Tuexenia : Mitteilungen der Floristisch-Soziologischen Arbeitsgemeinschaft, Band 16 (1996)
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Bücherschau
(1996)
Aus dem niederrheinischen Tiefland sind von den heutigen 26o Grünlandpflanzenarten 140 durch subfossile Großreste nachgewiesen worden. Zwei vorneolithische Fundplätze lieferten Beiträge zur Frage nach der Herkunft der Grünlandpflanzen:
1.) Frühpräboreale Gewässerabsätze im Rheinalluvium (10. Jt.v. Chr.) enthielten Großreste und Pollen von 32 Grünlandpflanzenarten, darunter mehrere der heutigen Fettwiesen (Molinio-Arrhenatheretea). Lichte Birken-Kiefernwälder, gehölzfreie Aue.
2.) Spätpräboreale Ablagerungen in der Erftaue (7. Jt.v. Chr.) enthielten Spuren von nur noch 11 Grünlandpflanzenarten. Verdrängung durch die Ausbreitung von Kiefern-Birken-Haselwäldern. Verdichtung der Auenvegetation. Bei Berücksichtigung der Erstfunddaten zeigte sich, daß seit dem Beginn der bäuerlichen Erstbesiedlung im Rheinland die Einwanderung und Ausbreitung von Grünlandpflanzenarten in vier Schüben erfolgte. Ihnen entsprechen vier Entwicklungsschritte in der Bewirtschaftung des Grünlandes:
3.) Bandkeramikzeit (6. Jt.v. Chr.) 40 subfossile Grünlandpflanzenfunde, darunter 13 Arten aus Magerrasen (Sedo-Scleranthetea). Beweidung durch Schafe und Ziegen auf siedlungsnahen unbeschatteten Mager- und Feuchtrasen. Waldweide von Rindern und Schweinen.
4.) Eisenzeit (8oo v.Chr.-Chr. Geb.) 31 neue Grünlandpflanzenarten besonders durch die Entstehung von Pflanzengesellschaften auf siedlungsnahen Viehweiden (Cynosurion). Durch die größere Besiedlungsdichte ist die Waldweide nicht mehr ausreichend.
5.) Römerzeit (1.-4. Jh.n. Chr) 52 neue Grünlandpflanzenarten, darunter 13 Arten von Kalk-Magerrasen (Mesobromion erecti). Große Viehweiden in der Rheinaue. Dort auch erste einschürige Schnittwiesen zur Gewinnung von Winterheu.
6.) Mittelalter und frühe Neuzeit (5.-18. Jh.n. Chr.) 12 neue Grünlandpflanzenarten. Ab Hochmittelalter nicht beweidete, zweischürige Schnittwiesen (Molinio-Arrhenatheretea). Ausweitung des Grünlandes.
In dem erst seit 1993 zu Niedersachsen (Lkr. Lüneburg) gehörenden ehemaligen Amt Neuhaus, das im Urstromtal der Elbe auf der Ostseite liegt, wurde 1994 eine Detailkartierung der Farn- und Blütenpflanzen in Minutenfeldern durchgeführt. Dabei wurden 868 Sippen gefunden, davon 198 Arten der Roten Liste und weitere 32 Arten aus deren Anhang. Die mittlere Sippenzahl pro Meßtischblatt-Quadrant betrug 612, pro Minutenfeld 264 Sippen. Zusätzlich wurden 1995 fünf weitere Rote-Liste-Arten gefunden. Im Vergleich gehört das ehemalige Amt Neuhaus damit zu den besonders artenreichen Gebieten Niedersachsens. Die häufigste Art war Urtica dioica (Vorkommen in allen Rasterfeldern), die häufigsten Rote-Liste-Arten waren Allium vineale (Anhang der Roten Liste) und Armeria elongata. Die Funde von 63 stark gefährdeten Arten (z.T. in größeren Populationen), acht vom Aussterben bedrohten Arten und einer bereits im Tiefland verschollen geglaubten Art unterstreichen die große Bedeutung, die dieses Gebiet für den Arten- und Biotopschutz hat. Eine Literaturauswertung ergab, daß weitere 38 Arten für das ehemalige Amt Neuhaus als verschollen bzw. ausgestorben angesehen werden müssen. Dazu gehört auch die im übrigen Niedersachsen nicht nachgewiesene Jurinea cyanoides. In einem speziellen Teil werden Häufigkeiten und Funddaten, teilweise zusammen mit Verbreitungskarten, von 124 seltenen bzw. pflanzengeographisch interessanten Arten aufgeführt. Anhand eines Transektes wird der floristische und standörtliche Gradient durch das Elbtal exemplarisch dargestellt. Die für den Pflanzenartenschutz wichtigsten Biotope werden mit Hinweisen zur Erhaltung des Artenpotentials aufgelistet.
Aus den im nördlichen Ungarn in der Umgebung von Budapest gelegenen Mittelgebirgen Pilis, Budaer Gebirge und Naszály werden die Moosgesellschaften des Ctenidion mollusci mit den Assoziationen Ctenidietum mollusci, Solorino-Distichietum capillacei, Encalypto-Fissidentetum cristati, Gymnostometum rupestris, Gyroweisietum tenuis und der Gymnostomum virdidulum-Gesellschaft beschrieben. Sie kennzeichnen substrat- und luftfrische, meist mehr oder weniger lichtreiche, nordexponierte Sonderstandorte auf Dolomit, Kalkstein und kalkhaltigem Mineralboden. Alle Gesellschaften sind in ihrer soziologischen Struktur durch 20 Tabellen belegt und werden in ihren ökologischen Verhalten sowie in ihrer Verbreitung charakterisiert.
Im Zentrum von Berlin siedelten auf den großen Ödflächen am Potsdamer Platz, wenige Jahre nach Abriß der östlichen Grenzanlagen, interessante Ruderalgesellschaften. Auf meist sandigen Schüttböden wurden die Sisymbrietalia: Sisymbrio-Chenopodietum stricti, Sisymbrio-Atriplicetum oblongifoliae, Lactuco-Sisymbrietum loeselii, Lactuco-Sisymbrietum altissimi, Sisymbrio-Ivetum xanthiifoliae, Amarantho-Salsoletum mtheniaze, Echinochloa-Amaranthus albus-Ges. neben einzelnen Onopordetalia wie Artemisio-Carduetum acanthoidis und Artemisio-Oenotheretum rubricauli ermittelt (Tab. 1-5). Verglichen mit entsprechenden Beschreibungen, handelt es sich vielfach um extrazonale Vorkommen von mehr im Süden und Osten verbreiteten Gesellschaften. Eine Syntaxa-Übersicht beschließt die Studie.
Im Jahr 1993 wurden sechs Dörfer beiderseits der ehemaligen innerdeutschen Grenze untersucht um festzustellen, wie sich die Sozialstruktur und die naturräumliche Lage auf die spontane Siedlungsvegetation auswirken. Jedem Dorf in Nordbayern steht ein vergleichbares in Südthüringen gegenüber. Die Dorfpaare repräsentieren drei Dorftypen: Agrardörfer der Hochlagen, ehemals agrarisch geprägte Dörfer tieferer Lagen und Industriedörfer. Nach einer Nutzungskartierung wurden die Pflanzengesellschaften und die Vegetationskomplexe erfaßt. Kenngesellschaften der Industriedörfer sind das Conyzo-Lactucetum serriolae und die Poa compressa-Gesellschaft, solche der Agrardörfer das Urtico-Malvetum neglectae, das Chenopodietum boni-henrici und das Chaerophylletum aurei. Eine Differentialgesellschaft der Hochlagendörfer ist das Geranio-Trisetetum flavescentis. In Dörfern der ehemaligen DDR sind Artemisia vulgaris-Gesellschaften häufig. Die Vegetationskomplexe (=VK) spiegeln neben der Dorfstruktur auch die naturräumliche Lage wider. Nutzungsvielfalt und Nutzungswandel rufen auch Vielfalt der Vegetation hervor. Neben einem VK von Schotterflächen (v.a. in Industriedörfern) und einem VK nasser Standorte (in den Tieflagendörfern) sind überall VK land- und gartenwirtschaftlicher Nutzung verbreitet, in den thüringer Dörfern wegen der geringeren Pflegeintensität häufig in einer gebüschreichen Variante. In den bayerischen Dörfern sind fragmentarische Ausbildungen häufiger.
Die Vegetation ausgewählter ehemaliger Acker im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide wird beschrieben und in das pflanzensoziologische System eingeordnet. Anhand einer Chronosequenzreihe wird die Vegetationsentwicklung in Abhängigkeit von der Zeit untersucht. Hierzu werden die Deckungsgradanteile von Lebensformentypen und pflanzensoziologischen Einheiten berechnet. Ein entscheidender, die Vegetationsentwicklung bestimmender Faktor, stellt die Behandlung der Flächen nach Aufgabe der Ackernutzung dar. Bestände der Festuca rubra-Agrostis capillaris-Gesellschaft bilden auf einem Großteil der ehemaligen Äcker eine dauerhafte Vegetation, die sich zu einem relativ frühen Zeitpunkt (nach weniger als 20 Jahren) einstellen kann. Derartige Bestände werden durch frühzeitige Beweidung nach Aufgabe der Ackernutzung gefördert. Die Entstehung von Heidevegetation auf ehemaligen Äckern wird diskutiert. Die Bodenentwicklung der aufgelassenen Äcker zeigt sich in der Entstehung eines Ah-Horizontes innerhalb des Pflughorizontes unter Beständen der Festuca rubra-Agrostis capillaris-Gesellschaft bzw. in der Ausbildung einer Rohhumusauflage unter Heidebeständen. Mit zunehmender Dauer der Ackernutzungsaufgabe steigt die Bodenazidität an, und es erfolgt eine Änderung des pH-Tiefenprofils. Die Phosphorvorräte sinken mit zunehmender Dauer der Ackernutzungsaufgabe. Anhand dessen wird eine mögliche Aushagerung der Flächen diskutiert.
Auf der Grundlage dreijähriger qualitativer und phänometrischer Geländebeobachtungen in Südwest-Kreta (Griechenland) wird ein vollständiges, analytisches Phänospektrum des Blühens und Fruchtens in einem Phrygana-Bestand (Coridothymus capitatus-Calicotome villosa-Gesellschaft, Cisto-Micromerietea) der untersten thermomediterranen Höhenstufe vorgelegt. Auf markante Phänomene in der vegetativen Entwicklung einzelner Arten wird ebenfalls hingewiesen. Unter 7 phänologischen Merkmalen erwiesen sich der Beginn der Hauptblüte und der Zeitpunkt des Blühmaximums als am wenigsten variabel. Die Aufteilung der insgesamt 107 berücksichtigten Taxa in symphänologische Gruppen mündet in dem Vorschlag einer zeitlichen Gliederung des jährlichen pflanzlichen Entwicklungsrhythmus in 12 Phänophasen:
1. Scilla aut umnalis-Phase,
2. Arisarum vulgare-Phase,
3. Sarcopoterium spinosum-Phase,
4. Galium murale-Phase,
5. Crepis cretica-Phase,
6. Ononis reclinata-Phase,
7. Pteridocephalus plumosus-Phase,
8. Teucrium microphyllum-Phase,
9. Coridothymus capitatus-Phase,
10. Sommerruhe,
11. Carlina graeca-Phase,
12. Urginea maritima-Phase.
Wichtige Blüh-, Frucht- und vegetative Aspekte im Takt mit dem Klimageschehen werden geschildert. Es wird auf die zeitliche Variabilität im Vergleich der Beobachtungsjahre eingegangen und die Verteilung der Lebensformen und Blütenfarben auf die symphänologischen Gruppen dargestellt. Die ökologische Bedeutung des Phänomens der Früh- und Spätblüte wird diskutiert.
Die Halbtrockenrasen des Elbingeröder Kalksteingebiets (Harz) im Rahmen ihrer Kontaktgesellschaften
(1996)
Anhand pflanzensoziologischer Untersuchungen werden die Halbtrockenrasen (Mesobromion) des Devonkalkgebiets um Elbingerode und Rübeland im Unterharz beschrieben. Wichtigste Kalkmagerrasen-Gesellschaft im Untersuchungsgebiet ist das durch extensive Beweidung entstandene Gentiano-Koelerietum in einer submontanen Gebietsausbildung. Am häufigsten und am stärksten differenziert tritt die Gesellschaft in der Arrhenatherum elatius-Subassoziation auf. Auch Sesleria varia-reiche Bestände können überwiegend dem Gentiano-Koelerietum zugeordnet werden. An steilen Felshängen des Bodetals, die stellenweise primär waldfrei sind, kommen außerdem Sesleria varia-Rasen mit eigenständiger Artenkombination vor. Die floristische Abgrenzung der Halbtrockenrasen gegen ihre Kontaktgesellschaften der Felsköpfe (Alysso-Sedion), Bergwiesen (Polygono-Trisetion) und Borstgrasrasen (Violion caninae) wird detailiert herausgearbeitet und ökologisch interpretiert.