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Die vorliegende Arbeit hat die Charakterisierung und Untersuchung des Stabilitätsverhaltens von
Parvulustat (PL), einem Homologen des α-Amylase-Inhibitors Tendamistat, zum Inhalt. Zur
weitreichenden Charakterisierung wurden verschiedene Proteinregionen des Parvulustats der CTerminus,
das hydrophobe Cluster, die Disulfidbrücken sowie die Proline auf ihren jeweiligen
Einfluss auf die Struktur und die thermodynamische Stabilität untersucht. In der vorliegenden
Zusammenfassung werden die Ergebnisse dieser Studien komprimiert präsentiert:
· Charakterisierung des Parvulustat-Wildtyps
Es galt vorweg herauszufinden, wie sich der Inhibitor unter nativen und denaturierten
Bedingungen verhält, um Rückschlüsse auf seine Merkmale und Strukturen zu ziehen. Die
erzielten Ausbeuten und die hohe Reinheit des isolierten Parvulustats erlaubten eine umfassende
Charakterisierung, einschließlich zahlreicher Kristallisationsexperimente, die vermuten lassen,
dass eine Kristallisation möglich sein sollte. Aufgrund der Tatsache, dass die Struktur des
Parvulustats bis 2009 unbekannt war, wurde die sekundäre Struktur mittels Circulardichroismus
und Fluoreszenzspektroskopie untersucht. Die Analyse des fernen UV-CD-Spektrums bei pH 7,0
und 25°C offenbarte eine „all-b-sheet“ Protein-Struktur. Mittels Fluoreszenzspektroskopie wurde
deutlich, dass die aromatischen Aminosäuren exponiert vorliegen. Um zunächst einen Einblick in
die Strukturveränderungen und die thermodynamische Stabilität zu erhalten, wurde der
temperaturinduzierte Entfaltungsübergang mittels CD-Spektroskopie verfolgt. Das Angleichen der
bei 230 nm gemessenen CD-Daten nach der linearen Extrapolations-Methode für eine
Zweizustands-Faltung ergab einen Tm-Wert von 82°C und D H(Tm) von 201,6 kJ/mol. Die
beträchtlichen Werte veranschaulichen die hohe Stabilität des Parvulustats. Eine aus den CDMessungen
bei 50° ergebende Übergangskurve zeigte, dass sich die Sekundärstruktur mit einem
Übergangsmittelpunkt bei 5,62 M GdnHCl kooperativ und reversibel entfaltet. Das Protein
entfaltet sogar infolge einer pH-Wert-Senkung bis auf pH 1 nicht vollständig, sondern es wechselt
direkt in einen Säure-Zustand („acid-state“). Dieser Zustand zeigt spektroskopisch die gleichen
Eigenschaften wie das native Protein, wobei die volle Inhibierungs-Aktivität nicht erhalten bleibt.
In sehr basischem Milieu bei pH 14 nimmt Parvulustat einen alkalisch denaturierten
Zwischenzustand IB an, der sich erheblich von dem GdnHCl-denaturierten, dem säurebehandelten
oder vom „molten globule“ Zustand unterscheidet. Allgemein behielt Parvulustat
über ein breites pH-Wert Spektrum (1,0-10,0) die native Struktur, bzw. eine „native like“ Struktur,
was erneut auf die enorme Stabilität des Proteins hindeutet. Die von Rehm et al. (Rehm et al.,
Theoretischer Teil
-4-
2009) aufgeworfene Hypothese des „induced fit“ Inhibierungsmechanismus des Parvulustats
konnte durch die in dieser Arbeit durchgeführten Experimenten bekräftigt werden. Mittels
Sekundärstrukturbestimmungen des Parvulustats unter Komplexbildung mit der a-Amylase
konnte eindeutig gezeigt werden, dass strukturelle Veränderungen am Inhibitor im Komplex
vorliegen. Durch zahlreiche Tests konnte festgestellt werden, dass die WRY-Region des
Parvulustats sich der Struktur der a-Amylase anpasst. Die Komplexierung des Parvulustats
bewirkte aber eine thermodynamische Destabilisierung der Inhibitor-Struktur.
· Einfluss des C-Terminus auf die Stabilität des Parvulustats
Um die Ursachen für die hohe Stabilität des Parvulustats auch im Vergleich zu Tendamistat (Tm:
79°C) zu finden, wurde der Einfluss des hoch flexiblen C-Terminus untersucht. Die Derivate mit
um zwei (PL-2AA), vier (PL-4AA) und sieben (PL-7AA) Aminosäuren verkürztem C-Terminus
wurden isoliert und analysiert. Die Entfaltungstemperaturen der verkürzten Derivate des
Parvulustats sinken mit abnehmender Zahl der Aminosäuren. Die Ergebnisse suggerieren, dass
der C-Terminus des Parvulustats eine entscheidende Rolle in der strukturellen Vollständigkeit des
Proteins während der thermischen Entfaltung spielt und damit auch in der Faltung (Tab.: 2.1). Der
Vergleich der Inhibitoraktivitäten der verkürzten Proteine mit dem nativen Parvulustat ergibt für
die Varianten PL-2AA und PL-4AA eine dem Wildtyp ähnliche Aktivität. Die Variante PL-7AA
weist eine leicht verringerte Aktivität auf.
Tabelle 2.1: ...
Einfluss hydrophober Oberflächenclustern auf Stabilität und Faltung
des Parvulustats
Parvulustat besitzt in der Mitte des ersten b-Faltblatts, um die Position 22 liegend, einen
hydrophoben Oberflächencluster. Wie mit Hilfe von Substitutionsexperimenten in dieser Region
gezeigt werden konnte, ist die thermodynamische Stabilität des Parvulustats in hohem Maße von
der Bildung dieses kleinen aber wichtigen hydrophoben Kerns bestimmt. Demnach muss das b-
Faltblatt I und das b-Hairpin I eine entscheidende Rolle in der Faltung von Parvulustat spielen.
Position 22 ist in zweierlei Hinsicht für die Stabilität des Parvulustats wichtig: einerseits durch die
energetisch wichtigen Wasserstoffbrückenbindungen und zum zweiten steuert die Stelle zur
Formation des hydrophoben Kerns bei. Die Daten suggerieren, dass es auch eine
thermodynamische Kopplung zwischen dem hydrophoben Effekt und der Präsenz von
Wasserstoffbrückenbindungen geben könnte. Zumindest aus der Sicht der Stabilität ist es
eindeutig, dass interatomare Interaktionen wie Wasserstoffbrückenbindungen, van-der-Waalsund
Dipol-Dipol-Wechselwirkungen notwendig sind, um eine stabile Bildung von b-Faltblättern
in Parvulustat und seinen Derivaten zu verwirklichen.
· Der Effekt der Proline auf die Stabilität des Parvulustats
Der Effekt der Substitution des Prolins durch Alanin an verschiedenen Positionen des Parvulustats
wurde ebenfalls untersucht. Im Ganzen betrachtet führt auch die Mehrfachsubstitution von Prolin
zu keiner nennenswerten strukturellen Veränderung im Parvulustat. Die durchgeführten
thermischen Entfaltungsexperimente bestätigen diese Beobachtungen. Alle Einzelmutanten (P5A,
P42A, P48A, P72A) zeigten eine höhere thermische Stabilität als der Wildtyp (Abb. 2.1).
Abbildung 2.1: Tm-Werte des Parvulustat-Wildtyps und seinen Prolin Mutanten.
Theoretischer Teil
-6-
Die fast gleich bleibenden Tm-Werte bzw. die Erhöhung der Stabilität des Parvulustats sind durch
die strukturelle Fluktuationen zu erklären, denn die rigide XAS-Pro-Bindung wurde durch die
flexible XAS-Ala-Bindung ersetzt.
· Der Einfluss der Disulfidbindung auf die Stabilität des Parvulustats
Der Einfluss der zwei Disulfidbrücken des Parvulustats wurde bezüglich Aktivität, spektraler
Eigenschaften sowie Stabilität untersucht. Hierfür wurden 25 Inhibitorvarianten mittels gezielter
Mutagenese gewonnen, in denen jeweils zwei Cysteinreste, die im natürlich vorkommenden
Parvulustat Disulfidbrücken bilden, durch andere Aminosäuren ersetzt wurden. Die Ergebnisse
zeigten, dass die Faltung Parvulustats ein zwei Zustand Verhalten besitzt, das außer in
Tendamistat in keinem anderen disulfid-verknüpftem Protein gefunden wurde. Dieses Verhalten
wurde durch die Entfernung von Disulfidbrücken nicht beeinflusst. Wie durch die CD- und
fluoreszenzspektroskopischen Experimente belegt werden konnte, ist die native Struktur des
Parvulustats durch die Entfernung der C43-C70-Disulfidbindung tiefgreifend verändert worden.
Passend zu den Veränderungen der Struktur haben die Mutationen schwerwiegende
Destabilisierungseffekte auf das Protein verursacht, was auch an der Erniedrigung der Freien
Gibbs Energie der Denaturierung und der Tm-Werte zu erkennen ist. Die Untersuchung des
Einflusses der Aminosäure-Substitution in den Positionen 43 und 70 auf die thermodynamische
Stabilität des Parvulustats führt zum Ergebnis, dass die Hydrophobizität und Polarität des Restes
70 einen bedeutenden Effekt auf die Stabilität des Proteins besitzt. Die Betrachtung der
thermodynamischen Daten macht deutlich, dass der Beitrag der freien Energie zur Stabilisierung
nicht nur abhängig von der eingeführten Aminosäure ist, sondern zum Teil auch von dem
strukturellen Kontext abhängt. Die Daten zeigen, dass die Substitution des Alanins an der Stelle
70 durch Leucin oder Threonin die Struktur um 0,3 bzw. 1,7 kJ/mol stabilisieren. Zusätzliche
Beiträge zum Unterschied bezüglich des ΔG°-Werts zwischen den Varianten C43AC70L/T und
C43L/TC70A können sich auch durch die unterschiedliche lokale Umgebung, wie z.B. die
Seitenketten von benachbarten Aminosäuren um die zwei Mutationsstellen ergeben. Der Tm-Wert
des Wildtyp-Proteins beträgt 82°C. Die Vergleiche dieser Größe mit der von der stabilsten
Cystein-defizitären Doppelmutante C43AC70T (47,3°C) ergibt eine Differenz von 34,7°C. Dieses
Ergebnis untermauert, dass die Disulfidbindung 2 eine extrem wichtige strukturelle Komponente
in der ungewöhnlich hohen Stabilität des Parvulustats darstellt.
Das Ziel der Arbeit war es dennoch die Daten der Stabilitäten einzelner Disulfidmutanten zu
sammeln und zu erfassen, um dadurch allgemeine Grundregeln für eine rationale Gestaltung der
Elimination beider Disulfidbrücken im Sinne einer vorhersagbaren Auswirkung auf die
Proteinstabilität zu bekommen.
Theoretischer Teil
-7-
Der Versuch ein disulfidfreies Protein in großen Mengen aus S. lividans zu isolieren, stellte sich
aber als extrem schwierig dar. Nach der Änderung des Stamms des Wirtsorganismus
(Streptomyces lividans TK23), Erhöhung der Qualität der Protoplasten und der Expressions-
Bedingungen (19°C, 150 rpm) konnten auf dem SDS-Gel stärkere Banden des Derivats
C9AC25TC43AC70T-4AA beobachtet werden. Die Expression der Mutante
C9AC25TC43AC70L-4AA konnte hingegen nicht nachgewiesen werden. Die anschließende
Reinigung des Derivats C9AC25TC43AC70T-4AA des Parvulustats mittels Gelfiltration und RPHPLC
bzw. Isolierung des Proteins aus dem SDS-Gel brachte das erwünschte Produkt. Dieses
konnte mit der MALDI-Massenspektroskopie eindeutig nachgewiesen werden. Das aktive
Cystein-freie Derivat C9AC25TC43AC70T-4AA konnte auch auf dem a-Amylase Plattentest
nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse zeigen, dass eine Expression und der Nachweis einer
cystein-freien Variante möglich sind, dennoch haben die Ausbeuten dieses Proteins für
weiterreichende Analytik nicht ausgereicht. Demnach sind die Disulfidbrücken für die Stabilität
und Struktur des Parvulustats von enormer Bedeutung dennoch sind sie nicht zwingend
erforderlich für die Aktivität und die Expression in S. lividans.
Das extrem thermophile Eubakterium Thermus thermophilus ist in den letzten Jahren zu einem Modell für thermophile Organismen geworden und verdankt seinen Statuszum Teil seiner hohe Wachstumsrate, den guten Zellerträgen und der konstitutivenExpression eines natürlichen Kompetenzapparates, der seine genetische Manipulation ermöglicht. Die Verfügbarkeit von kompatiblen Plasmiden und bis zu vier thermostabilen Antibiotikaresistenzmarkern konnten den Wert des Organismus in Hinblick auf biotechnologische Anwendungen noch weiter steigern und tatsächlich besteht nach wie vor ein ungebrochenes Interesse an der Struktur- und Funktionsaufklärung thermophiler Proteine. Der Focus der hier vorliegenden Arbeit richtete sich auf eine der insgesamt zwei terminalen Oxidasen der Atmungskette von T. thermophilus, die Cytochrom ba3 Oxidase. Es wurden verschiedene rekombinante Varianten des Proteins, die sich hinsichtlich der Position und Länge des verwendeten Histidin-Tags unterschieden, kloniert, exprimiert und aufgereinigt. Das Einfügen eines internen His12-Tags in einen periplasmatischen Loop zwischen den Transmembranhelices IV und V führte zu einer rekombinanten Version der Oxidase, die in ihren Eigenschaften dem nativen Wildtyp entsprach und sich durch die in dieser Arbeit etablierte Aufreinigungsstrategie relativ schnell, in guten Ausbeuten und hoher Reinheit aufreinigen ließ. Weiterhin konnten verschiedene Punktmutationen von möglicherweise am Elektronentransfer beteiligten Aminosäureresten generiert und die resultierenden Proteine aufgereinigt und über ihre enzymatische Aktivität charakterisiert werden. Eine weiterführende Charakterisierung der Mutanten erfolgte im Rahmen einer Kooperation und ist bisher noch nicht abgeschlossen. Das Herzstück dieser Arbeit machte jedoch die Definition der Transkriptionseinheit der Cytochrom ba3 Oxidase und die sich daraus ergebenden Fragestellungen aus. So konnte gezeigt werden, dass das ba3 Operon zusätzlich zu den Strukturgenen der dort kodierten Untereinheiten noch mindestens ein, höchst wahrscheinlich jedoch zwei zusätzliche Gene enthält: cbaX und cbaY. Bioinformatische Charakterisierungen ordneten CbaY der diversen Gruppe von sekundären Transportern zu, und es konnte experimentell gezeigt werden, dass seine Anwesenheit für die Expression der Cytochrom ba3 Oxidase förderlich ist. CbaX hingegen konnte über die durchgeführte Homologiesuche keine Funktion zugeordnet werden; uncharakterisierte Homologe waren einzig in der Thermaceae Gruppe zu finden. Durch Deletions- und Komplementationsstudien konnte dem Protein eine entscheidende Rolle in der Assemblierung der ba3 Oxidase bescheinigt werden. CbaX scheint eine zentrale Aufgabe bei der Häm a Insertion in Untereinheit I zu spielen und könnte, ohne Sequenzhomologie aufzuweisen, die Rolle des Surf1-Proteins übernehmen, welches in den sequenzierten Organismen der Thermaceae Gruppe nicht konserviert ist. Die homologe Expression und Aufreinigung von CbaX führte nicht zur erwarteten Ausbeute und Reinheit des Proteins, konnte aber durch immunologische Experimente eine potentielle Interaktion von CbaX und der Cytochrom ba3 Oxidase nachweisen.
Neue Synthesestrategien als Thema des Chemieunterrichts - Experimente zur Kombinatorischen Chemie
(2010)
In der vorliegenden Dissertation wurde die experimentelle Umsetzung der Thematik Kombinatorische Chemie für den Chemieunterricht in der Sekundarstufe II ausgearbeitet. Dazu wurden geeignete Experimente erarbeitet, die einen Einblick in die Kombinatorische Chemie und somit in die neuen Arbeitmethoden der heutigen Chemie schaffen. Mit deren Hilfe gängige Synthesemethoden wie die Split and Combine-Synthese, Teabag-Methode, Spot-Methode und Pin-Methode aufgezeigt werden können und von den Schülern selbst durchgeführt werden. Als ein vorteilhaftes Modell zum Aufzeigen der Arbeitsweise der Kombinatorischen Chemie haben sich Farbstoffe erwiesen, da sie schnell darstellbar sind und keiner aufwendigen Detektion der entstandenen Produkte bedürfen. Als erstes Farbstoffsystem wurden Azofarbstoffe ausgewählt, da sie auch im fakultativen Themenbereich „Farben“ im Chemieunterricht thematisiert werden. Die Übertragung der normalerweise in Lösung hergestellten Azofarbstoffe auf die Festphasenchemie musste zuerst eine geeignete und kostengünstige Festphase gefunden werden. Hierbei haben sich im Handel erhältliche Ionenaustauscher (Harze ohne Linker), die auch zur Wasseraufbereitung verwendet werden, als geeignet herausgestellt. Die erforderlichen Reaktionsbedingungen der Lösungsreaktionen wurden erprobt, optimiert und auf die Festphasenchemie übertragen. Eine Übertragung der Syntheseprinzipien auf drei weitere Farbstoffsysteme wie der Fluoreszenzfarbstoffe der Pyrydin- und Pyrylium-Reihe sowie der Oxidationsfarbstoffe schloß sich an. Nunmehr stehen für den schulischen Einsatz, aber auch für die Ausbildung, einfache Systeme zur Verfügung, die anhand schnell und problemlos durchzuführender Experimente einen Zugang zu unterschiedlichen Methoden der Kombinatorischen Chemie vermitteln können. Dabei bieten die Experimente Anregungen für weitere Arbeiten. Als problematisch stellte sich jedoch der Zugang zu mehrstufigen kombinatorischen Synthesen auf dem Gebiet der Farbstoffe dar. Hier stößt man mit den aus didaktischen Überlegungen sehr einfach gewählten Beispielen an eine Grenze. Ergänzend wurde die Thematik Kombinatorische Chemie mit hochbegabten Schülern der Internatsschule Schloß Hansenberg und interessierten Schülern aus dem Raum Frankfurt, die an dem Projekt Science Camp teilnahmen, erprobt und das Verständnis für diese Thematik mittels eines Fragebogens untersucht. Ein direkter Vergleich beider Schülergruppen konnte aufgrund unterschiedlicher schulischer Bildung nicht vorgenommen werden, weshalb die Auswertung lediglich erste Eindrücke vermittelt. Danach ist das bisher ausgearbeitete Konzept in Lerngruppen mit hochbegabten Schülern gut einsetzbar. Ein Vergleich mit durchschnittlich leistungsstarken Lerngruppen steht noch aus. Eine wünschenswerte Erweiterung und ein Ausbau der Thematik aus Sicht der Schulchemie sollte anorganische Systeme mit einbeziehen und Strategien der Dekonvolution.
Qualität und Qualitätsmanagement in der universitären naturwissenschaftlichen Lehrerfortbildung
(2010)
Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen in Hessen und der allgemeinen Debatte über Qualität im Bildungsbereich sollte im Lehrerfortbildungszentrum Chemie (lfbz-Chemie) der Universität Frankfurt am Main eine systematische Qualitätsentwicklung etabliert und dieses Vorhaben wissenschatflich begleitet werden. Die wissenschaftliche Arbeit besteht aus drei Säulen: - Eine erste, qualitative Studie sollte Qualitätskriterien und -indikatoren liefern. - In einer Fallstudie am lfbz-Chemie Frankfurt sollte die Einführung von Instrumenten des Qualitätsmanagements aus dem gewerblichen Weiterbildungsbereich beobachtet und bewertet werden. - Eine bundesweite Umfrage unter universitären Fortbildungsanbietern im naturwissenschaftlichen Bereich sollte sowohl die Struktur der anbietenden Institutionen als auch die allgemeine Einstellung der Befragten zum professionellen Qualitätsmanagement (QM) nach einem im gewerblichen Bereich geläufigen Modell (LQW) beleuchten. Die Qualitätsindikatoren und -kriterien fielen sehr spezifisch für die naturwissenschaftliche Lehrerfortbildung aus. Allein die drei folgenden Bereiche erfassen zwei Drittel aller Nennungen: die „Qualität der Teamer bzw. Moderatoren“, die „Fortbildungsgestaltung“ und die „Zielgruppenorientierung (Schulbezug)“. Nimmt man die Anzahl der Indikatoren und Kriterien pro Bereich als Maßstab, fokussieren die Befragten sehr stark auf Anforderungen, die die Professionalität des Personals betreffen. Zur Orientierung für die Qualitätsarbeit am lfbz-Chemie (Fallstudie) wurde das QM-Modell LQW 2 gewählt; als kleinere Instrumente kamen die Tabellen nach dem Vorbild der Balanced Scorecard (BSC) nach Kaplan und Norton sowie die Stärken-Schwächen-Analyse zum Einsatz. Als erstes Ergebnis der Fallstudie kristallisierten sich drei Arbeitsbereiche heraus: Personalorganisation, Evaluation und Innovationen. Diese Arbeitsfelder ergänzten die identifizierten Anforderungen an Fortbildung somit um Bereiche, die eher der organisatorischen Ebene zuzuordnen sind. Es ließ sich in der Fallstudie feststellen, dass ein ganzes Qualitätsmanagementmodell wie LQW 2 nur als Anregung für den einen oder anderen, als wichtig erachteten Bereich dienen konnte, während sich kleinere Instrumente eher als handhabbar erwiesen. Außerdem konnte postuliert werden, dass - ein persönlicheres Eingehen auf die Ziele und Aufgaben der einzelnen Personen im Sinne eines Total Quality Managements vermutlich zu besseren Ergebnissen geführt hätte als die Konzentration auf allgemeine Themen und die Orientierung am eher abstrakten Modell, - Erfolge sehr nachdrücklich kommuniziert werden müssen und - möglichst eine Person aus dem Stammpersonal für den Bereich Qualität verantwortlich sein sollte. Um ergänzend zur Fallstudie zu allgemeineren Schlüssen gelangen zu können, wurde eine Charakterisierung der universitären Fortbildungsanbieter mittels Clusteranalyse mit Daten der bundesweiten Umfrage durchgeführt. Sie zeigte vier Typen von Anbietern auf. Insgesamt fanden sich neben der Gruppe der großen Anbieter, zu denen auch das lfbz-Chemie gehört, nur vergleichsweise kleine Anbieter. Die in der Fallstudie erhaltenen Ergebnisse können somit nur eingeschränkt auf die meisten Anbieter übertragen werden. Insgesamt konnten Stärken und Schwächen der universitären Anbieter identifiziert werden, mit denen sich die universitäre naturwissenschaftliche Lehrerfortbildung von der gewerblichen Weiterbildung abhebt. Stärken lagen vor allem in den besonderen Kompetenzen, die an der Hochschule anzutreffen sind. Problemfelder lagen ausgerechnet hauptsächlich im Personalbereich. Als spezifische Schwächen der universitären Anbieter im Personalbereich kann z. B. die Stellung der Fortbildung als Nebenaufgabe oder der Verlust von Know-how durch die Fluktuation des Personals gelten. Auch allgemein kann ein Modell wie LQW 2 als Anregung für die Qualitätsarbeit in der universitären Lehrerfortbildung dienen, nicht jedoch umfassend umgesetzt werden. Die „kleineren“ Instrumente können dagegen eher als allgemein geeignet betrachtet werden. Während die „großen“ Anbieter durch verbesserte personelle Ressourcen für Aufgaben wie die Qualitätsarbeit unterstützt werden könnten, bietet sich für die „kleinen“ Anbieter eher die Unterstützung durch eine zentrale Stelle der Universität an, um die Fortbildungsanbieter doch noch in ein professionelles Qualitätsmanagement einbinden zu können.
Die Hämophile ist eine X-chromosomal vererbbare Blutungserkrankung, die durch einen funktionellen Mangel der Gerinnungsaktoren Faktor VIII oder Faktor IX im Fall der Hämo-philie A oder Hämophilie B hervorgerufen wird. Der niedrige therapeutische Schwellenwert in der Behandlung der Hämophilie (Faktorenspiegel >1%) macht diese Krankheit zu einem idealen Zielobjekt in der Gentherapie. Eine schwerwiegende Komplikation in der Behandlung der Hämophilen besteht in der Entwicklung von neutralisierenden Antikörpern gegen das the-rapeutisch substituierte Protein. Akute Blutungen in solchen Hemmkörper-Patienten werden derzeit durch FVIII- und FIX-unabhängigen Bypass-Agenzien kontrolliert. Im Rahmen dieser Arbeit wurde nach einer erfolgten Optimierung eines nicht-viralen Ansatzes zur Transgenex-pression von FIX in der Leber der Maus dieses Gentransfersystem dazu verwendet, um eine Entwicklung von neuen, auf FIX basierenden, FVIII-Bypass-Strategien in vivo zu ermöglichen. Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit wurden Plasmidvektoren und Vektorrückgrat-freie Minicircle-Konstrukte auf ihre Effizienz zur Expression des FIX-Transgens nach hydrodyna-misch basiertem Gentransfer in die Leber der Maus untersucht. Der Gentransfer der Mini-circle führte hierbei zu einer höheren Transgenexpression und einem geringeren Abfall der FIX-Antigen-Spiegel über die Zeit. Darüber hinaus war das FIX-Protein selbst bei den höchs-ten Expressionsleveln (700% des physiologischen Levels) völlig funktional aktiv. Der Abfall der Transgenexpression über die Zeit konnte größtenteils auf den Verlust des Vektors zurück-geführt werden. Ein signifikanter Silencing-Effekt konnte nur in den Plasmidvektor- und nicht in den Minicircle-behandelten Gruppen beobachtet werden. Diesbezüglich wurde nach 100 Tagen Persistenz der nicht-viralen Vektoren in der Mausleber eine signifikante Akkumulation an CpG-Methylierungen in regulatorischen Sequenzen des hAAT-Promoters im Plasmidvek-tor gegenüber den Minicirclen ermittelt. Außerdem konnte ebenfalls eine Demethylierung von Cytosin-Nukleotiden in bakteriellen Dcm-Sequenzmotiven über die Zeit beobachtet werden, die eine signifikant höhere Rate für das Minicircle-Konstrukt im hAAT-Promoter aufwies. Die erprobten nicht-viralen Vektoren versprechen somit eine ausreichende Effizienz, um eine Translation in den Menschen, z. B. über eine spezifische Behandlung von Lebersegmenten, möglich erscheinen zu lassen. Die Methylierungsanalyse von Promoterelementen auf Sequenzebene erbrachte zudem konkrete Ansätze zum Design von nicht-viralen Vektoren mit einer noch stabileren FIX-Expression. Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde mit Hilfe eines Screening-Systems zur Aktivitätstestung von rekombinant exprimierten FIX-Varianten die Mutation K265T als die entscheidende Sub-stitution im 99-loop identifiziert, welche die FVIII-unabhängige Aktivität im FIX-Protein unter physiologischen Bedingungen begünstigt. Das Wildtyp- IX-Protein braucht hingegen FVIII um eine 106-fache Steigerung seiner proteolytischen Aktivität zu erreichen. Durch Kombination der Mutation K265T mit V181I und I383V konnte diese spezifische FVIII-Bypass-Aktivität in der resultierenden FIX-Variante (ITV) auf 15,6% (verglichen zu FIX in Anwesenheit von FVIII) gesteigert werden. Durch Inkubation der FIX-Varianten mit Plasma-proben aus Hemmkörper-Patienten konnte die Funktionalität der FIX-Varianten selbst in der Anwesenheit von inhibitorischen FVIII-Antikörpern demonstriert werden. Durch Untersu-chungen des Aktivierungszustands von FIX konnte zudem gezeigt werden, dass die im Rah-men dieser Arbeit generierten FIX-Varianten nicht voraktiviert sind und die messbare FVIII-Bypass-Aktivität FIX spezifisch ist. Darüber hinaus konnte hier erstmals eine hämostatische Effizienz von FIX-Varianten mit einer FVIII-unabhängigen Aktivität in einem relevanten Krankheitsmodel demonstriert werden. Diesbezüglich resultierte der nicht-virale Gentransfer der FIX-Varianten in FVIII-K.O.-Mäusen in einer dosisabhängigen Verkürzung der aPTT-basierenden Gerinnungszeit und in einer Reduktion des Blutverlustes im tail-clip-Assay in An- oder Abwesenheit von inhibitorischen FVIII-Antikörpern. Desweiteren konnte zudem mittels Vakzinierung von FIX-WT-tolerierten Mäusen mit den FIX-Varianten demonstriert werden, dass die hier eingeführten Mutationen keine hoch-immunogenen Epitope des FIX-Proteins betreffen. Schließlich konnte die Expression der FIX-Varianten in hämostatisch normalen Mäusen nicht mit der Entstehung von thromboembolischen Ereignissen selbst in einem intakten Gerinnungssystem assoziiert werden. Die hier beschriebenen FIX-Varianten könnten somit einen sicheren und effizienten Therapieansatz zur Behandlung der Hämophilie A mit inhibitorischen Antikörpern darstellen und hinsichtlich der Halbwertszeit und des möglichen throboembolischen Risikos zu einer wesentlichen Verbesserung der bereits verfügbaren Bypass-Strategien beitragen.
Die Verfügbarkeit synthetischer Oligonukleotide hat der Entwicklung einer Vielzahl molekularbiologischer, biochemischer und medizinischer Anwendungen den Weg geebnet. Und sind viele diese Anwendungen für sich genommen schon hochinteressant, so eröffnet die Kombination mehrerer Methoden oft noch ganz neue Möglichkeiten. In der vorliegenden Doktorarbeit ist es gelungen, die Technik der photolabilen Schützung auf die Anwendungen von siRNAs und molecular beacons zu übertragen und diesen damit die Option der orts- und zeitaufgelösten Aktivierung zu ermöglichen. Durch die Einführung eines Nukleotids mit 2-(2-nitrophenyl)propyl-geschützter Nukleobase in eine siRNA, konnte der katalytische Schritt der RNA-Interferenz, die mRNA-Spaltung, unterbunden werden. Hierzu wurde das photolabil modifizierte Nukleotid so in der siRNA positioniert, dass es gegenüber der mRNA-Schnittstelle bzw. in unmittelbarerer Nachbarschaft zu dieser lag. Dabei war das modifizierte Nukleotid selbst kein Ribonukleotid sondern ein Desoxynukleotid. Zuvor konnte gezeigt werden, dass die Einführung einzelner Desoxynukleotide in eine siRNA keinerlei Einfluss auf deren Aktivität hat. Als Modellsystem diente der RFP/eGFP-Reportergenassay, wobei die Plasmide mit der siRNA in die verwendeten HeLa-Zellen kotransfiziert wurden. Die verwendete siRNA regulierte dabei die eGFP-mRNA, die gemessene Fluoreszenz wurde auf die RFP-Fluoreszenz normiert. In der Studie gelang es, ein sauberes „An/Aus-Verhalten“ zu erzielen, das heißt, die modifizierte siRNA zeigte zunächst keinerlei Einfluss auf die eGFP-mRNA. Bestrahlte man diese siRNA jedoch für drei Minuten bei 366 nm, erzielte man eine Unterdrückung der eGFP-Expression, die der einer unmodifizierten siRNA entsprach. Dies funktionierte für vor der Transfektion bestrahlte siRNAs ebenso, wie für solche, die erst nach der Transfektion in der Zelle entschützt wurden. Vereinfachte Darstellung der lichtaktivierbaren RNA Interferenz. Links: solange die Photoschutzgruppe (rot) auf dem Führungsstrang sitzt wird das Substrat des RISC nicht geschnitten. Rechts: Bestrahlung mit UV-Licht entfernt die Photoschutzgruppe und aktiviert die RNAi-Maschinerie. Ein bis jetzt ungeklärtes und noch näher zu untersuchendes Phänomen ist die Stabilität der Modifikationen in der Zelle. Aus bisher nicht eindeutig zu benennender Ursache fand nach einer definierten Zeit eine Aktivierung der ausgeschalteten siRNA statt, ohne dass diese bestrahlt wurde. Versuche mit photolabil modifizierten Nukleotiden an anderen Positionen innerhalb der siRNA, sowie eine Fluoreszenz-Korrelationsspektroskopie-Studie mit fluoreszenzmarkierter siRNA und fluoreszenzmarkiertem RISC erlaubten es Rückschlüsse auf den Schritt der RNAi zu ziehen, der durch die Einführung der Basenmodifikation blockiert wird. Offenbar handelt es sich tatsächlich um den katalytischen Schritt der mRNA-Spaltung, ein Einbau der modifizierten siRNA in den RISC findet statt. Zudem zeigte die erfolgreiche Inaktivierung der für die FCS-Studie genutzten anti-TK siRNA, dass der Ansatz, die Modifikation im Bereich der Schnittstelle einzubauen, von der anti-eGFP siRNA auf andere siRNAs übertragbar ist. Im zweiten erfolgreichen Projekt gelang es, molecular beacons durch Einführung zahlreicher photolabiler Basenmodifikationen lichtaktivierbar zu machen. Hierzu wurde ein bereits beschriebener GAPDH-molecular beacon verwendet. Modifiziert man die Schleife dieses molecular beacon mit sieben photolabilen Basenschutzgruppen (NPP und NPE) so gelingt es die Bindung desselben an seine komplementäre Ziel-RNA komplett zu unterbinden, während ein GAPDH-beacon mit drei oder fünf Modifikationen noch in verringertem Maße bindungsfähig ist. Dieses Verhalten wurde sowohl mittels einfachen Auslesens der Fluoreszenzintensität, als auch anhand eines PA-Geles belegt. Eine große Herausforderung bei diesem Projekt stellte die Aufreinigung des hochmodifizierten molecular beacon dar, der neben Fluorophor und Quencher auch zahlreiche Photoschutzgruppen trägt. Diese gelang schließlich durch den Einsatz einer extra densely bond-RP-HPLC-Säule und wiederholter HPL-Chromatographie. Ebenfalls konnte der große Vorteil eines lichtaktivierbaren molecular beacon, die Möglichkeit der präzisen Ortsauflösung der Aktivierung, dargestellt werden. Hierzu wurde modellhaft die Ziel-RNA auf einer Objektträgeroberfläche immobilisiert. Die dann aufgetragene molecular beacon-Lösung zeigte zunächst keine Fluoreszenz. Diese trat erst nach Bestrahlung und auch nur begrenzt auf den wenige Quadratmikrometer großen Bestrahlungsbereich auf.
An chemischen Synapsen diffundieren von der präsynaptischen Nervenendigung ausgeschüttete Neurotransmitter durch den synaptischen Spalt und aktivieren Rezeptormoleküle in der postsynaptischen Plasmamembran. Eine schnelle und zuverlässige Kommunikation an Synapsen bedingt, dass die Rezeptoren in Clustern direkt gegenüber den aktiven Zonen der Präsynapsen angereichert sind. Eine hohe Rezeptorendichte in der postsynaptischen Membran wird durch sog. Gerüstproteine, die mit den Rezeptormolekülen assoziieren, erreicht. Bisher wurden für verschiedene Synapsen unterschiedliche Gerüstproteine identifiziert. An glutamatergen Synapsen werden Rezeptoren durch u.a. das Postsynaptic Density 95 (PSD 95)-Protein, an cholinergen Synapsen durch Rapsyn, und an GABAergen und glyzinergen Synapsen durch Gephyrin verankert. An inhibitorischen Synapsen wurde bisher ausschliesslich Gephyrin als Ankerprotein für Glyzin- und GABAARezeptoren identifiziert. An exzitatorischen glutamatergen Synapsen dagegen regulieren weitere Gerüstproteine wie Shank, Homer und das Glutamatrezeptor interagierende Protein (GRIP) die Lokalisation, den Transport und die Stabilität verschiedener Glutamatrezeptor- Subtypen. Gephyrin wurde ursprünglich als peripheres Membranprotein zusammen mit dem Glyzin-rezeptorkomplex aufgereinigt. Es bindet an die große intrazelluläre Schleife der ß-Untereinheit des Glyzinrezeptors. Experimente mit Antisense-Oligonukleotiden und Gephyrin-defizienten Mäusen zeigten, dass Gephyrin essentiell für die synaptische Lokalisation von Glyzinrezeptoren und α2- und γ2-Untereinheiten enthaltenden GABAARezeptoren ist. Die Rezeptorlokalisation an der Synapse wird durch eine stabile Verankerung des Gephyrin-Gerüstes am Zytoskelett gewährleistet. Die Gerüstbildung erfolgt durch die Oligomerisierung zweier Gephyrin-Domänen, der aminoterminalen G-Domäne und der carboxyterminalen E-Domäne, wodurch ein hexagonales Gephyrinnetzwerk entsteht, welches für die Clusterbildung an der Synapse notwendig ist. Live-imaging Studien in Neuronenkulturen zeigten, daß an Rezeptor-Transportvesikel gebundenes Gephyrin kontinuierlich an und von aktiven Synapsen weg transportiert wird, was eine hochdynamische Modulation des Gephyrin-Gerüsts nahelegt. Der retro- und anterograde Transport von Gephyrin wird durch Dynein bzw. Kinesin bewerkstelligt. Einige zytosolische Proteine wie Profilin, das Mena/Vasodilator-stimulierte Phosphoprotein (VASP) und Collybistin (Cb) spielen in der Zytoskelett-Regulation eine Rolle und interagieren mit Gephyrin. Cb ist notwendig für die Gephyrin-Clusterbildung an bestimmten GABAergen Synapsen. Im Hippocampus Cb-defizienter Mäuse befindet sich kein Gephyrin an den Postsynapsen. Cb gehört zur Familie der Guanin-Nukleotid-Austauschfaktoren (GEF), die durch eine DH-PH (Dbl Homologie-/Pleckstrin-Homologie) Tandem-Domäne charakterisiert sind und existiert in zwei Spleißvarianten, CbI und CbII. Die DH-Domäne aktiviert spezifisch das kleine G-Protein Cdc42, und die PH-Domäne interagiert mit Phosphoinositol-3-Phosphat (PI3P). In vitro-Studien haben gezeigt, dass die Interaktion von Gephyrin mit Cb II eine Reduktion der GEF-Aktivität für Cdc42 bewirkt. Basierend auf diesen Resultaten wurde vorgeschlagen, dass Gephyrin die Cdc42-Aktivierung durch Cb beendet. Dieser Mechanismus könnte für die initiale Bildung inhibitorischer Synapsen notwendig sein. Analysen mit Domänen-deletierten Cb-Konstrukten zeigten, dass sowohl die DH- als auch die PH-Domäne für die Bildung von submembranären Gephyrin-Microclustern an der Plasmamembran notwendig sind. In dieser Arbeit wurde der Mechanismus der Gephyrin-Gerüstbildung durch Cb weiter untersucht. Insbesondere wurde geklärt, inwiefern Cdc42-Aktivierung bzw. PI3P-Bindung durch Cb an der Gephyrin-Gerüstbildung beteiligt ist. Zusätzlich wurde anhand einer eigens erzeugten GFP-Gephyrin transgenen Maus untersucht, ob sich die Stabilität des Gephyrin-Gerüsts während der Differenzierung ändert und in die Regulation der Stabilität und Plastizität inhibitorischer Synapsen involviert ist. Die Rolle von Cdc42 in der Gephyrin-Gerüstbildung wurde mittels einer konstitutiv aktiven Spleißvariante von Cb untersucht. Basierend auf Homologien zu anderen bereits charakterisierten GEFs und der publizierten Kristallstruktur des CbII-Cdc42 Komplexes wurden Aminosäurereste in der DH-Domäne von Cb mutiert, um die Cdc42-Aktivierung zu unterbrechen (CB T61A, K192A und NE232-233AA). In vitro GTPase-Aktivierungsassays und Filopodien-Induzierung in NIH-3T3-Zellen bestätigten, dass diese Mutationen die Cdc42-Aktivierung reduzierten bzw. aufhoben. Dennoch induzierten sie die Gephyrin-Gerüstbildung in heterologen Zellen und hippocampalen Neuronen ähnlich effektiv wie Wildtyp-Cb II. Die Rolle von Cdc42 in der synaptischen Gephyrin-Clusterbildung wurde außerdem in konditionell Cdc42-defizienten Mäusen, in denen das Cdc42-Gen selektiv im Vorderhin inaktiviert wurde, untersucht. Die Dichte von Gephyrin- und das GABAA-Rezeptor-Clustern war bei Verlust von Cdc42 im Hippocampus nicht verändert. Dies steht im Gegensatz zu einem fast 80%igen Verlust von Gephyrin- und GABAA-Rezeptor-Clustern im Hippocampus von Cb-defizienten Mäusen. Diese Ergebnisse zeigen, dass Cdc42 für die Gephyrin-Gerüstbildung an inhibitorischen Synapsen nicht notwendig ist. Die Rolle der PH-Domäne von Cb bei der Gephyrin-Clusterbildung wurde ebenfalls durch Mutagenese-Experimente analysiert. Viele PH-Domänen haben die Fähigkeit, Phosphoinositide zu binden und damit Membranbindung zu vermitteln, während andere PHDomänen, die nicht an Phosphoinositide binden, nur nach Bindung weiterer Liganden mit Membranen assozieren. In früheren Arbeiten war gezeigt worden, dass humanes Cb PI3P bindet. Hier wurde eine mögliche Beteiligung von Phospholipid-Bindung an der Gephyrin-Gerüstbildung durch Substitution zweier basischer Reste in der β3- und β4- Schleife, R303 und R304, mit Asparaginen untersucht. Ein Lipid-Dot-Blot-Assay mit der Cb II-RR303-304NN-Mutante zeigte einen völligen Verlust der PI3P-Bindung in vitro. Die Expression dieser Mutante in heterologen Zellen und hippocampalen Neuronen zeigte, dass die Gerüstbildung und die synaptische Lokalisation von Gephyrin Phosphoinositidbindung erfordern. Zusammenfassend zeigen diese Ergebnisse, dass die Aktivierung von Cdc42, nicht aber die PI3P- Bindung, für die Cb II-vermittelte Gephyrin-Gerüstbildung entbehrlich ist. Cb hat also zumindest zwei biologische Funktionen: Einerseits ist die DH-Domänen vermittelte Aktivierung von Cdc42 notwendig für die Regulation des Aktinzytoskeletts und die Bildung von Filopodien; andererseits wird die PH-Domänen-abhängige und Cdc42-unabhängige Phospholipidbindung für die Gephyrin-Gerüstbildung an inhibitorischen Postsynapsen benötigt. Um die Dynamik von Gephyrin an inhibitorischen Synapsen zu untersuchen, wurde eine transgene Maus entwickelt, welche GFP-Gephyrin unter der Kontrolle des Neuronspezifischen Thy1-Promotors exprimiert. In verschiedenen Hirnregionen der transgenen Mauslinie, wie Hippocampus, Stammhirn, Rückenmark und Kortex, wurde punktuelle synaptische GFP- Fluoreszenz beobachtet. Diese GFP-Gephyrin-Fluoreszenz kolokalisierte mit einem inhibitorischen Präsynapsenmarker, dem vesikulären inhibitorischen Aminosäuretransporter (VIAAT). Immunfärbungen von Hirnschnitten mit Gephyrin-spezifischen Antikörpern zeigten, daß die durchschnittliche Größe und Dichte der GFP-Gephyrin-Cluster mit denen endogener Gephyrin-Cluster identisch waren. Eine Western-Blot Analyse inhibitorischer synaptischer Proteine zeigte keinen Unterschied zwischen Thy1-GFP-Gephyrin- und Wildtyp-Mäusen auf, ebensowenig wie elektrophysiologische Untersuchungen von GFP-Gephyrin-positiven und -negativen Neuronen. Sowohl die durchschnittliche Amplitude der mIPSCs als auch deren Frequenz waren nicht signifikant verändert, was dafür spricht, dass die transgene Expression von GFP- Gephyrin keine funktionellen Veränderungen verursacht. Verhaltensversuche zeigten gleiche Ergebnisse für Thy1-GFP-Gephyrin und WTMäuse. Daher kann die GFP-Gephyrin-Maus als verlässliche Reporterlinie für Studien zur Gephyrin-Dynamik an inhibitorischen Synapsen im Hippocampus und in einigen anderen Hirnregionen eingesetzt werden. Die Dynamik des synaptischen Gephyrin-Gerüsts wurde an inhibitorischen Postsynapsen in organotypischen entorhinal-hippocampalen Schnittkulturen aus GFPGephyrin-Mäusen untersucht. Fluorescence Recovery after Photobleaching (FRAP)-Analysen individueller GFP-Gephyrin-Cluster in 1-Woche- und 4-Wochen-alten Kulturen zeigten eine entwicklungsabhängige Stabilisierung der GFP-Gephyrin-Cluster auf. Diese Stabilisierung ist eng verbunden mit einer Größenzunahme der Gephyrin-Cluster an GABAergen Synapsen. Mit elektrophysiologischen Ableitungen wurde eine Reifung der GABAergen synaptischen Übertragung ebenfalls während dieser Periode beobachtet. Die Stabilisierung und Grössenzunahme des Gephyrin-Gerüsts spiegelte sich in einer erhöhten miniature inhibitory postsynaptic current (mIPSC)- Amplitude wieder. Außerdem wies die Zunahme der mIPSCFrequenz auf eine effiziente Reifung der präsynaptischen Endigungen hin, die immunhistochemisch durch eine Zunahme der VIAAT-Immunfluoreszenz erhärtet werden konnte. Ein möglicher Einfluss der GABAergen, synaptischen Aktivität auf die Grösse und Stabilität der Gephyrin-Cluster wurde in reifen Neuronenkulturen durch pharmakologische Modulation der GABAA-Rezeptoren untersucht. Die Behandlung 4-Wochen-alter Kulturen mit GABAA-Rezeptor-Antagonisten und mit dem potenzierenden Benzodiazepin Diazepam zeigte eine homöostatische Regulation der Stabilität und Größe des Gephyrin-Gerüsts durch die Aktivität inhibitorischer Synapsen auf. Zusammenfassend sind diese Resultate starke Hinweise für dynamische Veränderungen in synaptischen Gephyrin-Gerüsten während der Reifung und Aktivitäts-induzierten Plastizität GABAerger Synapsen
Lichtgesteuerte Channelrhodopsine (ChR) haben im letzten Jahrzehnt neue Wege zur Untersuchung neurophysiologischer Zusammenhänge eröffnet. Die ersten grundlegenden Charakterisierungen von Channelrhodpsin-1 und Channelrhodopsin-2 (ChR-1 und ChR-2) zeigten bereits die hohe Selektivität dieser Ionenkanäle für Protonen gegenüber monovalenten und divalenten Kationen und veranschaulichten die Dominanz der einwärtsgerichteten gegenüber den auswärtsgerichteten Kationenströmen durch die Kanalpore (Einwärtsgleichrichtung) (Nagel et al., 2002; Nagel et al., 2003). Nach Expression von Channelrhodopsin können erregbare Zellen mit einem Ruhepotential von -60 mV durch Licht depolarisiert und Aktionspotentiale (AP’s) ausgelöst werden (Boyden et al., 2005; Li et al., 2005; Nagel et al., 2005b). Aufgrund der Einwärtsgleichrichtung von ChR nehmen die lichtaktivierten Ströme mit zunehmender Depolarisation ab, sodass die vollständige Ausbildung des AP’s nicht gestört wird. Dadurch wird ChR zu einem optimalen optogenetischen Werkzeug. Dennoch ist die Einwärtsgleichrichtung bisher wenig detailliert charakterisiert. Auch die zugrunde liegenden Mechanismen sind nicht genau bekannt. Im Rahmen dieser Arbeit konnte anhand von Patch-Clamp Messungen gezeigt werden, dass zwei Mechanismen die Rektifizierung des Kanalstroms durch ChR-2 hervorrufen: eine Spannungsabhängigkeit der Einzelkanalleitfähigkeit und eine Spannungsabhängigkeit der Offenwahrscheinlichkeit. Die Spannungsabhängigkeit der Einzelkanalleitfähigkeit ist von der Art der geleiteten Ionen abhängig und konnte experimentell über die Unterschiede der stationären IV-Kurve für H+ und Na+ bei symmetrischen Ionenkonzentrationen bewiesen werden. Des Weiteren wurden die Resultate für unterschiedliche Ionenbedingungen anhand eines Ionenbindungsmodells mit einem „3-Barrieren 2-Bindungsstellen“ Profil für die Kanalpore simuliert. Die Spannungsabhängigkeit der Offenwahrscheinlichkeit ist an eine Lichtadaption des ChR-2 Proteins gekoppelt. Diese Lichtadaption konnte mithilfe von repetitiven Messungen, d.h. Strommessungen mit mehrfachen kurzen Lichtblitzen (10 ns), gezeigt werden. Da die Lichtadaption wie auch die Kanalkinetik stark vom pH abhängig sind, ist anzunehmen, dass mechanistisch wichtige De- und Reprotonierungsreaktionen mit diesen Prozessen einhergehen. Ferner konnte über die Untersuchung der elektrophysiologischen Eigenschaften der ChR-2 Mutante E90A eine Region im Protein identifiziert werden, die höchstwahrscheinlich am Protonentransport durch die Kanalpore beteiligt ist. Die Mutante E90A wies eine verringerte Protonenleitfähigkeit und eine natriumabhängige Blockierung der lichtaktivierten Ströme bei niedrigem extrazellulären pH auf. Doppelbelichtungsexperimente mit gelbem oder kurzwelligem blauen Licht ergaben außerdem neue Hinweise auf die Identität einiger Intermediate des Photozyklus. Die vorgestellten Ergebnisse weisen darauf hin, dass die bisher beschriebene „lichtadaptierte“ Form, die als P480 Intermediat bezeichnet wird, eher einem P520 Intermediat entspricht. Außerdem konnte im Rahmen dieser Arbeit eine funktionelle Beteiligung des Intermediats P390, in dem die Schiff Base deprotoniert ist, am Photostrom von ChR-2 im Wildtyp-Protein gezeigt werden. Diese Beteiligung ist bisher nur für ChR-2 Mutanten bekannt (Bamann et al., 2010). Neben der Untersuchung der Kanaleigenschaften von ChR-2 wurde in dieser Arbeit auch der Frage nachgegangen, ob an den Photozyklus von ChR-2 eine vektorielle Protonenverschiebung über der Membran gekoppelt ist. Mithilfe der BLM-Technik und Patch-Clamp Messungen an elektrofusionierten HEK-293 Zellen (Zimmermann et al., 2006) konnte gezeigt werden, dass auch ohne elektrochemische Triebkraft lichtaktivierte Ströme (Pumpströme) zu beobachten sind, die einer vektoriellen Protonenverschiebung von 0,2 - 0,4 Ladungen pro Photozyklus entsprechen. Die Doppelbelichtungsexperimente und der vektorielle Protonentransport geben einen Einblick in den Zusammenhang zwischen Photozyklus und den funktionalen Zuständen des Kanals. Die Ergebnisse zeigen das komplexe Geflecht zwischen Spannungsabhängigkeit, der Kinetik und den offenen Zuständen und wurden in einem Modell zusammengefasst. Weiterhin wurde in dieser Arbeit eine stabile Zelllinie für die Expression von ChR-1 etabliert, die eine genauere Charakterisierung dieses Proteins möglich macht. Es konnte gezeigt werden, dass ChR-1 ebenso wie ChR-2 eine Kationenleitfähigkeit besitzt. Aus zeitaufgelösten Messungen wurde außerdem ermittelt, dass ChR-1 gegenüber ChR-2 eine verkürzte Zykluszeit besitzt. Die verkürzte Zykluszeit von ChR-1, die zu kleineren Gesamtstromamplituden im Vergleich zu ChR-2 führt und die vergleichsweise geringere Expression, v.a. in transienten Expressionssystemen, limitiert dessen neurophysiologische Anwendung. Zusammenfassend stellt die vorliegende Dissertation eine detaillierte biophysikalische Charakterisierung von Channelrhodopsinen dar, die neue Erkenntnisse über die mechanistische Kopplung der Kanalfunktion an den Photozyklus hervorbringt. Zudem kann sie eine Grundlage für die gezielte Suche nach Channelrhodopsin Mutanten bieten, deren Kinetik oder analeigenschaften für die neurophysiologische Anwendung optimiert sind.
NMR-spektroskopische Untersuchungen zur Bindung kleiner Moleküle an das Zellzyklusprotein CDC25A
(2010)
Viele verschiedene Funktionen der Zelle werden durch posttranslationale Modifikationen von Proteinen reguliert. Die reversible Phosphorylierung der OH-Gruppen der Aminosäuren Serin, Threonin und Tyrosin ist eine der Möglichkeiten die Aktivität von Proteinen an- und abzuschalten und Interaktion mit Bindungspartnern zu ermöglichen oder zu verhindern. Die Phosphatase CDC25A übernimmt eine zentrale Rolle in der Steuerung des Zellzyklus, unterliegt selbst wiederum einer differenzierten Kontrolle durch Änderung des Expressionslevel, Phosphorylierung und Lokalisation innerhalb der Zelle. Da eine Überfunktion von CDC25A mit einer Vielzahl von verschiedenen Krebserkrankungen assoziiert ist, wird die Entwicklung starker und selektiver Inhibitoren, die auch in vivo wirksam sind, vorangetrieben. Die strukturellen Grundlagen selektiver Inhibition sind allerdings noch unzureichend erforscht. Im ersten Teil dieser Arbeit wurden die Grundlagen für eine erfolgreiche Durchführung von NMR-Experimenten gelegt, für die Proteinproben mit hoher Konzentration und Langzeitstabilität benötigt werden. CDC25A kann nicht in der vollen Länge exprimiert werden und wäre als Vollkonstrukt auch zu groß, um effektiv per NMR untersuchbar zu sein. Durch Erzeugung diverser Konstrukte der katalytischen Domäne von CDC25A konnte ein Expressionslevel erreicht werden, der die Erzeugung ausreichender Mengen an Protein praktikabel macht. Neben des oftmals geringen Expressionslevels ist ein weiteres Problem bei NMR-spektroskopischen Untersuchungen vieler Phosphatasen deren geringe Stabilität während der Aufreinigung und in der endgültigen Probe. Durch Optimierung der Pufferbedingungen für den Zellaufschluss in Bezug auf pH-Wert, Salzkonzentration und Art des Kations per „Incomplete Factorial Design“ konnte die Ausbeute an löslichem Protein erheblich gesteigert werden. Die Verwendung dieser Pufferbedingungen während der ersten Aufreinigungsschritte verminderte auch die Tendenz des Proteins während der Chromatografie auszufallen. Die Zusammensetzung des Puffers für die endgültige NMR-Probe wurde schließlich durch das aus der Kristallografie entlehnte Verfahren der Dampfdiffusion ebenso in Hinblick auf pH-Wert, Salzkonzentration und Art des Anions optimiert. Unter diesen optimierten Pufferbedingungen wurde die katalytische Aktivität des Proteinkonstrukts anhand der Hydrolyse von para-Nitrophenylphosphat nachgewiesen. Acht Substanzen wurden auf Inhibition dieser katalytischen Aktivität getestet. Das natürliche Substrat Phosphotyrosin zeigte eine kompetitive Hemmung, zwei starke und ein schwacher Inhibitor zeigten entsprechend verminderte Reaktionsraten. Von den restlichen 4 Substanzen (Inhibitoren anderer Protein-Tyrosin-Phosphatasen und strukturelle Verwandte) zeigten 3 weitere eine starke Wirkung. Diese hohe Promiskuität gegenüber Inhibitoren stellt ein großes Problem für die strukturgetriebene Wirkstoffentwicklung bei CDC25A und generell aller Phosphatasen dar. Nach Erhalt der fertigen Proben zeigten erste 2D-NMR-Spektren eine geringer als zu erwartende Zahl von Signalen und starke Überlappungen der sichtbaren Signale. Um auszuschließen, das Dimerisierung oder unspezifische Aggregation hierfür verantwortlich sind, wurden DOSY-Spektren gemessen. Aus der Eigendiffusionsrate ergibt sich ein hydrodynamischer Radius, der mit durch HYDROPRO simulierten Werten übereinstimmt und sich deutlich von dem des putativen Dimers absetzt. Daher wird davon ausgegangen, dass die Signalverluste im NMR nicht durch Dimerisierung oder Aggregation ausgelöst werden. Um die Bindung von Inhibitoren auch durch NMR-Spektroskopie nachzuweisen, wurden Saturation-Transfer-Difference-Experimente (STD) durchgeführt. In diesen war aber sowohl für das natürliche Substrat Phosphotyrosin als auch für alle im Enzymtest aktiven Inhibitoren kein Effekt nachweisbar. Dies weist auf eine sehr hohe koff-Rate der Bindung an das Protein hin oder auf eine irreversible chemische Modifikation des aktiven Zentrums, die bis zum Zeitpunkt der Messung bereits abgeschlossen war. Für die strukturbasierte Wirkstoffentwicklung werden spezifische Interaktionspunkte auf der Proteinoberfläche gesucht. Hierfür wurden 15N-HSQC-Spektren mit und ohne Bindungspartner gemessen und die Veränderungen der chemischen Verschiebung bestimmt („chemical shift perturbation“). Es konnten für Phosphotyrosin und die beiden starken Inhibitoren BN82002 und NSC663284 signifikante Veränderungen nachgewiesen werden. Für alle drei Moleküle gab es sowohl komplett einzigartige Veränderungen als auch paarweise übereinstimmende als auch ein Signal das für alle 3 übereinstimmt. Neben den Inhibitoren wurden drei Peptide auf spezifische Interaktion getestet. Das erste entspricht der Zielsequenz des natürlichen Substrats CDK, die anderen beiden sind Teile der Sequenz von CDK an einer nachgewiesenen als auch einer putativen sekundären Interaktionsfläche der beiden Proteine. Auch für die drei Peptide konnten wie für die Inhibitoren individuelle als auch übereinstimmende Signalveränderungen nachgewiesen werden. Als Voraussetzung für die Bestimmung der Oberflächenkontakte, die für die spezifische Bindung von Substrat, Inhibitoren und Interaktionspeptiden nötig sind, wird eine Zuordnung der Signale des 15N-HSQC-Spektrums zu den Aminosäureresten des Proteins benötigt. Hierzu wurden 3D-Tripelresonanz-NMR-Experimente an 15N, 13C-markierten Proben (zusätzlich auch noch 2H-markierte Proben zur Unterdrückung von Relaxationseffekten) durchgeführt. Um die Zuordnung zu unterstützen wurden außerdem Proben mit individuell 15N-markierten Aminosäuren hergestellt, um einem Signal im HSQC zumindest den Typ der Aminosäure zuordnen zu können. Aufgrund der trotz Pufferoptimierung, Deuterierung des Proteins und verringerter Signalüberlagerung in den Spektren der individuell markierten Proben zu geringen Anzahl an Signalen konnten nur kurze Bereiche der Aminosäuresequenz zugeordnet werden. Aufgrund dieser Basis konnte kein aussagekräftiges Mapping erzielt werden.
Übergangsmetallboride und -nitride weisen besondere physikalische und mechanische Eigenschaften auf; sie vereinen dabei sowohl die Merkmale von Metallen als auch von Keramiken. Sie besitzen z. B. große Härten, hohe Schmelzpunkte und hohe Abriebfestigkeiten. Des Weiteren sind sie sehr beständig gegenüber Hitze und Korrosion. Sie zeigen eine hohe elektrische und thermische Leitfähigkeit. In den industriellen Anwendungen kommen oft Übergangsmetallboride und -nitride der 4. und 5. Gruppe zum Einsatz. Die Boride und Nitride des Niobs gelten als potentielle Kandidaten für Baumaterialien, welche hohen Temperaturen standhalten sollen. Niobnitride werden zum Teil schon als Beschichtungen von Turbinenmotoren und in der Raumfahrt eingesetzt. Für den industriellen Einsatz als Beschichtung oder Überzug werden in der Regel dünne Filme benötigt, diese werden oft durch Gasphasenabscheidung aufgebracht. Eine alternative Möglichkeit zur Präparation dünner Filme bietet das Rapid Thermal Processing (RTP). Dabei handelt es sich um einen optischen Schnellheizofen, mit dem Aufheiz- und Abkühlraten bis zu 300 K s-1 erreicht werden können. Im Vergleich zu gängigen Ofenprozessen werden Reaktionszeiten deutlich verkürzt. Durch eine Variation der Reaktionsbedingungen ist es möglich, verschiedene Phasen zu erzeugen und deren Abfolge zu beeinflussen. Zusätzlich können metastabile Phasen und Zwischenstufen abgefangen werden. Als Ausgangsschichten für die in dieser Arbeit untersuchte Darstellung von Niobboriden und -nitriden dienten verschiedene B/Nb- sowie B/Nb2N-Schichtsysteme. Diese wurden mittels Magnetronsputtern bzw. Elektronenstrahlverdampfung auf Si/SiO2-Substraten abgeschieden. Die Ausgangsschichten wurden anschließend in der RTP im Temperaturbereich von 600 °C bis 1200 °C getempert. Die Temperungen wurden in Argon bzw. Ammoniak durchgeführt. Zur Charakterisierung der Proben dienten verschiedene Analyseverfahren (XRD, LM, REM, AFM, SIMS, EPMA). Die folgenden Niobboride sowie -nitride können durch Temperungen in der RTP dargestellt werden. Die hexagonale NbB2-Phase entsteht bei Argon- sowie Ammoniaktemperungen in B/Nb-Schichtsystemen mit einem 1 : 1-Schichtdickenverhältnis. Das NbB2 erweist sich unter den untersuchten Reaktionsbedingungen als effektive Diffusionsbarriere gegenüber Sauerstoff, Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff. Weitere boridische Phasen werden nur bei Argontemperungen gefunden. Das tetragonale Nb3B2 entsteht in Schichtsystemen mit einem B : Nb-Verhältnis von 1 : 4 und 1 : 10 sowie mit einem Nb : B : Nb-Verhältnis von 5 : 1 : 5. Die Nb3B2-Phase wird durch Kohlenstoff und Sauerstoff verunreinigt. Die Verunreinigungen stammen sowohl aus den Ausgangsschichten als auch aus anderen Quellen (z. B. Trägermaterial). Durch eine Änderung der Sputter- Methode konnten die in den Ausgangschichten vorhandenen Verunreinigungen reduziert werden. In entsprechend neupräparierten Schichtsystemen mit einem B : Nb-Verhältnis von 1 : 4 und 1 : 10 führt dies bei den Argontemperungen zur Ausbildung des orthorhombischen NbB neben dem Nb3B2. Die Bildung der Nitride erfolgt bei den Ammoniaktemperungen der verwendeten Schichtsysteme (außer bei B : Nb im Verhältnis 1 : 1). Welche Phase dabei entsteht ist abhängig von der gewählten Temperatur. Es zeigt sich dabei von niedrigeren zu höheren Temperaturen folgende Phasenabfolge: hexagonales Nb2N -> hexagonales delta‘-NbN -> kubisches NbN. Beim Übergang zwischen den einzelnen Phasen liegen diese nebeneinander vor. Durch die schnellen Aufheiz- und Abkühlraten des RTP-Systems, bildet sich neben dem Nb2N das kinetisch bevorzugte delta‘-NbN. Die Bildung der delta‘-NbN-Phase wird durch die Ähnlichkeit der beiden Elementarzellen unterstützt. Die Nb2N-Phase der B/Nb2N-Bilayer behindert stark die Eindiffusion des Bors, des Stickstoffes und der Verunreinigungen. Damit ist das Nb2N eine relativ gute Diffusionsbarriere. Ein Teil der Nb2N-Schicht weicht dem Druck der Eindiffusion durch Aufstauungseffekte an der Grenzfläche aus. Die aus der Literatur bekannten Phasen Nb3B4 (orthorhombisch), epsilon-NbN (hexagonal) und Nb5N6 (hexagonal) werden bei den untersuchten Reaktionsbedingungen nicht gefunden. Die vorhandenen Verunreinigungen führen vor allem während der Argontemperungen zu verschiedenen Oberflächenphänomenen und zur Ausbildung carbidischer und oxidischer Phasen. Im Zuge der Ammoniaktemperungen spielen die Verunreinigungen eine deutlich geringere Rolle. Die vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass durch Temperungen in der RTP verschiedene Niobboride sowie -nitride innerhalb weniger Minuten dargestellt werden können. Jedoch sollten für weiterführende Arbeiten reinere Ausgangschichten bzw. anderer Trägermaterialien verwendet werden um die Ergebnisse weiter zu verbessern.