BDSL-Klassifikation: 16.00.00 Jahrhundertwende (1880-1914) > 16.15.00 Zu einzelnen Autoren
Refine
Year of publication
Document Type
- Article (393) (remove)
Language
- German (347)
- Portuguese (31)
- English (8)
- French (2)
- Multiple languages (2)
- Spanish (2)
- Turkish (1)
Has Fulltext
- yes (393)
Keywords
- Hofmannsthal, Hugo von (178)
- Mann, Thomas (27)
- Rezeption (24)
- Rilke, Rainer Maria (23)
- Literatur (18)
- Lyrik (18)
- Schnitzler, Arthur (17)
- Hugo-von-Hofmannsthal-Gesellschaft (15)
- Bibliografie (14)
- Brief (13)
Wandverwandlung : Menzels "Haus im Abbruch" und Rilkes
"Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge"
(2014)
Die sogenannte Hauswand-Episode in Rilkes "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" wird von der Forschung seit einiger Zeit "als Bildbeschreibung" gelesen. Im konventionellen Vokabular der Ekphrasis - "da waren", "man sah", "man konnte sehen" - schildert Malte die "Innenseite" eines abgebrochenen Hauses: "Nicht [um] die erste Mauer der vorhandenen Häuser" geht es ihm, sondern [um] die letzte der früheren." Insbesondere wegen der detailreichen Nuancierung der "Farben" und der "Umrisse" gerät diese merkwürdige Innenseite zu einem jener erzählten Bilder, die für die "Aufzeichnungen" charakteristisch sind.
Die Passage zählt dadurch zum Inventar einer Intermedialitätsdebatte, die mit unterschiedlicher Akzentuierung den Ort dieser Poetologie der Bilder in der "bildobsessive[n] Zeit um 1900" zu bestimmen sucht. Was allerdings das Sujet des Abbruchhauses selbst betrifft, so wurde bisher trotzdem nicht nach einer möglichen Vorgeschichte in der Malerei gefragt. Adolph von Menzels Gouache "Haus im Abbruch" aus dem "Kinderalbum" (1863-1883) legt diese Frage jedoch nahe.
"Im Oktober 1904" bringt der Wiener Verlag in der kurz zuvor erst lancierten Buchreihe "Bibliothek moderner deutscher Autoren" als deren zweite Nummer eine auf 1905 vordatierte Sammlung von Prosatexten Hugo von Hofmannsthals auf den Markt. Eine kunstvoll gestaltete Ausgabe im zeitgemäßen Kostüm: Der in einer Breitkopf-Fraktur gesetzte Titel "Das Märchen der 672. Nacht" wird zusammen mit dem Autornamen auf dem Einband von zwei kolorierten, stark stilisierte männliche Gesichter vorstellenden Jugendstilornamenten umklammert. Drei Viertel des Raumes nimmt eine farbige, von Walter Hampel angefertigte Graphik ein, die der zeitgenössische Leser als Ausgestaltung eines wichtigen Motivs der titelgebenden Erzählung bestimmen konnte. Die Titelseite ist komplett von einer ausgebreitete Schmetterlingsflügel stilisierenden Graphik Bertold Löfflers in den Farben Blau und Schwarz grundiert, in die zwei Vignetten eingelassen sind mit den bibliographischen Angaben.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs bereitete der privilegierten Villenexistenz, die Rudolf Borchardt seit 1906 in Italien geführt hatte, ein jähes Ende. Er stellte zugleich die moralische Autorität des Schriftstellers in Frage; denn der Verfasser der offen zum Krieg aufrufenden "Ballade von Tripolis" (1911), der aggressiv-militante "Spectator Germanicus" der "Süddeutschen Monatshefte" von 1912 hatte sich bis dahin erfolgreich um die Ableistung des Wehrdienstes gedrückt. Das erregte sogar den Unmut seiner Freunde, wie Alfred Walter Heymels Brief an Rudolf Alexander Schröder vom 21. September 1914 zeigt:
Wir wollen ruhig abwarten, aber wenn er [Borchardt] nach Ablauf dieses Krieges sich nicht gestellt hat, dann bin ich für meine Person fertig mit ihm und wenn seine philologischen, kritischen, rhetorischen Begabungen noch grösser wären als sie sind […]. Ich hoffe aber inbrünstig, dass sich alles aufklären wird und er längst als Freiwilliger gedrillt wird.
Tatsächlich hatte sich Borchardt schon am 2. August 1914 beim Deutschen Generalkonsul in Livorno freiwillig gestellt. Am 15. Oktober 1914 wurde er in Lörrach gemustert und dem 7. Badischen Infanterieregiment Nr. 142 Müllheim zugeteilt, wo er mit 37 Jahren die Grundausbildung als Musketier absolvierte. Er wurde am 29. Januar 1915 zum Gefreiten und eine Woche später zum Unteroffizier befördert; der dringend ersehnte und auf verschiedenen Wegen angestrebte Aufstieg zum 'standesgemäßen' Offiziersrang blieb Borchardt jedoch den ganzen Krieg über verwehrt. Die militärischen Stellen gelangten vielmehr schon bald zur Einschätzung, dass dieser Soldat vor allem - zum Reden tauge.
Als Rudolf Kassner Anfang Dezember 1900 nach zehnmonatigem Aufenthalt in Frankreich in die väterliche Wiener Wohnung nahe der Karlskirche zurückkehrt, lässt er knapp vier Wochen verstreichen, ehe er sich am 4. Januar 1901 brieflich bei Houston Stewart Chamberlain in Erinnerung bringt. Wie manchen anderen "geehrten und geschätzten Geistern" hatte er dem Autor des bewunderten Buchs "Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts" sein zu Jahrhundertbeginn bei Eugen Diederichs in Leipzig erschienenes Erstlingswerk "Die Mystik, die Künstler und das Leben" vom Verlag zusenden lassen und nach längerer Wartezeit am 13. Mai 1900 begeisterte Zustimmung erfahren. Noch in der ersten Januardekade 1901 betritt er das hochgelegene "Studierzimmer" in der Blümelgasse 17 und wird als "junger Schriftsteller und Gelehrter von seltener Begabung" sofort in den engeren Freundeskreis aufgenommen. Hier lernt er im Spätherbst desselben Jahres Hermann Graf Keyserling kennen. Der führt ihn nicht nur bei Hugo von Hofmannsthal in Rodaun ein, sondern auch in den "internationalen Salon der Fürstin Marie von Thurn und Taxis" in der Wiener Victorgasse 5a. Die erste Begegnung Kassners mit dem Fürstenpaar findet vermutlich Anfang 1902 statt, da die Fürstin "selten mit ihrem Train vor Weihnachten aus Lautschin" nach Wien "übersiedelt". Genauere Belege fehlen; doch dürfte der Besuch in eine gewisse zeitliche Nähe zum Treffen mit Hofmannsthal zu rücken sein, das für den 4. Dezember 1901 bezeugt ist. Die überlieferte Korrespondenz setzt im Frühjahr 1902 ein. Sie erstreckt sich über mehr als drei Jahrzehnte und liest sich, trotz erheblicher Lücken, die aus anderen Quellen, nicht zuletzt dem Briefwechsel zwischen der Fürstin und Rainer Maria Rilke, zu erschließen sind, als Dokument einer Lebensfreundschaft, die von ungeteilter, liebevoll verehrender Hochachtung getragen ist.
In der "Frankfurter Zeitung" erschien am 2. Oktober 1912 ein Interview, das Hofmannsthal anlässlich der Ernennung seines Jugendfreundes Clemens von Franckenstein (1875-1942) zum neuen Intendanten der Münchner Hoftheater gegeben hatte und das sich nun wiedergefunden hat. Der vorherige Generalintendant der Münchner Hoftheater, der 54-jährige Albert von Speidel, war am 1. September 1912 gestorben. Als sein Nachfolger wurde am 30. September 1912 überraschend der noch recht unbekannte 37-jährige Komponist und Dirigent Clemens von Franckenstein ernannt. Hofmannsthal, der sich zu dieser Zeit in München befand, wird in dem Interview ausführlich wörtlich zitiert, sagt aber in einem Brief an Franckenstein, der noch in Berlin weilte: "Es ist natürlich wie immer, alles etwas ungeschickt wiedergegeben".
Vor beinahe 100 Jahren, in den ersten Monaten des Ersten Weltkriegs, erschien am 10. Januar 1915 in der Berliner "Vossischen Zeitung" ein Aufsatz von Hugo von Hofmannsthal: "Wir Österreicher und Deutschland". Zu der Zeit arbeitete der Dichter in der Presseabteilung des Kriegsfürsorgeamtes und kämpfte, wie eine Journalistin im April 2014 formulierte, "mit Worten statt mit Waffen an der Seite Österreichs". Es mag daher verwunderlich erscheinen, dass Hofmannsthal gerade in diesem Kontext aus der Presseabteilung den Befehl erklingen ließ, es solle "über jedes Tor, das nach Österreich führt", geschrieben werden: "Hier oder nirgends ist Amerika." Obwohl Hofmannsthal zeitlebens nie amerikanischen Boden betritt, verkörperte das Land jenseits des Atlantiks für ihn das 'Junge' und 'Unverbrauchte'. Mit aufklärerischer Intention stützte er sich deshalb während des Weltkriegs auf den "Begriff eines europäischen Amerika", der zu einer Erneuerung der altehrwürdigen österreichischen Kultur beitragen möge. Nach dem Kollaps der Habsburgermonarchie jedoch behielt die Metapher "Amerika" ihre Bedeutsamkeit für den Dichter bei und gewann zudem sowohl an Relevanz als auch an Kontur.
Von 1922 bis 1928 war Hofmannsthal der Wien-Korrespondent für "The Dial" (1920-1929), die führende amerikanische literarische Monatsschrift der Zwischenkriegszeit. Die Zeitschrift druckte insgesamt neun Texte von Hofmannsthal auf Englisch: Sechs "Wiener Briefe" (1922, 1923, 1924, 1928); ausgewählte Aphorismen aus dem "Buch der Freunde" (1922); "Lucidor. Figuren zu einer ungeschriebenen Komödie" (1922); und eine geänderte Fassung seines "Balzac"-Aufsatzes (1925). Fünf der sechs "Vienna Letters" stellen sogar Erstveröffentlichungen Hofmannsthals dar.
Zu Rainer Maria Rilkes und Peter Handkes besonderem Verhältnis zu Paul Cézanne ist bereits viel gesagt und geforscht worden. Das Thema ist über die vielfältigen intermedialen Bezüge von Kunst und Literatur hinaus, die sich hier an besonders reichhaltigen und qualitätvollen Materialien untersuchen lassen, jedoch von grundsätzlicherer Bedeutung: Es geht nicht ausschließlich um ästhetische Rezeptionsphänomene, sondern im emphatischen Sinn um 'Lehren', wie Handke seinen Cézanne-Roman "Die Lehre der Sainte-Victoire" (1980) betitelt; sie werden von dem verehrten Vorbild nicht nur vordoziert, sondern vorgelebt, und von seinen Schülern nicht nur auswendig gelernt, sondern in lebendige Praxis überführt. Beide Autoren verstehen ihre Begegnung mit Cézanne als eine Art Bekehrung, eine einschneidende Lebenswende.
Seit Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts liegt in der Handschriftenabteilung des Freien Deutschen Hochstifts Frankfurt als Dauerleihgabe der Stiftung Volkswagen ein in 29 Tranchen aufgeteiltes, rund 170 Autografen umfassendes Briefkonvolut, das aus dem Nachlass Hugo von Hofmannsthals stammt und über Oxford, dem letzten Wohnsitz der vor den Nazis geflohenen Witwe Hofmannsthals, an den Main gelangt ist. Und da jede dieser Tranchen ein gleichgestaltetes archivalisches Kennzeichen trägt -"Degenfeld, Ottonie, v." - erübrigt es sich fast zu sagen, womit man es zu tun hat: Es sind die Briefe, die Ottonie Gräfin Degenfeld-Schonburg, ursprünglich angeregt durch ein Schreiben Hofmannsthals vom September 1909, zwischen 1910 und Hofmannsthals Todesjahr 1929, überwiegend von Schloss Neubeuern am Inn, dem Anwesen ihrer Schwägerin Julie Freifrau von Wendelstadt bzw. dessen nahegelegenem, testamentarisch an die Gräfin gefallenen Meierhof Hinterhör, dann aber auch von Orten wie Berlin, Dresden, München, Paris, Stuttgart, Weimar, dem elterlichen Gut im thüringischen Sondershausen oder dem schwäbischen Sitz ihrer Schwiegerfamilie Eybach aus an Hofmannsthal adressiert hat.
Im November 1892 erscheint die erste größere Auswahl von Mallarmés Schriften: Vers et Prose. Morceaux choisis (Paris: Perrin 1893, 224 S.). Der Band enthält Gedichte, Übersetzungen (Poe) und unter dem unscheinbaren Titel "Plusieurs pages" Prosagedichte sowie literaturkritische Texte, darunter, die Auswahl abschließend, zwei mit ausgesprochen programmatischem Charakter.
In der Einleitung seiner sich auf diese Ausgabe beziehenden Studie mustert Lanson die bisherige Wirkung von Person und Werk Mallarmés bis zu diesem aktuellen Zeitpunkt mit Ironie und bissigen Bemerkungen. Sie stellt sich ihm als Ergebnis einer Werkpolitik dar, mit der ein dem Anschein nach öffentlichkeitsscheuer, aber klug agierender Autor Schüler gewinnt, ein zunehmend irritiertes bürgerliches Publikum zudem neugierig macht und schließlich einen Band vorlegt, an dem die Analyse eines singulären Kunstanspruchs nun anzusetzen vermag. Mit dieser Einschätzung steht Lanson nicht alleine da. Zehn zwischen Dezember 1892 und Februar 1893 erschienene Rezensionen markieren den mit "Vers et Prose" markierten Einschnitt in der Wirkungsgeschichte Mallarmés, und alle begreifen ihn als Aufforderung zu Urteil und Resümee.
Lanson, der spätere Begründer der französischen Literaturwissenschaft, ist zu diesem Zeitpunkt Professor für Rhetorik am renommierten Pariser Gymnasium Charlemagne. Er hat von Mallarmé ein Exemplar mit Widmung erhalten, ist aber nicht Literaturkritiker wie all die anderen Rezensenten, und auch der Publikationsort seiner Studie zeigt Distanz an.
Arthur Schnitzlers "Medardus Affairen" : Teil II: Materialien / mitgeteilt von Hans Peter Buohler
(2013)
Der umfänglichen "dramatischen Historie" "Der junge Medardus" kommt innerhalb des OEuvres Arthur Schnitzlers ein Sonderstatus zu. Dieser gründet zum einen in der schieren Fülle des nachgelassenen Materials, das mit ungefähr 1.700 Blatt quantitativ bei weitem die Entwurffassungen und Skizzen der übrigen Dramen übertrifft. Zum anderen bietet das seinerzeit außerordentlich erfolgreiche Werk die seltene Gelegenheit, eine plurimediale "Mehrfachverwertung" par excellence beobachten zu können, da sich neben dem Lesedrama auch die Strichfassung der Uraufführung, ein Drehbuchentwurf Schnitzlers und eine unter der Regie von Mihály Kertész/Michael Curtiz (1888-1962) ausgeführte Verfilmung vollständig erhalten haben. Lediglich eine 1931 - ohne Schnitzlers Wissen erstellte - Rundfunkbearbeitung muss als verloren gelten. Mit Hilfe des Tagebuchs von Arthur Schnitzler lässt sich überdies die Entstehungsgeschichte beinahe lückenlos rekonstruktieren.
Während der erste Teil der "Medardus Affairen" die zu großen Teilen unbekannte Korrespondenz Schnitzlers mit dem Wiener Burgtheater, den Schauspielern, seinem Verleger Samuel Fischer sowie der Sascha-Filmgesellschaft präsentiert hat, dokumentiert der zweite Teil exemplarisch Entstehung und Wirkung des Dramas
Als die Festwochen der Stadt Berlin im September 1953 zu Ende gehen, spricht Rudolf Alexander Schröder in der Eichengalerie des Charlottenburger Schlosses über sein Berlin – die Stadt, die "mir am nächsten ans Herz gewachsen ist". Schröder hält sich um 1900 regelmäßig dort auf, wohnt zwischen 1905 und 1908 beim Ehepaar Meier-Graefe in der Genthiner Straße und erweist in seiner Rede einer langen Reihe von Freunden und Weggefährten seine Referenz, von Detlev von Liliencron und Paul Scheerbart über Johannes Schlaf, Richard und Ida Dehmel und Stanislaw Przybyszewski bis hin zu Harry Graf Kessler. Schließlich kommt er auf "eine der denkwürdigsten Gestalten meines engeren Freundeskreises" zu sprechen: Eberhard von Bodenhausen. In schneller Folge lässt Schröder dessen berufliche Laufbahn Revue passieren. Dem gelernten Juristen, der "zu den tätigsten Mitbegründern und Mitarbeitern des Pan" zählt und der - nach dem Studium der Kunstgeschichte - "die heute noch führende Arbeit über Gerard David" schreibt, gelingt der Eintritt in das Kruppsche Direktorium. Als 1914 der Krieg ausbrach, war Bodenhausen - äußerlich ein Hüne - schon ein müder Mann; gegen Kriegsende war er aus dem Amt geschieden, hatte das Angebot der Nachfolge Wilhelm von Bodes und sogar den Reichskanzlerposten ablehnen müssen.
Schließlich äußert der Redner den Wunsch, man möchte sich in Berlin einen der würdigsten Vertreter deutscher Geistigkeit um die Jahrhundertwende ins Gedächtnis zurückrufen.
Das Leben Hugo von Hofmannsthals stellt die Biographen vor nicht unbeträchtliche Herausforderungen. Es handelt sich nicht nur darum, dass ein am Schreibtisch verbrachtes Leben wenig an äußeren Ereignissen zu bieten hat, oder darum, daß Hofmannsthal selbst Biographien stets mit Skepsis begegnet ist. Schwerer wiegt, daß sich weder aus den äußeren Umständen noch aus dem literarischen Werk eine schlüssige Lebenserzählung ergibt. So sehen sich die biographisch Interessierten auf Selbstaussagen verwiesen, die zwischen diesen Polen zu liegen scheinen. Laut Mathias Mayer sind die autobiographischen Notizen "Ad me ipsum" "ein ebenso unentbehrlicher wie gefährlicher Schlüssel" des Verständnisses geworden. Diejenigen, die sich darüber hinaus dem Briefwerk zuwenden, lernen im Verkehr mit Schriftstellern und Künstlern wie Rudolf Borchardt, Richard Strauss, Arthur Schnitzler, Stefan George, mit Freunden wie Carl Jacob Burckhardt, Rudolf Pannwitz, Walther Brecht und Rudolf Kassner eine andere Seite des Schriftstellers kennen. Hier zeigt sich Hofmannsthal als hoch sensibel, intellektuell großzügig, abgründig zweifelnd und zutiefst einsam. Aus jeder der genannten Quellen ergeben sich zwar Facetten eines Lebens, aber "keine Biographie im strengen Begriff", wie Ulrich Weinzierl - bislang neben Werner Volke Hofmannsthals einziger Biograph - behauptet hat.
Im Jahr 2009 erschien im Residenz Verlag unter dem Titel "Der Fliegenpalast" ein schmaler Roman des österreichischen Schriftstellers Walter Kappacher. "Der Fliegenpalast" sollte nicht nur seinem Verfasser zu einem späten Durchbruch verhelfen - Kappacher erhielt im selben Jahr den prestigeträchtigen Georg-Büchner-Preis -, sondern wurde umgehend auch als Biographie Hofmannsthals wahrgenommen, die mit den Mitteln der Fiktion das rekonstruiert, was sich dem Diskurs zu entziehen scheint.
Es war Theodor W. Adorno, der Richard Wagner "den berühmtesten erotischen Künstler der bürgerlichen Welt" genannt hat. Möchte man sich dieses Aperçu zu eigen machen, so wird man sich in erster Linie an den Dichter Richard Wagner halten – und erst in zweiter Linie an den Musiker. Wagner selbst hat es genau so gesehen: genau in solcher Gewichtung. Anlässlich des "Fliegenden Holländers" schreibt er über den Beginn der Arbeit an diesem Werk: "Ich war von nun an in bezug auf alle meine dramatischen Arbeiten zunächst Dichter, und erst in der vollständigen Ausführung des Gedichtes ward ich wieder Musiker." Und in seinen minutiösen Anweisungen für die Aufführung des "Tannhäuser" von 1853 insistiert Wagner vorsorglich, die Dichtung müsse "in ihrem ganzen Umfange" den Darstellern bekannt gemacht werden (vgl. II, 111), und zwar: bevor diese mit der Musik in Berührung kämen. Das Augenmerk der vorliegenden Abhandlung richtet sich also zunächst und vor allem auf den Dichter, den Dramatiker Richard Wagner: als einen Darsteller von erotischen Leidenschaften; als einen Kenner der abendländischen Liebes-Theorien.
Who has any doubt nowadays that our past is the key to our present, and by articulating this past, verbalizing it to a therapist, we can divest ourselves of its debilitating weight? Memory liberates, narration heals, history redeems […]. […] to remember is to heal. Heal from what? From the amnesia that 'dissociates' the psyche, from the forgetting that breaks the continuity of my history and therefore keeps me from being my self. Ever since (and because of) Anna O.'s miraculous cure, forgetting has ceased to be a simple lapse of memory […].
Soll die in Erzählung gegossene Erinnerung aber nicht nur befreiende, sondern gar heilende und erlösende Kräfte besitzen, muß Vergessen von der Gedächtnislücke (lapse of memory) zum Sündenfall überhöht werden. Die Wiener Jüdin Bertha Pappenheim (1859-1936), von Freud und Breuer in den 1895 publizierten "Studien über Hysterie" sorgsam unter dem Decknamen Anna O. verborgen, gilt Mikkel Borch-Jacobsen daher sowohl als Kronzeugin für die das 20. Jahrhundert beherrschende Macht der Erinnerung wie auch für die Verwissenschaftlichung der Beichte durch die Psychoanalyse.
Der jüngeren George-Forschung ist mit wenigen Ausnahmen das hier aufgegriffene Thema fremd geworden. Nachdem von geisteswissenschaftlicher Seite mit dem Buch von Enid Lowry Duthie 1933 ein beachtlicher Anfang gemacht war, Georges Anknüpfung an den französischen Symbolismus zu erhellen, und die sorgfältige Studie von Claude David 1952 die von Duthie aufgeworfenen Fragen vertieft, erweitert und für längere Zeit auch abschließend beantwortet hat, ist es nur Bernhard Böschenstein in einer Reihe einzelner Studien gelungen, auch Georges Spätwerk zu poetologischen Positionen der französischen Dichtung um 1890 in Beziehung zu setzen: Georges Mallarmé-Rezeption zu seinem Blick auf Hölderlin, ein Gedicht aus dem "Neuen Reich" zu einem Text von Francis Vielé-Griffin von 1889. Das im Stefan George Archiv gesammelte, Georges Biographie betreffende Quellenmaterial hat Robert Boehringer 1967 weitgehend ausgewertet, einiges hat der Ausstellungskatalog "Stefan George und der Symbolismus" von Werner Paul Sohnle 1983 hinzufügen können, die brillant geschriebene George-Biographie von Thomas Karlauf baut für Georges Paris-Beziehungen auf diesem Material auf.
Das Gedicht 'Verse, auf eine Banknote geschrieben' unterscheidet sich in der Formensprache derart von der frühen Lyrik Hofmannsthals, dass sich beinahe der Eindruck eines absichtsvoll Schlechten herstellt. Es handelt sich um Gedankenlyrik, die kaum etwas von der subtilen Widerständigkeit und traumhaften Hermetik aufweist, die an der Lyrik des jungen Hofmannsthal bewundert worden ist. Andererseits ist der Gedankengang so scharfsinnig und verdichtet durchgeführt, dass der Text trotz der konventionellen Form den meisten Zeitgenossen vermutlich unzugänglich gewesen wäre. Das Raffinierte des Texts besteht in einer merkwürdigen Dialektik von Mimesis an den besprochenen Gegenstand und Selbstverleugnung in einer Poetik der Nichtidentität.
Hofmannsthals frühe Gedichte und lyrische Dramen sind durchsetzt mit Evokationen vergangener Ereignisse und Zustände. Gleichzeitig handelt es sich um Reflexionen des Übergangs gegenwärtiger - und in ihrer Gegenwärtigkeit vergänglicher - Momente in vergangene. Angesprochen sind Zeitmomente, Passagen, in denen Vergänglichkeit in den Fokus der dichterischen Auseinandersetzung rückt. Am einprägsamsten wohl in der Terzine "Über Vergänglichkeit". Vergänglichkeit ist die Prämisse dafür, dass es Vergangenes und somit, das Disparate zusammengefasst, Vergangenheit gibt. So gesehen, gehören die beiden Aspekte Vergänglichkeit und Vergangenheit strikt zusammen.
Ob man auch Vers an Verse flicht,
Der Reime Blüten rastlos bricht,
Nur Abglanz ist's und Wiederhall,
Ob man es singt, ob man es spricht:
Doch aller Gedichte Vollendung ist - -
O glaube mir, - - ein getanztes Gedicht.
Dieser aus sechs vierhebigen, rhythmisch leicht holpernden Versen bestehende Text ist einer der wenigen Versuche Hugo von Hofmannsthals in der ursprünglich arabischen, besonders aber von persischen Dichtern entfalteten Form des Ghasels, und er ist sogar eines von drei Ghaselen, die Hofmannsthal zu seinen Lebzeiten selbst veröffentlicht hat, wenn auch bloß in dem als Privatdruck erschienenen Ballprogramm "Ein Tanz durch Wien" vom 21. Februar 1891.