BDSL-Klassifikation: 16.00.00 Jahrhundertwende (1880-1914) > 16.15.00 Zu einzelnen Autoren
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Im Jahr 1894 stellt Frank Wedekind mit seinem Drama "Die Büchse der Pandora. Eine Monstretragödie" seine erste literarische Auseinandersetzung mit dem Lulu-Stoff fertig, später folgen die Bearbeitungen »Der Erdgeist« im Jahr 1895, "Die Büchse der Pandora" aus dem Jahr 1903 und 1913 die Zusammenführung "Lulu". Diese Urfassung markiert somit den Beginn einer knapp 20 Jahre andauernden Beschäftigung mit jener Thematik, die Wedekinds umstrittenen Ruf als Autor beim Publikum und den Zensurbehörden gleichermaßen begründet.
Angesichts der jegliche Deutung des Stückes überlagernden Sitten- und Schamlosigkeit des Stoffes wird häufig übersehen, dass Wedekinds erste Beschäftigung mit der Thematik im Rahmen der "Monstretragödie" zugleich einen zentralen Kulminationspunkt seiner bis dahin andauernden literarischen Beschäftigungen darstellt. Es sind in erster Linie zwei Themengebiete, die seine ersten Arbeiten bis dahin prägen: In seinem literarischen Erstling "Frühlings Erwachen" setzt er sich 1891 intensiv mit den Fragen der Sexualität und damit zusammenhängend der gesellschaftlichen Sexualmoral auseinander und schafft damit einen wichtigen thematischen Grundpfeiler - auch für spätere Werke
Das Buch "Kohelet" des Alten Testaments, auch unter den Titeln "Der Prediger Salomo" oder "Ecclesiastes" überliefert, entstand wahrscheinlich im 3. Jahrhundert vor Christus. Vor allem die Eingangskapitel gehören zu den bekanntesten Texten der sogenannten biblischen Weisheitsbücher. Das kann allein schon die Tradition einiger 'Geflügelter Worte' durch die Jahrhunderte bezeugen wie etwa die folgenden Sätze oder Wendungen: "Es ist alles ganz eitel"; "Nimmersatt"; "Und geschiehet nichts Neues unter der Sonne"; "Ein jegliches hat seine Zeit"; "Sich gütlich tun"; "Viel Büchermachens ist kein Ende".
Spuren eines Einflusses auf das Werk Hofmannsthals scheinen sich etwa im Auftrittsmonolog des "Jedermann" zu finden, wenn er mit seinem stattlichen "Haus", seinem "Hausgesind" oder seinen "Meierhöf voll Vieh" prahlt; denn auch "Kohelet" rühmt sich der von ihm gebauten "Häuser", in denen sein "Gesinde, im Hause geboren" für ihn arbeitet, sowie seiner großen "Habe an Rindern und Schafen".
Diese Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten sind allerdings nur indirekt, weil die direkte Vorlage für Jedermanns Eingangsmonolog eine Dichtung des Hans Sachs ist. Die Textpassage findet sich nicht in Hofmannsthals Hauptquelle, dem "Everyman" aus dem 15. Jahrhundert. So gestaltete sie Hofmannsthal nach seiner zweiten "Jedermann"-Quelle, dem 1549 gedichteten Geistlichen Spiel "Ein comedi von dem reichen sterbenden menschen, der Hecastus genannt".
"Wir haben diesen Dichter geliebt" : Hugo von Hofmannsthal und Eduard Korrodi ; Briefe und Dokumente
(2017)
Der Schweizer Journalist, Essayist und Literaturkritiker Eduard Korrodi, geboren am 20. November 1885 in Zürich, ist heute, mehr als 60 Jahre nach seinem Tod am 4. September 1955, selbst in Literaten- oder Germanistenkreisen nahezu unbekannt. Seinen Zeitgenossen hingegen galt er als wegweisender Mentor und Anreger, als "schweizerischer Geisteswärter", als "das literarische Bundesgericht" der Schweiz und allmächtiger "Literaturpapst". Diese einzigartige Position eines "Entdeckers" und "Erweckers", "Richters" und "Vernichters" hat er in der Feuilletonredaktion der "Neuen Zürcher Zeitung" zwischen 1915 und 1950 über 35 Jahre hin behauptet - "geliebt, geehrt" und "angegriffen", immer aber "ernst genommen", so dass kaum ein Schweizer Schriftsteller der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihn nicht in Tagebüchern oder Memoiren "erwähnt" oder "in gereizter Weise 'behandelt'".
Als jüngster Sohn des angesehenen Lehrers, Schulbuchautors und Lyrikers "für den Hausgebrauch" Johann Heinrich Korrodi (1834-1910) und der Marie Zurgilgen (1852-1950), die der Vater 1882 in dritter Ehe geheiratet hatte, besucht Korrodi die Schule in Zürich und ab Oktober 1898 das Kollegium "Maria Hilf" in Schwyz. Ab dem Wintersemester 1905/06 studiert er deutsche Philologie, Alt-Isländisch und Kunstgeschichte in seiner Heimatstadt und wird hier, nach einem Berliner Auslandssemester im Winter 1907/08 bei Erich Schmidt und Richard Moritz Meyer,10 im Januar 1910 mit der von Adolf Frey (1855-1920) betreuten Dissertation "Stilstudien zu C.F. Meyers Novellen" zum Dr. phil. promoviert.
Als im Januar 1904 die von Paul Nikolaus Cossmann, Josef Hofmiller und Wilhelm Weigand konzipierten "Süddeutschen Monatshefte" in München zu erscheinen beginnen, handelt es sich dabei um eine der letzten großen Neugründungen im Feld der reichsdeutschen Rundschaupublizistik vor Beginn des Ersten Weltkriegs. Trotz ihres verhältnismäßig späten Erstpublikationsdatums hatte die Zeitschrift eine offenkundige Lücke innerhalb der Münchner Presselandschaft geschlossen. Darauf weist bereits der Germanist Franz Muncker hin, wenn er die "Süddeutschen Monatshefte" in einer Rezension aus Anlass ihres fünfjährigen Jubiläums als die "erste Münchner Monatsschrift" charakterisiert - und damit keineswegs nur den führenden Rang der Zeitschrift herausstreicht.
Die Rezeption eines Kunstwerks, sagt Schopenhauer, sei nur dann ganz befriedigend, wenn sie etwas hinterläßt, das wir, bei allem Nachdenken darüber, nicht bis zur Deutlichkeit eines Begriffs herabziehen können." Er fügt allerdings hinzu, dies sei vor allem bei solchen Kunstwerken der Fall, die den Vorzug hätten, "aus einem Guß" zu sein, "das lautere Werk der Begeisterung des Augenblicks, der Inspiration, der freien Regung des Genius […], ohne alle Einmischung der Absichtlichkeit und Reflexion", wie dies für die erste Skizze des Malers, für eine Melodie oder ein Gedicht gelte. Weniger gelte es hingegen für die Werke "von langsamer und überlegter Ausführung", an denen "die Reflexion, die Absicht und durchdachte Wahl bedeutenden Antheil" haben.
Verstand, Technik und Routine müssen hier die Lücken ausfüllen, welche die geniale Konception und Begeisterung gelassen hat, und allerlei nothwendiges Nebenwerk muß, als Cäment der eigentlich allein ächten Glanzpartien, diese durchziehen.
Der "Turm", der in drei verschiedenen Druckfassungen vorliegt, gehört offensichtlich in diese letztere Kategorie.
"[D]ie ganze Welt stürzt zusammen", schrieb Hofmannsthal am 26. November 1918 an Ottonie Gräfin Degenfeld. Drastisch schildert er das massenhafte Sterben an der Grippeepidemie in Wien ebenso wie die Angst vor Arbeiteraufständen, vor Schießereien und Plünderungen, vor freigelassenen Kriegsgefangenen und Kriminellen. Hofmannsthal hatte im k.u.k. Kriegspressequartier den Weltkrieg als Verteidigung der Kultur propagandistisch unterstützt. Spätestens nach dessen Ende erschien ihm wie vielen seiner Zeitgenossen der Weltkrieg als eine Katastrophe bisher unbekannten Ausmaßes, die alle materiellen wie geistigen Bereiche der Kultur fundamental averänderte. Seine ungeheure Zerstörungskraft kündigte einen Umbruchsprozess an, der zu einer völligen Neukonfiguration der politischen und ökonomischen Kräfteverhältnisse, des individuellen Selbstverständnisses und der kollektiven sozialen Beziehungen führte. Wie Mathias Mayer bemerkt, war dementsprechend für Hofmannsthal die "Konfrontation von Chaos und Ordnung" das zentrale "Problem der Nachkriegszeit".
"wo ist dem Tier sein End?" : das Politische, das Poetische und die Tiere in Hofmannsthals "Turm"
(2016)
In Hofmannsthals "Turm"-Projekt gibt es viele Tiere. Dies gilt für alle vier Fassungen. Nimmt man Begriffe wie Jagd, Reiten und Kreatur hinzu, dann lassen sich allein in der zweiten Fassung ungefähr 170 Tiererwähnungen nachweisen. Die mit Abstand größte Tierdichte findet sich dabei im ersten Auftritt des ersten Aktes, gefolgt vom zweiten Auftritt des zweiten Aktes. Offenbar sind die Tiere für die Entfaltung der Problemlage, wie sie in der ersten Hälfte des Dramas vorgenommen wird, wichtiger als für die Lösungen des Problems, die mit den verschiedenen Enden des Dramas angeboten werden. Bei der Entfaltung der Problemlage spielen die Tiere deshalb eine so zentrale Rolle, weil in ihnen zwei Themen aufeinander bezogen werden, die zum Kernbestand des "Turm"-Projekts gehören: die Frage des Politischen und die Frage des Poetischen. Um die damit gegebene trianguläre Beziehung von Politik, Metapher und Tier wird es im Folgenden gehen.
"Der Turm" und der Krieg
(2016)
"Vor dem Turm. Vorwerke, halb gemauert, halb in Fels gehauen. Zwischen dem Gemäuer dämmerts, indessen der Himmel noch hell ist." Die Szenenbeschreibung zu Beginn von Hofmannsthals Trauerspiel "Der Turm" skizziert eine düstere, unbehagliche Situation. Ein wuchtiges Hindernis stellt sich da in den Weg, zur Hälfte von Menschenhand gebildet, zur anderen aus der Natur genommen. Dunkle Konturen, die sich eben erst, im Licht der Dämmerstunde, zu neuen Formen ordnen. Vom Blick der Herannahenden erfasst wird das massive Bollwerk im Vorfeld eines beeindruckend aufragenden Verlieses, jenes titelgebenden Turmes, der hier buchstäblich seinen Schatten voraus wirft.
Räumliche Lage und dramaturgischer Zeitpunkt treten zu einer doppelt bestimmten Schwellenposition zusammen, beide befinden sich vor dem Turm. Es sind Kriegszeiten, das Leben ist karg, die Söldner murren, sind aufgewühlt. Soldaten "auf Grenzbewachung" durchstreifen das Gelände.
"Ich hatte Zweifel geäußert", erinnert sich Max Mell an ein Gespräch mit Hugo von Hofmannsthal vom Mai 1925, über die Art, wie Sigismund von der Zigeunerin ermordet wird, und sagte: es gibt eine mystische Art der Verknüpfung […] und eine intrigante, die das alte Schauspiel meinte; daß aber diese mystische Art die Sinnfälligkeit der intriganten, ihre theatralische Qualität haben müßte. […] [Olivier] müßte also schon zu Beginn eine drohende Haltung einnehmen, etwa konspirieren und seine künftige revolutionäre Haltung andeuten […]. Das leuchtete Hofmannsthal sehr ein […].
Versteht man Hofmannsthals ein Jahr spätere Äußerung, in der dritten Fassung des "Turm" die epische Tendenz abwehren und statt dessen das dramatische Moment wahren zu wollen, vor dem Hintergrund dieses Gesprächs, liegt es nahe, das Dramatische an die Intrige zu knüpfen.
Ich äußere mich hier nicht als Hofmannsthal-Experte und bin auch seit langem nicht mehr hauptberuflich Philologe. Dennoch habe ich gern den Vorschlag angenommen, hier etwas beizutragen, weil "Der Turm" auch von großem theatertheoretischen Interesse ist. Zudem hatte ich mich immer wieder mit dem Dichter Hofmannsthal zu beschäftigen, zumal mit den frühen lyrischen Dramen, die in die Genealogie des postdramatischen Theaters der Gegenwart gehören. Das letztere ist keineswegs, wie oft geargwöhnt wird, per se textfeindlich, nur weil es eine Fülle überraschender neuer Theatermöglichkeiten jenseits des klassischen Modells einer Dramen-Aufführung entdeckt hat. Im Gegenteil kennt es von Peter Handke bis Heiner Müller, von Elfriede Jelinek bis Sarah Kane großartige zeitgenössische Theatersprachen, die allerdings nicht mehr dem Modell der dramatischen Repräsentation entsprechen. Sie entfernen sich mehr oder weniger weit von der tradierten Spannungslogik des dramatischen Theaters, ohne es doch gänzlich zu verlassen, während umgekehrt Künstler wie Robert Wilson, Jan Lauwers, Jan Fabre, Claude Régy und andere Bühnenidiome von komplexer 'poetischer' Art schaffen.
Ein Gegenstand des vorliegenden Jahrbuchs ist mit den "Turm"-Dramen ein Werkkomplex, der den Lesenden und Forschenden die Rezeption nicht leichtmacht. Zweifellos ist der späte Hofmannsthal mit seinen Schrifttumsbelehrungen und taumelnden Führerschaften, seinen mitteleuropäischen Größenphantasien und dem aggressiven Kulturkonservativismus nicht eben populär - weder unter den Hofmannsthal-Leserinnen und -Lesern, noch in der Forschung. Das Unternehmen der 18. internationalen Tagung der Hugo von Hofmannsthal-Gesellschaft, sich im September 2014 in Basel ausschließlich diesem formal zerklüfteten und schwer zugänglichen Werkkomplex zu widmen, stellte daher ein Wagnis dar. Ein Wagnis auch deshalb, weil die einzig angemessene analytische Zugangsweise zu den drei im Zeitraum zwischen 1925 und 1927 entstandenen Dramen die ideologiekritische zu sein scheint. Doch hat die Forschung zu den politischen Ideologien des späten Hofmannsthal diese ideologiekritische Arbeit bekanntlich bereits geleistet. So wurde im weiteren Kontext der politischen Schriften der 1920er Jahre die erste Fassung des Dramas als für den Totalitarismus ideengebender Denkraum gedeutet. Die Frage nach den Herrschafts- und Souveränitätskonzeptionen, die im Zentrum der "Turm"-Dramen steht, wurde von einer fatalen historischen Finalität her gelesen, nämlich der Annahme einer Zwangsläufigkeit des Wegs von der Avantgarde in den Nationalsozialismus.
Dichterhäuser produzieren Mythen. Dies ist bei Hofmannsthals barockem Wohnhaus in Rodaun bei Wien nicht anders. Als Vorbesitzer seines Hauses erwähnt Hofmannsthal in einem Brief an Eberhard von Bodenhausen vom 16. März 1901 beiläufig einen Fürsten Trautson: das Haus sei "zur Zeit der Kaiserin Maria Theresia von einem Fürsten Trautsohn, der ein Schwarzkünstler gewesen sein soll, für seine Geliebte gebaut worden". Das gemeinhin als 'Schlösschen Fuchs' oder 'Fuchs-Schlössel' bezeichnete Anwesen wurde von Hofmannsthal von 1901 bis zu seinem Tod 1929 bewohnt und von seiner Familie noch bis 1937 gemietet. Das Landhaus aus dem 17./18. Jahrhundert, dessen Erbauungs- oder Umgestaltungsdatum nicht belegbar ist, wird in der Forschungsliteratur zu Hofmannsthal, in Zeitungsartikeln und in der Lokalgeschichtsschreibung kaum mit Trautsohn, sondern vielmehr mit einer anderen Vorbesitzerin in Verbindung gebracht: mit einer der Kaiserin Maria Theresia nahestehenden Gräfin Fuchs.
Du dilettantisme = Über den Dilettantismus / herausgegeben und übersetzt von Rudolf Brandmeyer
(2016)
Der hier übersetzte Text ist das zweite Kapitel einer Renan-Studie, die Bourget 1882 in einer französischen Zeitschrift veröffentlichte: Paul Bourget: Psychologie contemporaine. Notes et portraits. M. Ernest Renan. In: La Nouvelle Revue, 15. Jg., 15. März 1882, S. 233–271, hier S. 245–254: II. Du dilettantisme.
Die Titelgebung zeigt die relative Selbstständigkeit des Kapitels an: Abweichend von den anderen Kapitelüberschriften dieser Studie wird die behandelte Person nicht genannt und eine für Abhandlungen typische Überschriftsform gewählt. In diesem Punkt ist das Kapitel der "Théorie de la décadence" aus Bourgets Baudelaire-Studie von 1881 verwandt, gibt es doch ebenso wie jene "Théorie" eine aus dem Werk des behandelten Autors gewonnene, aber Anschlussfähigkeit suchende Analyse und Kritik des eigenen Zeitalters. Für deren Diagnose gab Bourget mit diesen beiden Texten wesentliche und prägende Vorgaben. Die Renan-Studie bildet das zweite Stück einer Serie von insgesamt zehn Aufsätzen zur "psychologie contemporaine", die in der "Nouvelle Revue" von November 1881 bis Oktober 1885 erschienen.
Hermann Menkes war die längste Zeit seines Berufslebens Journalist, seit 1907 fest angestellt beim "Neuen Wiener Journal" (NWJ). Neben Rezensionen, Theater- und Ausstellungsbesprechungen sowie Kulturnachrichten bespielte er ein Format, das, unter der Überschrift "Bei …", von Besuchen im Hause von Wiener Künstlern berichtete. Vier seiner hier erstmals vollständig dokumentierten und kommentierten Artikel galten Hofmannsthal. Zwei, aus den Jahren 1907 und 1910, sind im engeren Sinne 'Hausbesuche'; einer ist ein Gespräch anlässlich der Wiener Erstaufführung des "Jedermann" von 1913. Ein Artikel vom Januar 1924 erinnert an den jungen Hofmannsthal im Vorfeld seines 50. Geburtstages - wie überhaupt Menkes in den 1920er Jahren in einer Reihe von Reminiszenzen an die Jung-Berliner und -Wiener offenkundig an einem Mythos 'Jahrhundertwende' arbeitete (s. dazu den bibliographischen Überblick). Nicht aufgenommen wurden ins Thema der Hausbesuche Menkes' Nachruf auf Hofmannsthal und seine Besprechung des "Buches der Freunde" von 1929; auf einen Artikel vom 8. März 1934, drei Jahre nach Menkes' Tod, eine Bricolage aus seinen bereits gedruckten Gesprächen mit Hofmannsthal unter der Überschrift "Mein Wiedersehen mit Hofmannsthal", wurde ebenfalls verzichtet.
Zürich im Jahr 1888: Frank Wedekind, die Brüder Hauptmann, Agnes Bluhm, Alfred Ploetz, Auguste Forel, Gustav von Bunge und andere Literaten und Naturwissenschaftler bilden einen Diskussionskreis, in dem Literatur und Wissenschaft ein äußerst fruchtbares Wechselverhältnis miteinander eingehen. Besonders die zu jener Zeit immer stärker aufkommende Frage nach der genetischen Entwicklung der Menschheit bestimmt auch die Debatten des Zirkels und stellt zugleich einen zentralen Ausgangspunkt für weitere Überlegungen dar, wie sich Gerhart Hauptmann später erinnern wird: "Vererbungsfragen sind schon damals in der Medizin und darüber hinaus viel diskutiert worden. Unter Forels und Ploetzens Führung auch in unserem Kreis".
Für den jungen Frank Wedekind sind die in diesem Rahmen vor allem von Alfred Ploetz hervorgebrachten Ansätze einer gezielten Steuerung des menschlichen Erbguts in den ersten Jahren seines schriftstellerischen Schaffens prägend. Insbesondere die von Ploetz und anderen Vertretern der Eugenik aufgezeigte Notwendigkeit eines Aufbegehrens gegen die bestehende Gesellschaftsordnung zieht Wedekind in ihren Bann. Am deutlichsten tritt die literarische Adaptation eugenischer Themen und Motive in seinem Fragment gebliebenen Prosastück "Mine-Haha oder Über die körperliche Erziehung der jungen Mädchen" aus dem Jahr 1895 zutage, das wiederum eng mit dem Drama "Hidalla" von 1905 verknüpft ist. Doch auch spätere Werke Wedekinds stehen unter dem Einfluss seiner in diese Zeit fallenden intensiven Auseinandersetzung mit der Thematik.
Seit 1894 hatte sich Hugo von Hofmannsthal mit dem "Alkestis"-Stoff befasst, hauptsächlich angeregt durch die 438 v. Chr. entstandene Tragödie des Euripides. Teile seiner Neubearbeitung erschienen im Frühjahr 1895 und im Dezember 1898, ehe er die vollendete Dichtung 1909 im "Hesperus" veröffentlichte. Zwischenzeitlich (Ende März 1907) hatte ihm Rainer Maria Rilke seine Anfang Februar 1907 entstandene "Alkestis"-Ballade zusammen mit der "Rosenschale" zur Veröffentlichung angeboten. Am 2. April 1907 antwortete Hofmannsthal: "'Alkestis' fand ich etwas schwächer als die früheren ähnlichen Sachen, vielleicht nur beim ersten Lesen. Ich bin mir noch nicht ganz klar, was der Stoff in Ihrem Sinne herzugeben schien wodurch er Sie lockte." Am 13. September 1907 erschienen dann beide Rilke-Gedichte im Lyrikteil des "Morgen". Selbstverständlich fand das "Alkestis"-Thema Hofmannsthals besonderes Interesse wegen seiner eigenen vorausliegenden Arbeiten an der Neufassung der Euripides-Tragödie, und es ist nicht auszuschließen, dass die Veröffentlichung seiner Dichtung im "Hesperus" zweieinhalb Jahre später durch Rilkes Einsendung der Ballade angeregt worden ist.
On July 17, 1904, Hugo von Hofmannsthal wrote in his notebook: "'Elektra' […] Die Verwandtschaft und der Gegensatz zu Hamlet waren mir auffallend". He reiterated the parallels in two letters to two different addressees, Christiane Thun-Salm (October 12, 1903) and Ernst Hladny (ca. 1909-1911), and in 1912 he wrote to Richard Strauss, whose opera based on the play had premiered in 1909, about the similarity between the two royal children: "[D]a sind alle Grundmotive identisch, und doch, wer denkt bei Elektra an Hamlet!" Indeed, comparing William Shakespeare’s "Hamlet" (ca. 1600) and Hugo von Hofmannsthal's "Elektra" (1903) may not seem to be the most obvious task to undertake. At first glance, the English Renaissance humanism of "Hamlet" may appear utterly incompatible with the Viennese fin-de-siècle modernism of "Elektra", but the parallels and similarities of the two plays far exceed the mere fact that both protagonists are children of murdered kings whose mothers pick their new lovers from among their relatives. In fact, I should like to suggest that "Elektra" is a direct response to "Hamlet", and should be read as the modernist continuation of the humanist Prince of Denmark and his "antic disposition".
Am 26. Januar 1907 tritt Rudolf Kassner seine große Reise nach Nordafrika an. Ob er mit dem Schiff von Genua über Marseille oder gleich von Marseille übersetzt, wissen wir nicht. Jedenfalls trifft er kurz vor dem 1. Februar 1907 in Algier ein und steigt im "Hôtel de la Regence" an der Place de Gouvernement ab. Von dort hatte er Gerty von Hofmannsthal am 1. Februar berichtet: "Überfahrt schlecht, Wetter hier auch schlecht. So fängt es aber bei mir an, d.h. ich fange immer von Anfang an." Und ganz ähnlich hatte Lili Schalk unter demselben Datum lesen können: "Überfahrt mäßig, Schiff erbärmlich, Wetter häßlich. Bleibe einige Tage hier."
Die Verbindungen Hugo von Hofmannsthals zu der Familie von Lieben sind schon dort wirksam, wo sie nur in der engen Verflechtung mit den Familien Auspitz, Gomperz und Wertheimstein und der Verzweigung im gesellschaftlichen Leben Wiens liegen: Josefine von Wertheimstein war eine Schwester Sophie Todescos, deren Tochter Anna 1871 Leopold Lieben heiratete. Der erfolgreiche Bankier und spätere Präsident der Wiener Börsenkammer gilt als gebildet und künstlerisch veranlagt. Neben eigenen Versuchen in der Malerei sammelt er Gemälde; das Palais der Familie wird über die Jahre ein "Sammelpunkt von Gelehrten und Künstlern". Seine Brüder Adolf und Richard Lieben machen sich in der Wissenschaft einen Namen, Schwester Helene heiratet Rudolf Auspitz, Ida, die jüngere, Franz Brentano.
Aus der Ehe Leopold Liebens mit Anna gehen fünf Kinder hervor: Ilse, Valerie, Ernst, Robert und Henriette. 1894 freundet sich der junge Hofmannsthal mit dem Erfinder Robert von Lieben an. Aus dem Briefwechsel der beiden weiß man, dass es auch eine Beziehung zur jüngsten Lieben-Tochter Henriette gab, doch deren nähere Umstände werden aus der Korrespondenz nicht ganz klar, nur dass zwischen der 14-jährigen Henriette und dem 22-jährigen Hofmannsthal wohl - für die Familie problematische - Briefe gewechselt wurden.
Vorliegende Ausgabe der 'Mitteilungen der Hugo-von-Hofmannsthal-Geseellschaft' enthält u.a.:
Zum Tode von Ewald Rösch [Nachruf] / Lothar Pikulik und Günter Schnitzler
Hofmannsthals "Turm"-Dramen : Politik, Wissen und Kunst in der Zwischenkriegszeit ; Internationale Tagung der Hugo von Hofmannsthal-Gesellschaft, Universität Basel – 4. bis 6. September 2014 / Anna-Katharina Gisbertz