Exzellenzcluster Die Herausbildung normativer Ordnungen
Refine
Year of publication
Document Type
- Report (442)
- Article (128)
- Working Paper (75)
- Review (59)
- Contribution to a Periodical (33)
- Part of a Book (9)
- Book (8)
- Conference Proceeding (6)
- Doctoral Thesis (3)
Language
- German (542)
- English (212)
- Spanish (4)
- Portuguese (2)
- French (1)
- Multiple languages (1)
- Polish (1)
Has Fulltext
- yes (763)
Is part of the Bibliography
- no (763) (remove)
Keywords
- Islamischer Staat (35)
- Deutschland (30)
- Terrorismus (29)
- USA (25)
- IS (24)
- Syrien (23)
- Salafismus (19)
- Russland (17)
- EU (15)
- Wikileaks (15)
Institute
- Exzellenzcluster Die Herausbildung normativer Ordnungen (763)
- Gesellschaftswissenschaften (491)
- Rechtswissenschaft (56)
- Präsidium (49)
- Geschichtswissenschaften (32)
- Philosophie (28)
- Wirtschaftswissenschaften (25)
- Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) (19)
- Sonderforschungsbereiche / Forschungskollegs (10)
- Zentrum für Nordamerika-Forschung (ZENAF) (10)
• Zahlen und Maßsysteme sind bereits aus dem antiken Ägypten und aus Mesopotamien belegt. Im 4. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung haben sich mit der hierarchisierten Gesellschaft auch Zahl- und Schriftzeichen entwickelt. Sie dienten vor allem der Zuteilung von Ressourcen.
• Die 13 Bücher der »Elemente« von Euklid (3. Jahrhundert vor unserer Zeit) sind die früheste erhaltene axiomatisch-deduktiv aufgebaute Sammlung mathematischen Wissens. Die Begeisterung für dieses Werk hielt über Jahrhunderte an.
• Die Ordnung von Beobachtungen durch die mathematische Erfassung und Auswertung von Daten ist in Wissenschaft und Alltag selbstverständlich. Mathematische Techniken der Statistik und Kartierung halfen Dr. John Snow im 19. Jahrhundert, die Ausbreitung der Cholera zu erforschen und zu bekämpfen.
• Trotzdem stößt die Mathematik bei der Schaffung von Ordnungen auch an Grenzen: Denn es gibt weder eine Garantie noch eine Anleitung für deren bestmögliche Nutzung. Dies zeigen nicht zuletzt Krisen wie die Coronapandemie oder die Klimakrise.
Eine finalisierte Fassung des Beitrags wird 2024 in einem von Burchard/Schmitt-Leonardy/Singelnstein/Zabel herausgegebenen Sammelband („Alternativen zum Strafrecht“) erscheinen.
Im Zentrum des Beitrags steht jedoch nicht der Versuch, positiv Alternativen zum oder im Strafrecht zu formulieren. Vielmehr ist der Begriff der Alternativlosigkeit erkenntnisleitend, konkret die Identifizierung gesellschaftlich-politischer Wirkmächte und innerstrafrechtlicher Deutungsmuster, die eine (auch) strafrechtliche Bewältigung der durch den menschengemachten Klimawandel aufgeworfenen Konflikte alternativlos erscheinen lassen können.
Dazu wird die jüngst aufgekommene Debatte um ein Klimaschutzstrafrecht aus einer zukunftssoziologischen und strafrechtswissenschaftlichen Perspektive analysiert. Im Zentrum des Beitrags steht die These, dass sich gerade die Verbindung von katastrophischen Zukunftsvorstellungen – hier erschlossen über den zukunftssoziologischen Schlüsselbegriff der Imagination und deskriptiv-analytisch als „Klimakatastrophismus“ bezeichnet – und Exzeptionalisierungen des Strafrechts als Treiber in die imaginative Sackgasse der Alternativlosigkeit erweist.
Die verdichtete Imagination, das die Zukunfts eine Katastrophe sei („Klimakatastrophismus“), befördert als ein an Boden gewinnendes kollektives Deutungsmuster eine intensivierte Sozialkontrolle und Punitivität.
Der kriminalpolitisch expansive Kurs einer mit radikalisierten Selbsterhaltungsfragen konfrontierten Gesellschaft scheint in gesellschaftlich wie dogmatisch tief verankerten Exzeptionalisierungen des Strafrechts – wie der Zuschreibung, (nur) strafwürdige Sozialschädlichkeit adressieren zu dürfen, dies aufgrund einer regulativen und expressiven Ausnahmestellung aber auch in besonderer Weise zu können (oder zu müssen) – durchaus Widerhall zu finden. Dadurch entsteht ein strafrechtsexpansives (weil rechtfertigendes) Momentum, das der ohnehin in der Herausbildung begriffenen Legalisierung eines Klimaschutzstrafrechts Vorschub leistet.
Es entspricht den vornehmen Aufgaben der Strafrechtswissenschaft, diesen Entwicklungen prospektiv vorauszugreifen, sie aufzuklären und kritisch zu wenden – gerade im Hinblick auf die Gegenläufigkeit und Brüchigkeit gesellschaftlicher Entwicklungen oder die Kontingenz eines als politisch gelesenen Strafrechts. Eine kritische Strafrechtswissenschaft darf sich dabei nicht allein, allemal nicht unreflektiert auf tradierte Formen der Strafrechtsbegrenzung zurückziehen.
Unser Zusammenleben basiert auf normativen Ordnungen. Auch die Demokratie ist eine solche Ordnung. Ihre Regeln sind nicht statisch, sie können verändert, angepasst werden. Doch was, wenn die Menschen der Demokratie nicht mehr vertrauen? Darüber sprach »Forschung Frankfurt« mit Rainer Forst, Professor für politische Philosophie an der Goethe-Universität.
Over the last three decades, countries across the Andean region have moved toward legal recognition of indigenous justice systems. This turn toward legal pluralism, however, has been and continues to be heavily contested. The working paper explores a theoretical perspective that aims at analyzing and making sense of this contentious process by assessing the interplay between conflict and (mis)trust. Based on a review of the existing scholarship on legal pluralism and indigenous justice in the Andean region, with a particular focus on the cases of Bolivia and Ecuador, it is argued that manifest conflict over the contested recognition of indigenous justice can be considered as helpful and even necessary for the deconstruction of mistrust of indigenous justice. Still, such conflict can also help reproduce and even reinforce mistrust, depending on the ways in which conflict is dealt with politically and socially. The exploratory paper suggests four proposition that specify the complex and contingent relationship between conflict and (mis)trust in the contested negotiation of pluralist justice systems in the Andean region.
Climate crimes – a critique
(2023)
This paper aims on taking a critical approach to the emerging debate on climate criminal justice, that is mostly about something labeled „climate criminal law“ („Klimastrafrecht“). The critique is directed at climate crimes intended to protect our habitable climate („Klimaschutzstrafrecht“) or to prevent climate change („Klimawandelpräventionsstrafrecht“) staged as transformational criminal law. “Fighting" climate change with climate crimes can lull us into deceptive certainties and by extension into perilous idleness; and it will do so if we think of climate protection essentially in terms of traditional criminal law. Climate crimes are based on the idea that we can counter climate change with the "sharpest sword" available to a polity (cf. the German and Continental European ultima-ratio principle) and that we can thereby also get hold of "the powerful". But these certainties rest on but normative (and at heart: liberal) doctrines, which are deceptive in having lost touch with the realities of the administration of criminal justice. They obscure that more effective measures are available to mitigate the climate crisis and that "the powerful" will likely be shielded with and by climate crimes. Therefore, the climate crimes approach to the climate crisis may just turn out to be (self-)appeasement. It obfuscates that more effective measures are likely necessary to avert impending crises. Our critique is therefore not "only" directed at the symbolic, but the dysfunctional and "dark side" of climate crimes.
The resurgence of populism and the advent of the Covid-19 pandemic have consolidated an appeal to the language of trust and distrust in the political arena, but any reference to these notions has often turned into an ideological and polarized debate. As a result, the possibility of developing an appropriate picture of the conditions for trust in politics has been undermined. To navigate the different demands for trust raised in the political arena, a notion of political trust must cover two partially unfulfilled tasks. One is to clarify what trust means when referring specifically to the political context. The other is to connect political trust to other notions that populate the debate on trustworthiness in the political arena - those of rational, moral, epistemic, and procedural trust. I will show how the political categories I use to define the scope of a political notion of trust function as normative leverages to develop politics-compatible versions of rational, moral, procedural, and epistemic trust.
Der Beitrag bietet eine Einführung in das Thema „Vertrauen als Topos der Plattformregulierung“. Dazu wird in einem ersten Schritt das allgemeine Verhältnis zwischen dem sozialen Tatbestand „Vertrauen“ und dem Recht als das einer komplementären, wechselseitigen Wirkungsverstärkung beschrieben. Im Hinblick auf die vertrauensfördernde Rolle des Rechts wird in einem zweiten Schritt zwischen der Funktion des Vertrauens bzw. der Vertrauenswürdigkeit als Tatbestandselement einer Vorschrift und den hieran geknüpften Rechtsfolgen unterschieden. Auf der Basis dieser Grundlagen gibt der Aufsatz in einem dritten Schritt einen Überblick über Bezugnahmen auf „Vertrauen“ in der deutschen und europäischen Plattformregulierung seit 2015. Hierzu zählen sektorale Regelungen gegen Hasskriminalität und Desinformation sowie zum Schutz des Urheberrechts, die 2022 in den horizontal angelegten Digital Services Act mündeten, der ein insgesamt „vertrauenswürdiges Online-Umfeld“ gewährleisten soll. Viertens stellt der Beitrag ein abstrakt-analytisches Konzept des Vertrauens vor, das sich gut zur Analyse der aufgezählten Vertrauensbeziehungen und ihrer rechtlichen Regelungen eignet. Ein abschließender Ausblick deutet die Proliferation des Vertrauenstopos als Ausdruck einer Vertrauenskrise im digitalen Zeitalter. Die erstrebte Vertrauenswürdigkeit des Online-Umfelds bildet ein normatives Minimum, das über gesetzliche Verhaltenspflichten und Privilegien für vertrauenswürdige Akteure der Zivilgesellschaft erreicht werden soll. Ob dies gelingt und überhaupt wünschenswert ist, ist freilich offen. Die juristische Auseinandersetzung mit dem Topos des Vertrauens in der Digital- und Plattformregulierung hat gerade erst begonnen.
My aim in this paper is to make the debates about epistemic injustice fruitful for an analysis of trust in the knowledge of others. Epistemic trust is understood here in a broad sense: not only as trust in scientific knowledge or expert knowledge, but also as trust in implicit, positioned and experience-based knowledge. Using insights from discussions of epistemic injustice, I argue for three interrelated theses:
1. Questions of epistemic trust and trustworthiness cannot be answered with reference to individual virtue alone; rather, they have a structural component.
2. The rationality of epistemic trust must be analyzed against the background of social structures and social relations of domination.
3. Epistemic trust is (also) a political phenomenon and epistemically just relations depend on political transformation processes that promote equality.
Can right‐wing terrorism increase support for far‐right populist parties and if so, why? Exploiting quasi‐random variation between successful and failed attacks across German municipalities, we find that successful attacks lead to significant increases in the vote share for the right‐wing, populist Alternative für Deutschland (AfD) party in state elections. Investigating channels, we find that successful attacks lead to differential increases in turnout which are mainly captured by the AfD. Using the German SOEP, a longitudinal panel of individuals, we investigate terror’s impact on individual political attitudes. We first document that people residing in municipalities that experience successful or failed attacks are indistinguishable. We then show that successful terror leads individuals to prefer the AfD, adopt more populist attitudes and report significantly greater political participation at the local level. Terror also leads voters to migrate away from (some) mainstream parties to the AfD. We also find differential media reporting: successful attacks receive more media coverage among local and regional publishers, coverage which makes significantly more use of words related to Islam and terror. Our results hold despite the fact that most attacks are motivated by right‐wing causes and targeted against migrants. Moreover, successful attacks that receive the most media coverage have nearly double the effect on the AfD vote share in state elections and they also increase the AfD vote share in Federal elections, highlighting media salience as a driver of our overall results.
Der Beitrag stellt dar, wie Online-Plattformen in den Bereichen Urheberrecht, Hassrede und Desinformation in der EU reguliert wurden. Die Analyse ergibt einen Regulierungskreislauf, der in vier Phasen ablief. Bis zum Jahrtausendwechsel war es die Legislative, die einen allgemeinen gesetzlichen Rahmen für die Online-Kommunikation in Gestalt von Äußerungsverboten und Haftungsprivilegierungen definierte. Dieser Rahmen wurde im folgenden Jahrzehnt von den Betreibern der neu entstehenden Plattformen unter Ausnutzung ihres privatautonomen Gestaltungsspielraums implementiert. In der dritten Phase ab ca. 2010 verschärften die Judikative und die Exekutive die sich aus dem allgemeinen gesetzlichen Rahmen ergebenden Mindestanforderungen an die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen, Hassrede und Desinformation. In der vorläufig letzten Phase des Regulierungskreislaufs ab 2017/2018 ergriff wieder der Gesetzgeber die Initiative, indem die Standards, die in den Phasen zwei und drei entwickelt worden waren, kodifiziert und teilweise nochmals angehoben wurden. Damit ist der Kreislauf der unionalen Plattformregulierung allerdings nicht zu seinem Ende gekommen. Vielmehr ist bereits erkennbar, dass sich nun wieder eine eher experimentell-tastende Phase privatautonomer Implementierung und ko-regulativer Fortentwicklung des neuen gesetzlichen Rahmens anschließt. Der Beitrag schließt mit einer kurzen Bewertung dieser Entwicklung hin zu mehr hoheitlicher Kommunikationskontrolle.
Der Beitrag nimmt kritisch zum gegenwärtig anhängigen EU-Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) Stellung. Die Kernthese lautet: Big Tech muss reguliert werden, aber nicht wie im DSA vorgesehen. Zur Untermauerung dieser Position werden fünf grundlegend problematische Aspekte des DSA benannt. Es wird gezeigt, dass die derzeit verhandelten Fassungen des DSA (1) die Vertragsfreiheit nicht kommunikationsmächtiger Vermittlungsdienste missachten, (2) automatisiertes Overblocking begünstigen, (3) auch legale, aber in unspezifischer Weise „schädliche“ Äußerungen ins Visier nehmen, (4) einen vagen und für die Kommunikationsregulierung generell unpassenden Risikopräventionsansatz verfolgen und (5) eine Kommunikationsüberwachungsbürokratie errichten, die ihrerseits keinen zureichenden öffentlich-demokratischen Kontrollen unterliegt. Als Reaktion auf diese Befunde wird vorgeschlagen, (1) nur sehr großen Online-Plattformen inhaltliche Vorgaben im Hinblick auf ihre AGB zu machen, (2) die Verpflichtung/Berechtigung zum Einsatz automatischer Moderationssysteme auf offensichtlich rechtswidrige Inhalte zu beschränken, (3) im DSA auch keine indirekten Pflichten zur Unterdrückung legaler, aber „schädlicher“ Inhalte vorzusehen, (4) das systemische Risiko des Art. 26 Abs. 1 Buchst. c DSA ersatzlos zu streichen und (5) die DSA-Bürokratie staatsfern auszugestalten und einer parlamentarischen Kontrolle zu unterwerfen.
Der Beitrag bietet eine Übersicht der unionalen und deutschen Rechtsbegriffe zur Bezeichnung von Diensten im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT). Neben Rechtsquellen der ersten Regulierungsgeneration (insbes. E-Commerce- und InfoSoc-Richtlinie) werden 26 Gesetze bzw. Gesetzesvorschläge aus den letzten fünf Jahren in die Bestandsaufnahme einbezogen. Die einzelnen Dienstebegriffe werden erläutert und nach Maßgabe ihrer technisch-sozialen Funktion klassifiziert. Die vergleichende Analyse arbeitet Unterschiede und Überschneidungen sowie allgemeine dogmatische Grundsätze heraus, etwa zur Beurteilung multifunktionaler Dienste. Besonderes Augenmerk gilt Diensten wie sozialen Netzwerken und Messengern, deren juristische Einordnung ungeklärt ist. Der Beitrag schließt mit begrifflichen Reformvorschlägen für das künftige Digitalrecht.
Der Beitrag bietet einen Überblick über den entstehungsgeschichtlichen Hintergrund sowie den Inhalt des ursprünglichen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) 2017, seine Wirkungen in der Praxis und die Änderungen durch die NetzDG-Reform 2021. Es wird gezeigt, dass aus einem Regelwerk mit engem Fokus auf die Durchsetzung des Strafrechts in OnlineNetzwerken ein Plattformregulierungsgesetz wurde, das sowohl Löschgebote (Strafrecht) als auch Löschverbote (Meinungsfreiheit) prozeduralisiert. Während das NetzDG 2017 keinen nennenswerten Niederschlag in gerichtlichen oder behördlichen Entscheidungen fand und inzwischen auch kaum noch eine Rolle in der Löschpraxis der Netzwerke spielt, dürfte es dazu beigetragen haben, dass die Netzwerkbetreiber ihre privaten Kommunikationsregeln verschärft haben. Hintergrund für diese „Flucht in die AGB“ ist, dass die großen Netzwerkbetreiber und der Gesetzgeber dasselbe Nahziel verfolgen: Einer Verrohung der Debattenkultur soll aus ökonomischen bzw. gesellschaftspolitischen Gründen entgegengewirkt werden. Der Beitrag schließt mit einem Ausblick auf den Digital Services Act (DSA), mit dem der Compliance-Ansatz des NetzDG europäisiert würde.
The article studies civil wars and trust dynamics from two perspectives. It looks, first, at rebel governance during ongoing armed conflict and, second, at mass mobilisation against the regime in post-conflict societies. Both contexts are marked by extraordinarily high degrees of uncertainty given continued, or collective memory of, violence and repression.
But what happens to trust relations under conditions of extreme uncertainty? Intuitively, one would assume that trust is shaken or even substantially eroded in such moments, as political and social orders are questioned on a fundamental level and threaten to collapse. However, while it is true that some forms of trust are under assault in situations of civil war and mass protests, we find empirical evidence which suggests that these situations also give rise to the formation of other kinds of trust. We argue that, in order to detect and explain these trust dynamics in contexts of extreme uncertainty, there should be more systematic studies of: (a) synchronous dynamics between different actors and institutions which imply trust dynamics happening simultaneously, (b) diachronous dynamics and the sequencing of trust dynamics over several phases of violent conflict or episodes of contention, as well as long-term structural legacies of the past. In both dimensions, microlevel relations, as well as their embeddedness in larger structures, help explain how episodes of (non-)violent contention become a critical juncture for political and social trust.
Defenders of current restrictions on EU immigrants’ access to welfare rights in host member states often invoke a principle of reciprocity among member states to justify these policies. The argument is that membership of a system of social cooperation triggers duties of reciprocity characteristic of welfare rights. Newly arriving EU immigrants who look for work do not meet the relevant criteria of membership, the argument goes, because they have not yet contributed enough to qualify as members on the grounds of reciprocity. Therefore, current restrictions on their access to welfare rights are justified. In this article, I challenge this argument by showing how restrictions on EU immigrants’ access to welfare rights are inconsistent with duties of international reciprocity. There are different variations of this challenge, but my focus here will be on one that uses a veil of ignorance device to support this claim. What matters from a perspective concerned with international reciprocity, I will argue, is what kind of welfare policy EU member states would choose were they not to know whether those receiving EU migrants were net contributors or net beneficiaries to the relevant scheme of international cooperation made possible by the four freedoms, and freedom of movement in particular. I argue that framing the requirement of reciprocity in this way provides a more comprehensive understanding of what should count as an ‘unreasonable burden’ on the welfare systems of host member states. The paper also examines alternative accounts of ‘unreasonable burdens’. It shows when and how the current institutional structure of the EU could take steps to deal with such burdens by preventing member states from gaming a comprehensive system of welfare rights protections across member states and by recognising the achievements of those member states that best serve them.
In this article, we propose to develop a realist interpretation of political progress—that is, an analysis of what it means to achieve better conditions of life in society under political power according to realist standards. Specifically, we are interested in identifying the criteria according to which political realism defines a change in the status quo as a desirable change...
Sammelbesprechung
(2022)
Rezension zu:
Florence Bretelle-Establet and Stéphane Schmitt (eds.) 2018: Pieces and Parts in Scientific Texts (Why the Sciences of the Ancient World Matter, vol. 1). Cham: Springer International Publishing, geb., 355 S., 128.39 €, ISBN: 978-3-319-78466-3.
Christine Proust, and John Steele (eds.) 2019: Scholars and Scholarship in Late Babylonian Uruk (Why the Sciences of the Ancient World Matter, vol. 2). Cham: Springer International Publishing, geb., 274 S., 24 s/w Abb., 128.39 €, ISBN: 978-3-030-04175-5.
Cécile Michel and Karine Chemla (eds.) 2020: Mathematics, Administrative and Economic Activities in Ancient Worlds (Why the Sciences of the Ancient World Matter, vol. 5). Cham: Springer International Publishing, geb., 568 S., 127 s/w Abb., 35 farb. Abb., 117.69 €, ISBN: 978-3-030-48388-3.
This paper challenges widespread assumptions in trust research according to which trust and conflict are opposing terms or where trust is generally seen as a value. Rather, it argues that trust is only valuable if properly justified, and it places such justifications in contexts of social and political conflict. For these purposes, the paper suggests a distinction between a general concept and various conceptions of trust, and it defines the concept as a four-place one. With regard to the justification of trust, a distinction between internal and full justification is introduced, and the justification of trust is linked to relations of justification between trusters and trusted. Finally, trust in conflict(s) emerges were such relations exist among the parties of a conflict, often by way of institutional mediation.
Many democracies use geographic constituencies to elect some or all of their legislators. Furthermore, many people regard this as desirable in a noncomparative sense, thinking that local constituencies are not necessarily superior to other schemes but are nevertheless attractive when considered on their own merits. Yet, this position of noncomparative constituency localism is now under philosophical pressure as local constituencies have recently attracted severe criticism. This article examines how damaging this recent criticism is, and argues that within limits, noncomparative constituency localism remains philosophically tenable despite the criticisms. The article shows that noncomparative constituency localism is compelling in the first place because geographic constituencies foster partisan voter mobilisation, and practices of constituency service help to sustain deliberation among constituents and within the legislature and promote the realisation of equal opportunity for political influence. The article further argues that it is unwarranted to criticise geographic constituencies for being biased against geographically dispersed voter groups, for causing vote-seat disproportionality, and for being vulnerable to gerrymandering. The article also discusses the criticisms that local constituencies may pose risks of inefficiency and injustice in resource allocation decisions, may lead legislators to neglect the common good, and may limit citizens’ control over the political agenda. Whilst conceding that these objections may be valid, the article argues that they do not outweigh the diverse and normatively weighty considerations speaking in favour of noncomparative constituency localism. Finally, the article’s analysis is defended against several variants of the charge that it exaggerates the benefits of geographic constituencies.
Hegels Nützlichkeit
(2021)
Angesichts globaler Krisendiagnosen setzen einige Aktivist*innen nicht primär auf Reformen innerhalb der bestehenden Verhältnisse – sie träumen von einer komplett anderen Ordnung. Oftmals ziehen sie sich deswegen aus bestehenden Institutionen und dem Alltag der Mehrheitsgesellschaft zurück. Anstelle von Eskapismus kann es sich bei ihrem Rückzug aber auch um radikalen Widerstand handeln. Philip Wallmeier stellt ein Netzwerk an Aktivist*innen in den Mittelpunkt seiner empirischen Studie, die zwischen den frühen 1970er Jahren und der Jahrtausendwende in den USA in »Kommunen«, »intentionale Gemeinschaften« und »Ökodörfer« zogen. Die Analyse zeichnet die historischen Veränderungen nach und beschreibt anschaulich, welche Widersprüche sich in der Praxis für die Aktivist*innen bei dem Versuch ergaben, alternative Lebensformen zu entwickeln, um so die Verhältnisse grundlegend zu transformieren.
Some realists in political theory deny that the notion of feasibility has any place in realist theory, while others claim that feasibility constraints are essential elements of realist normative theorising. But none have so far clarified what exactly they are referring to when thinking of feasibility and political realism together. In this article, we develop a conception of the realist feasibility frontier based on an appraisal of how political realism should be distinguished from non-ideal theories. In this realist framework, political standards are feasible if they meet three requirements: they are (i) politically intelligible, (ii) contextually recognisable as authoritative, and (iii) contestable. We conclude by suggesting that our conception of realist feasibility might be compatible with utopian demands, thereby possibly finding favour with realists who otherwise refuse to resort to the notion of feasibility.
The working paper reflects on the status that "sciences" have held at different points in time, and on the normative orders found in scientific works, as well as on the normative orders imposed by the sciences of a particular place and time on their environment. The latter is also suggested by recent developments concerning the influence (or lack thereof) of scientists on daily life and politics. The paper touches on several fundamental issues in the history of science as a discipline that have been or are still being intensely debated.
Auf der Bad Homburg Conference 2021 wurden ausgewählte Fragen der Klimapolitik aus verschiedenen Perspektiven von internationalen Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik diskutiert. Der UniReport hat einige Stimmen zur Konferenz eingeholt, die jeweils wichtige Erkenntnisse, aber auch Streitpunkte und offene Fragen benennen.
This article discusses the potential of a historical approach to sustainability transformations. Using environmental issues and governance structures as case studies, it first describes how historical “sustainability transformations” can be conceptualized. It then suggests that 19th-century constitutional reforms can be read as attempts at reaching fiscal sustainability, whereas some social reforms can be interpreted as attempts to render the capitalist economy sustainable. In conclusion, the article highlights that the primary value of historical approaches to sustainability transformations will not lie in models, but in encouraging more creative questions.
We study whether and how time preferences change over the life cycle, exploiting representative long-term panel data. We estimate the age patterns of discount rates from age 25 to 80. In order to identify age effects, we have to disentangle them from cohort and period factors. We address this identification problem by estimating individual fixed effects models, where we substitute period effects with determinants of time preferences that depend on calendar years. We find that discount rates decrease with age and the decline is remarkably linear over the life cycle.
Law is force of order. It reacts, usually with a necessary time delay, to technological pro-gress. Only twelve years after Samuel Morse presented the first workable telegraph sys-tem in New York in 1838 and six years after the first completed telegraph line from Wash-ington to Baltimore, central European states agreed on an international framework for tel-egraphs. It has been much more than twelve years since the technologies underlying the internet’s popularity today, such as the ‘World Wide Web’, were invented. No international framework has emerged, even though normative approaches abound. There are norms that are applied to the internet, but the recognition of the existence of an underlying, structuring order is missing. This motivates the present study.
Wenn die Bedrohung, wie im Fall des Virus, als natürliche Gegebenheit auftritt, kommen leicht auch die Maßnahmen, um ihn zu beseitigen, als natürliche, d.h. fraglos vorgegebene Maßnahmen in Betracht. Eine Gefahr liegt hier darin, von einer Natürlichkeit des Zwecks auf die Natürlichkeit der Mittel zu schließen. Dass die Maßnahmen aber nicht natürlich gegeben, sondern politisch entschieden sind, muss demgegenüber im Blick bleiben.
A new virus, SARS-CoV-2, emerged in the Chinese city of Wuhan at the end of 2019. Infected persons developed an atypical form of pneumonia, later known as COVID-19. The pathogen created a pandemic, with fatalities throughout the world, and also led to the adoption of restrictive measures which were, until recently, unthinkable, as well as fostering new political conflicts. Even the path of the multilateral order in its current form is at stake. For a take on these issues under international law, the legal regime of the World Health Organization (WHO) and its response to the pandemic provides an insightful access. ...
Hope and reasons
(2020)
This paper argues that hope can be understood as an attitude or an attitudinal complex that is partially sensitive to reasons. One way that an attitude is sensitive to reasons is that it is permitted given the reasons available. A second way in which an attitude is sensitive to reasons is that it might be required in light of available reasons. This paper argues that hope may be permitted by the available reasons, and although it is sometimes good or praiseworthy to hope, hope is never categorically required. In that sense, hope is partially sensitive to reasons.
This article corrects the following: Hope in political philosophy,
Claudia Blöser Jakob Huber Darrel Moellendorf. Volume 15Issue 5Philosophy Compass First Published online: April 17, 2020.
It has come to the author's attention that the reference citation of ‘Meirav, 2009’ on page 2 of his published article entitled, ‘Hope in political philosophy’ does not provide bibliographical details regarding the article and does not include it in its list of works cited.
Here is the bibliographical information: Meirav, A. (2009). The nature of hope. Ratio, 22, 216–233.
Responsibility for increasing mitigation ambition in light of the right to sustainable development
(2020)
The international community is currently in the midst of a facilitative dialogue about how to increase mitigation ambition under the terms of Paris Agreement. This dialogue concerns centrally considerations of equity, which includes matters of both justice and responsibility. I defend the importance of the right to sustainable development in this regard. I argue that if the right of states to pursue poverty eradicating human development is to be respected, then there is plausible interpretation of responsibility for mitigation in which a state’s ability to pay is the central consideration, where that ability is measured by its human development level. That conception of responsibility should be applied to considerations of how increase mitigation ambition.
Hope in political philosophy
(2020)
The language of hope is a ubiquitous part of political life, but its value is increasingly contested. While there is an emerging debate about hope in political philosophy, an assessment of the prevalent scepticism about its role in political practice is still outstanding. The aim of this article is to provide an overview of historical and recent treatments of hope in political philosophy and to indicate lines of further research. We argue that even though political philosophy can draw on recent analyses of hope in analytic philosophy, there are distinct challenges for an account of hope in political contexts. Examples such as racial injustice or climate change show the need for a systematic normative account that is sensitive to the unavoidability of hope in politics as much as its characteristic dangers.
Wenn die Bedrohung, wie im Fall des Virus, als natürliche Gegebenheit auftritt, kommen leicht auch die Maßnahmen, um ihn zu beseitigen, als natürliche, d.h. fraglos vorgegebene Maßnahmen in Betracht. Eine Gefahr liegt hier darin, von einer Natürlichkeit des Zwecks auf die Natürlichkeit der Mittel zu schließen. Dass die Maßnahmen aber nicht natürlich gegeben, sondern politisch entschieden sind, muss demgegenüber im Blick bleiben.
In der gegenwärtigen Corona-Krise erscheinen die Entstehung der Krise – die Verbreitung der Krankheit Covid-19 zur Pandemie – und die Bewältigung der Krise – die rechtlichen Einschränkungen und Maßnahmen – scharf getrennt. Die Entstehung der Krise geht auf ein Stück Natur zurück, auf ein für Menschen bedrohliches Virus. Die Bewältigung der Krise geht mit staatlichem und gesellschaftlichem Handeln einher, das in zahlreichen Ländern im Rahmen rechtlicher Ausnahmezustände erfolgte. Den markanten Trennungspunkt zwischen Entstehung und Bewältigung der Krise bildet die Ausrufung der Ausnahmemaßnahmen, durch die in das Pandemiegeschehen interveniert wurde. Diese Einteilung kann den Eindruck erwecken, die mit Natur verbundene Entstehung der Krise sei eine Zeit, die gänzlich vor dem Handeln liegt: eben die Zeit des natürlichen Prozesses, die von der mit Handeln verbundenen Bewältigung der Krise abgekoppelt sei. Dieser Aufsatz zielt demgegenüber darauf, die Phasen der Entstehung und der Bewältigung der Corona- Krise in ihrer jeweiligen Ambivalenz hervortreten zu lassen. Das Ziel ist dabei ein doppeltes: Einerseits soll hervortreten, inwiefern die Phase der Entstehung der Krise nicht nur prä-aktiv und die Krise damit keine bloß natürlich gegebene, sondern auch eine gesellschaftlich gemachte ist. Andererseits soll deutlich werden, in welcher Weise die Phase der Bewältigung der Pandemie nicht allein krisenreaktiv, sondern auch krisenproduktiv ist.
Einleitend werde ich die genannte Zeitlichkeit – Entstehung und Bewältigung – erläutern, die einem gängigen Krisenverständnis zugrunde liegt, das auch in der gegenwärtigen Pandemie wirksam ist. Darauf werde ich darlegen, inwiefern das Denken des Ausnahmezustands ein Denken ebendieser Zeitlichkeit und damit zweier Phasen der Krise ist (I.1), und zeigen, warum sich die gegenwärtige Krise gerade aufgrund ihrer Verbindung mit Natur in dieses Denken einfügt (I.2). Auf dieser Grundlage gehe ich dazu über, ein komplizierteres Verständnis der gegenwärtigen Krise zu gewinnen, indem ich darlege, wie in ihrer Entstehung natürliche Prozessualität und gesellschaftliches Handeln untrennbar zusammenwirken (II.1) und an welchen Punkten ihrer Bewältigung die Krisenreaktion so in Krisenproduktion umschlägt, dass das gesellschaftliche bzw. staatliche Handeln wiederum auf Natur zurückwirkt (II.2). Durch diese Schritte soll deutlich werden, inwiefern sich in der gegenwärtigen Krise weder natürliche Prozesse und soziale Praxis noch Krisenreaktion und Krisenproduktion äußerlich gegenüberstehen, sondern intern verbunden sind. Das eingangs erläuterte Krisenverständnis erfährt dadurch eine Modifikation.
Militarization, factionalism and political transitions: an inquiry into the causes of state collapse
(2020)
Why do some fragile states collapse while others do not? This article presents results from a comparative analysis of the causes of state collapse. Using a dataset of 15 cases of state collapse between 1960 and 2007, we conduct both synchronic and diachronic comparisons with two different control groups of fragile states using crisp-set QCA. The results support our hypothesis that state collapse has multiple causes. The militarization of political groups, when combined with other conditions, plays a major part in the process. Other causal factors are political transition, extreme poverty, declining government resources or external aid, factionalist politics, repression and pre-colonial polities. This challenges structuralist explanations focusing on regime types and the resource curse, among other things, and opens up avenues for further research.
Carl von Clausewitz’ Denken über den Krieg steht paradigmatisch für ein instrumentelles Verständnis von Gewalt in der Politik. Gewalt ist für Clausewitz ein Mittel, das im Krieg verwendet wird, um politische Zwecke zu erreichen. Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts ist jedoch die Ansicht weit verbreitet, dass Clausewitz’ Überlegungen keine Gültigkeit mehr besitzen. Gegenwärtige Formen des Krieges seien zwar gewaltsam, aber nicht mehr politisch, weil sie nicht allein von Staaten oder aus einer eng verstandenen Staatsräson heraus geführt werden. Der Einwand missversteht jedoch Clausewitz’ Begriff der Politik. Dieser soll im vorliegenden Aufsatz systematisch rekonstruiert werden. Dem zu entwickelnden Interpretationsvorschlag zufolge bezeichnet „Politik“ in Clausewitz’ theoretischem System zunächst einmal nur ganz allgemein eine Interaktion von zwei oder mehr Akteuren, die jeweils ihren Willen realisieren wollen, deren Willen sich jedoch nicht vollständig vereinen lassen. Krieg ist für Clausewitz dann solche Politik, die mit gewaltsamen Mitteln betrieben wird. Vor diesem Hintergrund wird argumentiert, dass Clausewitz’ Theorie des Krieges einen fruchtbaren Analyserahmen bietet, mit dem sich die Transformationen der politischen Gewalt von den Kabinettskriegen des 18. Jahrhunderts bis zu den „neuen Kriegen“ unserer Zeit nachvollziehen lassen.
Durch die Digitalisierung ist die soziale Bedeutung des Urheberrechts stark gewachsen. Die vom Urheberrecht etablierte Exklusivitätskultur steht überdies in einem fundamentalen Konflikt mit der im Internet vorherrschenden Zugangskultur. Ein Beispiel hierfür ist der Streit um die jüngste Urheberrechtsrichtlinie der EU.
Through digitalization, the social importance of copyright law has grown considerably. Moreover, the culture of exclusivity established by copyright law conflicts fundamentally with the culture of access prevalent on the internet. An example for this is the dispute over the EU’s latest copyright directive. Does it ring in the end of the internet as we know it, or does it »only« see to fair remuneration for those working in the creative economy?
Eine wichtige Facette des Wirkens von Ernst-Wolfgang Böckenförde ist die Entfaltung des freiheitlichen Charakters des Grundgesetzes. Sein zentrales Anliegen war es, Freiheitlichkeit nicht nur auf Angehörige des Mainstream zu beschränken, sondern auch die Freiheit der Andersdenkenden zu schützen. Gerade in den 1960er und 1970er Jahren war diese konsequente Liberalität von kaum zu unterschätzender Bedeutung, denn es gab nicht viele, die sich in diesem Sinne äußerten. Damals war die Staatsrechtslehre äußerst konservativ. Schon der SPD anzugehören, war eine große Ausnahme. Das Recht, auch das Verfassungsrecht, wurde häufig geradezu als Bollwerk gegen die Ideen der 1968er-Revolution eingesetzt.
Doch der Beitrag von Ernst-Wolfgang Böckenförde hat nicht nur historische Bedeutung. Das von ihm entwickelte liberale Fundament ist aktueller denn je: In den Debatten um den Umgang mit religiösen Minderheiten ist seine konsequent liberale Haltung von höchster Relevanz. Er selbst hat seinen Ansatz noch in die Debatten um das Kopftuch der muslimischen Lehrerin eingebracht und im Sinne der Liberalität Position bezogen.
Künstliche Intelligenz als Ende des Strafrechts? Zur algorithmischen Transformation der Gesellschaft
(2019)
Does Artificial Intelligence (AI) imply the end of criminal law and justice as we know it? This article submits that AI is a transformative technology that seemingly assumes and optimizes the rationalities of criminal law (the effective prevention of crime; the objective, neutral and coherent application of the law etc.), namely by replacing the counterfactual guarantees of the law with the factual guarantees of technology. As a consequence, AI must not be trivialized by criminal law theory. Likewise, it is not enough to subversively criticize the current weaknesses of AI (e.g. vis-à-vis the “bias in, bias out” problem). Rather, criminal law theory should draw on the highflying promises of AI to reflect upon the foundational premises of criminal law. For a criminal law that is mostly a governance tool in the administrative and/or welfare state, AI applications promise the culmination of the law’s very objectives (like the effective inhibition and prevention of crime, e.g. by means of predictive policing; or the political determination of fuzzy sentencing rationales in sentencing algorithms that ensure equal sentences for comparable crimes). For a criminal law, however, that protects liberal freedoms and rests on inter-personal trust, AI may well lead to the passing of the law’s very ideals (e.g. of the presumption of innocence, which can no longer be upheld once everyone, ordinary citizens and judges alike, is deemed a possible risk). The question about “AI as the end of criminal law?” thus eventually raises the two-pronged question “Which criminal law for which society?”. Indeed, what is the status of freedom (esp. in a surveillance society needed to power Big Data driven algorithms), trust (esp. under the zero trust paradigm that underlies many risk assessment algorithms) and future (esp. when algorithms make predictions based on past data) once AI enters into the administration of criminal justice? These are the questions, or so I respectfully submit, that criminal law theory needs to address today in order to come up with a criminal law that is both (for pragmatic reasons) open to technology as well as (for humane reasons) sensible. In all of this, we must take to heart Joachim Hruschka’s great legacy and remain intellectually honest.
Dieses Working Paper zeigt Wege auf, wie völkerrechtlich verbindliche Regeln im Bereich der Cyber-Sicherheit entwickelt werden können. Wichtige Wegmarken können dabei nichtbindende Normen darstellen; auch aus Völkergewohnheitsrecht – besonders dem Kooperationsgebot – lassen sich präventive Schutzpflichten für Staaten (‚due diligence’) ableiten. Diesen präventiven Schutzpflichten müssen Staaten mit gemeinsamem Handeln zur Hebung von Cyber-Sicherheit gerecht werden. Um langfristig Rechts-sicherheit zu schaffen und Cyber-Sicherheit ganzheitlich zu fördern, führt aber kein Weg am Abschluss eines verbindlichen Übereinkommens über Cyber-Sicherheit vorbei.
The «spirit of the laws» is, as a concept, an answer to a problem of the laws. Regarding modern law, this problem is about unity: How can the manyness of the laws be coherent in one legal order? In my paper, I reconstruct three different models which establish unity as relational (Montesquieu), absolute (Kelsen), and interruptive (Schmitt). The interruptive model connects an aspect of the first with an aspect of the second model insofar it conceives unity as heterogeneous (related to something different) and nonetheless immanent (a unity in itself). As such, unity has to be thought of as a process or an activity. Schmitt’s account of this activity, however, leads to problematic consequences because it separates the activity from the norms and denies the political and democratic dimension of the laws; as a result, the difference between law and violence vanishes. Against this background, I argue for a different understanding of the immanent heterogeneity of the unity (and accordingly of what is called «spirit of the laws»). In this perspective, the spirit of the laws does no longer appear as the solution for the problem of the laws, but becomes the starting point of their critical investigation.
In this article, we hypothesize, and then demonstrate, that experiences of embarrassment have significantly increased in the United States, due in part, to the current situation in American politics under President Donald Trump. We provide support for our hypothesis by conducting both qualitative and quantitative analyses of Twitter posts in the U.S. obtained from the Crimson Hexagon database. Next, based on literature from social psychology, social neuroscience, and political theory, we propose a two-step process explaining why Trump's behavior has caused people in the U.S. to feel more embarrassment. First, compared to former representatives, Trump violates social norms in a manner that seems intentional, and second, these intentional norm violations specifically threaten the social integrity of in-group members—in this case, U.S. citizens. We discuss how these norm violations relate to the behavior of currently represented citizens and contextualize our rationale in recent changes of political representation and the public sphere. We conclude by proposing that more frequent, nation-wide experiences of embarrassment on behalf of the representative may motivate political actions to prevent further harm to individuals' self-concepts and protect social integrity.
In 2007, the Treaty makers ennobled the former fundamental principles of the Treaty on European Union as European values. Respect for human dignity, freedom, democracy, equality, rule of law and the protection of human rights have henceforth transcended the sphere of ‘merely’ legal matters. They have been posited as widely shared and deeply rooted normative orientations and thus the true foundations of the common European house. This step was probably meant to tap a new source of legitimacy and stability.
Ich würde sagen, dass Individuen mal die Contenance verlieren, sich im Ton vergreifen, das kann vorkommen. Und natürlich gibt es Frustrationspotenzial und Irritationen, die auch mal ausgesprochen werden müssen. Das kann die Ebene des sachorientierten Austauschs von Argumenten durchaus verlassen. Jede Demokratie sollte das aushalten können. Aber ich würde nicht behaupten, dass Hasstiraden gerade im Netz, Trolling und Ähnliches, eine Form des produktiven Streits wären, die Bindekraft erzeugen würde. Im Gegenteil: Wenn sich das ausbreitet und systematisch wird, wirkt es zersetzend für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. ...
Wie man weiß, zählt der Sozialstaat der Industrieepoche zu den ganz großen Innovationen in der Institutionengeschichte. Es entsteht ausgehend vom europäischen Norden und Westen und schnell mit kontinentalen und globalen Dimensionen ein hochkomplexes Geflecht aus Organisationen, aus juridischen und nicht-juridischen Normen und aus sozialen Praktiken, das auf die große – für das Schicksal der kapitalistischen Ordnung mitentscheidende – Herausforderung der "sozialen Frage" antwortet. Dabei ist dieses Gefüge nicht strukturell einheitlich, sondern durch erhebliche nationale Variation geprägt. Darüber hinaus entstehen die Institutionen im Rahmen der Einzelstaaten in keiner Weise gleichzeitig, sondern auf einer langgestreckten Zeitachse. Dieser Befund der hochgradigen Varianz kennzeichnet den Sektor der industriellen Beziehungen, in dem kollektive Akteure wesentliche Aufgaben des Sozialstaats "übernehmen", in einer besonders intensiven Weise. Es ist dieser Bereich, auf den wir sogleich näher eingehen. Im Weiteren kommt es auf dem Kontinent mit dem Aufstieg nicht-demokratischer Regime und deren Versionen des Sozialstaats zu einer zusätzlichen Komplizierung. Und schließlich tritt die neue Makrostruktur – ihren genetischen Raum überschreitend – alsbald im globalen Rahmen in Erscheinung. Ihre weltweiten Wirkungen sind immens, wie das 100-jährige Jubiläum der ILO unterstreichen mag. Und die Rückwirkungen und Irritationen vor allem aus neuen dynamischen Zentren des demokratisch verfassten Kapitalismus, zunächst der USA und dann auch Japans, sind es nicht minder. ...
Verstanden die europäischen Invasoren und die Angehörigen indigener Völker in Amerika sich eigentlich, wenn sie Verträge schlossen, über Rechte verhandelten, vor Gericht miteinander stritten? Fanden sie einen middle ground oder agierten sie nach dem Prinzip des code switching? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des von den US-amerikanischen Rechtshistorikern Brian P. Owensby und Richard J. Ross herausgegebenen Bandes Justice in a New World. Negotiating Legal Intelligibility in British, Iberian, and Indigenous America. Sieben Fallstudien rekonstruieren Momente der rechtlichen Interaktion zwischen Angehörigen indigener Gemeinschaften und Euro-Amerikanern in Anglo- und Iberoamerika zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert. Sie werden gerahmt von einleitenden Überlegungen der beiden Herausgeber zur Möglichkeit des Vergleichs zwischen britischen und iberischen Rechtsräumen sowie zwei zusammenfassenden Beobachtungen. ...
Global Histories and Cultures of Statehood, libro editado por John L. Brooke, Julia Strauss y Greg Anderson, es una propuesta interesante de reflexión interdisciplinaria sobre las formaciones estatales en un marco temporal amplísimo: desde la Antigüedad hasta el siglo XX. Los capítulos que componen el libro fueron presentados en un programa de dos años en la Universidad Estatal de Ohio. La publicación es claramente el producto de un ejercicio de discusión colectiva de una red académica con sede en los Estados Unidos y, por tal motivo, la mayoría de sus miembros pertenecen a instituciones académicas en este país. ...
Es ist nicht zu übersehen, dass spätestens seit der Jahrtausendwende in den Geisteswissenschaften ein gesteigertes Bedürfnis nach einer Historisierung der eigenen Zunft existiert, bei der es nicht um die eher pflichtschuldige Übung eines einleitenden Forschungsstandes geht, von dem aus die eigene Arbeit vorangetrieben wird, sondern die die Wissensbestände des Fachs selbst zum Thema hat. Auch die Rechtsgeschichte reiht sich hier ein in einen allgemeinen Trend zu (geisteswissenschaftlicher) Wissenschaftsgeschichte und vielleicht ist es nicht verfehlt, mit Ernst-Wolfgang Böckenförde und seiner 1961 erschienenen (philosophischen) Dissertation einen gleichermaßen frühen wie wirkmächtigen rechtsgeschichtlichen Innovator zu identifizieren. ...
Meinungsbeitrag vor dem Hintergrund der Veröffentlichungen The German White Paper 2016 and the Challenge of Crafting Security Strategies, Frankfurt und Berlin: Goethe Universität und Aspen Institute Germany (2019) und Das Weißbuch 2016 und die Herausforderungen von Strategiebildung (ZfAS Sonderheft 2019), Wiesbaden: Springer VS Verlag für Sozialwissenschaften (2019)
The concept of the political in Carl Schmitt’s works is not only defined by the distinction between friend and enemy, but also by the criterion of breaching the rules in a normatively unbound act of decision. According to Schmitt, this decision is, however, not arbitrary, but provoked by the necessity of a historical situation. This aspect of necessity calls the freedom of the decision into question and leads to tensions within Schmitt’s theory of the political. More explicitly than in Schmitt’s political and legal writings, this conflict between freedom and necessity is exposed in his theory of tragedy. In a reading of his book Hamlet or Hecuba, published in 1956, I will show, in a first step, how the act of breaching the rules is not external to normativity, but occurs from within normativity itself. It is the act of self-breaching – of breaking the rules of its own genre – by which, according to Schmitt, modern tragedy is defined. This breach, however, is compelled by the necessity of a real, i. e. extraliterary, event. In a second step, I will expound on how this idea of self-breaching, which also characterises Schmitt’s understanding of the political, leads to a loss of decision which not only questions his idea of sovereignty, but also topples his concept of the political.
The Polish government is stepping up its repression. The freedom of political speech is a main target. A national judge has not just the right but an outright duty to refer a case to the CJEU whenever the common value basis is in danger. Thus, a Polish judge faced with a case concerning the silencing of critics, must refer the matter to the CJEU and request an interpretation of Article 2 TEU in light of the rights at stake.
Die gegenwärtige Krise der Demokratie wird besonders sichtbar in der "symbolischen Dimension politischer Repräsentation". Diese Auffassung vertritt Paula Diehl in ihrem Aufsatz Demokratische Repräsentation und ihre Krise. "In Bildern, Inszenierungen und Diskursen werden sowohl demokratisierende als auch antidemokratische Konzepte 'getestet'. Erfahren sie Resonanz in der Öffentlichkeit und in der Bevölkerung, kann sich die Lage in die eine oder in die andere Richtung entwickeln. Denn Symbole aktivieren Vorstellungen über die politische Ordnung, Repräsentanten, Bürgerinnen und Bürger, über den Staat und auch darüber, wie politische Institutionen funktionieren sollen." So Paula Diehl im besagten Aufsatz, der Überlegungen bündelt, die sie in ihrer Studie Das Symbolische, das Imaginäre und die Demokratie. systematisch entfaltet hat. In dieser Arbeit analysiert Diehl den Zusammenhang zwischen den normativen Strukturen und der symbolischen Praxis eines demokratisch verfassten politischen Gemeinwesens. Beide bedingen sich gegenseitig. Die normative Struktur einer Gesellschaft findet den Grund ihrer Geltung und der Stabilität in der symbolischen Praxis; diese wiederum muss begriffen werden als Ausdruck der Prinzipien und Regeln der normativen Grundstruktur. Eine Krise des Politischen ist zu verstehen als Resultat und Ausdruck einer Störung in diesem wechselseitigen Bedingungsverhältnis von normativer Struktur und symbolischer Praxis der politischen Gemeinschaft. ...
Radikalisierung als individuelles und gesellschaftliches Phänomen Extreme politische Ansichten haben Konjunktur. Auf beiden Seiten des politischen Spektrums, aber auch in religiösen Milieus radikalisieren sich Positionen und stellen demokratische Werte und Institutionen infrage. Mit diesen Phänomenen hat sich das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt "Gesellschaft Extrem. Radikalisierung und Deradikalisierung in Deutschland" befasst. ...
Authoritarian regimes and religious institutions in the Muslim majority world see eye-to-eye on the topic of atheism. United by their fear of losing control over their populations and their desire for conformity, consecutive governments have pushed for unfair restrictions on their subjects’ beliefs since their inception. But even in society, non-belief remains a taboo. Should atheists in Muslim majority world become more vocal?
Bridge International is a for-profit chain of private (pre-)primary schools employing technology to allegedly provide “high-quality, affordable education” in the Global South. Like many other actors, Bridge (cl)aims to bridge the global digital divide and to use information and communication technologies to realize development (“ICT4D”), in particular in sub-Saharan Africa. But are such projects really allowing the region to “catch up” with the rest of the world and strengthen its weak global standing? Not necessarily. Many projects’ implementation mirrors existing global power inequalities and may even reinforce them.1 Moreover, the technologies employed themselves augment these imbalances. The present contribution illustrates this, using Bridge as a case study.
Das Internet ist ein gigantisches Netzwerk von Maschinen. Während sich dessen konkrete Nutzung permanent weiterentwickelt, bleibt dessen Funktion im Kern doch immer der Austausch von Informationen. Die vielfältigen Institutionen der Internet Governance lassen sich als Versuch verstehen, diesen Austausch zu ermöglichen. Eine zentrale Rolle kommt dabei der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) zu. Sie verwaltet das globale Adressbuch des Internets und legt so fest, wie weit das Netz des Internets reicht. Die technische Notwendigkeit einer solchen zentralen Instanz wird im Prinzip kaum bestritten. Zunehmend jedoch verschärfen sich die Konflikte darüber, wie weit deren Kompetenzen reichen und wer sie kontrollieren sollte. Letztlich, so möchte ich zeigen, geht es um die Frage, wieviel internationale Autorität in diesem Bereich der Internet Governance notwendig und legitim ist.
The discussion about the interplay between digital technologies and the process of globalization is often focused around the following question: who has access to global information networks and who benefits from digital communication technologies? These are essential questions and it can hardly be denied that they confront us with a series of political and ethical questions. However, we also need to recognize the ongoing digitalization of the globe, a process where more and more people are put on various kinds of maps...
Europe’s new digital borders
(2018)
The European Union’s (EU) external border framework is not only increasingly reliant on digital databases, but these databases are now set to become interoperable. By 2020, the European Commission (EC) aims to have a fully interconnected new architecture for identity management at the border in place. Based on biometric enrolment of all third-country citizens, Europe’s new digital borders raise a number of concerns, including suspicion, large-scale surveillance, and internal policing that spread well beyond the border site.
Border management today is embedded into a complex network of data collection and data analysis that provides authorities with knowledge about who (or what) attempts to cross the border. While still serving as physical chokepoints for the examination and extraction of dangerous, suspicious, or illegitimate elements from global flows of mobility, border operations therefore increasingly rely on a number of databases...
With the rise of big data, internet-of-things, machine learning, targeted advertising, face recognition algorithms, virtual assistants, cyberbullying, cyberstalking, and cyberwarfare, we find more and more people and policy makers around the world debating whether technological advances are helping us or hurting us. Such debates often focus on trying to figure out a way to balance the need to preserve human values with the desire to not interfere with technological progress. The central problem that arises then is what to do when values and progress come into direct conflict with each other. Should we err on the side of caution and rein in companies like Google, Twitter, and Facebook so they do not interfere with personal privacy and national democracy? Or should we take a more pioneering perspective and view the occasional rights violation as a necessary risk that can be outweighed by the rewards for medicine, manufacturing, and media? Or should we try to find a middle path and have tech companies and policy makers work together to develop guidelines for “responsible research and innovation”?
Almost a decade ago, the internet was celebrated as one of history’s greatest liberation tools. People have unparalleled access to information and a greater deal of freedom to express themselves without fear of censorship or reprisal. This enthusiasm was short-lived, however. Today’s internet is heaving with hate speech, censorship, fake news, misinformation, and all forms of extremism. Governments have tightened their grip on digital spaces, and tech companies have grown into nontransparent empires with immense influence on the world’s politics, economies, and societies. These changes have brought forward new terrains of conflict and have redefined the relationship between the citizen and the state.
Large-scale digitisation has brought cultural heritage objects and materials from the remotest places of the world to our computer screens. At first sight, this innovation seems to make cultural heritage accessible to everyone like never before. However, technological advances have not eliminated social inequalities between powerful and marginalized communities and ethical issues in communicating cultural heritage. These issues became much more vivid and obvious when the spread of cultural heritage reached the global scale.
Europe is a key normative power. Its legitimacy as a force for ensuring the reign of rule of law in international relations is unparalleled. It also packs an economic punch. In data protection and the fight against cybercrime, European norms have been successfully globalized. The time is right to take the next step: Europe must now become the international normative leader for developing a new deal on internet governance. To ensure this, European powers should commit to rules that work in security, economic development and human rights on the internet and implement them in a reinvigorated IGF.
Im Jahr 1564 veröffentlicht der Ulmer Militärexperte und -schriftsteller Leonhard Fronsperger die Schrift "Von dem Lob deß Eigen Nutzen", in der er darlegt, dass die konsequente Verfolgung des eigenen Nutzens als individuelle Handlungsmaxime im Ergebnis zu einer Förderung des Gemeinwohls führt. Das etwas mehr als hundert Seiten umfassende Werk wird in Frankfurt am Main, einem Zentrum des europäischen Buchdrucks und -handels, verlegt und findet Erwähnung im ersten veröffentlichten Katalog der Frankfurter Buchmesse. Fronsperger präsentiert seine für die damalige Zeit durchaus revolutionäre These in der Form eines satirischen Enkomions und unterlegt sie mit einer umfangreichen Gesellschaftsanalyse. Er stellt fest, dass die politischen Herrschaftsformen, die gesellschaftlichen Institutionen und die wirtschaftlichen Handelsbeziehungen auf einer konsequenten Verfolgung des eigenen Nutzens aller Akteure beruhen und dass sich die von der Kirche geforderte Ausrichtung des individuellen Handelns am Gemeinwohl in der Realität nicht finden lässt. Vielmehr hält er die Kritik der Theologen am egoistischen Handeln des Einzelnen für falsch, empfindet er doch den Staat, Wirtschaft und Gesellschaft im Großen und Ganzen als gut funktionierend.
Im Folgenden dokumentieren wir zunächst die Biografie des Autors, die Entstehung und Verbreitung des Werks und seine besondere literarische Form. Anschließend diskutieren wir die zentrale These in drei verschiedenen geistesgeschichtlichen Kontexten, die jeweils von besonderer Bedeutung für die Herausbildung der neuzeitlichen Gesellschafts- und Wirtschaftstheorien sind. Erkenntnis- und staatstheoretisch weist Fronspergers Werk deutliche Parallelen zu den Analysen auf, die Niccolò Machiavelli und später Giovanni Botero in Italien zur Bedeutung der auf den individuellen fürstlichen Interessen basierenden Staatsräson bzw. zu den Triebkräften erfolgreicher Stadtentwicklung vorlegten. Markante Unterschiede gibt es dagegen zu den Ansichten der deutschsprachigen Reformatoren im Anschluss an Luther, die zwar die Unterscheidung zwischen geistlicher und weltlicher Sphäre propagieren und damit die Entwicklung einer eigenständigen Moral für das Wirtschaftsleben befördern, dort allerdings mehrheitlich die Orientierung am "Gemeinen Nutzen" propagieren. Indem Fronsperger dagegen die Verfolgung des Eigennutzes fordert, nimmt er wirtschafts- und gesellschaftstheoretische Einsichten über das Wesen und die Auswirkungen der Arbeitsteilung vorweg, die erst 150 Jahre und später von Bernard Mandeville und Adam Smith in England und Schottland formuliert wurden. Das Werk Fronspergers bietet damit ein herausragendes Beispiel dafür, wie sich aus dem Zusammenspiel von wirtschaftlichem Erfolg, einem realistischen Menschenbild und manchen Aspekten der Reformation in deren Folge ein neues normatives Verständnis von den Antriebskräften ökonomischer und gesellschaftlicher Dynamik entwickelt, das später als der "Geist des Kapitalismus" bezeichnet wird.
Menschenrechte und Ausnahmezustand sind zwei Weisen, durch die der moderne Staat seine rechtliche Ordnung nicht nur begründet und erhält, sondern auch immer wieder durchbricht. Zwischen ihnen besteht ein Gegensatz: Wo der Ausnahmezustand erklärt wird, werden Menschenrechte eingeschränkt.
Während die beiden Phänomene in ihrem Zweck entgegengesetzt sind, sind sie allerdings in ihren Mitteln verbunden. Darauf beruht ihr dialektisches Verhältnis, das in diesem Buch als Zusammenhang von Berechtigung und Entrechtung ausgewiesen wird. Dazu diskutiert der Autor im ersten Teil die Theorien von Souveränität und Ausnahmezustand bei Carl Schmitt und Giorgio Agamben. Im zweiten, philosophisch und historisch argumentierenden Teil zeigt er auf, dass das für die Menschenrechtsidee konstitutive Konzept der Rechtsperson staatliches (Ausnahme-)Handeln nicht nur begrenzt, sondern es auch ermöglicht.
Die Analyse zielt darauf, das positive Potential der Menschenrechte gegen ihre negativen Effekte in Stellung zu bringen und so gegenüber einer Logik der Maßnahme zu verteidigen.
Für die diesem Buch zugrunde liegende gleichnamige Dissertation wurde Jonas Heller 2018 mit dem Werner Pünder-Preis ausgezeichnet.
On February 20 at the Max Planck Institut für europäische Rechtsgeschichte, the Legal Historian and member of the Constitutional Court of Peru, Dr. Carlos Ramos Núñez, presented a crucial intervention on the problems that face the current constitutionalism in Latin America. Faced with a heterogeneous group of historians, philosophers and theoreticians of law, interested in the vicissitudes of Latin American juridical evolution, the political-juridical tensions of the Peruvian present served him as a framework to raise various constitutional problems and controversies. ...
The illiberal turn in Europe has many facets. Of particular concern are Member States in which ruling majorities uproot the independence of the judiciary. For reasons well described in the Verfassungsblog, the current focus is on Poland. Since the Polish development is emblematic for a broader trend, more is at stake than the rule of law in that Member State alone (as if that were not enough). If the Polish emblematic development is not resisted, illiberal democracies might start co-defining the European constitutional order, in particular, its rule of law-value in Article 2 TEU. Accordingly, the conventional liberal self-understanding of Europe could easily erode, with tremendous implications.
Within democratic orders, it is the declared aim of a state of exception to secure or restore the endangered foundation of democracy. The provided measures are, however, undemocratic insofar they directly affect individual rights as the principle on which democracy is based: By suspending rights, the state of exception treats individuals not as members of a democratic community (demos), but as parts of a population which has to be secured. Whereas individual rights enable individuals to be part of the demos, the state of exception – by restraining rights – enforces a politics of population. In my article, I show in what way individual rights, too, are used as a strategy of governing the population. Referring to the history of individual rights in the early modern period, I describe a specific form of alienation of individual rights. I argue that this alienation consists in the separation of a private from the political component of individual rights. This alienation is the reason for a dialectical shift from demos to population which occurs in an extreme form in the state of exception. Against this background, the question of the state of exception and the question of individual rights appear in an unfamiliar but crucial relation. In order to oppose the dialectical shift and the misuse of exceptional measures, I claim it necessary to insist on the inextricable link between the private and the political component of individual rights – that is to extend the domain of democracy.
Das "Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken" (Netzwerkdurchsetzungsgesetz, NetzDG) hatte bereits während seiner kurzen Entstehungszeit heftige Kritik ausgelöst und wird von zahlreichen Beobachtern auch in seiner in Kraft getretenen Fassung für unionsrechts- und grundgesetzwidrig gehalten. In Zweifel stehen vor allen Dingen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes und die Vereinbarkeit des NetzDG mit der Meinungs- und Informationsfreiheit. Gegenwärtig sind drei Anträge auf vollständige bzw. teilweise Aufhebung des NetzDG im Bundestag anhängig (hier, hier und hier). Auch bei den Regierungsfraktionen steht das NetzDG unverändert auf der rechtspolitischen Agenda. Im Koalitionsvertrag heißt es, die am 1.7.2018 erstmals fälligen Berichte der Plattformbetreiber sollen zum Anlass genommen werden, "das Netzwerkdurchsetzungsgesetz insbesondere im Hinblick auf die freiwillige Selbstregulierung weiterzuentwickeln". ...
What motivates welfare attitudes during economic crises? While existing research highlights self-interest, this conclusion rests on a predominant conceptualization of citizens’ crisis experiences as personal job loss. However, during economic downturns, people are likely to also witness colleagues or distant others being laid off, which might affect welfare attitudes for reasons beyond self-interest. This article analyses how personal job loss as well as that of colleagues and acquaintances during the Great Recession is related to welfare attitudes in the UK, Germany and Sweden, where welfare regimes and crisis policies differ systematically. Based on Eurobarometer data from 2010, the findings reveal that the importance of personal job loss as well as that of colleagues and acquaintances varies cross-nationally. In the liberal UK – with its modest crisis response – demand for greater public welfare provision is associated with personal job loss. In social-democratic Sweden – with its active crisis management – demand for greater welfare provision is associated with acquaintances’ job loss. In conservative Germany – with its labour market insider-focused crisis response – no clear picture emerges. These findings support a sociological perspective emphasizing the importance of other-regarding concerns for welfare attitudes and the role of institutions in structuring people’s self-interest and normative orientations.
Das Recht nimmt keine zentrale Stellung ein in diesem Band zu "Asian Perspectives on the Paris Peace Conference and the Interwar Order, 1919–33", dies sei gleich zu Beginn dieser Rezension in einer rechtshistorischen Fachzeitschrift angemerkt. Was dieser Band allerdings bietet, sind äußerst vielschichtige und differenzierende Perspektiven auf einen Gegenstand, der in der Rechtsgeschichte bislang nicht nur, aber vor allem auf seine Bedeutung im europäischen Kontext hin erforscht wurde. ...
"Sozialwissenschaftlich aufschlussreich sind für mich nicht Zustände, sondern Verläufe – oder Zustände nur im Zusammenhang von Verläufen. Theorien, die Strukturen oder Ereignisse als freistehende Unikate in einem feststehenden Ereignis- und Möglichkeitsraum behandeln, können fundamental in die Irre führen. Alles Soziale spielt sich in der Zeit ab, entfaltet sich mit der Zeit und wird in und mit ihr sich selber ähnlicher. Was wir heute sehen, können wir nur verstehen, wenn wir wissen, wie es gestern ausgesehen hat und auf welchem Weg es sich befindet. Alles, was vorfindlich ist, ist immer auf einem Entwicklungspfad unterwegs. Auf diesen kommt es entscheidend an." ...
Welchen Stellenwert hat der Glaube im Bereich der menschlichen Überzeugungen? Wie verhalten sich Wissen und Gewissheit zueinander? Die moderne Wissenschaft wird oft mit Faktenwissen gleichgesetzt, doch ohne die Reflexion über die Welt ist Wissenschaft nicht denkbar. Sie findet z.B. statt in der Religionsphilosophie.
Rule is commonly conceptualized with reference to the compliance it invokes. In this article, we propose a conception of rule via the practice of resistance instead. In contrast to liberal approaches, we stress the possibility of illegitimate rule, and, as opposed to critical approaches, the possibility of legitimate authority. In the international realm, forms of rule and the changes they undergo can thus be reconstructed in terms of the resistance they provoke. To this end, we distinguish between two types of resistance—opposition and dissidence—in order to demonstrate how resistance and rule imply each other. We draw on two case studies of resistance in and to international institutions to illustrate the relationship between rule and resistance and close with a discussion of the normative implications of such a conceptualization.
Der Beitrag arbeitet die moralische Subjektivierungsform ökonomischer Verschuldung heraus. In Auseinandersetzung mit Friedrich Nietzsche, Max Weber und Pierre Bourdieu wird argumentiert, dass die Form der Verschuldung durch eine spezifische Zeitlichkeit geprägt ist. Die zentrale These lautet, dass sich das Zeitregime von Schuld und Schulden als paradox erweist: Einerseits ermöglicht die moderne "Entzauberung der Welt" (Max Weber) eine Öffnung auf gesellschaftliche Zukünfte hin und diese temporale Öffnung bildet auch eine notwendige Bedingung kapitalistischer Investitionstätigkeiten. Andererseits verstellt das gegenwärtige rigide Zeitregime der Schuld(en) jedoch die Möglichkeit subjektiver und politischer neuer Anfänge in der Zeit, da die Verschuldung eine Dynamik der ökonomischen Determinierung gegenwärtiger Handlungsoptionen durch den Zwang zur Rückzahlung ins Werk setzt.
Am Donnerstag, dem 26.01.17, beschloss der Deutsche Bundestag, wie schon im letzten Jahr, eine Ausweitung des Bundeswehreinsatzes im Rahmen der UN-Mission MINUSMA in Mali. Die maximale Anzahl der in und um Gao im Norden Malis eingesetzten Soldatinnen und Soldaten wird von bisher 650 auf 1000 erhöht, da Deutschland zukünftig auch die Bereitstellung von Kampf- und Rettungshubschraubern für MINUSMA übernimmt. Damit wird der Einsatz in Mali zum Größten der Bundeswehr. Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos hat das Gefährdungspotenzial schon im vergangenen Jahr mit der ISAF-Mission in Afghanistan verglichen und in keinem anderen UN-Einsatz sind im letzten Jahr mehr Soldaten getötet worden.
Die Entsendung weiterer Soldatinnen und Soldaten vom Deutschen Bundestag in einen Einsatz, in dem sie erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind, erfordert eine umfangreiche Begründung durch die politisch Verantwortlichen und eine kritische Würdigung durch die Zivilgesellschaft.
Hassrede und Katzenbilder : Wie können im globalen Netz nationale Gesetze respektiert werden?
(2017)
Der Zugang zum Internet ist die Voraussetzung, um online aktiv zu sein, zu kommunizieren oder einzukaufen. Zugang allein reicht aber nicht: Erst sogenannte Internet-Intermediäre (oder Internet-Inhalt-Vermittler) wie Google, Facebook oder Amazon ermöglichen es, das Internet zu nutzen, um über Social Media zu kommunizieren, auf Musik, Filme und Texte zuzugreifen oder überhaupt erst via Suchmaschine passende Online-Angebote ausfindig zu machen. Intermediäre verbinden Nutzer mit dem Internet, sie helfen bei der Datenverarbeitung, sie hosten und indexieren Inhalte, sie ermöglichen die Suche, sammeln Informationen, vermitteln Angebote Dritter und ermöglichen Käufe und Zahlungen...