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Kann man anhand des englischen Kolonialrechts die Übertragung von Rechtsvorstellungen auf fremdeKulturen analysieren? Sicherlich, aber man muss sich dabei im Klaren darüber sein, wieviel Umfang und Zeit man dem Thema widmen möchte, denn das englische war das ausgedehnteste und variantenreichste Kolonialreich überhaupt. ...
Robert Koch hat das Tuberkulosebakterium entdeckt, Marie Curie radioaktive Elemente und Louis Pasteur die Isomerie des Kohlenstoffatoms. Die Liste von "Entdeckern" und ihren "Entdeckungen" ließe sich endlos fortführen: Seitdem die Naturwissenschaften um die Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Siegeszug angetreten haben, registrieren Astronomen fortwährend neue Himmelskörper, stoßen Zoologen auf zahllose fremde Lebensformen und gewinnen Genetiker immer atemberaubendere Erkenntnisse über das menschliche Erbgut. Der Fundus naturwissenschaftlicher Entdeckungen scheint unerschöpflich: Nahezu täglich erfährt der staunende Durchschnittsbürger von bis dato unbekannten Gesetzmäßigkeiten und Spezies, deren "Entdeckung" unser Wissen über die physische Welt erweitert. ...
Zimmermanns drei Clarendon lectures erörtern die Emanzipation der deutschen Romanistik von der Pandektistik unter dem Einfluss des BGB (1–52), die trotzdem fortdauernde Verwurzelung der Zivilistik im römischen Recht (53–105) und die europäische Natur der heutigen nationalen Privatrechte (107–185). Zimmermann widmet die erste Vorlesung der Vergangenheit, die zweite der Gegenwart, die dritte der Zukunft (XX), doch hat man es eher durchgehend mit einer Mixtur von Rechtsgeschichte, Rechtsdogmatik, Rechtsvergleichung und Rechtspolitik zu tun. Es geht ihm nämlich darum, durch eine gemeineuropäische Rekonstitution der deutschen Historischen Rechtsschule das Bewusstsein einer "intellectual unity created by a common tradition" als Vorbedingung der Europäisierung des Privatrechts wieder aufzubauen (XIXf.). Die Anrufung des Savigny-Erbes folgt der rechtshistorischen Gepflogenheit, Zukunftsentwürfe als revivals zu gestalten und gegenwärtige Diskurse mit dem scholastischen Autoritätsargument abzuschneiden. ...
Die von Gustav Radbruch (Einführung in die Rechtswissenschaft, Stuttgart 1964, 166) als Ergebnis ihres Ergebnisses karikierte Auslegung und verwandte Operationen des dogmatischen wishful thinking methodisch aufzufassen ist eine ebenso eitle wie alte Usance der neuzeitlichen Jurisprudenz. So bietet nun der durch viele Vorarbeiten als Kenner der Materie ausgewiesene Schröder die erste Gesamtdarstellung der Rechtsmethoden in Kontinentaleuropa »vorwiegend am Beispiel« Deutschlands an (2). Der Titel extrapoliert das pandektistische Credo, das Recht sei eine Wissenschaft, auf die gesamte neuere Rechtsgeschichte. Und auch der Untertitel trügt, denn Schröder behandelt nicht die dogmatische und justizielle Praxis von Methodenlehre, sondern nur die empfohlenen Methoden der Rechtsgewinnung. Deren Geschichte, das methodologische Pendant zu der um die Normdurchsetzung unbekümmerten Dogmengeschichte, hängt aber nicht völlig in der Luft, sondern orientiert sich am jeweiligen Rechtsbegriff, der die drei Epochen des göttlichen Naturrechts bis 1650, des aufklärerischen Dualismus und des Positivismus seit 1800 bestimmt. ...
Akten haben ihre eigene Schwerkraft. Stets entscheidet ihr Vorkommen oder Nichtvorkommen mit über das, was Geschichte wird. Und so erklärt sich, warum die Fülle an Prozessakten, die das Reichskammergericht hinterließ (man schätzt ungefähr 75 000), eine ebensolche Fülle an Untersuchungen nach sich gezogen hat. Gute "Aktenerfassung und Zugänglichkeit der Quellen" seien dafür verantwortlich, so die beiden Autoren der Einleitung (Sigrid Westphal und Stefan Ehrenpreis) zu dem Sammelband Prozessakten als Quelle, dass die Reichsgerichtsbarkeit zu einem der meist beforschten Gebiete der Frühen Neuzeit wurde. ...
Sechs Lektionen in europäischer Rechtsgeschichte hat van Caenegem locker aneinander gereiht. Eine jede Lektion dürfte mindestens eine Doppelstunde beansprucht haben im »Magister Iuris Communis Programme« der Universität Maastricht. Glücklich, wer dabei gewesen. Denn nicht die gewohnte, doch im Unterricht keineswegs bewährte Gliederung nach Epochen, Chronologie oder Regionen bestimmt das Konzept. Vielmehr hat jede Lektion, in Buchform nun jedes Kapitel, ein Thema, ein Problem, einen Fokus. ...
Es sei "paradox", meinen die Herausgeber der "Studienbücher Geschichte und Kultur der Alten Welt", dass trotz des politischen Willens, ein geeintes Europa zu schaffen, den "Wurzeln dieses Europa" im Bildungssystem immer weniger Aufmerksamkeit geschenkt werde, ja, dass geradezu ein "zielstrebiger Abbau des tragenden Geschichtsbildes" stattfinde. Die Studienbücher sollen dem entgegenwirken. Frank Kolb, der jüngst durch seine Verbalattacke auf den Troja-Forscher Manfred Korfmann eine für Althistoriker seltene Medienprominenz erlangte, hat nun in der Reihe der Studienbücher den Band "Herrscherideologie in der Spätantike" veröffentlicht. ...
Als 1968 "Die unbegrenzte Auslegung" erschien, da war’s wie Donnerhall. Hatten doch die damals Studierenden gerade begonnen, die alten Biedermänner, die man ihnen als Rechtslehrer vorgesetzt hatte, als ehemalige Brandstifter zu entlarven. Bernd Rüthers goss Öl in den schwelenden Zorn, indem er die Legenden vom unpolitischen Zivilrecht zerstörte und die personellen und weltanschaulichen Kontinuitäten zwischen NS-Zeit und Bundesrepublik aufdeckte. "Die unbegrenzte Auslegung" gehörte zu den Aha-Erlebnissen einer gerade erst unruhig gewordenen Generation von jungen Juristinnen und Juristen, sogar derjenigen, die politisch immun und unverdrossen durchs Studium trotteten. Stand der Jungakademiker Rüthers doch fern allem gefährlichen Aktivismus, Radikalismus, Marxismus jener Jahre und wurde gleichwohl zum anklagenden Aufklärer. ...
Erneut legt Prodi eine höchst anregende Synthese der Evolution okzidentalen Rechts vor. War es ihm in seinem "Sakrament der Herrschaft" um die sakral-ethische Dimension bei der Begründung von Herrschaft gegangen, richtet er nun sein Augenmerk auf den die westliche Rechtskultur prägenden, fortdauernden Dualismus zwischen Ethik/Gewissen einerseits und streitiger Gerichtsbarkeit/geschriebenem Recht andererseits. Prodi hält es für eine Illusion des zeitgenössischen Rechtsverständnisses, diesen Dualismus im positiven, "eindimensionalen und selbstreferentiellen Gesetz" sowie in den Verfassungen – also durch die umfassende Verrechtlichung aller ethischen Fragen – ein für allemal aufgelöst zu sehen (11, 455 ff.). Vielmehr werde das rationale, positivierte Recht durch ethische Herausforderungen – etwa der Gentechnik – erneut schmerzlich an diesen uralten Dualismus erinnert (11). Der historischen Forschung wirft Prodi dagegen vor, den ideengeschichtlichen Hintergrund des Rechtsverständnisses überzubetonen und so die institutionelle Verankerung (ordinamenti) der Rechtsvorstellungen zu vernachlässigen. Wegen dieser allzu einäugigen Wahrnehmung der Entwicklung des Rechts setzt Prodi sich zum Ziel, die herkömmlichen Sichtweisen um ein zweites Auge zu erweitern, indem er konsequent vom frühen Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert auch auf die ethische Norm und deren Anwendung vor Gericht, insbesondere vor dem forum internum, blickt. ...
Bellomo legt eine monumentale Untersuchung zu zwei Sammelhandschriften von Quästionen vor: BAV Arch. S. Pietro A.29; Chigi E.VIII. 245. Seitdem er sie erstmals 1969 untersucht hat, haben ihn diese Handschriften nicht mehr losgelassen. Es sind geradezu "seine" Quästionen geworden. Daneben sind Quästionen auch "seine" juristische Literaturgattung, die für ihn der Inbegriff seiner Vision eines "Systems des Jus Commune" (660–667) sind. Denn in den legistischen Quästionen (die kanonistischen lässt er weitgehend beiseite) schufen die wenig bekannten Juristen zwischen der Mitte des 13. Jahrhunderts und ca. 1340 logisch argumentative Denkschemata, die es ihnen erlaubten, jede auftauchende Rechts- oder Tatsachenfrage unter eine der vielen von Bellomo herausgearbeiteten Kategorien von quaestiones oder von nomina iuris zu fassen. Außerdem konnte nur in den quaestiones das leidige Problem gelöst werden, wie sich das klare Recht auf die stets neuen Fallkonstellationen und Tatsachenfragen anwenden ließ und wie sich das feststehende Ius Commune zu dem bloß wahrscheinlichen und daher argumentativ zu überprüfenden lokalen Statutarrecht verhielt. Diese Dichotomie drückt Bellomo im Titel mit fatti/certezze einerseits und diritto/dubbi andererseits aus. Es geht ihm jedoch nicht um Fragen der Beweiserhebung und Beweiswürdigung eines vergangenen Sachverhaltes als Grundlage für die Rechtsanwendung. Derartige erst noch zu ermittelnde Fakten spielen thematisch keine Rolle. ...