommen. Ausgehend von diesem Befund fokussiert der vorliegende Thementeil des Jahrbuchs das Thema "Zwischen Emanzipation und Sozialdisziplinierung. Pädagogik im Vormärz". In den folgenden Beiträgen werden pädagogische Handlungs- und Themenfelder aus verschiedenen disziplinären Perspektiven aufgegriffen. Dabei wird es deutlich, dass im pädagogischen Diskurs des Vormärz nicht nur verschiedene Positionen unter Aufnahme der gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Situation gegeneinander geführt, sondern dass auch verschiedene Modi und Medien der Artikulation genutzt wurden. Der vormärzliche Diskurs über Erziehung und Bildung ist daher Gegenstand verschiedener Disziplinen und geht über den Interessenbereich der Erziehungswissenschaft deutlich hinaus. Er ist auch ein geschichtswissenschaftliches, literaturwissenschaftliches, kulturwissenschaftliches, philosophisches und theologisches Thema, was sich in den Beiträgen dieses Jahrbuchs niederschlägt.
In der Krisen- und Umbruchzeit des Vormärz wurden pädagogische Fragen entlang der Grenze zwischen politischen, religiösen und sozialen Problemlagen kommuniziert, indem politische, religiöse und gesellschaftliche Herausforderungen pädagogisch interpretiert wurden. Erziehung und Bildung waren Gegenstand in Pamphleten, konzeptionellen Schriften, Briefen und Aufrufen, sie wurden in Zeitschriften verhandelt und waren literarisches Sujet. In der Verbreitung und Umsetzung oppositioneller pädagogischer Ideen waren Akteurinnen und Akteuren Grenzen gesetzt: Grenzen der obrigkeitsstaatlichen Zensurbehörden, aber auch Grenzen des staatlichen Bildungswesens, die der Umsetzung alternativer pädagogischer Ideen kaum Raum ließen. Pädagogische Konzeptionen und Praktiken der Opposition waren aufgrund ihrer kritischen Ausrichtung umstritten und daher einerseits klandestin, subversiv und konspirativ, sie zielten andererseits aber auch auf das Auditorium einer bürgerlichen Öffentlichkeit, da sie mit der Hoffnung verbunden waren, Emanzipationsprozesse ihres Klientels zu initiieren. Aus der Sicht der Zensurbehörden bargen sie daher Gefahrenpotential und Sprengkraft, weshalb pädagogische Akteurinnen und Akteure mit Zensurbestimmungen und Vereinsverboten in der Folge der Karlsbader Beschlüsse konfrontiert waren, mit Flucht, Verhaftung und Verfolgung - häufig blieb ihnen nur der Weg in die Emigration. Umgekehrt wurden Erziehung und Bildung auf Seite der restaurativen Mächte auch als Mechanismen des Erhalts der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Strukturen und Privilegien profiliert. Auf pädagogischem Feld wurden im Vormärz insgesamt Interessen- und Machtkonflikte zwischen "Emanzipation und Sozialdisziplinierung" ausgetragen.
Wenn man an die Stelle des Titels "Georg Büchner und seine Zeit" "Georg Büchner in seiner Zeit" setzt, hat man den Unterschied der Lebenszeit Büchners (1813-1837) und seiner Wirkung über einen umfassenderen Zeitraum im Blick. Diese doppelte Perspektive versucht der Essay durchzuhalten: Er fragt zunächst, wie es möglich wurde, dass ein junger Mann, der mit 24 Jahren starb, nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Wissenschaftler und Revolutionär eine herausragende Rolle spielen konnte. Anschließend werden zwei avantgardistische Alternativen zu den von Büchner gewählten Dramenstoffen Danton und Woyzeck fiktiv vorgeführt.
Dem bemerkenswerten wissenschafts- und ästhetikgeschichtlichen Interesse an Friedrich Theodor Vischers Werk in der Gegenwart lässt sich ein weiterer Akzent hinzufügen, wenn man Vischers repräsentative Rolle sowohl im Vormärz wie im Nachmärz rekonstruiert und dabei vor allem auf seine Selbstkorrekturen und Revisionen die Aufmerksamkeit lenkt. In wissenschaftshistorischen Studien der jüngsten Zeit gewinnt die 'Historische Epistemologie' an Kontur.
Öffentlichkeit bedarf, um zu gedeihen, einerseits bestimmter staatlicher und rechtlich abgesicherter Außenbedingungen [...] anderereits bestimmter kommunikativer und urbaner Binnenbedingungen. Öffentlichkeit ist und wird aber auch geprägt von bestimmten Erfahrungs- und Wahrnehmungsformen. Eine Gelehrtenöffentlichkeit kann z.B. lokalitätsüberschreitend durch Schrift [...] und vor Ort in bestimmten Formen der Oralität, etwa der Vorlesung oder Disputation, stattfinden. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Physiognomie der Öffentlichkeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht mehr dominant von einer exzessiven Lese- und Schreibsucht geprägt wie noch im 18. Jahrhundert, sondern von einem unersättlichen Bilderhunger. Geht man auf die Suche nach den eigentümlichen Konstitutionsbedingungen literarischer Öffentlichkeit in der Epoche der Spätromantik und des Vormärz, so darf man nicht bei der Literatur stehen bleiben, sondern muß von der Interferenz von Literatur und Bild (wie in anderer und paralleler Weise von Literatur und Lied) ausgehen.
Mit der Trias "Neue Zeit - Neue Kunst - Neue Technik" sind die Leitideen vormärzlicher Kunsttheorie und -praxis päzis umschrieben. Zunächst schien es so, daß mit der neuen Zeit, dem in der Julirevolution sichtbar gewordenen Bündnis von König und Volk eine schöne, bedeutungsvolle Zeit anbrechen würde, [...]
Dieser Enthusiasmus sollte allerdings nicht lange anhalten. An die Stelle der Schöheit trat bekanntlich die Karikatur des Bürgerkönigs, an die Stelle des Pathos die Farce, an die Stelle von Geist das Geld, ein Umstand, der freilich nicht auf Frankreich besschränkt blieb [...]
Ausgegangen wird von einer Kontinuität struktureller Vorgaben durch die Frühromantik mit erkennbaren Umakzentuierungen Mitte der zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts, die im Vormärz experimentell erprobt werden. Die neuere Vormärzforschung tendiert dazu, in Abgrenzung zum späteren poetischen Realismus die Literatur, d.h. keineswegs nur die politisch progressive, durch ihre kühnen literarischen, die Innovationen der Wissenchaften aufgreifenden Experimente zu charakterisieren. Aus dem Gesichtswinkel literarischer Experimmtierfreudigkeit, die Herausforderungen der Modet+rnisierung und Temporalisierung annimmt und zugleich bestreitet, wird eine paradoxale poetologische Grundfigur erkennbar, die für Romantik und Vormärz gleichermaßen gilt, nämlich: sich in den Krisenbrennpunkt der eigenen Zeit hineinzuschreiben, um sich zugleich in ästhetische Distanz zu begeben. Die Ausfaltung dieser paradoxalen poetologischen Grundfigur in Romantik und Vormärz sei in vier Durchgängen problematisiert:
1. Strukturelle Vorgabe: "Führungswechsel der Zeiten"
2 Archivierung und Aktualisierung 'doppelbödiger' Schreibweisen
im Spannungsverhältnis von Poesie und Publizistik
3. Wechselverwiesenheit: Vormärz in der Romantik und Romantik
im Vormärz
4. Die Austreibung des Romantischen im Vormärz
5. Reflexive Gegenwart als zentrale Bezugszeit. Akzentverlagerung von der Romantik zum Vormärz
Es gibt ihn, den komplexen, vielschichtigen, eigenständigen Berlin-Roman des Vormärz. Zweifelsfrei kann ein solcher Roman nicht auf einen eigenen elaborierten Stadtdiskurs zurückgreifen, wie er in Paris spätestens seit Sebastien Merciers "Tableaux de Paris" ausgearbeitet wurde. Aber es wäre naiv zu glauben dieses 'know how' würde gleichsam an Paris kleben und sei nicht produktiv auf andere Städte transferierbar. In gewisser Weise ist man sogar berechtigt zu behaupten, die Schwäche Berlins, über einen erst sich nach 1800 allmählich herausbildenden eigenständigen publizistischen Stadtdiskurs zu verfügen ist seine potenzielle Stärke. Die erzähltechnische und poetologische Virtuosität dieses ersten bedeutenden Berlinromans gilt es im Folgenden zu belegen.
Vorwort
(2018)
Das Reichsgesetz, betreffend die Grundrechte hat aus der Kritik an der französischen Menschenrechtserklärung gelernt, dass es Menschenrechte weder ohne System der Rechte und Pflichten des Bürgers noch ohne Verankerung in der einschlägigen Organisation der Staatsorgane geben kann, die gleichzeitig die Freiheit und die Einheit des Volkes sichern. Außerdem sieht die den Reichsgesetzen zugrunde liegende Auffassung keine Grundrechte ohne Verankerung im zu schützenden geistigen Leben des Volkes vor. Unter dem Einfluss der Rechts- und Staatsphilosophie J. G. Fichtes und Hegels wurden im Vormärz rechtsphilosophische Theorien entwickelt, die individuelle Menschenrechte nicht abstrakt, sondern nur in einem "System des Rechts" aufeinander bezogener Komponenten gelten lassen, das den Menschen grundsätzlich als gesellschaftliches Wesen betrachtet und dem eine organische und geistige Auffassung der Gesellschaft zugrunde liegt.
Das Reichsgesetz, betreffend die Grundrechte hat aus der Kritik an der französischen Menschenrechtserklärung gelernt, dass es Menschenrechte weder ohne System der Rechte und Pflichten des Bürgers noch ohne Verankerung in der einschlägigen Organisation der Staatsorgane geben kann, die gleichzeitig die Freiheit und die Einheit des Volkes sichern. Außerdem sieht die den Reichsgesetzen zugrunde liegende Auffassung keine Grundrechte ohne Verankerung im zu schützenden geistigen Leben des Volkes vor. Unter dem Einfluss der Rechts- und Staatsphilosophie J. G. Fichtes und Hegels wurden im Vormärz rechtsphilosophische Theorien entwickelt, die individuelle Menschenrechte nicht abstrakt, sondern nur in einem "System des Rechts" aufeinander bezogener Komponenten gelten lassen, das den Menschen grundsätzlich als gesellschaftliches Wesen betrachtet und dem eine organische und geistige Auffassung der Gesellschaft zugrunde liegt. [...] Das Jahrbuch erforscht diese Zusammenhänge; neben der – vor allem – rechtsphilosophischen Inspiration der einzelnen spezifischen Aspekte der Grundrechte geht es um die folgenreiche Besetzung des politischen sowie imaginativen Ausdrucksraumes der Vormärz-Zeit durch die Idee der Menschenrechte, die sowohl in Bezug auf einzelne Grundrechte wie auch im Blick auf ihre Fundierung in der Klassischen Deutschen Philosophie, die Frage nach Frauenrechten als Menschenrechten, Protagonisten wie Friedrich Hecker oder den Zusammenhang von Menschenrechtsidee und Musik betrachtet werden.
Das Thema "Heine und Goethe" scheint im wesentlichen erledigt, die wichtigen Stationen von Heines Auseinandersetzung mit der geliebten und gehaßten literarischen Vaterfigur sind beschrieben und untersucht. Zwei Perspektiven auf die Beziehung des 50 Jahre Jüngeren zum Weimarer Klassiker und Staatsminister herrschen dabei vor. Die eine hat ein Interesse, das man als biographisch-ideologisch bezeichnen könnte: Wie steht Heine zu Goethe? Welche Bedeutung hat die Auseinandersetzung mit ihm für die Genese seiner ästhetischen, philosophischen, politischen Positionen? In welchen Konstellationen bewegt sich Heine zwischen Goethe-Gegnern und -Verehrern, zwischen Liberalen und Romantikern, zwischen Nazarenern und Hellenen? [...] neben diese Perspektive, die den Zeitgenossen der "Wolfgang-Goetheschen Kunstperiode" also selbst durchaus geläufig war, tritt in der Heine-Forschung eine zweite, die nach binnenliterarischen Bezügen zwischen Heines und Goethes Schriften fragt.
Die größeren deutschsprachigen Zeitungen enthielten in der Regel recht umfangreiche Nachrichten über deutsche und europäische Ereignisse und Entwicklungen, was offensichtlich einem starken Interesse der Leserschaft entsprach, Neuigkeiten über die alte Heimat und den europäischen Kontinent zu erfahren. Gleichzeitig spiegelte es auch ein Bedürfnis der eingewanderten Vormärzemigranten wider, den Lesern Informationen über die neuesten politischen Vorgänge in Europa zu vermitteln, um sie gegebenenfalls für eine Unterstützung demokratischer Bewegungen in der alten Heimat zu gewinnen, was auch materielle Zuwendungen einschließen konnte. Die deutschsprachigen Zeitungen in den USA besaßen zwar keine eigenen Korrespondenten in Europa – lediglich die "Alte und Neue Welt" hatte einen Mitarbeiter in Frankfurt/M., doch die in New York und Philadelphia erscheinenden Blätter erhielten größere Sendungen von europäischen Journalen, aus denen sie Auszüge abdruckten. Die Zeitungen des Binnenlandes wiederum kopierten dann diese Auszüge. Eine weitere Informationsquelle waren die vielfachen brieflichen Kontakte zwischen Deutschen in Amerika und Verwandten oder Freunden in der alten Heimat. Die Briefe wurden häufig ganz oder in Auszügen inverschiedenen Zeitungen abgedruckt, wenn sie im Hinblick auf einen interessanten Nachrichtenwert von öffentlichem Interesse waren.
Im Juli 1842 wanderte Johann Konrad Friederich nach Frankreich aus. Fortan lebte er knappe fünf Jahre in der französischen
Hauptstadt, bis zum Frühjahr 1847. Hier betätigte er sich, wie in Deutschland, weiterhin als Journalist und Schriftsteller. Er verfaßte oder stellte fertig u.a. das umfängliche Buch mit dem Reiz-Titel "Dämonische Reisen in alle Welt" sowie vermutlich den größeren Teil seiner reichhaltigen Memoiren (insgesamt rund 2000 Seiten). Im Frühjahr 1847 verzog er nach Ingouville bei Le Havre, wo er noch elf Jahre lebte und am 1. Mai 1858
verstarb. Ein Exilierter?
Als bevölkerungsstärkste Einwanderungsgruppe des 19. Jahrhunderts stellten deutsche Immigranten und Exilanten die Frage nach den Kennzeichen des amerikanischen Wertesystems besonders deutlich. Die eigene kulturelle Prägung diente bei der Suche nach Antworten als sowohl negative als auch positive Bezugsfläche. Nicht selten kam es bei der interkulturellen Begegnung zu Enttäuschungen, deren Ursachen in falschen Vorstellungen über die Realitäten des amerikanischen Wirtschafts-, Politik- und Gesellschaftssystems lagen. Bei der Wahl zwischen resignierender Anpassung an die neuen Verhältnisse oder aktiver Mitgestaltung der Wertegemeinschaft entschieden sich vor allem die Freiheitskämpfer des politischen Vormärz zugunsten einer reformerischen Haltung. Im Folgenden sollen daher nicht die ethnischen Kommunen untersucht werden, die sich um den Preis isolationistischer Vereinsmeierei der Bewahrung deutscher Traditionen, Gebräuche und Sprache verpflichteten, sondern jene Aktivisten, die in den USA ihre Vorstellung einer besseren, vorbildlichen Welt zu verwirklichen suchten. Die deutsch-amerikanische Geschichtsschreibung hat sich traditionell mit der Frage befasst, welche Beiträge deutsche Immigranten zur amerikanischen Kultur leisteten. Dabei ließen in der Vergangenheit viele Arbeiten einen wissenschaftlich analytischen Ansatz vermissen. Neue Zugänge zur von zwei Weltkriegen überschatteten deutsch-amerikanischen Einwanderungsgeschichte können, wie Werner Sollors betont, Analysen der internationalen, poly-ethnischen und multilingualen Kontexte eröffnen?
Seit Eduard Fuchs' Jubliäumsbuch "1848 in der Caricatur" reißt die Flut der Publikationen über die Revolutionskarikatur nicht mehr ab. In diesem Band tritt sie zurück, um anderem Platz zu machen: dem Vor- und Nachmärz sowie dem europäischen Kontext der Karikatur. Sowenig die Revolution von 1848 die Bildsprache der Karikatur mit einem Schlag ändert, sowenig werden ihre Mittel und Motive von Land zu Land neu erfunden. Der Zeitrahmen dieses Bandes ist also weiter gesteckt, von 1814/15, dem Jahr der Neuordnung Europas und der Gründung des Deutschen Bundes, bis 1858/59, dem Beginn der "Neuen Ära". Ebenso breit wird der europäische Raum ausgemessen, denn in dieser Zeit geben Frankreich und England den Ton in der Karikatur an, und man errichtete eine künstliche Scheidewand, wollte man die deutsche Karikatur gegen ihre Nachbarn isolieren. Dasselbe gilt übrigens für das mehr oder weniger enge Zusammenspiel von Bild und Text, wie es sich nach Vorläufern in England ("The Scourge") und Frankreich ("Le Nain Jaune", "Le Figaro") zwischen 1830 und der Jahrhundertmitte herausbildet.
"Welch ein schönes Land und welche häßlichen Menschen" : Ludwig Börne in der vormärzlichen Schweiz
(2005)
Die Schweiz werde ich im folgenden, was im Vormärz naheläge, nicht eigentlich als Exilland ansprechen; vielmehr wird gefragt werden, wie ein Pariser Exilant in den Jahren nach 1830 die Schweiz als Tourist erlebte. In der noch immer bescheidenen Börne-Forschung ist diesem Aspekt bislang kaum Rechnung getragen worden.
Jahrbuch / FVF, Forum Vormärz Forschung - 11.2005 : Europäische Karikaturen im Vor- und Nachmärz
(2006)
Seit Eduard Fuchs' Jubliäumsbuch "1848 in der Caricatur" reißt die Flut der Publikationen über die Revolutionskarikatur nicht mehr ab. In diesem Band tritt sie zurück, um anderem Platz zu machen: dem Vor- und Nachmärz sowie dem europäischen Kontext der Karikatur. Sowenig die Revolution von 1848 die Bildsprache der Karikatur mit einem Schlag ändert, sowenig werden ihre Mittel und Motive von Land zu Land neu erfunden. Der Zeitrahmen dieses Bandes ist also weiter gesteckt, von 1814/15, dem Jahr der Neuordnung Europas und der Gründung des Deutschen Bundes, bis 1858/59, dem Beginn der "Neuen Ära". Ebenso breit wird der europäische Raum ausgemessen, denn in dieser Zeit geben Frankreich und England den Ton in der Karikatur an, und man errichtete eine künstliche Scheidewand, wollte man die deutsche Karikatur gegen ihre Nachbarn isolieren. Dasselbe gilt übrigens für das mehr oder weniger enge Zusammenspiel von Bild und Text, wie es sich nach Vorläufern in England ("The Scourge") und Frankreich ("Le Nain Jaune", "Le Figaro") zwischen 1830 und der Jahrhundertmitte herausbildet.
Zu Beginn des Jahres 1848 erscheint unter dem Titel: "Nord und Süd, Monatsblätter für Unterhaltung und Zivilisazion" eine neue Monatszeitschrift für das deutsche Publikum, verlegt von Michael Schläpfer in Herisau. Bereits die zweite Nummer gerät in den Strudel der beginnenden Revolution, und nach etwa vier Monaten findet das Projekt ein Ende.
Eine Annäherung an die Sozialgeschichte der Exilliteratur muss verschiedene Faktoren beachten, die die Struktur des komplexen kommunikativen Systems der Exilliteratur bestimmen: erstens die Beziehungen zwischen den politischen Verlagen und den Exilautoren in der Schweiz; zweitens die Verbindungen innerhalb der Exilliteratenszene, zwischen den Verlagen und den Autoren sowie zwischen den Autoren und ihren Werken; drittens die Beziehungen zwischen den Massnahmen in den deutschen Staaten gegen den Schriftenschmuggel und den Folgen, die die Exilliteratur auf
die dortige Pressepolitik hatte; und viertens die innen- und aussenpolitischen Verflechtungen zwischen der Schweizer Flüchtlings- und Pressepolitik, den diplomatischen Druckversuchen des Auslands und den Vorgehensweisen der Kantone gegen die Verlage und die politischen Flüchtlinge. Diese Faktoren beeinflussen sich wechselseitig und bilden
ein "unendliches Netz spezifisch gesellschaftlicher Verflechtungen zwischen Autor und Verleger, Herausgeber und Kritiker, Verflechtungen der Autoren untereinander etc." [Bourdieu]. Im Folgenden sollen am Beispiel des "Literarischen Instituts" und der beiden Exilliteraten Freiligrath und Heinzen einige der eben aufgezählten Faktoren und Elemente des exilliterarischen Feldes aufgezeigt werden.
Bisher von der Forschung nicht oder kaum wahrgenommen ist das Bemühen von August Hermann Ewerbeck, mit seinen Publikationen und Artikeln in den 40er und 50er Jahren des 19. Jahrhunderts das französische Geistesleben mit dem deutschen Kulturgut des Vormärz vertraut zu machen. Umgekehrt vermittelte er in verschiedenen Schriften für
Deutschland Auffassungen sozialistischer und kommunistischer Strömungen Frankreichs. Darüber hinaus unternahm er, der als Deutscher Frankreich zu seiner Wahlheimat erkoren hatte, vielfach Initiativen, um ein festes politisches und organisatorisches Bündnis zwischen der deutschen und französischen Demokratie während der Revolution von 1848
herzustellen. Lässt man sein gesamtes Wirken Revue passieren, so hat er in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts keinen geringen Beitrag für das gegenseitige Verstehen beider Völker geleistet. Dank ihrer literarischen
Ausstrahlung stehen als Repräsentanten hierfür Ludwig Börne und Heinrich Heine. Ewerbeck ist in seinem Eintreten für die Völkerverständigung beider Länder jedoch zu Unrecht vergessen worden.
Die Einsicht in die Notwendigkeit des Exils entsteht bei den meisten Autoren unter dem existentiell gewordenen Druck, einer Ausweisung zuvorzukommen. Die Furcht vor bevorstehender Inhaftierung, die Angst vor einem Berufsverbot oder vor einer schikanösen Zensurhandhabung veranlaßt jene Autoren, welche die politischen Ereignisse in Deutschland und Österreich-Ungarn kommentieren, ihre Heimatstaaten zu verlassen.
Denn bei vielen Emigranten der schreibenden Zunft handelt es sich vor allem um 'Censur-Flüchtlinge' wie Rudolf Gottschall in seinem gleichnamigen Gedichtband die politischen Exulanten nannte. Diese sind nicht nur darum bemüht, in den Anrainerstaaten eine alternative Verlagslandschaft
zu organisieren, sondern verändern infolge des Blicks von außen auf die Geschehnisse im Heimatland ihre Sichtweisen auf die Politik. Mit dem Exil wandelt sich also nicht nur das berufliche und private Umfeld, sondern auch die politische Einstellung, sei es daß eine Politisierung erstmals stattfindet, daß bestehende Vorstellungen bestätigt oder radikalisiert werden oder daß die Ferne zur Heimat und die Erlebnisse in der Fremde eine Veränderung der politischen Auffassung, also einen Politikwechsel bewirken.
Stand die ältere Parteienhistoriographie vor dem Zweiten Weltkrieg noch weitgehend vor dem Problem der Trennung von politischen Ideen und Parteiengeschichte und der Etablierung eines eigenen Theorie- und Methodenansatzes, und konzentrierte sie sich hauptsächlich auf die einseitige Darstellung der großen politischen, männlichen Denker bzw. auf
die Persönlichkeiten, die Parteien-Geschichte schrieben, so profitierte die neuere Forschung nach 1945 von der allgemein positiveren Einschätzung von Parteien als verfassungsrechtlich geschützten, staatstragenden Elementen in pluralistischen Demokratien und wandte sich im Anschluß an die ab den 1960er Jahren in die bundesrepublikanische Geschichtswissenschaft Einzug haltende Sozialgeschichtsschreibung und deren Methodik auch der bisher vernachlässigten Strukturanalyse des Parteiensystems zu. Nachdem die auf diesem Felde liegenden Desiderata größtenteils ausgeräumt worden waren, erkannte die sich den Ursprüngen und Anfängen der deutschen Parteien widmende Fachhistorie, daß sie mit einer rein strukturgeschichtlichen Untersuchung und der damit häufig korrespondierenden Übertragung moderner Parteibegriffe, -verständnisse und einer aus der Gesellschaftsgeschichte abgeleiteten Klassenkampfterminologie auf eine noch vorindustrielle, traditionale Gesellschaft dem politischen Alltag und der gesellschaftlichen Realität des deutschen Vormärz wie den Wirkungsmöglichkeiten sozio-politischer Gruppierungen in dieser Zeit nicht gerecht wurde und diese auch nicht vollständig erfassen konnte. Denn das gesellschaftspolitische Denken der damaligen Gruppierungen orientierte sich noch an den zwischen 1815 und 1848 im
Deutschen Bund existierenden Herrschaftsordnungen. Angesichts des sich abzeichnenden Zerfalls dieser alten Machtstrukturen suchten die vormärzlichen Politiker und Theoretiker zwar fieberhaft nach neuen Ordnungsgefügen, Politikentwürfen und Handlungsräumen, doch aufgrund der obrigkeitlichen Willkür, staatlichen Verfolgungspraxis und Zensurmaßnahmen konnten sie diese kaum in der politischen Öffentlichkeit, sondern eigentlich nur im halböffentlichen Raum oder in dem
im Untergrund tätigen Assoziationswesen erproben.
Das Moment der Opposition gehört zu den Grundmerkmalen des Exils, beschreibt aber nur einen Aspekt seiner – erzwungenen oder eben freiwilligen – Notwendigkeit, in der sich Schriftsteller und Künstler, Juristen und Handwerker, Juden und Christen zu allen Zeiten gleichermaßen begegneten. Im Übrigen bleibt zu beachten, dass ebenso wenig wie von einer einheitlichen liberalen Gegenbewegung zum Metternich'schen System in ganz Deutschland die Rede von einer nur annähernd geschlossen auftretenden Opposition im Vormärz sein kann; eine solche konnte sich unter den politischen Bedingungen der Nachkriegsära nicht herausbilden. Opposition im Vormärz erstreckte sich bis in die zwischen konservativer Orthodoxie und innerkirchlichem Liberalismus zerrissenen Kirchen hinein, in denen liberale Gegenströmungen wie die "Lichtfreunde" und die "Deutschkatholiken" das Staatskirchentum der Amtskirchen in Frage stellten und so von hier aus die Revolution vorbereiteten. Ebenfalls nur eine der vielen Facetten des Exils erfasst die Koppelung des Begriffs an die Literatur, auch wenn die Erfahrung von Verfolgung und Vertreibung die Geschichte des geschriebenen Wortes seit der Antike begleitet.
In Württemberg unterstützte der Kultusminister Karl von Wangenheim den Reformprozess. Er war auf den jungen, pragmatischen und scharfsinnigen Beamten Friedrich List aufmerksam geworden. Dieser kannte die Verwaltungssysteme von der Kommunalebene bis zu den zentralen Staatsorganen und konnte sowohl im Detail als auch in institutionellen Zusammenhängen denken. Als nach 1819 die Restaurationswelle Europa überrollte, gewannen die altständischen Kräfte die Initiative zurück. Von Wangenheim wurde als württembergischer Gesandter des Bundestags nach Frankfurt versetzt. Lists Eifer wurde nicht mehr gebraucht. Seine kleinbürgerliche Herkunft und sein temperamentvoller Charakter störten die Gediegenheit des wieder funktionierenden traditionellen Machtapparates. Als Abgeordneter hielt er im württembergischen Landtag eine zu kühne Rede, die sein Schicksal besiegelte. Er wurde aus Württemberg ausgewiesen und verbrachte sein Leben im Exil. Als einer der wenigen Vormärzdeutschen mit industriellen, medientechnischen und parteipolitischen Erfahrungen in der Schweiz, in Frankreich, Belgien, England und den Vereinigten Staaten von Amerika ist er im Zeitalter der beschleunigten Globalisierung eine besonders interessante Figur.
In die Vormärz-Phase fällt die beginnende Philologie moderner deutscher Klassiker, die zunächst als feuilletonistisch und universitärer Weihen nicht würdig verstanden wurde und daher vor allem Arbeitsfeld ambitionierter Lehrer war. Zeitgleich lief die Diskussion um die Validität des absoluten Idealismus und großenteils in diesem Kontext auch die um den Stellenwert des Christentums - oft verbunden mit der Hoffnung auf eine neue, die alten Glaubensinhalte mit der modernen Gesellschaft versöhnenden Reformation. In diesem Zusammenhang spielten Biographien eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dass sich in der Moderne ein emphatisches Verhältnis zur Jugendphase mit ihrem Aufbegehren gegen die Elterngeneration, der Suche nach eigenen Lebensentwürfen und den damit auftretenden Konflikten ausgebildet habe - an der Biographik vor 1850 lässt sich dies schwerlich nachweisen, und dies gilt auch tendenziell für den Rest des Jahrhunderts. Das liegt nicht zuletzt an der oft lückenhaften Überlieferung, die kein kohärentes Bild entstehen lässt. Noch wichtiger ist, dass die Jugendphase - wie schon seit der antiken Biographik - bei großen Persönlichkeiten lediglich als Vorausdeutung dieser noch kommenden Größe verstanden wird, eine Phase, aus der man sich also möglichst schnell herausarbeiten muss. Anekdotisches, Einzelzeugnisse von Zeitzeugen aus der Umgebung des jeweiligen Helden müssen in der Regel ausreichen, die Jugendphase zu schildern. Dabei gewinnen Pedanterie und Strenge in Elternhaus und Schule geradezu topische Qualität: kaum ein Text, der ohne sie auskommt, aber zugleich wird das Aufbegehren dagegen eher gleichmütig geschildert, jedenfalls - weil von vorneherein klar ist, dass es sich um ephemere Phänomene handelt - nicht dramatisch ausgemalt.
Rezension zu Karl August Varnhagen von Ense/Heinrich Düntzer: "durch Neigung und Eifer dem Goethe'schen Lebenskreis angehören": Briefwechsel 1842-1858. Herausgegeben von Berdt Tilp. Teil 1: Einführung und Text. Teil 2: Kommentar (Forschungen zum Junghegelianismus, hrsg. v. Konrad
Feilchenfeldt und Lars Lambrecht, Band 7), Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt/Main 2002
Bei der Durchsicht von literarischen und literarkritischen Werken der 1830er und 40er Jahre wird schnell deutlich, daß jedes einen anderen 'Goethe' hat. Damit ist nicht nur den Tatsachen Rechnung getragen, daß jeder der Autoren seine ganz individuelle Sicht auf Goethe zur Geltung bringen will - um des eignen Profils und der Distinktionsgewinne willen - und daß jede der sich ausdifferenzierenden ideologischen Positionen,
die dem Vormärz sein besonderes Gepräge geben, sich ihre spezielle, pejorative oder verklärende Mystifikation zurechtlegt.
Hartmann and his Prague friends, whether German-Gentile or German-Jewish, rallied enthusiastically to the cause of what at first was a reawakening of suppressed Bohemic cultural nationalism and a move towards across-fertilisation of the two main lingual cultures (Czech/German) andthe three main ethnicities (Czech/German/Jewish) of the country. They soon saw themselves as a "Jungböhmische Bewegung" to correspond to Young Germany. The Prague writer Rudolf Glaser founded a literary journal called 'Ost und West' for the express purpose of bringing together German and Slavic literary impulses under the Goethean motto: "Orient und Occident sind nicht mehr zu trennen". With Bohemia as the bridge, 'Ost und West' published German translations from all the Slavic languages including Pushkin and Gogol, contributions by German writers sympathetic to the cause of emerging nations like Heinrich Laube, Ferdinand Freiligrath, Ernst Willkomm, but above all the Prague circle of Young Bohemians like Alfred Meissner, Isidor Heller, Uffo Horn, Gustav Karpeles and Ignatz Kuranda. Also Hartmann made his literary debut in the journal with a love poem entitled "Der Drahtbinder", and featuring a subtitle which was in keeping with the spirit of the times: "nach einem slavischen Lied".
Das Moment der Opposition gehört zu den Grundmerkmalen des
Exils, beschreibt aber nur einen Aspekt seiner – erzwungenen oder eben freiwilligen – Notwendigkeit, in der sich Schriftsteller und Künstler, Juristen und Handwerker, Juden und Christen zu allen Zeiten gleichermaßen begegneten. Im Übrigen bleibt zu beachten, dass ebenso wenig wie
von einer einheitlichen liberalen Gegenbewegung zum Metternich'schen System in ganz Deutschland die Rede von einer nur annähernd geschlossen auftretenden Opposition im Vormärz sein kann; eine solche konnte sich unter den politischen Bedingungen der Nachkriegsära nicht herausbilden. Opposition im Vormärz erstreckte sich bis in die zwischen konservativer Orthodoxie und innerkirchlichem Liberalismus zerrissenen
Kirchen hinein, in denen liberale Gegenströmungen wie die "Lichtfreunde" und die "Deutschkatholiken" das Staatskirchentum der Amtskirchen in Frage stellten und so von hier aus die Revolution vorbereiteten. Ebenfalls nur eine der vielen Facetten des Exils erfasst die Koppelung des Begriffs an die Literatur, auch wenn die Erfahrung von Verfolgung und Vertreibung die Geschichte des geschriebenen Wortes seit der Antike begleitet.
Die beiden bisher unveröffentlichten Briefe von August Hermann Ewerbeck an Georg Weerth vom 2. Januar bzw. 22. Februar 1849 befinden sich im Fonds 23 des Moskauer Rußländischen Staatlichen Archivs für Sozial- und Politikgeschichte (RGASPI). Seit 1933 gilt das gesondert eingerichtete Archiv der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ) als verschollen. Beide Briefe berühren die gleiche Thematik wie der von Galina Golovina und Martin Hundt in den MEGA-Studien 1997/1 veröffentlichte Marx-Brief an Friedrich Kapp vom Dezember 1848: die fortdauernde Finanzmisere der NRhZ nach ihrem Wiedererscheinen in den Nachmittagsstunden des 11. Oktobers (Ausgabedatum 12. Oktober 1848). Darüber hinaus vertiefen sie aus der Sicht Ewerbecks, eines der rührigsten Korrespondenten der NRhZ, unsere Kenntnisse über seine Tätigkeit sowie die von Weerth für das Blatt in der Revolution von 1848/49.
Die Bewunderung war ziemlich einseitig. Schon im späten 18. Jahrhundert pilgerte, wer sich zur "geistigen Welt" rechnete oder von ihr sich angezogen fühlte (im Besonderen auch, wer klassische künstlerische Weihen für den eigenen Kunstehrgeiz erhoffte), in das mitteldeutsche Residenzstädtchen Weimar. Es kam durchaus darauf an, Kontakt zum vielseitig interessierten und daher vielbeschäftigten, vielgerühmten Geheimen Rat zu suchen. Excellenz war exclusiv, hatte sich als Mittelpunkt
einer nun schon vom gebildeten Europa bewunderten "deutschen Geistescultur" herauskristallisiert.
Es gibt vernünftige Gründe, die Ära des Vormärz auf die Zeit zwischendem Sommer 1830, als in Europa verschiedene Insurrektionen aufflammten, und dem Vorfrühling des Jahres 1848 zu begrenzen. Im Sinn dieser Beschränkung gehört die nicht zustande gekommene Zusammenarbeit zwischen dem Weltliteraturschöpfer und dem aufstrebenden, aber be-reits 1826 in den Musikerhimmel abberufenen Weber kaum zum Thema "Goethe und die Musik des Vormärz", da die Sache zu weit im Vorfeld liegt. Doch erscheint sie im Hinblick auf das Verhältnis von Goethe zu den Jüngeren, den beiden Generationen der Künstler im Vormärz, ebenso symptomatisch wie das konfliktöse Verhältnis zu Ludwig van Beethoven.
Beethovens kompositorische Tätigkeit wird zum Paradigma musikalischen Denkens, und seine Kompositionen bilden im 19. Jahrhundert die zentrale Basis musikalischer Formenlehre. In diesem institutionalisierten Modus erscheint Beethoven - mit Avital Ronell formuliert - "wie der Höhepunkt eines Bildungsromans", auf den "nur noch ein Abstürzen
folgen kann." Der damit initiierte "Goethe-Effekt" bestimmt in hohem Maße die ästhetischen Diskussionen der folgenden Jahrzehnte: Beethoven bleibt kompositorischer Referenzpunkt, gegen dessen Autorität ein neueres sinfonisches Schaffen sich nur mit größten Schwierigkeiten zu etablieren vermag.
Die ästhetische Autorität, die Beethoven wie Goethe in der doppelten Bewegung des Begründens und des Vollendens einer Gattung zugesprochen bekommen, erstreckt sich nicht zuletzt aber auch auf das künstlerische Medium selbst. Beethoven erscheint als herausragende Gestalt am Höhe- und Endpunkt einer langen kompositorischen Entwicklung, in der die Potentiale der Musik - ihr "innigstes Wesen" - zur vollen Entfaltung gelangen
Hatte Heine für seine Person eine Mittelstellung zwischen dem sinnlichen, indifferent pantheistischen Goethe und dem sentenziösen Freiheitsdichter Schiller angestrebt, so bevorzugt hingegen Büchner eindeutig zu Ungunsten Schillers und der rhethorischen Tendenz "Goethe und Shakspeare". Der seit Hans Landsberg (1900) und Paul Landau (1909) etwas abgestandenen Lehrtradition, dernach Büchner an Shakespeare und den "Sturmund Drang" anknüpft, gibt der folgende Beitrag im Anschluß an Friedrich Sengles Betonung des Wally-Skandals eine politisch kritischere, vormärzlichere Wendung.
Der jüdische Schriftsteller und aggressiv-polemische Publizist Saul Ascher (1767-1822) fing nach den napoleonischen Befreiungskriegen das Befinden einer Generation von deutschen Intellektuellen mit einem Reizwort ein. "Die höchsten Interessen der menschlichen Natur, Religion, Vaterland, Recht, erwarben in dem Gemüth der deutschen Denker nunmehr ein eigenes Gepräge, das sich durch eine Gemüthsäusserung aussprach, die man füglich 'Germanomanie' benennen könnte." Gemeint waren die Überlegungen eines Ernst Moritz Arndt, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Ludwig Jahn, Friedrich Schlegel, Friedrich W.J. Schelling, Adam Müller und Ludwig Tieck, um die Verschiedenheit der Religion, der Verfassungen und Fürstentümer in einem deutschnationalen Geist zu einigen.
Aschers trennscharfe, aber polemisch übersteigerte Analyse der sogenannten 'Germanomanen', die er an anderer Stelle als "transzendentale Idealisten und Identitäts-Philosophen" identifizierte, erschien zu einem Zeitpunkt, als auch die Neue Welt von einer Welle der germanophilen Begeisterung erfasst wurde. Der wichtigste und am meisten rezipierte Autor der amerikanischen "Germanomanie" war Johann Wolfgang Goethe (1749-1832).
Der Deutschunterricht in den ersten Jahrzehnten nach 1800 versuchte durch Stilübungen und aus der Rhetorik übernommene Techniken die Schüler zu befähigen, Texte verschiedener Art zu verfassen und sie, wie in Bismarcks Zeugnis vermerkt ist, zur sprachlichen Gewandtheit zu befähigen. Ob die Lektüre literarischer Werke in deutscher Sprache eine der Voraussetzungen dazu sei, war umstritten. Erst in den auf das Jahr 1830 folgenden Jahrzehnten setzte sich die Ansicht durch, daß literarische Bildung, vor allem vermittelt durch die Werke 'klassischer' Schriftsteller, eine der Aufgaben des deutschen Unterrichts sei. Man könnte die Gleichzeitigkeit der Epoche "Vormärz! und des genannten Vorgangs der Aufnahme klassischer deutscher Literatur in den Unterricht der Schulen, zunächst des Gymnasiums, dann aber auch der anderen Schularten, als zufällig ansehen.
Goethe wird hier weitgehend im Gegenlicht erscheinen. Gegenlicht: das heißt in unserem Fall im Licht seiner Kritiker
und Gegner, insbesondere im Licht, in dem ihn Ludwig Börne sieht. In einer solchen Beleuchtung wird keine ganzheitliche Gestalt erkennbar, es werden lediglich Konturen wahrnehmbar; der selbstgeworfene Schatten des visierten Gegenstandes erschwert das Erkennen einzelner Züge. So wird meist ein unvorteilhaftes, ein dem Gegenstand der Betrachtung kaum gerecht werdendes, sogar ein entstellendes Licht entstehen. In einem derart unadäquaten Bild erschien Goethe sowohl in dem überhellen, blendenden Licht seiner blinden Verehrer, seiner 'Fans', wie wir diese Weise unreflektierter Anhängerschaft heute nennen würden, in einem Licht also, das die differenzierenden Züge ausblendete und ihn mit einer Art Aureole umgab, - ebenso wie in der bewußt ungünstigen
Beleuchtung, in die ihn seine von den 'Goetheanern' provozierten Kritiker stellten.
Rezension zu Ute Faath/Hansgeorg Schmidt-Bergmann (Hgg.): Literatur und Revolution in Baden 1848/49: Eine Anthologie. Karlsruhe: Literarische Gesellschaft/Scheffelbund, 1997 [und]
Hansgeorg Schmidt-Bergmann (Hg.): "Ihr könnt das Wort verbieten - ihr tötet nicht den Geist". Literatur und Revolution in Baden 1848/49. CD-Rom-Edition zur Literatur am Oberrhein No. 1. Karlsruhe: Literarische Gesellschaft/Scheffelbund, 1997
Der vorliegende Artikel kontextualisiert die Faszination deutscher Studenten am Freitod in der Zeit nach den Befreiungskriegen am Beispiel von Karl Ludwig Sand. Er spürt den Repräsentationsformen in der Kunst, Literatur, Philosophie und Presse nach, um die politische Instrumentalisierung der jugendlichen Naivität offen zu legen. Der Artikel begreift Ereignisse wie die Ermordung August von Kotzebues nicht nur als Attentat, sondern gleichzeitig als bewußt gewählten Freitod des Ausführenden.
Die Jugend der Moderne
(2007)
Das vorliegende Jahrbuch 2006 geht in seinem Schwerpunkt der Genese und markanten Ausprägungen des modernen Jugend-Konzepts in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach. Bereits die Rede vom "Jungen Deutschland", nicht selten als Epochenbegriff für die Jahre zwischen 1830 und 1848 verwendet, enthält jene Ambivalenz, die dem Thema und seinen bisweilen diffusen Konnotationen Aufmerksamkeit sichert: Der Aufbruch zu neuen (politischen, sozialen, künstlerischen) Ufern ist angesprochen, aber nicht wenige Zeitgenossen meinen auch Infragestellung bewährter Werte und Deutungsmuster. Diese charakteristischen Mehrdeutigkeit soll zunächst skizziert werden.
Das vorliegende Jahrbuch 2006 geht in seinem Schwerpunkt der Genese und markanten Ausprägungen des modernen Jugend-Konzepts in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach. Bereits die Rede vom "Jungen Deutschland", nicht selten als Epochenbegriff für die Jahre zwischen 1830 und 1848 verwendet, enthält jene Ambivalenz, die dem Thema und seinen bisweilen diffusen Konnotationen Aufmerksamkeit sichert: Der Aufbruch zu neuen (politischen, sozialen, künstlerischen) Ufern ist angesprochen, aber nicht wenige Zeitgenossen meinen auch Infragestellung bewährter Werte und Deutungsmuster. [...] Den folgenden Beiträgen kommt es weniger darauf an, Kontinuitäten und Traditionen in der literarischen Darstellung von Jugend zu verfolgen oder den jeweiligen jugendlichen Protest gegen die von den 'Alten' dominierten "fatalen bürgerlichen Verhältnisse" immer aufs Neue zu entdecken, als darauf, die Verfahren kultureller Konstruktion von Lebensaltern zu untersuchen, wie sie sich auch in literarischen Texten vollzieht. Denn diese Texte werden nicht selten - auch von ihren literaturwissenschaftlichen Kommentierungen - pauschal als Belege für einen seit zweihundert Jahren währenden Konflikt der Generationen gelesen.
Da Frankreich und dessen jüngste Geschichte für Börne mehr bedeuteten als ein Motiv seines schriftstellerischen Interesses und seiner Lebenswelt unter anderen, weil ihm sowohl Frankreich wie Deutschland, ob ausgesprochen oder latent, Welt und Gegenwelt waren, in denen sich Existenz wie Denken abspielten und abspiegelten, kann in diesem Rahmen nur auf wenige Facetten seines Schreibens eingegangen werden. Es wird sich daher im Wesentlichen um die Rolle handeln, die Frankreich und besonders Paris für seine Arbeit als Journalist und als Zeithistoriker
wie für den Ansatz seines geschichtsphilosophischen Denkens überhaupt gespielt haben.
Deutsch-französische Erfahrungen und/oder Erfindungen :
Heines Besucher in Paris von 1831 bis 1848
(2003)
Überlegungen, die sich einem der bedeutendsten Kapitel der Beziehung zwischen der deutschen und französischen Literatur widmen, können an der Gestalt und dem Werk Heinrich Heines nicht vorbei gehen. Oft genug gibt er gar das Modell ab für politische und soziale Funktionen der Literatur in ihrer die Grenzen überschreitenden Möglichkeit. Heine selbst liefert dafür immer wieder Beispiele der Vermittlung in unterschiedlichster Weise. Den Franzosen die deutsche Eigenart wie Geisteswelt und den Deutschen die künstlerischen, intellektuellen wie revolutionären Errungenschaften der Franzosen nahe zu bringen, betrachtete er als Lebensaufgabe seiner letzten 25 Jahre von 1831 bis 1856, die er in Frankreich bzw. Paris verbracht hat.
Die immer leise, aber immer vernehmbare Stimme der Vernunft ließ sich trotz aller wiederkehrender Dramatik nie zum Verstummen bringen, selbst in Kriegsphasen nicht. Der Kulturtransfer, um den es hier geht, konnte vielmehr seinem eigenen Rhythmus folgen und ungeachtet aller Krisen so etwas wie eine selbständige Gesetzmäfligkeit entwickeln. Unter Schriftstellern und Intellektuellen gab es Schulstreite,
aber nie Krieg! So wurden besonnene und fortschrittlich eingestellte Franzosen und Deutsche nie müde, sich für Gedankenaustausch und Vermittlung, für Freundschaft und Verständigung, kurz für Ideentransfer einzusetzen - um damit den kreativen Eliten beider Länder Inspirationsquellen offen zu halten. Den Herausgebern dieses Jahrbuchs will scheinen, diese gemäfligten, die Rheingrenze ständig überschreitenden Gegenstimmen hätten wie ein vernunftbestimmtes Korrektiv zur lauten Staatenpolitik gewirkt. Eine Epoche wie der Vormärz bietet nun die große Chance, diese These einmal in einer kurzen, aber scharf konturierten Phase bilateraler Beziehungen der Probe aufs Exempel zu unterwerfen. Es erschien anregend, die verschiedenen Wirkungsweisen dieses Korrektivs in einer Zeit näher zu untersuchen, in der sich die herrschenden Kreise auf der einen Seite durch Gallophobie "auszeichneten", während ihnen auf der
anderen Seite - rares Phänomen - eine durch nichts getrübte Germanophilie gegenüberstand.
Vorwort
(2003)
Nie zuvor und nie danach haben sich französische und deutsche Kultur so tiefgreifend beeinflusst und durchdrungen wie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wer heute von einer deutsch-französischen Synthese spricht, sollte auf die Zeit von Julimonarchie und Vormärz zurückgehen: Dort konnte sich diese Synthese in bedeutenden Ansätzen verwirklichen.
Die Anordnung der in diesem Jahrbuch versammelten Beiträge folgt drei thematischen Schwerpunkten: dem literarischen, dem künstlerischen und dem philosophischen Transfer.
Vorwort
(2004)
Am 22. März 1832 stirbt Goethe. Nicht nur sein Leben, auch seine literarische Produktion reicht bis in den Vormärz hinein (wenn man ihn denn mit der Juli-Revolution von 1830 beginnen sieht) und lässt die klassizistische Ästhetik der 1790er Jahre am Ende weit hinter sich: 'Faust II' wird im Juli 1831 abgeschlossen und 1832 veröffentlicht, die letzte Fassung von 'Wilhelm Meisters Wanderjahre' war 1829 erschienen. Doch Goethes Tod (und damit auch das definitive Ende seines literarischen Werks) ruft nicht nur Trauer über den Verlust des unerreichbaren "Titanen" und den nun für unabwendbar gehaltenen Niedergang der deutschsprachigen Literatur hervor, er setzt auch Hoffnungen auf einen jetzt endlich möglichen Neubeginn bei den jungen Autoren frei, die sich von Goethes olympischer Überlebensgröße allzusehr in den Schatten gestellt gefühlt hatten.
Am 22. März 1832 stirbt Goethe. Nicht nur sein Leben, auch seine literarische Produktion reicht bis in den Vormärz hinein (wenn man ihn denn mit der Juli-Revolution von 1830 beginnen sieht) und lässt die klassizistische Ästhetik der 1790er Jahre am Ende weit hinter sich: 'Faust II' wird im Juli 1831 abgeschlossen und 1832 veröffentlicht, die letzte Fassung von 'Wilhelm Meisters Wanderjahre' war 1829 erschienen. Doch Goethes Tod (und damit auch das definitive Ende seines literarischen Werks) ruft nicht nur Trauer über den Verlust des unerreichbaren "Titanen" und den nun für unabwendbar gehaltenen Niedergang der deutschsprachigen Literatur hervor, er setzt auch Hoffnungen auf einen jetzt endlich möglichen Neubeginn bei den jungen Autoren frei, die sich von Goethes olympischer Überlebensgröße allzusehr in den Schatten gestellt gefühlt hatten.
Es war Hamburgs erbgesessene Bürgerschaft, die im Mai 1855 dem Antrag des Senats, das Fortbestehen des Stadttheaters durch den Erwerb des Gebäudes zu sichern, die Zustimmung verweigerte. Zu den Hintergründen der Entscheidung aber überliefern die Akten im Staatsarchiv Hamburg ein anderes Bild. Kleinlich handelten demzufolge nicht die Gegner, sondern die Befürworter des Projekts. Denn sie koppelten die überfällige Forderung nach Anerkennung des Stadttheaters als gemeinnütziges und daher staatlich zu unterstützendes Kulturinstitut an das Verlangen nach Unterdrückung des zweiten Theaters, das auf einen status quo ante - auf den des Jahres 1842 - zurückgestuft werden sollte. So ist die Geschichte des ersten in Hamburg gestellten Subventionsantrags auch die zweier Unternehmen, die in der Zeit der Restauration und des Vormärz beginnt: Der Stadttheatergesellschaft, der Hamburg seinen ersten repräsentativen Theaterbau verdankt, das 1827 eröffnete Theater in der Dammtorstraße, und des Thalia-Theaters, das auf der gegenüberliegenden Seite der Alster, am Pferdemarkt, dem heutigen Gerhart-Hauptmann-Platz, 1843 seine Pfosten aufschlug.
Jahrbuch / FVF, Forum Vormärz Forschung - 8.2002 : Deutsch-französischer Ideentransfer im Vormärz
(2003)
Nie zuvor und nie danach haben sich französische und deutsche Kultur so tiefgreifend beeinflusst und durchdrungen wie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wer heute von einer deutsch-französischen Synthese spricht, sollte auf die Zeit von Julimonarchie und Vormärz zurückgehen: Dort konnte sich diese Synthese in bedeutenden Ansätzen verwirklichen.
In den Jahren 1830-1848 wurde das traditionell sensualistische Denken Frankreichs durch die Aufnahme deutscher Literatur, Philosophie und Wissenschaft grundlegend reformiert. Gleichzeitig erkoren fortschrittliche deutsche Schriftsteller und Intellektuelle die Gründerjahre der Julimonarchie mit ihrer Metropole Paris zum Paradigma der Moderne. Auf beiden Seiten des Rheins wurde nachdrücklich über den Gedanken einer engeren Zusammenarbeit in assoziativer Form nachgedacht. - Man kann
also den Vormärz als "Sternstunde des deutsch-franzˆsischen Ideentransfers" bezeichnen.
Die erste Hypothese: Die Börne-Forschung machte besonders seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts bedeutende Fortschritte; sie ließ die 'Dramaturgischen Blätter', sozusagen das Debut des Autors, nicht unbeachtet; diese liegen mittlerweile, so der Eindruck, recht kenntlich vor den Augen der Interessierten, klar und heiter wie eine
schöne Landschaft unter der Sommersonne - und doch verdunkeln einige prinzipielle Schwierigkeiten, die sich mit dem Werk verbinden, das Verständnis bis zur Gegenwart.
Die zweite Hypothese: Konnte die bisherige Forschung den 'Dramaturgischen Blättern' nicht völlig auf den Grund sehen, ihren Kern nicht zu Tage fördern, so ist erstens immer noch die schon von Tröger und Inge und Peter Rippmann
benannte Ursache virulent: die "mangelhafte Erfassung der auf Börne direkt einwirkenden geistigen Richtungen". Sowie ein Zweites, damit Verbundenes: "die komplexe wie komplizierte Substanz" von Börnes Schaffen. Das trifft auf das ganze zu wie auf Teile davon, auf Teile wie auf Details darin.
Rezension zu Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817-1934/38. Bd. 3: 9. Juni 1840 bis 14. März 1848. Bearbeitet von Bärbel Holtz. Hildesheim/Zürich/New York: Olms-Weidmann Verlag, 2000, IX (= Acta Borussica. Neue Folge. 1. Reihe: Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817-1934/38, hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften unter der Leitung von Jürgen Kocka und Wolfgang Neugebauer)
Rezension zu Demokratie und Arbeiterbewegung in der deutschen Revolution von 1848/49. Beiträge des Kolloquiums zum 150. Jahrestag der Revolution von 1848/49 am 6. und 7. Juni 1998 in Berlin. (Gesellschaft - Geschichte - Gegenwart. Schriftenreihe des Vereins "Gesellschaftswissenschaftliches Forum e.V." Berlin, Bd.22). Berlin: trafo Verl., 2000.
Um 1848 existierten in den deutschen Ländern neben den dreiundzwanzig Hofopern etwa hundert städtische und andere ständige Theater, in denen auch Oper gegeben wurde, dazu noch
etwa siebzig reisende Opern-Compagnien, die das Land flächendeckend versorgten. Zahlenmäßig dürften sich die Betriebe, die Sprech- und Musiktheater oder nur Oper anboten, seit 1815 verdoppelt haben. Freilich waren unter künstlerischen Prämissen nach wie vor nur die großen
Hofopern in Wien, Berlin und Dresden von wirklicher Bedeutung sowie - mit wechselndem Gewicht - die aus den Staatsschatullen der kleinen Könige in München, Stuttgart oder Kassel finanzierten Betriebe. Ihnen gegenüber hatten die von den größeren Städten - Hamburg, Leipzig, Frankfurt oder Köln - an private Betreiber verpachteten Häuser, strikt
auf "gängiges Repertoire" verwiesen, noch lange einen schweren Stand. Und auch wenn statistisch gesehen erheblicher Zuwachs zu verzeichnen war, so darf doch nicht unerwähnt bleiben, dass immer wieder Feuersbrünste die Theaterlandschaft ereilten und dann auf Jahre die Opernarbeit in einer Stadt lahm legten; schließlich wurde insbesondere die "freie Szene" auch immer wieder von Ermüdungserscheinungen und Auszehrung heimgesucht, von ökonomischen Desastern und Bankrotts. Und die Lasten einer Theater-Pleite hatte in der Regel zuvorderst die Crew zu tragen.
Seit Jahrhunderten zieht sich die stereotype Klage deutscher Schriftsteller, insbesondere deutscher Bühnenautoren, über zu Unrecht bevorzugte ausländische Konkurrenz durch Korrespondenzen und Publikationen. Ein Blick auf die Produktionszahlen des Buchgewerbes, die sich zwischen 1820 und 1845 explosionsartig von 3 772 Büchern auf 13 008 Bücher entwickeln, bestätigt zumindest die erhebliche Bedeutung der Übersetzungen für den deutschen Buchmarkt: 1845 waren ca. 48% der in Deutschland herausgebrachten Romane Übertragungen aus anderen Sprachen. Der Buchmarkt reagiert damit selbstverständlich nur auf die veränderte gesellschaftliche Situation. Einerseits wird das Bürgertum in immer stärkerem Maße zur Zielgruppe des literarischen Marktes, der so erst seine Dynamik entwickeln kann; andererseits ist diese Zielgruppe verstärkt an unterhaltsamer, spannender Literatur interessiert, die ihr vorrangig in Form der französischen und englischen Romanliteratur geboten wird. Im Bereich des Theaters ist die Entwicklung durchaus mit der auf dem Buchmarkt vergleichbar. Auch hier entwickeln sich die reinen Zahlen mit einer enormen Rasanz: Gab es 1836 kaum 50 Theater in Deutschland, so sind es 1840 bereits ca. 100, am Ende des Jahrhunderts dann weit über 300. Auch diese Entwicklung ist den Veränderungen im Publikum geschuldet.
Die Umwandlung der Städte im Frühkapitalismus zwang viele Bürger, ihr Quartier zu wechseln. In den Stadtkernen wurde Wohnraum immer rarer, wich Büro- und Gewerberäumen, Verwaltungen, Banken, Kaufhäusern. Um die Altstädte herum entstanden neue Wohnungen mit modernem Komfort, die aber wegen der teuren Mieten für viele nicht erschwinglich waren. Dieser Entwicklungsprozeß vollzog sich in Paris, Berlin und Wien in unterschiedlichem Tempo und mit unterschiedlich dramatischen sozialen Folgen. Wie aktuell die Thematik des Wohnungswechsels schon in den 1830er Jahren war, zeigen vier kurz nacheinander in Paris, Berlin, Frankfurt und Wien entstandene Komödien, wobei die drei deutschsprachigen Stücke
Bearbeitungen des französischen Originals darstellen, einem Vaudeville mit dem Titel "Les Appartements á louer".
'Lokalformel' und 'Bürgerpatent' : Ausgrenzung und Zugehörigkeit in der Posse zwischen 1815 und 1860
(2002)
Die Veränderungen der politischen Landkarte in den Jahren 1789-1815 lassen von Jahr zu Jahr neue Grenzen entstehen, ehe mit dem Wiener Kongreß eine übersichtliche Neuordnung auf Dauer erreicht zu sein scheint. Dennoch hat die fünfundzwanzigjährige Fluktuation im deutschsprachigen Gebiet eine Krise der Orientierung hinterlassen, die sich auf Jahre hinaus in einer Begrenzung, um nicht zu sagen in einem Rückzug in die überschaubare Enge, ins Lokale, niederschlägt. Das sog. Biedermeier ist so verstanden worden, und in ihm wurde umstandslos das Genre - theatergeschichtlich gesehen - der Lokalposse festgemacht. Es fragt sich freilich, ob mit dieser Ernennung des Lokalstücks zum Leitgenre des Biedermeier das letzte Wort gesprochen ist oder ob auch eine weiterreichende Leitfunktion unter dem Gesichtspunkt des Vormärz zu diskutieren wäre. Daß das lokale Genre seine Bedeutung durch Grenzmarkierung gewinnt, legt es nicht automatisch auf ausschließlich regionale Faktoren fest, auch nicht auf solche, die als 'lokalpatriotisch' und damit im heutigen Verständnis des Wortes als überwiegend apolitisch aufgefaßt werden.
Das im Jahr 1818 eröffnete 'Neue Hof- und Nationaltheater' hatte sich bekanntlich in den Dienst des deutschen Schauspiels und der deutschen Oper gestellt und verband damit die Vorstellung der künstlerischen Umsetzung eines Nationalbewußtseins. 1810 wurde es vom bayerischen
König Max Joseph - Bayern war 1806 Königreich geworden - zusätzlich zum bereits bestehenden Cuvilliéstheater in Auftrag gegeben. Dieses Theater - im Gründungsjahr des Königreichs in 'Hof- und Nationaltheater' umbenannt - beherbergte bis 1825 die italienische Oper mit einem eigenen italienischen Ensemble. Außer dem hochgehaltenen künstlerischen Ideal ist aber auch die Klage über die marode Theaterkasse und
das intellektuelle Schmalspur-Programm im Bereich des Sprechtheaters zugunsten eines kostspielig-ruinösen Opernprimats theaterhistorisch überliefert. Erst Intendant Franz Dingelstedt soll sich mit seinen 'Mustergastspielen' um die künstlerische Hebung des Schauspiels im Münchner königlichen Spielplan verdient gemacht haben, die über ihre 'ortsgeschichtliche Bedeutung' hinaus die Festspielidee vorbereiteten, "die von da ab an der Münchner Hofbühne immer stärker zur Entfaltung drängt, bis sie 50 Jahre später in den zyklischen Aufführungen der Werke Mozarts und Richard Wagners ihre Erfüllung findet."
Die Gründung von Hoftheatern im Kontext der Neubewertung, des
neuen Selbstverständnisses und der Selbstdarstellung des monarchischen Systems begann früh, noch bevor der Wiener Kongreß das monarchische Prinzip formuliert hatte. Fraglich ist, ob das Weimarer Hoftheater von 1791 schon so zu begreifen ist, später hat es die neue kommunikative Funktion mit Sicherheit erfüllt. Sicherlich ist aber die Gründung des
Karlsruher Hoftheaters 1810 vor dem Hintergrund der Rangerhöhung der Landesherrschaft zum Großherzogtum zu verstehen. Auch die Neuordnung der Berliner Theaterverhältnisse 1811 mit der Wiederbegründung der Hofoper und der Gesamtinstitution der Königlichen Schauspiele unter Ausschluß des Nationaltheater-Begriffs ist nicht nur als
pragmatisch notwendige Reform des höfisch unterhaltenen residenzstädtischen Theaterwesens zu begreifen, sondern als bewußte Neuschöpfung einer königlichen Institution zur Selbstrepräsentation des sich aus der Niederlage der Koalitionskriege regenerierenden preußischen Königtums. Gerechnet ab der Zeit unmittelbar nach dem Wiener Kongreß,
vom Stichjahr 1817 bis zur Jahrhundertmitte, hat es in den monarchischen Staaten des Deutschen Bundes nicht weniger als 19 Hoftheater gegeben, d.h., gut die Hälfte der deutschen monarchischen Staaten waren in ihren Residenzen mit einem Hoftheater versehen. Freilich verbergen sich dabei hinter dem ansehnlichen Titel 'Hoftheater' teilweise recht verschiedene Institutionstypen, bei denen man manchmal fragen muß, was sie eigentlich berechtigte, den Titel 'Hoftheater' zu führen.
Bald nach der Wende zum 19. Jahrhundert taucht im deutschen Theaterwesen nach 'Nationaltheater' und 'Hoftheater' ein neuer Begriff für die Bezeichnung eines stehenden Theaterbetriebs auf, der Begriff 'Stadttheater'. Bis heute scheint nicht eindeutig geklärt zu sein, wann und wo der Begriff erstmals angewendet wurde und mit welcher genauen Bedeutung.
Heinrich Theodor Rötscher kondensiert seine staatstheatertheoretischen Überlegungen in seinem in Rotteck und Welckers liberalem Staats-Lexikon 1843 erschienenen Artikel 'Theater und dramatische Poesie'; die Ausrichtung seines Ansatzes auf ein staatliches Gemeinwesen ist hier deutlich. Drama und Theater gehören mit zur Entwicklung eines modernen Staatswesens, sie bedingen seine Herausbildung im dialektischen Prozeß einer organisch operierenden Entwicklung. Dass in dieser Konzeption "der Staat die Idee der Freiheit ist", genügt Rötschers idealistischem Postulat genauso wie es der realen politischen Semantisierung nicht gerecht werden kann (und will). Die uneingeschränkt positive Besprechung der griechischen Demokratie fixiert das Theater als Medium der Darstellung eines "freien Staates". Die Übertragung der antiken demokratischen Verhältnisse auf das Deutschland des Vormärz kommt für Rötscher zunächst nicht in Frage; allein die Kritik am Absolutismus der Monarchie, am Prinzip der "absoluten Monarchie" und ihrem Pendant, dem Hoftheater, findet im Text ihren pejorativen Ausdruck.
In der Zeit des Vormärz entsteht mit den Stücken von Büchner und Grabbe eine innovative moderne Dramatik, die - in ihrer Radikalität auf die ästhetische Moderne verweisend - ein neues, anderes Theater erfordert hätte. Die Antizipation eines solchen Theaters bei gleichzeitiger Ablehnung des real praktizierten Theaters gehört zu den Widersprüchen, die den Vormärz charakterisieren. Bezogen auf unseren Gegenstand bedeutet dies: Die kritische Auseinandersetzung mit dem Theater gilt im Vormärz oft nur einzelnen Aspekten - das Theater als Institution, dramaturgische Forderungen bezüglich der Spielplangestaltung etc. Aber das Theater als ästhetische Realität und als eigenständiges Medium gerät noch nicht in den Blick. Die Reformvorschläge gelten nicht einem - anderen - Theater, sondern nur einem zu verändernden. Aber auch hier gehen die Forderungen selten genug von den ökonomischen, politischen oder strukturellen Bedingungen aus, die vorwiegend die ästhetische Praxis des Theaters jener Zeit produzieren und provozieren. [...] Ein Jahrbuch mit zehn Autoren, Theater-, Literatur- und Musikwissenschaftler/innen, und dementsprechend unterschiedlichen Ansätzen kann und will eine zusammenhängende theaterwissenschaftliche Monographie zu den Theaterverhältnissen des Vormärz jedoch nicht ersetzen. Gleichwohl gelingt es unseres Erachtens in den Beiträgen, zum einen immer wieder aus verschiedenen Perspektiven die Differenz von realen Theaterverhältnissen zu den Ideen, Vorstellungen und Überlegungen, sprich den ideellen Theaterverhältnissen, formuliert in Theorie, Konzeption und Theaterkritik, erkennbar zu machen. Zum anderen beleuchten die hier versammelten Texte verschiedenartige Blickwinkel, Fragestellungen und Teilaspekte der Theaterverhältnisse im Vormärz. Die Texte dieses Jahrbuchs bilden also [...] ein Mosaik, das neue Perspektiven und Einsichten in die immernoch weiße Flecken, ja "versunkene Kontinente" (Kortländer) enthaltende Landkarte der Theaterverhältnisse im Vormärz ermöglicht.