Article
Refine
Year of publication
Document Type
- Article (178) (remove)
Has Fulltext
- yes (178)
Keywords
- Rezeption (178) (remove)
Institute
- Extern (1)
Der Familien- oder Generationenroman durchlief seit seiner deutschsprachigen Prägung durch Thomas Mann zwei Schübe oder "[B]oom[s]": Auf die Welle der sogenannten 'Väterliteratur' oder 'Väterbücher' der 1970er und 80er-Jahre folgte ungefähr ab Ende der 90er-Jahre eine abermalige Konjunktur der Gattung im Umfeld neu aufgeflammter Debatten über 'Vergangenheitsbewältigung', die 'Enkelperspektive' auf den Nationalsozialismus und über 'Germans as victims'. Vergegenwärtigt man sich die ungebrochene Popularität dieser aktuellen Erscheinungsform des Generationenromans, so erstaunt der prominent auf dem Buchcover platzierte Untertitel von Christoph Geisers 2013 erschienenem Roman 'Schöne Bescherung': Dieser sei 'kein Familienroman', heißt es dort. Gesetzt wird diese peritextuelle Lektüreanweisung noch dazu ausgerechnet von einem Autor, der mit seinen frühen Texten Grünsee (1978) und Brachland (1980) die vielleicht wichtigsten Familienromane der jüngeren schweizer Literatur schuf.
Statt den Untertitel zu 'Schöne Bescherung' vor diesem Hintergrund zu problematisieren, buchte ihn das Feuilleton tendenziell als nicht weiter erläuterungsbedürftig ab und taxierte den Roman gar als Schlussstein einer veritablen "Familientrilogie". Schöne Bescherung will aber eben - anders als die formalästhetisch konventionelleren frühen Romane Geisers - explizit und dezidiert 'kein Familienroman' (mehr) sein. Der Text stellt sich also keineswegs in ein Verhältnis der Kontinuität zu Brachland, dem nächstälteren Roman der angeblichen "Familientrilogie". Vielmehr kommuniziert er noch vor seinem Incipit, eben durch den trotzigen Untertitel, einen kuriosen gattungsbezogenen Abgrenzungswillen. Dieser soll im Folgenden ernstgenommen werden.
Am Zentralinstitut für Literaturgeschichte (ZIL) der Akademie der Wissenschaften der DDR arbeitete seit 1976 eine von Peter Weber geleitete Arbeitsgruppe an einem "Kunstperiode" genannten Projekt, dessen Ergebnisse 1982 in einem Sammelband der vom ZIL im Akademie-Verlag herausgegebenen Reihe Literatur und Gesellschaft publiziert wurden. Den einzelnen Studien zur deutschen Literatur des ausgehenden 18. Jahrhunderts der ProjektmitarbeiterInnen - zu Beziehungen von Ökonomie, Staatskritik und Kunstidee in der Rezeption von Adam Smith (Anneliese Klingenberg), zur frühen geschichtsphilosophischen Konzeption von Friedrich Schlegel (Gerda Heinrich), zu Goethes Theatralischer Sendung und Lehrjahren (Hans-Ulrich Kühl) und zu Problemen der Jean-Paul-Interpretation (Dorothea Böck) - war eine "Einleitung: 'Kunstperiode' als literarhistorischer Begriff" des Projektleiters vorangestellt, die in den Mittelpunkt einer vergleichsweise breiten Diskussion in der Fachöffentlichkeit geriet. Sie wurde nicht nur dadurch ausgelöst, dass Weber, der am Band 7 1789 bis 1830 der offiziellen Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart "[v]erantwortlich für den Teil 1789 bis 1794" mitgeschrieben hatte, für "die deutsche Literaturentwicklung zwischen ausgehender Aufklärung und Vormärz", für die "kein eigentlicher Periodenbegriff gebräuchlich" sei, einen Periodisierungsvorschlag machte: Kunstperiode, sondern auch durch dessen methodologische Begründung. Insbesondere diese erwies Weber als Vertreter einer der beiden Richtungen, in die sich die DDR-Literaturwissenschaft in den 1970er Jahren differenziert und auch polarisiert hatte mit "zwei verschieden akzentuierte[n] Literaturbegriffe[n]", die Wolfgang Thierse und Dieter Kliche in einer in den Weimarer Beiträgen 1985 publizierten, zunächst internen Auftragsarbeit zur Entwicklung der "Positionen und Methoden" der "DDR-Literaturwissenschaft in den siebziger Jahren" konstatierten: "ein historisch-funktionaler und ein an 'Dichtung' orientierter, denen jeweils unterschiedliche methodische Konsequenzen für die Literaturgeschichtsschreibung immanent sind". In diesem Papier erscheint der "Band 'Kunstperiode'" nach Arbeiten von Rainer Rosenberg zum Vormärz und zur literarischen Kultur der Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert
Ein rascher Blick in die einschlägigen Tertiärdarstellungen bestätigt: Kaum ein Autor von Rang, der sich nicht im Laufe seines Schreiblebens mit Kafka beschäftigt, kaum ein (Leit-)Gedanke, der nicht mit und an dem Prager Klassiker auf literarische Weise reflektiert ist - mit enorm vielgestaltigen Resultaten. Da wird Kafka, in einer für das Ende der 1990er Jahre erstaunlich anachronistisch anmutenden Geste, als notwendig unbestimmbares Originalgenie erkannt und verdrängt zugleich, ein andermal wiederum recht rigoros der eigenen Weltsicht vereinnahmt oder gar selbstbewusst vervollkommnet, dann wieder doppelsinnig getötet, zuletzt im Gestus theatralischer Bewältigungsarbeit beerdigt - und dergleichen mehr. Es scheint weniger, als lähme Kafka die Schriftsteller, wie Imre Kertész vermerkt, sondern als treibe er im Gegenteil zu emsigen, ja fieberhaft anmutenden Bezugnahmen an, die kaum unter einem gemeinsamen Nenner zu vereinen sind - nimmt man die verhandelten Themen, Motive und Topoi ins Visier. Überblickt man die Rezeptionen hingegen in ihrer generellen Fragestellung und zugrundeliegenden Motivation, können durchaus übergeordnete Strukturen festgestellt werden, wobei meiner Ansicht nach diejenige These besonders erfolgversprechend ist, nach welcher die so vielgestaltigen Bezüge zu Leben und Werk hintergründig stets das Originelle verhandeln: So bestimmt die schon frühzeitig einsetzende, vor allem vom Freund Max Brod geförderte und weiterhin außer Frage stehende Behauptung geradezu genialisch anmutender Originalität Kafkas den Rezeptionsdiskurs nachhaltig.
In der Diskussion über Walter Benjamins Georg-Simmel-Rezeption werden vornehmlich das Passagenwerk und die Baudelaire-Arbeiten des späten Benjamin herangezogen. Hier werden Ansätze zu einer Theorie der Moderne und zum dem Schock der Großstadt ausgelieferten Passanten oder Flaneur entworfen, für die Simmels Philosophie des Geldes oder weitere seiner Aufsätze zur Moderne und zur Großstadt Pate gestanden haben. Auf die frühe Rezeption Simmels durch Benjamin wird dagegen eher selten oder nur flüchtig hingewiesen. Das gleiche gilt für die Diskussion nicht nur der vielen Gegensätze sondern auch über die mögliche Verwandtschaft zwischen Benjamin und Heidegger, zwei Denkern, die "sich nicht gesucht haben" und die alles trennt. Es wird - wenn überhaupt - versucht, in den Schriften zum Kunstwerk oder zur Aura oder zur Gewalt Parallelen zu entdecken, die in den meisten Fällen irreführend sind. Aus den wenigen Äußerungen Benjamins zu Heidegger lässt sich zwar nicht folgern, dass er Sein und Zeit vollständig gelesen hätte, aber drei Jahre nach dem Erscheinen des Hauptwerks seines Konkurrenten trug er sich noch mit dem Gedanken, »in einer engen kritischen Lesegemeinschaft [...] den Heidegger zu zertrümmern« (B 2,514), was ihm zeit seines Lebens nicht gelungen ist. Im vorliegenden Aufsatz möchte ich auf die frühe Rezeption von Simmel und Heidegger durch Benjamin zurückkommen und zu zeigen versuchen, wie sich das Denken Benjamins zum Problem der Zeit und zum für ihn verwandten Problem des Trauerspiels und der Tragödie in Abhebung zu den zeitgleichen Studien Simmels und des jungen Heidegger zur historischen Zeit formt. Ich möchte herausarbeiten, wie Benjamin die Problematik dieser beiden Denker verschiebt und in Richtung von Ästhetik und Religionsphilosophie bewegt und sie so in die Weite öffnet, indem er ihr eine tragische und messianische Dimension hinzufügt.
1978/79 fertigt der englische Bildhauer Richard Deacon eine Serie von Graphiken unter dem Titel "It's Orpheus When There's Singing". Das Zitat entstammt einer englischsprachigen Übersetzung des im Februar 1922 verfassten Gedichtzyklus "Die Sonette an Orpheus" von Rainer Maria Rilke. Wie für diesen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Begegnung mit dem bildnerischen Schaffen Auguste Rodins, so markierte die Lektüre von Rilkes Sonetten für Richard Deacon einen entscheidenden Wendepunkt in der eigenen werkbiographischen Entwicklung. Bei der (Neu-)Formulierung seines künstlerischen Selbstverständnisses bezieht sich Deacon mit Rilke auf den antiken Orpheus-Mythos von der die Körperschwellen und auch die Grenze von Leben und Tod, Beseeltem und Unbeseeltem überschreitenden Macht der Musik. Die transgressive und transformative Wirkkraft der Akustik, die der Mythos verbürgt, steht für zweierlei Entgrenzungsversuche Modell: für eine Entgrenzung der Künste, wie Rilkes Rodin-Rezeption und Deacons Rilke-Lektüre sie jeweils gezeitigt haben, und für eine diese erst bedingende Entgrenzung der Sinne, wie Rilke sie je schon als genuine Leistung der Wahrnehmung begriff und im Gedicht zu befördern strebte.
Dave Eggers' in seinem Roman 'The Circle' entfaltete Zukunftsvision erzählt vom Aufstieg des Konzerns Circle, eines Konglomerats aus Apple, Twitter, Facebook, PayPal und Google, des Erfolgreichsten sowie Umstrittensten also, was die momentane Debatte über Big Data, Datenschutz und Privatsphäre hergibt. Kein Wunder, dass der Roman, so rasch zum Bestseller avancierend wie ins todbringende Pantheon möglicher Schullektüre aufrückend, als 1984 fürs Internetzeitalter stürmisch begrüßt und als verstörend-düstere Prophetie gefeiert wird. Indes die Kritik auch deutliche Mängel diagnostiziert; so moniert man zumeist eine völlig unrealistische Naivität des Romanpersonals, allen voran der Hauptprotagonistin Mae Holland, die sich im Verlauf der Handlung immer vehementer mit der Konzernphilosophie identifiziert und am Ende bereitwillig in den Circle eingeht; bei weitem zu bereitwillig, wie einige Interpreten meinen: "Mae, The Circle's protagonist, is mealymouthed and naive. Other Circle employees wander about the page in raptures, gleeful about their Elysian employment. One has a hard time imagining why they'd be hired in the first place – their vision and intelligence is sorely limited." – "Der Roman malt schwarz und weiß, ganz bewusst", erklärt hingegen Adrian Daub, einen zornigen Autor deutend, der mit groben Effekten größte Wirkung zu erreichen suche, weshalb der Roman auch "absolut unironisch" gemeint sei und die Naivität der Helden damit allein notgedrungen brachiales Kriegswerkzeug eines im Grunde couragierten Kampfes sei, der eben nur noch mit harten Bandagen geführt werden könne. Diese in der grundsätzlichen Anlage sicherlich zutreffenden Interpretationen unterschlagen jedoch eine weitere höchst spannende, da äußerst strittige Lesart, nach welcher der Roman mit der produktiven Rezeption dystopischer Literatur hintergründig auch einen anthropologischen Umbruch verhandelt.
Der romantische Liedzyklus ist keiner, denn sein Held kehrt nicht zurück. Ausfahrt, Abenteuer und Wiederkunft, das ist das Modell, das das zyklische Denken der musikalischen Klassik strukturiert. Da geht es als Exposition, Durchführung und Coda in die Logik der Komposition ein. Wenn der romantische Held sich hingegen in die Welt begibt, neugierig, sehnsüchtig oder ausgetrieben aus dem nicht länger Erträglichen, so riegelt er das Heimische ab und treibt von nun an im Anderswo. Adornos Charakterisierung der romantischen Musik als Triumph der Variation über das Thema transponiert dieses Narrativ ins Strukturelle der Form, der nun im Sonatenhauptsatz das finale Glied amputiert wird. Noch bevor die Expressionisten sich des O-Mensch-Pathos von Nietzsches vielleicht bekanntestem Gedicht bemächtigten, hatte es schon ein Komponist für sich entdeckt. Im langsamen 4. Satz von Mahlers 3. Symphonie sträubt sich der misterioso vorzutragende Text gegen den vom Kinderchor gesungenen des darauffolgenden Satzes und produziert einen der Mahler'schen Brüche, die für den Hörer entweder eine neurotische Entgleisung oder eine lustvolle Reibungsfläche darstellen. Die Lektion der Mitternacht, die Dunkel über Tageslicht stellt und damit zum Ewigkeitsbezug führt, scheint nicht allzu weit entfernt von den Hymnen des Novalis, und in der Reihung Dunkel-Lust-Ewigkeit sind auch Tristan und Isolde nicht allzu fern.
Pascal Dusapin, geboren 1955, hat in Paris bei Xenakis studiert und ist anfänglich fasziniert von dessen, letztlich wohl von Edgar Varèse ausgehenden, Operationen mit Klangmassen, die er aber spätestens in den 1990er Jahren für deutlich filigranere Strukturen, die oftmals von Mikrotonalität geprägt sind, aufgibt. In seinen Kompositionen, die auf Textvorlagen zurückgreifen, lässt Dusapin sich wiederholt von der deutschen literarischen Tradition inspirieren. Eines seiner drei jeweils als Requiem bezeichneten Chorwerke aus den Jahren 1992-97 vertont acht mittelhochdeutsche Gedichte von Meister Eckhardt, wobei die sparsame Expansivität des Klangmaterials der intensiven Gottsuche des Mystikers nicht völlig gerecht zu werden scheint.
Franz Kafka hat als Angestellter einer Versicherungsgesellschaft auf abstrakter Ebene immer wieder mit Odradeks zu tun, womit die Verunfallten gemeint sind, welche die Grenzen jeder Statistik sprengen und nicht mehr auf herkömmliche Weise in ein Muster übersetzt werden können. Kafkas Behörde, der AUVA, ist es darum zu tun, diesen Ausfall aus dem Sinngefüge nachträglich einzureihen und zudem vorausgreifend in verhütender Manier zu verhindern - womit zu Kafkas Zeit ein gesellschaftspolitisches Programm formuliert wird, welches zwar schon länger im Diskurs pendelt, sich nun aber in der Alltagswelt zu etablieren beginnt: "Die AUVA war in Habsburg das Prunkstück [...] eines Staates, in dem Krankheit und Unfall als gesellschaftsbildend gelten, weil sie, einmal als soziale Übel erkannt, zur Solidarität zwingen; eines Staates, [...] der 'Vorsorge' betreibt und seinem immer drohenden Ruin zuvorkommt, indem er präventiv tätig wird und zur Prävention verpflichtet; und der schließlich sämtliche Individuen versichert, um sich ihrer zugleich zu versichern - der sie also allesamt in ein statistisches Feld der Normen und Abweichungen integriert." Ein schwieriges Unterfangen, denn wie ist ein Unfall, der als ein solcher per se im toten Winkel stattfindet oder diesen gar erst etabliert, mit statistischen Mitteln überhaupt zu beschreiben, wie einzuordnen - dies die Fragen, die ein soeben erst entstehender Versicherungsdiskurs sich stellt und die Kafka dann am heimischen Schreibtisch in Form seiner Schreibprojekte immer wieder künstlerisch dekliniert, um sie ins Allgemeine zu heben. Hat Kafka doch begriffen, dass die Tagesarbeit im Amt eine statistische Denkart zu entfalten beginnt, die bald schon jeden Bereich menschlichen Lebens zutiefst prägen sollte und sich spätestens Mitte des letzten Jahrhunderts vom Staat abkoppelt und zunehmend verselbständigt; seitdem werden die Verfahren vor allem zur ökonomisch begründeten Sondierung potentieller Konsumenten genutzt, ist es in einer Marktwirtschaft doch zu einer existentiellen Notwendigkeit geworden, den Menschen als Kunden so gut wie möglich zu kennen und hierzu eine Art "Kunden-Genom" zu extrapolieren. Bis sich infolge des "computational turn" die faktisch gegebene Möglichkeit etabliert, Statistiken zu entwickeln, die eigentlich keine mehr sind: "Because in the era of big data, more isn't just more. More is different."
Zu Rainer Maria Rilkes und Peter Handkes besonderem Verhältnis zu Paul Cézanne ist bereits viel gesagt und geforscht worden. Das Thema ist über die vielfältigen intermedialen Bezüge von Kunst und Literatur hinaus, die sich hier an besonders reichhaltigen und qualitätvollen Materialien untersuchen lassen, jedoch von grundsätzlicherer Bedeutung: Es geht nicht ausschließlich um ästhetische Rezeptionsphänomene, sondern im emphatischen Sinn um 'Lehren', wie Handke seinen Cézanne-Roman "Die Lehre der Sainte-Victoire" (1980) betitelt; sie werden von dem verehrten Vorbild nicht nur vordoziert, sondern vorgelebt, und von seinen Schülern nicht nur auswendig gelernt, sondern in lebendige Praxis überführt. Beide Autoren verstehen ihre Begegnung mit Cézanne als eine Art Bekehrung, eine einschneidende Lebenswende.
Es war Theodor W. Adorno, der Richard Wagner "den berühmtesten erotischen Künstler der bürgerlichen Welt" genannt hat. Möchte man sich dieses Aperçu zu eigen machen, so wird man sich in erster Linie an den Dichter Richard Wagner halten – und erst in zweiter Linie an den Musiker. Wagner selbst hat es genau so gesehen: genau in solcher Gewichtung. Anlässlich des "Fliegenden Holländers" schreibt er über den Beginn der Arbeit an diesem Werk: "Ich war von nun an in bezug auf alle meine dramatischen Arbeiten zunächst Dichter, und erst in der vollständigen Ausführung des Gedichtes ward ich wieder Musiker." Und in seinen minutiösen Anweisungen für die Aufführung des "Tannhäuser" von 1853 insistiert Wagner vorsorglich, die Dichtung müsse "in ihrem ganzen Umfange" den Darstellern bekannt gemacht werden (vgl. II, 111), und zwar: bevor diese mit der Musik in Berührung kämen. Das Augenmerk der vorliegenden Abhandlung richtet sich also zunächst und vor allem auf den Dichter, den Dramatiker Richard Wagner: als einen Darsteller von erotischen Leidenschaften; als einen Kenner der abendländischen Liebes-Theorien.
Hofmannsthal war auch als Philologe Dichter. Das zeichnet seine literaturkritischen Arbeiten aus, macht sie aber einzigartig subjektiv. Zudem ist die Denk- und Empfindungsweise der Epoche in diesen Texten deutlich präsent. Das gilt für das Meiste, was er an Würdigungen, Einleitungen und Reden schrieb. Es wird uns hier in seinen Urteilen über Nestroy und Raimund beschäftigen.
Die Geschichte der Fassungen von "Cristinas Heimreise" ist nicht nur kompliziert und langwierig - sie erstreckt sich von 1908 bis 1926 -, sie ist als Teil von Hofmannsthals Bühnenerfahrung auch schmerzlich, denn diesem von ihm selbst schließlich als "uneigentliches Theaterstück" qualifizierten Werk blieb trotz vielfacher Bemühungen der Durchbruch versagt. Dabei ist gerade der Versuch, im Bereich der Komödie Fuß zu fassen, für die Bemühung um das "Soziale" von programmatischer Bedeutung: Der Bruch mit George, die Zusammenarbeit mit Richard Strauss und schließlich das gescheiterte Ringen um "Silvia im Stern" stellten bereits erschwerte Vorbedingungen dar. 1908 als "Florindos Werk" begonnen, aber nicht publiziert, folgten 1910 zwei Aufführungen der daraus hervorgegangenen Komödie "Cristinas Heimreise", einmal im Februar 1910 in Berlin (drei Akte), dann im Mai 1910 in Budapest (mit der Opferung des Schlußaktes). Weitere Aufführungen - als Einakter "Florindo" 1921 und dann wieder in der Budapester Fassung 1926 an der Wiener Josefstadt - blieben folgenlos.
Dabei ist diese schmerzliche, durchaus aufschlussreiche Textgeschichte auch mit der Wahrnehmung durch die Zeitgenossen verknüpft. Schon die Dokumentation der Zeugnisse Hofmannsthals aus seinen Briefwechseln konnte Einblicke in die Werkstatt bieten. Aber erst die Chronik der öffentlichen Aufnahme, überwiegend der Theateraufführungen, kann nun ein authentischeres Bild davon vermitteln, mit welchem Erwartungshorizont der Zeitgenossen eine Hofmannsthalsche Bühnenaufführung zu rechnen hatte. Aus den nachfolgend abgedruckten Rezensionen zwischen 1910 und 1930, ergänzt um wenige Stimmen von Lesern, die keine Aufführung beschreiben (Josef V. Widmann, Arnold Zweig, Arnold Gehlen), geht das mehr als kritische Klima anschaulich hervor, in das Hofmannsthals Komödie kam.
Die Germanistikabteilung der Philologischen Fakultät in Kronstadt/Braşov veranstaltete in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens [GGR] (Zweigstelle Kronstadt) und mit dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt zwischen dem 30. März und 01. April 2017 ihre XX. Internationale Tagung zum Thema Luthers Reformation und deren Wirkung auf Sprache, Literatur und Kultur.
Modern Kuramların Postmodern Yansımaları: Okur Odaklı Edebiyat Kuramlarında Okurun Konumlandırılışı
(2017)
20. yüzyılın ikinci yarısından itibaren edebiyat alanında önemli bir paradigma değişikliğinin gerçekleştiği söylenebilir. Bu değişiklik genel olarak edebiyat kuram ve eleştirilerinin o güne kadar ihmal ettiği ancak en başından itibaren edebiyatın en önemli parçası olan okurun yeni bir yönüyle keşfedilmesi ve yeniden tanımlanmasıyla gerçekleşir. Yazar ve onun yazdığı metin karşısında o güne kadar edilgen bir rol biçilen okur, dönemin koşullarının da elverişli olması nedeniyle aşama aşama etken bir role büründürülür. 1970'li yıllardan itibaren ise okurun bu özelliğini ele alan bir dizi yeni bakış açısı ve yaklaşım ortaya çıkar. Özellikle Almanya, Amerika ve Fransa'da ortaya çıkan bu yaklaşımların her birisi beslendikleri felsefi geleneğin etkisi altında farklı bir okur modeli geliştirirler. Bu çalışmada bu farklı okur modellerinden üç tanesi incelenerek okur kavramı ile neyi veya kimi kastettikleri üzerinde durulmuştur. Bu üç farklı yaklaşımın ele alınmasındaki amaç ise, günümüzde edebiyat metnini anlamlandırmada etken bir rol üstlenen okuru tanımlamak üzere kullanılan "postmodern okur" modeline katkılarının olupc olmadığını sorgulamaktır.
Uma análise de O tambor de Günter Grass : recursos ficcionais para debater sua própria história
(2018)
Busca-se neste artigo analisar os recursos ficcionais utilizados pelo escritor Günter Grass em sua obra literária mais famosa, O tambor, na qual o autor recria, através do protagonista, Oskar Matzerath, sua própria história. Para tanto, o artigo coteja a obra de ficção O tambor com a autobiografia do autor alemão, juntamente com os percalços de sua trajetória pessoal.
Edições publicadas entre 2011 e 2014 no Brasil e em Portugal dos romances Os sonâmbulos e A morte de Virgílio, de Hermann Broch, mais que indícios de um interesse crescente ou uma acolhida tardia, incentivam pensar que episódios vêm compondo a história de sua presença em língua portuguesa. O artigo apresenta um levantamento inédito da recepção lusófona das obras ficcional e teórica de Hermann Broch desde o fim da década de 1950 até o presente e fornece um quadro se não conclusivo ao menos organizador dos principais momentos - inclusões na historiografia literária, traduções, aproveitamentos teóricos e artísticos - que dão forma a essa história apenas começada. O objetivo é expandir o mapa de suas leituras e dispor referências a discussões futuras que resolvam avançar com a pesquisa do autor e sua obra.
Der Kurator der Ausstellung Wir brauchen einen ganz anderen Mut! Stefan Zweig - Abschied von Europa, Klemens Renoldner, spricht im Interview über Text-Kontext-Beziehungen in Hinblick auf das Werk des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig (1881-1942). Dabei kommen u.a. unterschiedliche Rezeptionskontexte und Interpretationsansätze ans Licht, die dazu beitragen, traditionelle Klischees rund um das Leben und das Werk des Autors zu relativieren. Außerdem wird auf die Zusammenarbeit des Stefan Zweig Centres in Salzburg und der Casa Stefan Zweig in Petrópolis (Rio de Janeiro) hingewiesen und abgeschlossene, sowie zukünftige Projekte vorgestellt.
El presente artículo se propone analizar la interpretación benjaminiana de Kafka tomando como eje central el problema de la tradición y su resignificación política en el contexto de producción tardío. Son relevantes en este sentido, los conceptos de hagadá y halajá con los que Benjamin estructura sus análisis. El objetivo es entonces rastrear los elementos que en la elaboración de una teoría política permiten recuperar al narrador checo para la revisión de un concepto de lo humano.
Klemens Renoldner, curador da exposição Precisamos de uma coragem bem diferente! -Stefan Zweig - despedida da Europa, aborda, em entrevista, as relações entre entre textos e contextos no âmbito da obra do escritor austríaco Stefan Zweig (1881-1942). Com isso, traz à tona diferentes contextos de recepção e vertentes interpretativas da obra zweigiana, contribuindo assim à relativização de tradicionais clichês em torno da vida e da obra do autor. Além disso, a conversa trata da cooperação entre o Stefan Zweig Centre, em Salzburgo, e a Casa Stefan Zweig, em Petrópolis (Rio de Janeiro), e apresenta projetos realizados e futuros.
"… die ehernen Blöcke männlichen Schaffens umkreisen" - Elfriede Jelinek queert Lessing und Goethe
(2016)
Der Beitrag verschränkt kommunikations-, informations-, kulturwissenschaftliche sowie philosophische Ansätze zur Störung mit gender- und queer theory, um Elfriede Jelineks 'Gattung' des Sekundärdramas analytisch zu beschreiben. Jelinek verfasst ihre Sekundärdramen zu kanonisierten Dramen des deutschsprachigen Raums und stellt über ihr typisches, intertextuelles Verfahren Bezug zu den Stücken her, fordert gleichzeitig aber auch die Kombination der Sekundärdramen mit ihren Bezugstexten im Moment der Inszenierung und geht damit über ihr bisheriges Verfahren hinaus. Ausgehend von der Feststellung, dass Jelineks Sekundärdramen in den Umsetzungen am Theater meist als weibliche Gegenschreibung interpretiert werden, will der vorliegende Beitrag zeigen, dass die Sekundärdramen vielmehr an einer Auflösung der Kategorien von 'Weiblichkeit' und 'Männlichkeit' arbeiten. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Thematisierung des Inzests, der mit Judith Butler als vorhandene Ordnungen und Relationen verschiebendes Element gelesen werden kann.