791 Öffentliche Darbietungen, Film, Rundfunk
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Als Terrence Malicks Kinodebüt BADLANDS im Oktober 1973 Premiere auf dem New Yorker Filmfest feierte, saß auch Vincent Canby, Kritiker der New York Times, im Kinosaal. Canby schrieb eine überaus positive Rezension über dieses Drama um ein junges Paar auf der Flucht (1973/1). Wenige Tage später war BADLANDS für ihn „The Movie that Made the Festival Memorable“ – so die Überschrift seines abschließenden Festivalberichts (1973/2). Doch über die in dem Film verwendete Musik verlor er kein Wort. Pauline Kael, Kritikerin des New Yorker, erwähnte die Musik in ihrer Rezension des Films zum US-Kinostart wenige Monate später nur am Rande (vgl. Kael 1974). Und auch in einem Interview, das Michel Ciment, Herausgeber des französischen Filmmagazins Positif, im März 1975 in Los Angeles mit Malick führte, wird nur kurz auf die musikalische Ebene eingegangen (1975, 32). Dabei ist der Soundtrack eine ganz zentrale Dimension dieses Films. Umso dringlicher erscheint es, BADLANDS mit Blick auf die Musik genauer zu untersuchen.
Werner [Friedrich Emil] Eisbrenner war Komponist und Dirigent; neben einer Vielzahl von Filmmusiken entstanden außerdem einige symphonische Werke und das musikalische Lustspiel Von Hand zu Hand (1946). Eisbrenner wurde am 2.12.1908 in Berlin geboren. Er studierte Kirchen- und Schulmusik an der Staatlichen Akademie in Berlin. Seit 1930 verdiente er sich als Pianist, Korrepetitor und Arrangeur sein Geld. Auf Anraten des Operettenkomponisten Max Winterfeld alias Jean Gilbert ("Die keusche Susanne") wandte er sich dem Film zu. Die erste Arbeit an einem Tonfilm, die er vollständig verantwortete, war die Musik zu dem Historienfilm DER HÖHERE BEFEHL (1935, Gerhard Lamprecht). Eisbrenner wurde schnell einer der beständigsten und populärsten Filmkomponisten der Nazizeit. Er war auf kein Genre festgelegt.
John Mervyn („Jock“) Addison wurde am 16.3.1920 in einem südlichen Vorort Londons - in West Chobham, Surrey - geboren. Er starb am 7.12.1998 in Bennington, Vermont, in den USA. Als Komponist fand er vor allem mit seiner Filmmusik Beachtung. Addison studierte Komposition am Royal College of Music in London, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. (Addison sollte von 1951-1958 als Lehrer für Komposition am RCM arbeiten.) Addison wurde sofort eingezogen. 1944 wurde er als Panzerkommandant bei Caën in Frankreich schwer verwundet. Insofern er nach seiner Genesung im britischen 30. Korps diente, das bei den Kämpfen um Arnheim 1944 eine zentrale Rolle spielte (ohne dass Addison darin verwickelt gewesen wäre), ist die Musik zu Richard Attenboroughs A BRIDGE TOO FAR (DIE BRÜCKE VON ARNHEIM, Großbritannien 1977) sicher auch lesbar als ein Stückchen zufälliger Autobiografie.
Giuseppe Becce wurde am 3.2.1877 in Lonigo bei Vicenza in Italien geboren. Er hatte 6 Geschwister. Sein musikalisches Talent wurde schon als Kind entdeckt. In Padua lernte er Cello und Flöte spielen. Bereits im Alter von 20 arbeitete er als Dirigent des Universitätsorchesters, studierte dabei Geografie und Philologie. 1900 kam er nach Berlin, setzte sein Geografie-Studium fort, belegte aber auch Seminare in der Musik (bei Leopold Schmidt und Arthur Nikisch), die immer mehr zum Lebensmittelpunkt wurde. Außerdem schrieb Becce in den 1910er Jahren Kriegs- und Kriminalromane (z.T. unter dem Pseudonym „Peter Becker“). 1910 hatte die erste Oper (Das Bett der Pompadour) Premiere. Becce heiratete die Schriftstellerin Emma Woop, die viele Jahre später Texte für seine Lieder schrieb.
Jirí Šust (1919 - 1995)
(2008)
Der tschechische Komponist Jirí Šust (29.8.1919-30.4.1995) hat immer wieder mit den gleichen Regisseuren zusammengearbeitet - mit Borivoj Zeman, Jirí Krejcík, Ivo Toman, Vera Chytilova und vor allem mit Jirí Menzel, für den er in einer 30jährigen Zusammenarbeit elf Filme musikalisch ausgestattet hat. Šust begann ein Studium der Musik (Klavier und Komposition) in Moskau, musste zu Beginn des Zweiten Weltkriegs aber nach Prag zurückkehren, wo er nur noch „Komposition“ studierte. Bereits 1941 entstanden erste Werbefilm-Musiken; bis 1946, als Šust zu den Barrandov-Studios und zum Filmstudio der Armee kam, waren bereits 14 Filmmusiken entstanden. Die Fähigkeit Šusts, sich auf dramaturgische Konflikte einstellen zu können, zudem sein Sensorium für historische Stile und die mehrfach gerühmte Fähigkeit, faschistische Musiken präzise neu komponieren zu können, sorgten dafür, dass er bis in die 1960er hinein immer wieder Filmmusiken für Projekte der Barrandov-Studios schreiben konnte.
Kongressbericht zum 1. Kieler Symposion zur Filmmusikforschung am 6. und 7. Juli 2007 In welchem Tempus stehen Filme? Die Frage ist nur selten zentral dafür, wie wir über Filme nachdenken, und man muss in der Tat einen Augenblick oder zwei nachdenken, bevor man eine Antwort geben kann – anders etwa als im Falle eines Romans, in dem das Tempus fest eingeschrieben ist in die Erzählerstimme, in die Verbformen, die diese Stimme benutzt.
Die unter dem Titel Composing for the Film 1947 erstmals bei der Oxford University Press in New York erschienene Schrift ist weitaus mehr als eine Einführung in die für Filmmusik gängigen Kompositionstechniken. Der deutsche Titel Kompositionen für den Film mag bereits den Anspruch verdeutlichen, den das Buch stellt, denn von Kompositionen soll hier die Rede sein, von Musik also, die zum Film, am Film komponiert wird. Unter diesem Titel erschien die nachfolgende, von Hanns Eisler 1949 in Ostberlin publizierte und 1969 von Adorno veröffentlichte Ausgabe, welche um wenige Stellen erweitert in die Gesamtausgabe der Schriften Adornos Eingang fand.
Robert Altman verwendet in seinen Filmen außerordentlich vielfältige Arten von Musik, die häufig auf das Setting, die Zeit oder das Thema des Films abgestimmt sind. So findet sich in seinem OEuvre selten für den Film komponierte Originalmusik (score), die in Anlehnung an die europäische Konzerttradition des 19. und 20. Jahrhunderts mit großem Orchester eingespielt wird; vielmehr wird häufig auf bereits existierende Aufnahmen (soundtrack) zurückgegriffen oder es werden neue Aufnahmen in Bezug zu einer bestehenden Musiktradition gesetzt und für den Film produziert.
Musical(-Film)
(2008)
Mit der Einführung des Tonfilms seit dem Ende der 1920er Jahre sich entwickelndes Hollywood-Genre, das in seinen heterogenen Wurzeln unter anderem aus der Music-hall-, Vaudeville- und Broadway-Tradition hervorgegangen ist. Die obligatorischen Gesangs- und Tanznummern unterbrechen die Filmhandlung in der Frühphase zunächst unvermittelt, werden später jedoch in die Narration integriert bzw. gehen motiviert aus dieser hervor und erfüllen vielfältige Funktionen: sie eröffnen irreale „Wunschräume“, nehmen Zukünftiges vorweg, kommentieren das diegetische Geschehen oder machen Subtexte sichtbar.
Lisztomania
(2008)
Eine der schillerndsten Figuren des Musikfilms ist der Engländer Ken Russell. Der 1927 geborene Regisseur produzierte seit 1958 eine ganze Reihe von Komponistenporträts für die BBC, ein Thema, das ihn lebenslang immer wieder beschäftigte. Schon früh warfen ihm vor allem Musikkritiker eine Respektlosigkeit im Umgang mit den Porträtierten vor, die der Sache eher schade als nütze. Russell hat sich von diesen Einwürfen nie beeindrucken lassen, sondern von Beginn an Musiker als Träger historischer Bedeutungen und als Elemente politisch-ästhetischer Diskurse zu interpretieren versucht.
Heimatklänge
(2008)
Wenn im Film gejodelt wird, darf man fast sicher sein: Dieser Film spielt in der Schweiz. Kaum ein Gesangsstil ist so eng mit einem Herkunftsland verbunden wie das Jodeln – was historisch zwar nicht stimmt, gleichwohl zu den stabilsten musikalischen National- und Landschaftsstereotypen rechnet. Auch HEIMATKLÄNGE schmiegt sich an dieses Klischee an – das erste Bild des Films, eine langsame Fahrt über das Nebelmeer in den Tälern hinweg auf ein gewaltiges Bergmassiv, unterlegt mit der so typisch scheinenden Jodelmusik. Der Film wird sich von dem Klischee freimachen, das eine so feste Beziehung von Musik und Landschaft zu behaupten scheint, ein Feststehen der traditionellen Klänge, als gehörten sie dem Naturlaut zu.
Guca!
(2008)
Ein bunt verziertes rotes Herz, in dessen Mitte ein Spiegel glänzt, der von einer Trompete wie von Amors Pfeil durchbohrt wird, ist das Plakatsymbol des Films GUCHA von Dušan Milic - eine Einstellung benutzend, in der im Vordergrund das Herz schwingt und im Hintergrund die Musiker musizieren. Liebe, Trompeten, grelle Farben, Volkskultur: Versatzstücke eines Films, der sich zudem an die Filme Kusturicas anlehnt, eine Balkan-Variante des Romeo-und-Julia-Stoffes durchspielt, der von ethnischen Konflikten in Serbien handelt, von Bruce Lee und anderen Medienfiguren als Vorbild auch serbischer Jugendlicher. Und von einer volkstümlichen Musikkultur, die sich (noch) gegen die Kommerzialisierung zu sperren scheint.
Der Novembermann
(2008)
DER NOVEMBERMANN (2006, Jobst Christian Oetzmann) ist ein vielschichtiger und beziehungsreicher Fernsehfilm – im Grunde ein Kammerspiel, das seinen bewusst künstlichen Charakter nie verliert und wie die Übertragung eines Theaterstücks auf die Bühne des novemberlichen Sylt wirkt. Die eigentliche Hauptperson tritt nach wenigen Filmminuten aus dem Leben. Ihr Tod aber löst einen Entwicklungsprozess aus, der ihren disziplinierten, bisweilen selbstgerechten und gefühlsmäßig „blinden“ Ehemann wie auch ihren tatsächlich blinden, aber lebenshungrigen und in seiner ganzen Raubeinigkeit dennoch liebenswerten Liebhaber entscheidend verändert.
Un grand amour de Beethoven
(2008)
Im Zuge der so genannten „romantischen Beethoven-Rezeption“, die bis in das 20. Jahrhundert reichte, wurde Beethovens fünfte Symphonie c-moll (op. 67) als eine „musikalisch objektivierte Erzählung von Niederlage und Triumph, vom ewigen menschlichen Schicksalskampf, von Leid und Erlösung“ interpretiert, wie im entsprechenden Eintrag in der Wikipedia sehr richtig vermerkt wird. Als Musik gewordenes Bild einer existenziellen Krise, aus der sich das geschundene Individuum am Ende erhebt, geläutert, stärker geworden; der in der Musik scheinbar so sinnfällig beschriebene Held hat sich gegen das Schicksal aufgelehnt, er hat nicht aufgegeben, sondern ist durch die Niederungen der Verzweiflung angesichts der Krankheit schließlich ein anderer geworden. Dass diesem Bild ein Heroismus innewohnt, der die Musik nicht nur für ästhetische, sondern auch ideologische Deutungen öffnet, ist evident.
Seit dem Jahre 2000 veranstaltet die Europäische Film-Philharmonie Film-Konzerte, bei denen „klassische“ Stummfilme, beispielsweise Fritz Langs METROPOLIS (1927), Friedrich Wilhelm Murnaus NOSFERATU (1922), Sergej Eisensteins PANZERKREUZER POTEMKIN (1925) oder Charlie Chaplins DER GOLDRAUSCH (1925) von einem Orchester begleitet werden.
Wer ein U-Boot kaufen will, kann sich auf der Internetseite der Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH (Kiel) über die aktuellen Angebote informieren. Über die neuen Boote der 214er-Klasse ist da unter anderem vermerkt: „The net result was and is an air-independent but non-nuclear submarine with exceptional technical and operational capabilities, featuring extraordinarily developed stealth characteristics and an impressive weapon and sensor payload.“ (Internetseite HDW 2007). Auch die Deutsche Marine gibt mit Stolz an, ihre U-Boote – acht Boote der Klasse 206 A und vier der Klasse 212A – seien „extrem schwer ortbar“, und die Signatursilhouette der neuen 212er-Boote sei „im Vergleich zu anderen konventionellen U-Booten nochmals minimiert worden.“ (Die Flotte 2006, 21 und 23). In einem Telefongespräch gab der ehemalige Inspekteur der Marine, Vize-Admiral a.D. Lutz Feldt, sogar an, die neu entwickelten 212er-Boote seien so leise, dass sie, wenn man sie zu orten versuche, als eine Art akustisches Schwarzes Loch vor dem allgemeinen Geräuschhintergrund des Meeres erschienen – und dadurch fatalerweise schon wieder geortet werden könnten (Lutz Feldt, Telefonat v. 16.3.2007). Mag diese Aussage auch ein bisschen überspitzt sein – es ist nicht zu leugnen, dass sich bei einem NATO-Manöver mehrere deutsche U-Boote geräuschlos an einen amerikanischen Flugzeugträger heranschleichen konnten und mit diesem Beweis mangelhafter Abschirmung größte Bestürzung beim NATO-Partner hervorriefen.
Der frühe abendfüllende Dokumentarfilm NANOOK (USA 1922, Robert Flaherty) verdeutlicht in einer Szene metaphorisch das Verhältnis von dokumentarischen Formen des Films und Musik. Dem Hauptprotagonisten Nanook wird in dieser Szene eine Schellackplatte auf einem Grammophon vorgespielt, welche dieser nach dem erfreuten Vernehmen der Musik in die Hände nimmt, um sie an den Mund zu führen und prüfend auf sie zu beißen. Neben der – dem Hintergrund der folgenden Ausführungen förderlichen – Deutung der Szene als ein bildhaftes Aufzeigen des zu prüfenden und sich gelegentlich beißenden Verhältnisses von dokumentarischen Filmformen und Musik, weist diese Szene noch entschieden auf etwas anderes hin. Sie eröffnet nicht nur den Horizont für die Diskussion der konnotierenden und interpretierenden Wirkung von Filmmusik, sondern verdeutlicht auch das problematische Referenzverhältnis zwischen dokumentarischem Film und außerfilmischer Realität an sich. Robert Flaherty, der Regisseur des Films, verstand sein filmisches Schaffen nämlich als ein „Dramatizing Life“ (Zimmermann 2001, 6), welches, wie Witzke und Rothaus beschreiben, selbstverständlich das Nachstellen und Spielen von Szenen für die Kamera akzeptierte bzw. zur filmischen Methoden entwickelte (2003, 47/48). Diesbezüglich ist das inszenierte Beißen und der dieses bejahende und absichernde Blick von Nanook in die Kamera auch ein praktischer Verweis auf die nicht enden wollende theoretische Diskussion um das referenzielle Wesen des dokumentarischen Films, die hier jedoch nicht geführt werden soll und kann.
Eines der am wenigsten untersuchten Phänomene der filmischen Montage ist der Einsatz von Musiken. Gerade nicht-diegetische Musik (die „eigentliche Filmmusik“) kann in einer ganzen Reihe von Funktionen eingesetzt werden – zur allgemeinen Unterstreichung der Atmosphäre, als subjektive oder gar imaginierte Musik, als eigene kommentative Stimme, als verfremdender Faktor usw. Musik gehört zum Selbstverständlichen des Films. Gleichwohl erbringt sie ihre Leistungen oft fast unbeachtet. Sie genießt – von Ausnahmen abgesehen – keine eigene Aufmerksamkeit, sie ist meist „dienende Musik“, „Funktionsmusik“ (zu der These vgl. immer noch Lissa 1965, neuerdings etwa Kloppenburg/Budde 2000).
Das Schaffen des 1931 in Buenos Aires geborenen Komponisten, Regisseurs, Autors und Interpreten Mauricio Kagel erstreckt sich von autonomer Instrumentalmusik und Musiktheater über Film und Hörspiel bis hin zu bildnerischen Werken und Raum- und Klanginstallationen. Dabei kann eine kompositorische Idee auch mehrere Werkstadien durchlaufen. So gingen dem 1969 abgedrehten und 1970 fertiggestellten Film LUDWIG VAN, für den Kagel ausschließlich auf Beethovens Musik zurückgriff, zunächst konzertante Aufführungen voraus; im Zuge der Filmproduktion entstand wiederum eine Partitur, die auf Bildmaterial des mit Noten collagierten so genannten Musikzimmers basiert. Diese aus den Filmbildern gewonnene Partitur diente Kagel wieder als Grundlage für konzertante Aufführungen, und die Kulisse des Musikzimmers fand als Rauminstallation schließlich ihren Platz im Museum.
Das zentrale Kennzeichen des Hindi-Films ist die Musiknummer. Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen gibt es keinen Hindi-Film ohne Musiknummern. Die Bedeutung dieser Filmmusik für die indische Kultur auf dem Subkontinent und in der Diaspora ist unbestritten. Ihre narrative Funktion hingegen wird weitgehend übersehen oder geleugnet: Die Musiknummern hätten keine Verbindung zur Geschichte, die der Film erzählt, für das Verständnis der Handlung eines Hindi-Films seien die Musiknummern ohne Bedeutung, so die allgemeine Meinung, die selbst in der indischen Filmindustrie vertreten wird. So meint etwa der Drehbuchautor und Song-Texter Javed Akthar, die Musiknummern seien „not part of the narrative“ (Kabir 1999, 130). Unbestritten ist, dass es etliche Musiknummern gibt, die tatsächlich so gut wie nichts zur Handlung beitragen. Die überwiegende Mehrheit jedoch besitzt sowohl narrative wie auch reflexive Funktionen. Das sei an einigen Beispielen genauer dargestellt.
Dimitri Schostakowitschs Verhältnis zur Filmmusik war ausgesprochen zwiespältig. Einerseits empfand er seine Tätigkeit als Stummfilmpianist von 1923-1925 als ausgesprochen belastend und z. T. als beschämend: Der Dienst in den Kinos paralysierte meine Schaffenskraft. Komponieren konnte ich überhaupt nicht mehr, und nur dann, wenn ich vollständig mit dem Kino aufhörte, konnte ich meine Arbeit weiterführen. (Schostakowitsch 1966, zitiert in Gojowy 1983, 17) Andererseits trug die Stummfilmbegleitung auch zu einer Bereicherung seiner musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten bei und prägte seine kompositorische Entwicklung in nicht zu unterschätzender Weise mit. So verstand er es durchaus eigene musikalische Vorstellungen zu verwirklichen, die seine Begleitungen von der gängigen Illustrationspraxis unterschieden.
Am 5.9.1940 erhielt Carl Froelich anlässlich seines 65. Geburtstags aus den Händen von Joseph Goebbels die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft. Goebbels hatte diese Ehrung zwei Tage zuvor in einem Schreiben an den Staatsminister und Chef der Präsidialkanzlei des Führers und Reichskanzlers Otto Meißner wie folgt begründet: Mit der technischen Beherrschung des Stoffes verbindet Froelich eine hervorragende künstlerische Begabung, die ihn befähigte, schon seit vielen Jahren sowohl als Regisseur wie als Produzent zahlreiche bedeutsame Filme herzustellen. Unter seinen bekanntesten Filmen sind vor allem zu nennen: Reifende Jugend (1933), Traumulus (1935), Wenn wir alle Engel wären (1936) und Heimat (1938). In Anerkennung des künstlerischen und staatspolitischen Wertes seiner Filme wurde Carl Froelich am 30. Jan. 1937 der Professoren-Titel verliehen. Aufgrund des großen Ansehens, das er im gesamten Bereich des Filmes genießt, wurde er am 29. Juni 1939 zum Präsidenten der RFK bestellt, die er seitdem ehrenamtlich leitet. (Barch, R 55/96, Bl. 373) Für Froelich war dies der Höhepunkt der Karriere: Aus dem Kameramann bei Oskar Meßter (ab 1906) und dem selbständigen Produzenten und Regisseur (ab 1920) war ein hoch dekorierter Funktionär geworden. Voraussetzung dafür war nicht nur der Eintritt in die NSDAP, sondern auch die enge Zusammenarbeit des Tonfilm-Studio Carl Froelich&Co mit der Ufa.
Anhand der Bergfilme der 20er und 30er Jahre lässt sich die Geschichte eines geson-derten Filmgenres nachvollziehen. Bis heute ist die Rezeption dieser Filme durch unterschiedlichste Interpretationsansätze und kontroverse Diskussionen gekennzeichnet. Die eigentümliche Ästhetik der Darstellung von Hochgebirge, Mensch und Natur kann auf einen historischen Prozess der europäischen Alpenwahrnehmung zurückgeführt werden. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über wesentliche ideengeschichtliche Hintergründe und wichtige Forschungspositionen zu diesem Genre gegeben werden. Zudem wird erläutert, welche Inszenierungsstrategien in den Bergfilmen zum Einsatz kommen und wie sich die so gewonnene Ästhetik in die Mediengeschichte der Alpen einfügt.
Augenzwinkernd stellt dieser Beitrag diese These auf, dass der Animationsfilm, wie am Beispiel von BOLT gezeigt werden kann, aufgrund neuer technischer Möglichkeiten der Filmproduktion und Filmrezeption auf jene filmischen Strategien zurückgreift, auf die schon der Film in seiner Frühgeschichte zurückgegriffen hat, insbesondere auf die Inszenierung von Bewegung. Der Film BOLT tut dies, indem er diesen Rückgriff zudem noch als Film über den Film reflexiv einholt und überholt.
Kaum ein anderer Film als Quentin Tarrantinos Kill Bill in seinen zwei Teilen aus den Jahren 2003 und 2004 hat so sehr Eingang gefunden in die Alltagskultur – jedenfalls in meine Alltagskultur. Seit ich die Fünf-Punkte-Pressur-Herzexplosions-Technik (Five Point Palm Exploding Heart Technique) beherrsche, fällt es mir wesentlich leichter, soziale Konflikte zu bewältigen, seit ich ein Küchenmesser von Hattori Hanzo besitze, das übrigens nicht den Sicherheitsbedingungen des internationalen Flugverkehrs unterliegt, kommen keine Vertreter mehr an meine Haustür, und seit ich einen gelben Lederanzug wie Uma Thurman habe, hat sich mein Weg zur Uni doch erheblich beschleunigt. Ich erzähle Ihnen das nur, weil ich von Ihnen eine entsprechende – wie ich das nennen würde – Rezeptionsdisposition erwarte für den heutigen Abend, für den heutigen Film.
Der Film, den ich Ihnen heute vorzustellen habe, ist – ich scheue mich nicht, dies so unumwunden auszusprechen – ein grandioses Meisterwerk, und er ist furchtbar, schrecklich, quälend, im eigentlichen Wortsinne ekelerregend. Beide normativen Urteile widersprechen sich nicht, sondern haben zugleich im vollen Umfang Geltung. Sie, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, werden gleich Bilder extremer und extrem sexuali-sierter Gewalt sehen, eingebettet nicht nur in den Rahmen eines faschistischen Terrorregimes, sondern auch eingebettet in eine bisweilen geradezu poetische Bildregie.
Ein Therapeut und Gentleman
(2009)
Beginnen wir mit einem Ende. Die Großaufnahme zeigt einen Mann mittleren Alters, der gerade ein Telefonat beendet. „I do wish we could chat longer,“ erklärt er höflich und gibt auch gleich den Grund für den Abbruch des Gespräches an: „I’m having an old friend for dinner.“ Die Doppeldeutigkeit dieser Bemerkung erschließt sich nur demjenigen, der um die Identität des Sprechers weiß. Der distinguierte Herr ist der Se-rienmörder Hannibal Lecter, genannt ‚Hannibal, the cannibal’. Dieser Spitzname ist Programm: Lecter plant nicht etwa, mit seinem Gast zu speisen. Er hat stattdessen vor, den Gast zu verspeisen.
Während die Erforschung der politischen und literarischen Utopien und Anti-Utopien im wissenschaftlichen Diskurs nach wie vor eine große Rolle spielt, wurde die Analyse von utopischen und anti-utopischen Aspekten im Medium Film bislang vernachlässigt. Eine mögliche Ursache könnte sein, dass die Existenz von genuinen filmischen (Anti-)Utopien bezweifelt werden kann. Seit der Verlagerung der literarischen (Anti-)Utopien vom Raum in die Zeit ist die Darstellung von Gesellschaftsmodellen zumeist auf die Zukunft bezogen; und die Zukunft wird oft mit den Mitteln der Science-Fiction ausgestaltet. Im Medium Film hat sich Science-Fiction als Genre etabliert und es stellt sich die Frage, ob über diese medialen Repräsentationen von Zukunft utopische oder anti-utopische Gesellschaftsentwürfe transportiert werden.
Gibt es im Film – wie in narrativen Texten der Literatur – einen Erzähler als fiktive und das Bild „produzierende“ Instanz oder sollte – wie beim Theater – von einem (idealen) Autor ausgegangen werden, der die Abbildungen arrangiert? Obwohl diese und ähnliche Fragen grundlegend für jede filmwissenschaftliche Erzähltheorie sind, haben sie bislang nur wenig Beachtung gefunden und wurden bis heute nicht zufrieden stellend beantwortet. Der folgende Beitrag bietet eine Momentaufnahme der aktuellen Debatte und will im Anschluss an Lotman eine filmische Erzählinstanz plausibilisieren.
Joseph Carey Merrick alias John Merrick galt bereits im Viktorianischen Zeitalter als Musterbeispiel des gesellschaftlichen Außenseiters, doch selbst im Werk von David Lynch, wo die Darstellung des Freaks gleichsam zum inhaltlichen Filminventar gehört, bedeutet er eine Ausnahmeerscheinung. Der folgende Beitrag widmet sich der Frage, warum es – gemäß der Lynch’schen Inszenierung – für den Elefantenmenschen kein Entrinnen aus der Rolle des Objektes der Schaulust gibt und welchen potentiellen Ausweg die Kunst dabei bietet.
Die postmoderne Scream-Trilogie schien das Horror-Genre dekonstruiert zu haben. Als jedoch ab 2003 eine neue Welle von Genre-Filmen ohne Jugendfreigabe die Kinosäle füllte, erwies sich der „harte Horror“ als populär wie nie zuvor. Der folgende Beitrag fragt, wie der Terrorfilm der Falle der Postmoderne entkommen konnte, und findet die Antwort in einer noch jungen Theorie der Postpostmoderne.
Fast 40 Jahre alt ist A Clockwork Orange, einer der berühmtesten und erfolgreichsten Filme der Filmgeschichte. Bis heute hat er seinen Platz in vielen internationalen Top-Ten-Listen. 1971 unter der Regie von Stanley Kubrick in Großbritannien produziert, wurde er 1972 für mehrere Oscars nominiert (beste Regie, bester Film, bestes adaptiertes Drehbuch, bester Schnitt). A Clockwork Orange erhielt mehrere bedeutende Preise. Dieser Film hat als Kultfilm durchaus Karriere gemacht: Andere Filme oder Fernsehserien zitieren ihn direkt oder indirekt (von Andy Warhols „Vinyl“ bis hin zu den „Simpsons“). Natürlich gibt es längst auch eine Musicalversion von A Clockwork Orange. Musikgruppen benennen sich nach dem Film und die „Toten Hosen“ veröffentlichen 1988 das Album Ein klein bisschen Horrorshow mit dem Titel Hier kommt Alex. Aufnäher, Anstecker, Tätowierungen, alles ist verfügbar. (Und es soll Skinhead-Szenen geben, die A Clockwork Orange ohne jeden Blick für die Satire, den Sarkasmus und die bittere Ironie des Films wieder einmal voll und dämlich ernst nehmen; aber denen ist sowieso nicht mehr zu helfen.)
Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit Wim Wenders Film Hammett, wobei die im Film aufgeworfene Frage der Überlappung zwischen fikti-ver und realer Identität des amerikanischen Schriftstellers und Pinkerton-Detektivs Hammett fokussiert wird. Thematisiert wird die Künstlerprob-lematik in einem „Kunstwerk“ bzw. Kunstwerken. Denn Wim Wenders Filmkunstwerk Hammett handelt von einem Schriftsteller, der sich in ei-nem künstlerischen Produktionsprozess befindet. Müsste man dieses Phänomen mit einem Schlagwort zusammenfassen, dann könnte man von einer im Film und Hammetts Literatur auftauchenden und themati-sierten „Selbstreflexivität der Kunst“ sprechen. Ein wesentliches Thema im Wenderschen Schaffen, die Selbstreflexivität der Kunst, wird also im Film Hammett in den Mittelpunkt gerückt. In diesem Punkt ist ein gravie-render Unterschied zu den meisten anderen Filmen von Wim Wenders festzustellen: wird dort nur über das Medium des Films selbst reflektiert, so wird in Hammett der Produktionsprozess der erzählenden Kunst her-ausgestellt. Zu diesem Thema gehören auch im filmischen Medium die Aspekte der Inter- und Intratextualität. Im Zuge des Booms kulturwis-senschaftlicher Ansätze käme heute ggf. eine andere Terminologie zur Anwendung, man müsste von inner- und außerliterarischen bzw. –künstlerischen Kontexten zu Film und Texten sprechen.
Noch in den 1980ern waren filmische Darstellungen der psychischen Krankheit und der psychiatrischen Kliniken dominant politisch gefärbt. Psychiatrien galten dabei als Orte der Kontrolle, Repression und Ausgrenzung, All dieses ist in den letzten beiden Dekaden zurückgetreten gegen eine Gesellschaftsauffassung, in der Psychiatrie als me-dizinische Notfallversorgung bestehen bleibt, in der das Management der Krise aber dem einzelnen und seinem näheren Umfeld überlassen bleibt. Die großen gesellschaftli-chen Tendenzen der Individualisierung, Differenzierung und Entsolidarisierung fin-den sich so auch im Horizont der Psychiatriethemen. Die Einheit des Normalen wird durch eine Vielheit der Lebensorientierungen und Lebensweisen abgelöst. Die psychi-sche Krise wird so gelegentlich zum Ausdruck einer allgemeineren Sinnsuche, der Um-gang mit Verlust, Trauer, Demütigung und ähnlichem wird zu einem allgemeineren existentiellen Anliegen. Die Psychiatrie als Institution wird dabei deutlich entlastet.
2008 ist mit dem Film Nordwand ein spektakuläres Bergdrama über den Versuch der Erstbesteigung der Eiger Nordwand im Jahr 1936 in die Kinos gekommen. Der zitathaft an die filmischen Vorbilder der 20er und 30er Jahre anknüpfende Film hat das Genre des Bergfilms innovativ ästhetisch erweitert. In diesem Beitrag wird erläu-tert, wie sich„Nordwand“ aus dem Fundus der Kultur- und Mediengeschichte der Alpen bedient und kritisch eingeschätzt, wie sich dieser Film dadurch gegenüber sei-nem historischen Kontext situiert.
Paris je t´aime so lautet der Titel einer 18-teiligen Kurzfilmreihe des Jahres 2008, deren Filme jeweils nach einem Stadtteil von Paris benannt sind. Dieses außerordent-liche Filmprojekt, zu dem 21 internationale Regisseure ihren persönlichen Blick auf die Stadt der Liebe beitrugen und das vergleichsweise wenig Beachtung fand, kann mit einigen hervorragenden Kurzfilmen aufwarten. Besonders der fünfminütige Film 14ème Arrondissement von Alexander Payne, in dem eine amerikanische Touris-tin in einem Pariser Stadtpark einen emphatischen Liebesmoment erlebt, ist – so die These – ein anschauliches Beispiel, das die konstitutive Wechselbeziehungen von Me-dialität und Liebe illustrieren lässt. Im Folgenden wird dabei untersucht, welche (Medien-)Strategien der Nähe- und Distanzerzeugung dieser Kurzfilm einsetzt und so zwei in sich verschränkte Rezeptionsweisen provoziert.
300 todesmutige Spartaner metzeln in endloser stereotyper Wiederholung böse Perserhorden, bevor sie selbst den Heldentod erleiden. Daneben gibt's noch ein bisschen Liebe und Verrat. Zack Snyders Film 300 (2006) erzählt – ohne jegliche political und ohne jede historical correctness – eine Episode aus den Perserkriegen, nämlich die Geschichte der Schlacht bei den Thermopylen im Jahre 480 v Chr., bei der angeblich 300 Spartaner einem übermächtigen Heer von Persern bis zuletzt Widerstand geleistet haben.
Dass der Film eine enge Beziehung zum Mythos oder genauer: zu mythi-schen Erzählungen verschiedenster Art und Herkunft unterhält, ist be-kannt. Um sich klarzumachen, wie eng diese Beziehung im Einzelfall tat-sächlich sein kann, genügt es, an ein Projekt wie Star Wars zu denken, das sich sowohl offenkundig mythischer Muster als Modell für seine plots be-dient – so begegnet etwa der Kampf des Sohnes mit dem Vater schon in der griechischen und auch in der germanischen Mythologie –, als auch selbst einen neuen Mythos gestiftet hat. Oder man denkt an die in jüngster Zeit so beliebten Filme, die ganz explizit als Mythenverfilmun-gen angelegt sind wie Troy oder Beowulf. Oder aber man denkt an die zahllosen Beispiele für Filme, die die modernen Mythen der Popkultur wieder- und weitererzählen, wie zuletzt The Dark Knight und Quantum of Solace, oder, als mittlerweile klassisches Beispiel, Kill Bill. Insgesamt wird man sagen können, dass der Film einen nicht geringen Teil seiner Stoffe, Figuren und plots aus den verschiedenen Mythologien dieser Welt be-zieht, dass diese also gleichsam zu seinen wichtigsten Energiequellen ge-hören, und zwar in einem wahrscheinlich höheren Maße, als dies bei der Literatur des 20. Jahrhunderts der Fall ist.
Wenn von Stanley Kubricks Lolita als Skandal-Film die Rede sein soll, dann ist es unvermeidlich, zunächst einen anderen Skandal ins Auge zu fassen, und zwar einen, der den durch den Film ausgelösten an Intensität bei weitem übertrifft: den Skandal um das Buch nämlich, das dem Film zugrundeliegt, also Vladimir Nabokovs Roman Lolita. Der Skandal, den dieses Buch entfesselte – Nabokov selbst sprach von dem „Wirbelsturm Lolita“ –, war unter den nicht eben wenigen Skandalen in der Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts einer der größten und wirkungsreichsten. Welcher Roman sonst hätte es geschafft, dass nach seinem Erscheinen der Pfarrer einer Kleinstadt, die zufällig denselben Namen trägt wie der Roman, einen Antrag auf Namensänderung – der Stadt, nicht des Romans – gestellt hätte?
Während die Mehrzahl der Literaturwissenschaftler die Postmoderne, oder sogar schon die Post-Postmoderne, als Erklärungsmodell für zeitgenössische Texte verwenden, greifen andere Wissenschaftler die Möglichkeit des Barock im Zeitalter der Moderne auf. Die daraus resultierende Ästhetik ist die des Neobarock, die sich zwar auf ihren historischen Vorgänger beruft, diesen aber gerade wegen seiner antiquierten Stilistik ablöst. Um ein solches neues Literaturkonzept zu etablieren, bedarf es der Analyse von Primärtexten, die dieses Erklärungsmodell rechtfertigen. Ein solcher Text ist Gore Verbinskis Pirates of the Caribbean-Trilogie, die nicht nur ein Verbindungsglied zwischen barocker und neobarocker Ästhetik darstellt, sondern das Spektrum der neobarocken Theorie erweitert.
Der Science-Fiction-Film „Matrix“ lässt sich als „Verfilmung“ der verschiedensten philosophischen Theoreme interpretieren. Dazu zählen auch die Ideen Jean Baudrillards – und wohl nicht zufällig, gehört doch eines seiner Bücher zu den Requisiten des Films. Dem wechselseitigen Verhältnis dieser Philosophie einerseits und „Matrix“ andererseits versucht der Essay auf die Spur zu kommen.
In den letzten Jahren zeigte sich in der amerikanischen Filmindustrie eine Tendenz dazu, mit alten Erfolgen erneut Kasse machen zu wollen. Dabei war vor allem das Remake bestimmend, also einen alten Film erneut zu verfilmen, und diesen dabei dem veränderten Zeitgeist anzupassen. Gus Van Sant nahm für sein Remake des Hitchcock-Klassikers Psycho den Begriff wörtlich und imitierte den Film nahezu eins zu eins bezüglich Kamera, Arbeitsbedingen, Drehbuch, Musik, etc. Durch die veränderten Sehgewohnheiten im Kino, ist damit keinesfalls nur eine Farbversion des Films entstanden, sondern vielmehr sein subtiler Filmessay über das Filmemachen und die veränderte Rezeption von Filmen.
Einige der blutigsten Splatterfilme gehen auf George Alvar Romeros Konto. Sein „Night of the living dead“ gilt als Geburtsstunde des Zombiefilms, wie man ihn heute kennt, und ohne den auch Capcoms Action-Adventure-Serie „Resident Evil“ nicht entstanden wäre. In seinen Zombiefilmen hatte George Romero nicht nur die Grenze des Zeigbaren im Gruselkino neu ausgelotet und den Jugendschützern neue Dimensionen des Schneidbaren aufgezeigt – Romeros Filme waren immer auch mit einem zynischen Gesellschaftskommentar unterlegt, der seine Filme über die Masse der Metzelfilme hinaushob. 20 Jahre nach seinem letzten Zombiefilm, „Day of the Dead“, kommt Romero mit seinem neuesten Film, „Land of the Dead“ in die deutschen Kinos. Romero, der mittlerweile dem Aussehen seiner Geschöpfe immer ähnlicher wird, liefert mit seinem neuen Film ein typisches Alterswerk ab – gereift führt er die verschiedenen Themen seiner früheren Filme zusammen. Ein Blick auf Romeros frühere drei Zombiefilme lohnt.
Der Kampf gegen die Scheinwelt der "Matrix", der im Film The Matrix thematisiert wird, muss immer scheitern: Zum einen fordern die dispositiven Machtstrukturen der technischen Geräte im Film, auch wenn sie für den Widerstandskampf eingesetzt werden, Gesten der Unterwerfung. Zum anderen ist vor dem Hintergrund von Deleuze' Konzept der Kontrollgesellschaft der Freiheitskampf selbst auch nur ein Teil der Matrix, der das System mit konstituiert und teilweise sogar festigt, anstatt es zu zerstören. In Form des Konsums macht er dabei die Kontrolle, die von ihm ausgeht, unsichtbar.
Der folgende Artikel geht umfassend auf die Verfilmung des ersten Teils von Tolkiens "Herrn der Ringe" ein und untersucht entlang der wichtigsten Parameter den Weg vom Buch zum Film. Insbesondere werden dabei sowohl Buch-Film-Textvergleiche angestellt, produktions- und Rezeptionsfaktoren erörtert, Specials-Effects durchleuchtet und sogar eine Beispielsequenz besprochen.
DOGMA 95 als Genre
(2003)
In letzter Zeit ist es erstaunlich ruhig um DOGMA 95 geworden – jene Bewegung, die kurzfristig zu einer der wichtigsten Erneuerungsbestrebungen des europäischen Films avanciert war. Anfang des Jahres 2003 erschien im Spiegel ein großer Artikel, in dem Urs Jenny einen Abgesang auf DOGMA 95 anstimmte. Susanne Biers Film Open Hearts (2002) wurde zur gleichen Zeit vor allem deshalb wahrgenommen, weil der Film als vermeintlich letzter DOGMA-Film promotet wurde. Die Gründungsregisseure Lars von Trier und Thomas Vinterberg arbeiten längst an neuen Projekten, die mit dem "Schwur der Keuschheit" kaum noch etwas zu tun haben: Von Trier drehte mit Björk das Musical Dancer in the Dark (2000) und arbeitet nun für seinen neuen Film Dogville mit Hollywood-Ikone Nicole Kidman zusammen; Vinterberg hat gerade mit It's all about Love (2002) einen ästhetizistischen Science-Fiction-Film vorgestellt. Bereits im Sommer 2002 haben die beteiligten dänischen Produktionsfirmen ihr "DOGMA-Sekretariat" geschlossen. Als Grund wurde, neben den Kosten, die Herausbildung eines DOGMA-Genres genannt. Die dominante Rolle der DOGMA-Brüder bei der Interpretation der Regeln sei daran mitschuldig und solle durch ihr Verstummen aufgegeben werden.
Folgende Überlegungen beschäftigen sich mit dem Kinohit "Matrix", der von vielen als den besten Film des letzten Jahres, von einigen in aller Bescheidenheit gar als DER Film des nächsten Jahrtausend verkündet wurde. Einer näheren Untersuchung ist "Matrix" schon deswegen würdig, weil es ihm gelungen ist, so unterschiedliche Zielgruppen wie z.B. 16-jährige Actionfans und promovierte AkademikerInnen anzusprechen, obgleich ihm ein Weltbild zugrunde liegt, das nüchtern betrachtet reichlich unglaubwürdig erscheint: Eine Erlöserfigur soll die ahnungslose Menschheit aus ihrem durch intelligente Maschinen versklavten Dasein retten. Wie gelingt es dem Film, diese Vorstellung glaubhaft zu machen, und warum wird dabei so hartnäckig auf eine Vielzahl religiöser Vorstellungen zurückgegriffen?
In Ralf Rulands Verfilmung der Kafka Erzählung "Ein Bericht für eine Akademie" werden verschiedene intermediale Markierungen verwendet, die eine Verweisstruktur zwischen literarischer Vorlage und Film aufbauen. Beispielsweise sind im Film Fotographien, Gemälde und Gegenstände zu sehen, die direkt oder indirekt auf Sprache und Inhalte der Erzählung Kafkas anspielen und eine sehr textorientierte Vorgehensweise des Regisseurs erkennen lassen. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass der gesamte Kafkatext als Monolog von einem Schauspieler gesprochen wird. Dennoch wählt man durch jede Bebilderung von Literatur eine spezifische Interpretation, die den Grad der fiktionalen Abstraktionsmöglichkeiten gegenüber dem Text reduziert und ihm eine zwar ebenfalls fiktionale, aber dennoch bildlich reale Ebene gibt. Das heißt jedoch nicht, dass der Rezipient einer Literaturverfilmung zwangsläufig einer abgeschlossenen und offensichtlichen Deutung eines Textes gegenüberstünde, die zu weiteren Anschlussüberlegungen einlädt.