Weimarer Beiträge 56.2010
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Dieses Eigene besteht vor allem darin, daß in [Maiers] Romanen die Problematik des Nihilismus mit dem Funktionieren der menschlichen Sprache und mit der (klein)bürgerlichen Konsumwelt verbunden wird. Im folgenden soll vor allem sein erster Roman, "Wäldchestag" […] einer genauen Analyse unterzogen werden. Dazu werden zunächst Maiers Poetikvorlesungen herangezogen. Die beiden späteren Romane werden dann, ausgehend von diesen Analysen, nur noch kurz erwähnt.
Das Monster ist die der Ordnung immanente Beliebigkeit oder Unordnung, das heißt aber auch: die Verantwortung, deren Aufscheinen am Nicht-nur-Objekt im Blick des Nicht-nur-Subjekts. Das rührt an jenes Wissen, das allein verboten sein kann, das verordnete Metaphysiken […] und ihre "totalitäre[n] Metaphysiker" vergessen machen wollen […]. Mit der beliebigen Verschiebung jenes Limes, der die Allgemeinheit von den Monstern scheidet, zeigt sich, wie viel die Monster vom Menschsein offenbaren, noch ehe man das Monster verklärt […]. Monster sind die Differenz zwischen Demo- und Ochlokratie, sind die Differenz von Rationalität und Rationalismus.
Im vorliegenden Beitrag soll untersucht werden, welche Akteur- und Zuschauerkonstellationen sich in Online-Communities aufweisen lassen, die Millionen individueller Nutzer durch Social Software miteinander verbinden. Sind spektatorische Situationen, in denen interagierende soziale Akteure auf einen Dritten treffen, der ihnen zuschaut, auch in medialisierten Formen des sozialen Verkehrs wirksam, in denen die Hauptbedingung der Face-to-Face-Kommunikation, die körperliche Kopräsenz von Akteuren, Co-Akteuren und zuschauenden Dritten, nicht mehr zwingend gegeben ist? Es hat sich erwiesen, daß die webbasierte Gruppendynamik nur dann angemessen zu erfassen ist, wenn die mehrstelligen Akteur- und Zuschauerkonstellationen analysiert werden, in denen sich die (Selbst-)Strukturierungsprozesse in sozialen Gruppen vollziehen. Die Herausforderungen des Web 2.0 haben Neuansätze zu sozial- und kulturwissenschaftlichen Akteurtheorien befördert; das Konzept der spektatorischen Situation, das sich auf Perspektiven- und Positionswechsel zwischen Ego-Akteuren, Alter-Akteuren und zuschauenden Dritten konzentriert, kann als eine Variante dieser neuen Akteurtheorien begriffen werden.
Da das Singuläre im Aktionsbereich des Literarischen einen angestammten Ort der Verhandlung und der Ausgestaltung hat, stellt sich die Frage, inwiefern der Literatur selbst eine hiatische Funktion, das heißt die Funktion einer "Atemwende", eines Richtungswechsels, oder weniger luftig gedacht: die Funktion eines Aktes, einer Veränderung bewirkenden Kraft zukommt.
Die Literaturgeschichte quillt über on Werken über den Krieg, aus dem Krieg, mit dem Krieg, gegen den Krieg. Ein Heldenepos schien jahrhundertelang nicht anders denkbar denn als Erzählung von Kämpfern, Kriegern, Eroberern. [...] Im 20. Jahrhundert entstehen, oft im Widerspruch zu solcher Privatisierung, neue Formen, mit dem Krieg, der dieses Jahrhundert noch entsetzlicher traf als vorhergegangene, literarisch fertig zu werden: Dokumentation, Erlebnisbericht, Lautgedicht, Medienkritik, aber auch Schriften, in denen Kriegskameraderie als Alternative zur bürgerlichen Lebenswelt erscheint. Die Jugoslawienkriege der neunziger Jahre haben Europa auch außerhalb der unmittelbar betroffenen Gebiete erschüttert. Innerhalb der deutschsprachigen Literatur haben ich in den letzten Jahren nicht wenige Autoren mit zeitgenössischen Kriegen befaßt. Aus der Fülle von Texten greife ich drei nicht-fiktionale heraus; drei Reiseberichte, wenn auch höchst unterschiedlicher Natur, von Angehörigen verschiedener Generationen verfßt. Peter Handke ist ein Kriegskind, 1942 geboren; Juli Zeh, Jahrgang 1974, hat die Jugoslawienkriege als Jugendliche über die Medien mitbekommen, Peter Waterhouse, Jahrgang 1956, steht zwischen den beiden Generationen, sein Vater war sowohl im Zweiten Weltkrieg wie auch im Kalten Krieg in einer Weise aktiv, die für den Autor Beweggrund zu vielerlei Fragen ist.
Die Ausrichtung der Blicke : Aspekte des Schauens und Angeschaut-Werdens im Werke W. G. Sebalds
(2010)
In der Art und Weise, wie Sebald Melancholie bei sich als "emotionale Disposition" begreift, überträgt er in seine Prosa eine Vorstellung von Melancholie, die nicht als reaktiver Zustand zu verstehen ist [...], sondern analog zu Hildesheimer als ein konstitutioneller Zustand in Erscheinung treten soll, als ein der Literatur innewohnender Gestus. Melancholie dient dabei einer Fiktionalisierung und darf zugleich nicht fiktionalisiert werden. Melancholie kommt vielmehr subtil zur Geltung; im Blick der Augen, im Blicken der Figuren, im gegenseitigen, kontemplativen Anblicken und in den bildlichen Ausblicken, die die Fotografien gewähren. Diese in die Texte eingelassenen Bilder, die immer auch Blicke nach den ihnen ganz eigenen Regeln und Gesetzen preisgeben, funktionieren wie Fenster, die "unentbehrlichen Requisiten der Melancholie". Für den lesenden Betrachter bedeuten sie nur auf den "ersten Blick" äußerliche Aussichten, denn vielmehr bieten sie Einblicke in
das melancholische Wesen der Sebaldschen Literatur.
Die Paradigmen des Schlachtgemäldes und der Schlachtbeschreibung dienen Sebald und Simon als Kontrastfolie für ihre Versuche, sich den historischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts anzunähern. Auf unterschiedliche Weise demontieren beide Autoren den Anspruch dieser Paradigmen auf Transparenz und wenden sich damit auch gegen das Pathos einer bestimmten Tradition der Darstellung des Krieges. Aber zugleich reflektieren beide Autoren die sich zu einem einheitlichen und sinnhaften Ganzen zusammenfügenden Erfahrungen des 20. Jahrhunderts gerade in dieser auf Totalität abzielenden Form. Sie ermöglicht ihnen die spielerische Suggestion von Unmittelbarkeit und Intensität bei gleichzeitigem Beharren auf der Unverfügbarkeit einer Erfahrung, die nicht vergessen, aber auch nicht erinnert werden kann.
Die Neuen Kriege seit dem Epochenbruch von 1989 sind Thema der Gegenwartsliteratur geworden, und sie sucht im Raum der Fiktion eine eigene Anschaulichkeit und spezifische Vorstellungen vom Charakter dieser neuen Konflikte zu erzeugen. Zugleich sind diese Neuen Kriege ein Gegenstand der disziplinär erfaßten Diskurse der Wssenschaften, die nach den kurzen Friedenserwartungen im Anschluß an 1989/90 eine Theorie der Kriege im Zeichen einer neuen Globalisierung verstärkt diskutieren. Wenn das gegenwärtige Denken des Krieges literarisch und außerliterarisch seine Kontur gewinnt, erscheint die Relationierung beider Felder geboten, wie in einem neueren literaturwissenschaftlichen Forschungszweig nach dem Verhältnis von Literatur und Wissen bzw. von literarischen Texten und wissensehaftlichen Diskursen gefragt wird. Das Thema Neue Kriege läßt sich jedoch hier aus zwei Gründen nicht umstandslos einreihen. Der eine Grund ist theoretisch-methodischer Art. Nur die Dualität von disziplinär verfaßten historisch-politischen Diskursen und literarischem Text in den Blick zu nehmen ist zu wenig differenziert. Es ist nötig, sie um eine dritte Dimension zu erweitern: den Komplex der Medien, die als Wissensgeber vom Krieg, als eigene Kriegsmittel und als Gegenspieler der Literatur fungieren.