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"... der Wissenschaft einen Tempel bauen" : zum 300. Geburtstag Johann Christian Senckenbergs
(2006)
Bis heute ist die konkrete finanzielle Kalkulation von Humankapital wenig erforscht und entwickelt, besonders in Deutschland, wo Bildung bis in unsere Zeit noch immer als ein "nicht-tarifäres öffentliches Gut" gilt. Um so bemerkenswerter erscheint der frühzeitige Versuch Goethes, sein eigenes Werk- und Autor-"Kapital" über die bloße ökonomische Metaphorik hinaus auch praktisch umzusetzen, und sich dafür manchen innovativen verwertungsstrategischen Schachzug einfallen gelassen zu haben.
Johann Gottwerth Müller (1743-1828), erfolgreicher Romancier der Spätaufklärung, arbeitet zwischen 1770 und 1808 mit dreizehn Verlegern zusammen, darunter den Verlagsbuchhändlern Johann Christian Dieterich und Friedrich Nicolai. Während der Freundschafts- und Geschäftsbeziehung zu Dieterich von 1782/83 bis 1800 veröffentlicht Müller zwischen 1783 und 1791 bei ihm drei mehrbändige Romane und einen Kommentar. Die Edition der nicht komplett überlieferten Korrespondenz umfaßt dreizehn Schreiben Müllers. Inhaltlich handelt es sich um Texte, die – paradigmatisch für die Autor-/Verleger-Beziehung der Zeit – geschäftliche Aspekte wie Buchprojekte, Ausstattungs-, Druck- und Distributionsfragen behandeln, grundsätzliche Fragen der freien Schriftstellerexistenz und Verlegerabhängigkeit erörtern, aber auch private Anliegen der Freundschaft, Familien und Krankheit erwähnen.
This article points out facts that help to explain why Franz Kafka was not awarded the Nobel Prize.
Gut zwei Jahrzehnte nach dem Werther schrieb Johann Wolfgang Goethe nach Ansicht der enthusiastischen Zeitgenossen mit ‚Alexis und Dora‘ eine "seiner besten Compositionen". Schiller, Friedrich Schlegel, Jean Paul, Wieland, sie alle feierten in Alexis und Dora eine in altgriechischen Distichen abgefaßte Hymne auf die Liebe. Sie verstanden den Inhalt als Idylle, eine Kategorisierung, die der Autor am 7. Juli 1796 in einem Brief an Schiller, wie auch im Untertitel des Erstdruckes im 'Musen Almanach für das Jahr 1797', zunächst übernahm. Drei Jahrzehnte später, am 25.12.1825, bezeichnete Goethe das Gedicht im Gespräch mit Eckermann jedoch als Elegie. Für den ehemaligen Präsidenten des Internationalen Germanistenverbandes, den Göttinger Germanisten Albrecht Schöne, verkörpert dieser aus gattungstheoretischen Prinzipien abgeleitete Gegensatz zwischen Idylle und Elegie die Essenz eines bis in unsere Tage fortwirkenden Mißverständnisses dessen, was der Autor poetisch dargestellt habe. Er nennt in seiner Neuinterpretation einiger Goethetexte die auf Schiller und seine kurz zuvor veröffentlichte Schrift Über naive und sentimentalische Dichtung zurückzuführende Kategorisierung des Gedichtes im Sinne der "poetische[n] Darstellung unschuldiger und glücklicher Menschheit [...], die durch 'innere Notwendigkeit', 'Wahrheit', und 'Schönheit', durch 'Unschuld und Einfalt'" bestimmt ist, eine bis ins 20. Jahrhundert wirksame aber irreführende Rezeptionsvorgabe. Schillers Kategorien, aus ihrem Zusammenhang der ästhetischen Reflexionen herausgelöst, hätten das Verständnis des Werkes präformiert wie verstellt und aufgrund seiner Autorität eine jahrhundertelange Fehldeutung veranlaßt.
Thomas Meinecke proklamiert seit seinem ersten Roman 'The Church of John F. Kennedy' (1996) das Bild einer nicht-essentialistischen Gesellschaft, in der Kategorien wie nationale Identität oder ethnische Homogenität aufgelöst werden.
In seinem zweiten Roman 'Tomboy' (1998) wird die Dekonstruktion von Identitäts-Postulaten auf Gender-Ebene fortgeführt. Literarisch äußert sich das in einer Dekonstruktion formaler Prinzipien des philosophischen Romans. Philosophische Fragen werden nicht wirklich diskutiert in dem Sinne, daß diskursiv verschiedene philosophische Standpunkte ausgeführt würden. Statt dessen werden Philosophie und Welt als Diskursereignisse dargestellt - was selbst wieder eine quasi-philosophische These ausmacht.
Diese wird vor allem formal umgesetzt, was Prinzipien des 'philosophischen Romans' aus dem Grenzbereich der klassischen Moderne und der historischen Avantgarde entspricht, in dem sich in der Fortführung Nietzsches das Ende des essentialistischen Philosophierens bereits niedergeschlagen hat. Zu nennen wären hier etwa die Gaunergeschichten Walter Serners aus den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts oder Carl Einsteins Bebuquin (1906/09), dessen Figuren "in erster Linie Repräsentanten erkenntnistheoretischer und philosophischer Positionen" sind. Auch hier werden Philosopheme nicht diskursiv erörtert, sondern performativ ausgeführt.
In dieser Arbeit sollen zwei Themenkomplexe, jeder für sich außerordentlich interessant und vielschichtig, betrachtet und verknüpft werden. Das direkte Einbinden von lebenden Tieren in die Lehre des Lebendigen ist nicht nur sinnvoll, sondern wichtig und wird auch von den Rahmenplänen Biologie empfohlen. Mit dem Einsatz von Tieren im Unterricht wird sich an verschiedenen Stellen beschäftigt (z.B. OGILVIE & STINSON 1995). Der Klasse Reptilia kommt dabei aber vergleichsweise wenig Beachtung zu. Voraussetzung für die Haltung von Tieren in der Schule, die in der Öffentlichkeit steht und eine beachtliche Vorbildsfunktion inne hat, ist unter anderem, dass eine „artgerechte“ Unterbringung und Pflege möglich ist. Was unter der Bezeichnung einer „artgerechten Tierhaltung“ verstanden wird, ist alles andere als eindeutig. Deshalb soll die Thematik mit Bezug auf die Reptilienhaltung in der Schule beleuchtet werden.
The article traces the development of Günter Grass's work with special emphasis on his reception in Germany and his being awarded the Nobel Prize. It shows how Grass employs traditional narrative strategies, particularly that of the fairy-tale, and how he represents the recent German past in figures of the unreal. By these means his texts are able to show the grotesqueness of historical reality in the 20th century.
Mich interessiert bei meiner Analyse von Herders Länderbildern die Frage, ob Herders eigene Erfahrung sein Urteil beeinflusst und dadurch die tradierte, oft klischeehafte imago revidiert hat. Dies ist in drei Fällen gegeben: Herder kannte aus eigener Anschauung das Baltikum, einen Teil Frankreichs, Holland und Italien. Ich klammere hier das Baltikum aus drei Gründen aus: erstens weil Herders persönliche Bindung sein Urteil beeinflussen konnte, dann weil die Baltikum-Frage in enger Verbindung zur Slawen-Frage steht und weil schließlich dieser Komplex – angesichts der Fülle der vorhandenen Publikationen – sich nicht in einem kurzen Beitrag abhandeln lässt. Holland wird wegen der Unergiebigkeit der Quellenlage ausgespart.
Die Reaktionen auf das Werk Thomas Bernhards sind Paradebeispiele für das Missverständnis, Literatur habe unvermittelt etwas mit Politik, Philosophie oder anderen gesellschaftlichen Teilbereichen zu tun. Auch Aussagen von Bernhard selbst forcieren diesen Eindruck, gleich, ob sie in den 'faktualen' Interviews, den wenigen poetologischen Texten, den Reden zu Preisverleihungen, der meist referentiell gewerteten Textsorte Autobiographie oder in den 'fiktionalen' Texten geäußert werden: "Zu Lebzeiten war das Bild des Autors Thomas Bernhard vor allem in Österreich ganz wesentlich von Skandalen geprägt."
Inhaltlich umfassen die Themenbereiche die 'Makro-' bis zur 'Mikroebene' des Sozialen: Der Staat Österreich wird zum Ziel des Angriffs, die von Bernhard angeprangerten Kontinuitäten in nationalsozialistischer Hinsicht, der Katholizismus (die Religion), unterschiedliche Institutionen, beispielsweise das Schulsystem, die Musikausbildung, die Familie, konkrete Personen bis hin zum Leitzordner in der Auslöschung, der dann wiederum als Symbol für eine bürokratisierte österreichische und europäische 'Leitzordnerkultur' auf die Makroebene hochgerechnet wird.
Auch in der Forschung wird immer wieder die Frage nach dem Realitätsgehalt der Texte Bernhards aufgeworfen: Wieviel Dichtung, wieviel Wahrheit beinhaltet die Autobiographie, wieviel Biographie die 'Fiktion', wie ist Österreich im Text repräsentiert?
Eine unübersehbare Menge neuer Anglizismen findet über Fach- und Gruppensprachen Eingang in die deutsche Alltagssprache, in der ein Teil von ihnen inzwischen seinen festen Platz hat. […] Insbesondere in den Bereichen der Lautung und der Schreibung bleibt bei den neueren Entlehnungen oberflächlich eine große Nähe zu gebersprachlichen Strukturen erhalten. Diese Entwicklung wird von einigen Fachleuten und Politikern […] als Indiz für eine schleichende ‚Kolonialisierung’ der deutschen Sprache durch das Englische herangezogen. [...] Dieser Einschätzung widersprechen zahlreiche Organe […] und Autoren […] ausdrücklich. […] Im Kontext dieser Auseinandersetzung ist die vorliegende Arbeit verortet. Ihr Ziel ist es zu zeigen, daß die Sprecher des Deutschen Anglizismen sehr wohl phonologisch, graphematisch und morphologisch in die deutsche Sprache integrieren. Untersuchungsgegenstand sind mehrgliedrige Verben, die aus dem Englischen entlehnt wurden und überwiegend in Fach- und Gruppensprachen und/oder in informellem, vorwiegend mündlichem Text auftreten. Für das Problemfeld der verbalen Wortbildung wird dargelegt, daß morphologische Integration nicht unsystematisch erfolgt, sondern sich an den Flexionsmustern deutscher komplexer Verben orientiert. Der Integrationsgrad der einzelnen Lexeme ist dynamisch und sprecherabhängig.
Die Indienstnahme der Literatur und insbesondere des seinerzeit als "deutsches Buch" bezeichneten Phänomens durch den Nationalsozialismus lässt sich an der Buchhandels-, Buch- und Zensurpolitik des sogenannten "Dritten Reiches" nachvollziehen. In den Jahren nach 1933 versuchte der nationalsozialistische Staat, auf das gesamte Kunst- und Kulturleben Deutschlands Einfluss zu nehmen und es den politischen Interessen des Regimes zu unterwerfen. Anhand der Weimarer Veranstaltung im Rahmen der "Wochen des Deutschen Buches" im Allgemeinen und am Beispiel der dabei für Joseph Goebbels angefertigten "Ehrengaben" im Besonderen sollen im Folgenden kulturelle Felder und Projekte nachgezeichnet werden, an denen sich solche Eingriffs- und Steuerungsversuche aufzeigen lassen. Dabei werden auch die Agierenden der Weimarer Verwaltungs- und Kultureinrichtungen und verschiedene Formen ihres Wirkens berücksichtigt.
Am 27. Mai 1823 schreibt Ludwig Börne aus Paris: "Freiheit ist das Schönste und Höchste in Leben und Kunst. Möge das deutsche Vaterland sich diese Freiheit um jeden Preis bewahren! Möge es stolz auf die Ungerechtigkeit sein, mit der es seinen Goethe zu behandeln beginnt; möge es sich des Undanks rühmen, welcher den, der ihn erleidet, wie die, welche ihn begehen, auf gleiche Weise ehrt. Daß Freiheit in deutscher Kunst und Wissenschaft sich erhalte, mußte der literarische Ostrazismus gegen Goethe endlich verhängt werden. Ihn tadeln, heißt ihn achten. " (II, S. 44 f.). Diese Äußerung ist ein frühes Zeugnis der Auseinandersetzung des radikalliberalen Publizisten Ludwig Börne mit Goethe, die sein ganzes schriftstellerisches Leben dauerte. Schon hier artikuliert sich das Spezifikum, das Börnes Goetheopposition gegenüber dem breiten Strom der zeitgenössischen Goethekritik auszeichnet: Börne ist der "einzige wirkliche politische Gegner Goethes, der noch zu Lebzeiten öffentlich das Wort gegen ihn ergreift". Was sind die Ursachen für Börnes "literarischen Ostrazismus"? Die persönlichen Beziehungen der beiden Autoren sind denkbar gering gewesen: 1818 bittet Börne in einem etwas arroganten Briefchen den Weimaraner um Beiträge für sein gerade angekündigtes Blatt 'Die Wage'; das Ersuchen bleibt ohne Antwort (V, S. 638; vgl. III, S. 999 f.). 1828 besucht Börne den Schriftsteller Karl von Holtei in Weimar. Ein Besuch bei Goethe unterbleibt - über die Ursachen gibt es unterschiedliche Lesarten (III, S. 1017 f.). Auf dem Totenbett soll Goethe noch mit Börnes Angriffen konfrontiert worden sein, obwohl man bestrebt gewesen war, diese von ihm fernzuhalten.
Mit den medientechnologischen Innovationen des frühen 20. Jahrhunderts rücken neben den Rezeptionsweisen dieser Medien auch die Konditionen der Medienproduktion in den Fokus der literarischen Spiegelungen. Mit den sich ausdifferenzierenden Mediennutzungsgewohnheiten durch Hörer, Leser und Seher werden eben diese zur relevanten Zielgruppe einer sich ebenfalls ausdifferenzierenden Medienindustrie, die nicht nur das Unterhaltungs- und Informationsbedürfnis des Publikums stillt, sondern insbesondere im journalistischen Diskurs über die Informationsauswahl und -steuerung erheblichen Einfluß auf eben das Publikum gewinnt. (Massen-)Medien, Macht und Manipulation treten so in Bezug auf die Produktion wie auf die Rezeption in eine diskursive Relation ein.
Im Zuge der Mediendiversifikation sind es nicht nur die neuen Medien (Rundfunk und Film), deren Aufstieg "die öffentliche Kommunikation in der Weimarer Republik tiefgreifend und nachhaltig" veränderten, sondern auch das alte Medium Zeitung nimmt in den literarischen Reflexen auf diese Prozesse eine zentrale Position ein. Unter dem Stichwort der Intermedialität sind für die Literatur der Weimarer Republik diverse personale wie thematische Beziehungslinien zwischen Zeitung und Roman zu konstatieren.
Stellvertretend für die zahlreichen personalen Überschneidungen zwischen Journalismus und Literatur sind Gabriele Tergit und Erich Kästner zu nennen.
"Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit" : Heinrich Mann und "Die neue Weltbühne" (1933-1935)
(2006)
"Heinrich Mann haben Sie ja viel zu wenig gelobt. Ich möchte, um eine begeisterte Vornotiz schmettern zu können, zu dieser 'Kurt Eisner' abdrucken. Können Sie mir das Kapitel nicht in meinem Bireeh übertragen lassen? Es ist mir zu umständlich, den Band nach Berlin zu schicken und wieder zurückgeschickt zu kriegen - abgesehen davon, daß es mir schwerfällt, mich so lange von ihm zu trennen." Die kleine Notiz, Siegfried Jacobsohn antwortete seinem liebsten Mitarbeiter Kurt Tucholsky in durchnummerierten Absätzen, betraf den Essayband 'Macht und Mensch' von Heinrich Mann, den Tucholsky unter seinem Pseudonym Ignaz Wrobel in der renommierten Berliner Weltbühne vom 17. Juni 1920 rezensiert hatte. Jacobsohn veröffentlichte Manns Essay zum Nachruf auf Kurt Eisner erst acht Monate später in seiner Wochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft. Es war einer von lediglich zwei Aufsätzen, die Heinrich Mann in der "bedeutendsten und wirksamsten kulturpolitischen und radikaldemokratischen Zeitschrift der Weimarer Republik" publizierte, beide veröffentlicht im Jahre 1921. Die Gründe für eine derartige Bescheidenheit können nur vermutet werden.
Das Gegenteil jener publizistischen Zurückhaltung Manns erfuhr der Leser in den Jahren des Exils der Berliner Weltbühne. Die Schließung und die Versiegelung der Verlagsräume am 13. März 1933 gehörten zu den unmittelbaren Wirkungen der nationalsozialistischen Diktatur.
Hans-Georg Soldat berichtet von seiner Zeit als Literaturredakteur beim RIAS: 'Für uns, die wir noch hoffen …' Literatur zwischen West und Ost - Fragmente einer unglaublichen Geschichte. Er umreißt vier Hauptfelder der Literatursendungen des RIAS: Erstens waren sie stellvertretendes Forum für Themen, die in der DDR nicht diskutiert werden konnten; zweitens stand weniger das Reden über Bücher oder Gedichtbände, sondern das Lesen daraus im Vordergrund; drittens wurden zunehmend Bücher von Autoren vorgestellt, die in der DDR lebten, aber dort nicht veröffentlichen durften; viertens ging man auf die aktuellen literatur- und kulturpolitischen Debatten in Ost und West ein. Soldat benennt nicht nur die Überlegungen und Skrupel seinerseits hinsichtlich der möglichen Gefährdung von Autoren, sondern auch die Schwierigkeit, "Balance zu halten zwischen Pflicht zur Information über einen neuen Zensurversuch und der Tatsache, dass der zugrunde liegende Text tatsächlich keine große literarische Bedeutung hatte". Zitiert nach: Gerd Dietrich: Rezension zu: Estermann, Monika; Lersch, Edgar (Hrsg.): Deutsch-deutscher Literaturaustausch in den 70er Jahren. Wiesbaden-Erbenheim 2007, in: H-Soz-u-Kult, 26.01.2009 (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2009-1-065)
Der Rekonstruktionsversuch der Werkgenese und der Editionsgeschichte des ersten in Druck erschienenen deutschsprachigen Schriftstellerlexikons der siebenbürger Sachsen mag angesichts des derzeitigen Forschungsstandes gewagt erscheinen, ist jedoch mehr als notwendig. Das 18. Jahrhundert ist – was Siebenbürgen betrifft – keine bevorzugte Epoche der Literaturgeschichtsschreibung, stellt Stefan Sienerth in der Geschichte der siebenbürgisch-deutschen Literatur im achtzehnten Jahrhundert resigniert fest. Als beinahe unüberwindbares Hindernis tut sich die Gattungs-, Formund Gehaltvielfalt der Texte aus der Zeit des Pietismus und der Aufklärung auf, infolge dessen meistens nicht die Literaturwissenschaft, sondern die verwandten Disziplinen mit den schriftlichen Zeugnissen des 18. Jahrhunderts sich auseinandersetzen; aber auch das fehlende, da unerforschte und unedierte Quellenmaterial erschwert die (literatur)wissenschaftliche Erforschung der Epoche. Besonders deutlich manifestiert sich dies am Beispiel des Johann Seivert.
"Ich soll nicht zu mir selbst kommen" : Werther, Goethe und die Formung des Subjekts in der Moderne
(2006)
Die Leiden des jungen Werther: Sie gehen aus einem neuen Reflexions- uns Ausgleichungsbedürfnis hervor, aus der Suche nach einem konsistenten Ich. Werther erlebt die kognitiven und affektiven Veränderungen, die die Moderne heraufführt, und aus diesen Erfahrungen geht sein Verlangen nach Einheit hervor (...). Die Suche nach dem einheitlichen, festen, verläßlichen Ich hält den Briefroman zusammen, und die Gattungswahl korrespondiert mit der Fragestellung, denn das Medium des Briefes hat im 18. Jahrhundert seine rasante Ausbreitung erfahren, weil ein historischneuer Individualitätstyp aufgetreten ist und das Bedürfnis nach einem entsprechenden anthropologischen Diskurs vorhanden war. Die übergreifende Frage nach der Identität verbindet auch die scheinbar so verschiedenen Themen im ‚Werther’: Natur, Liebe und Gesellschaft.
»Der Kanon regelt Zuordnung und Ausgrenzung, Ja und Nein zu einem Text, es ergibt sich eine Serie von Opposition[spaar]en.« Diese Grundannahme ist, wie ich meine, die Voraussetzung jeder Auseinandersetzung mit der Frage »A Canon of Our Own?« und betrifft den literarischen Kanon in gleicher Weise wie den (literatur-)theoretischen Kanon, obwohl die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Letzterem seltener und wenn doch, so interessengeleiteter stattzufinden scheint und sich zudem häufig in Polemiken erschöpft. Auch der Titel meines Aufsatzes enthält ein Paar, wenngleich das »&« zwischen den Theorien den Anschein von Symmetrie, von Zusammengehörigkeit, nicht von Gegensätzlichkeit erweckt. In der Folge meiner Bestandsaufnahme dieser Theorien innerhalb der germanistischen Literaturwissenschaft und meines Versuchs einer weiteren Perspektivierung und Verschränkung derselben wird deutlich, dass definitiv ein hierarchisches Gefälle hinsichtlich deren Rezeption existiert. Es zeigt sich, dass die Kanonisierungsprozesse unterschiedlich und v.a. zeitversetzt verlaufen – ungeachtet dessen, wie Kanones bzw. »das ihnen anhaftende Phantasma von überzeitlicher und überregionaler Gültigkeit« per se zu bewerten sind.
Dieser Artikel versucht die Philosophie des Films "Irreversible" von Gaspar Noe zu beleuchten, der "den Skandal" der Filmfestspiele von Cannes 2002 darstellte. Dabei wird auf die Darstellung von Gesellschaft ebenso eingegangen, wie auf die Verbindung von Sexualität und Gewalt oder den filmüberspannenden Gedanken der zerstörerischen Zeit.
Gute Musikvideoclips weisen bei aller Ästhetisierung zuweilen ein durchaus kritisches Potenzial auf: das 1993 von Regisseur Marcus Nispel zu George Michaels Stück »Killer/Papa was a rolling stone« gedrehte Video greift überwiegend auf Haushaltsartikel, deren Firmenlogos und Werbespots zurück, die uns aus dem Alltag bekannt sind, ersetzt die Namen der Artikel jedoch durch einzelne Worte, die dem Liedtext entstammen. So ergibt sich eine den Glücksversprechen der Konsumindustrie gegenüber provokante Aussage, denn die zu Logos und Produktnamen umfunktionierten Begriffe bezeichnen gerade menschliche Grunderfahrungen und Tugenden wie »Freiheit«, »Leben«, »Wahrheit« und »Sterben«, die somit als dem Ausverkauf anheim gegeben dargestellt werden.
Die spezifische Verbindung von Bild und Wort zeigt sich schon in den Prototypen der Satire-Journale, in "Le Charivari" (Paris), "Punch" (London) und "Kladderadatsch" (Berlin), die bereits nach ihren Gründungsjahren 1832, 1841 und 1848 das jeweils Tonangebende in Karikatur und Text darstellen. Gemeinsamkeiten und nationale Besonderheiten dieser Journale erschließt Ursula E. Koch in einem grundlegenden Aufsatz. Während aber der Charivari 1858/59 seine Blütezeit bereits hinter sich hat, steht sie dem Punch und dem Kladderadatsch noch bevor. Auch solchen Ungleichzeitigkeiten ist der Beitrag auf der Spur.
Autographen von Zeitzeugen aus der 48er Revolution und insbesondere solche von Adelbert von Bornstedt (1807-1851) sind im Antiquariatshandel von großer Seltenheit. Vor einigen Jahren tauchten bei einem Schweizer Sammler drei schwer entzifferbare Schreiben Bornstedts auf, eher Kassiber, die nun transcribiert und mit Anmerkungen und Kommentar versehen publiziert worden sind ("Mein Kopf ist voll Hass und Rache!". Unbekannte Briefe aus dem Jahr 1848 von Adelbert von Bornstedt aus dem Zuchthaus Bruchsal. Hrsg. und mit einer Einf. und einem Kommentar versehen von Eckhart Pilick. Rohrbach: Verlag Peter Guhl, 2004). [...] Um einen Eindruck von den Briefen von Bornstedts zu geben, wird im folgenden der erste der drei Briefe mit dem Kommentar des Herausgebers abgedruckt.
Verteufelte Humanität und erstaunliche Modernität, mit diesen beiden Begriffen läßt sich die zentrale und doch prekäre Stellung von Goethes Iphigenie im Rahmen der deutschen Klassik umschreiben. Mit dem Versuch einer Neubegründung des griechischen Humanitätsbegriffs steht Goethe dabei nicht allein. Auf vergleichbare Weise entwirft Novalis in den Hymnen an die Nacht ein modernes Bild des Menschen in Auseinandersetzung mit der griechischen Antike. Daher bietet es sich an, den Humanitätsbegriff in Novalis Hymnendichtung und Goethes Iphigenie zu vergleichen, um zu einer kritischen Bewertung der Versuche zu kommen, dem griechischen Mythos ein neues, versöhnliches Gewand zu geben.
Der Vater als Ernährer der Familie hat noch immer nicht ausgedient, aber längst gibt es eine breite Vielfalt von Vatertypen, die sich mit den gesellschaftlichen Erwartungen an den »neuen« Vater auf sehr unterschiedliche Weise auseinandersetzen. Diese Erwartungen sind hoch: Er soll sich aktiv, kompetent und emotional in der Kindererziehung engagieren und partnerschaftlich agieren. Am Frankfurter Institut für Sozialforschung haben die beiden Soziologen Andrea Bambey und Hans-Walter Gumbinger untersucht, wie sich die Rolle des Vaters gewandelt hat und wie sich dies auf die Familienkonstellation auswirkt. Eine einheitliche Entwicklungslinie konnten die Forscher bei der Auswertung von über 1500 Fragebögen und intensiven Einzelinterviews nicht ausmachen. Sie verstehen die Ergebnisse eher als Hinweis darauf, dass der aktuelle Wandlungsprozess vielgestaltig ist. Als Auszug aus ihrem Forschungsprojekt stellen sie drei Typen vor: den fassadenhaften, den randständigen und den egalitären Vater.
Ist das Schwert, das der Braut vom Mann aus Okinawa überreicht wird, das zentrale Symbol für den Mythos, der in KILL BILL erzählt und zugleich dekonstruiert wird, so lassen sich an der Geschichte des Schwertes auch die wesentlichen Stationen des Handlungszusammenhangs aufzeigen, der Tarantinos vierten Film kennzeichnet. Die folgenden Überlegungen konzentrieren sich - neben Exkursen zu Homer und der ganz anderen Begegnung von fernöstlicher und amerikanischer Tradition im Kino Takeshi Kitanos und nach grundsätzlichen Überlegungen zur Affektpolitik des Films - zunächst auf das vierte Kapitel des Films, um anhand der Leitmetapher des Schwertes den Remythisierungstendenzen des Films nachzugehen und deren Dekonstruktion aufzuzeigen.
Als Rezeptionsanalyse von Goethes Werken in Persien befasst sich die vorliegende Untersuchung zunächst mit der Frage: 'Wie wird Goethe in Persien gelesen?' Bei der Frage nach einer persischen Goethe-Rezeption steht Übersetzung als Vermittlungsprinzip eines, vom Persischen aus betrachtet, fremden Dichters ebenso im Vordergrund wie bei der Frage nach einer deutschen Ḥāfiẓ-Rezeption.
The present article explores perceptions and cultural constructions of the terms capitalism or capitalistic West among ex-Soviet, highly qualified Jewish migrants from Russia and Ukraine after their emigration to Germany between 1990 and 1996. It seems that migration offers a unique opportunity to migrants to realise knowledge that is normally taken for granted, behaviour schemes and values, and to reflect on them. How do they acquire such presumed capitalist knowledge of the new society and new social world, how do they create it, and with what concrete contents do they connect the illusion about monolithic cultural, economic and political capital, the illusion which contributes to group formation and which serves as action orientation? As my research shows, immigrants try to disparage much of what appeared to them in the Soviet Union as normative, right and appropriate; now they often act by way of categories, which were defined in the previous context as "capitalist" and were interpreted as immoral. Without exact ideas or knowledge about behaviour codes, unspoken norms and silent values from the new society, many immigrants orient themselves towards the opposite of what was counted as morally proper in the origin society. Simultaneously they revive old system through the establishing and development of a Russian language enclave. Nevertheless this enclave is not located in a vacuum of "dusty" memories from the past, but build transnational cross-border space connected and corresponding to the processes of to-day's CIS and with the life of those relatives and friends who still live there, und with whom the emigrants share intensive social networks.
Der vorliegende Beitrag prüft, ob der „Sprachinsel“-Ansatz wirklich geeignet ist, das Problem „Realitätsbereich Deutsch als Minderheitensprache“ sachangemessen zu erkennen, zu erfassen, zu thematisieren, zu beschreiben, zu interpretieren und zu bewerten, indem er verdeutlicht, dass die Metapher der ‘Sprachinsel’ heute mindestens in zweifacher Hinsicht keinen optimalen Ordnungs- und Erklärungsansatz bereitstellen kann. Erstens, weil das derzeitige Kommunikationsprofil von Minderheitengemeinschaften und das aktuelle Gesicht dieser Sprachvarietäten nicht mehr durch eine insulare Abgeschiedenheit, sondern vielmehr durch Zwei- und Mehrsprachigkeit und Sprachen- bzw. Kulturenkontakte bestimmt werden. Zweitens, weil die sog. metaphorischen Konzepte bei der wissenschaftlichen Erkenntnis eine wesentliche Rolle spielen. Daher wäre ein Untersuchungsansatz produktiv, welcher der besonderen aktuellen Dynamik der für die Minderheiten meist charakteristischen mehrsprachigen bzw. mehrkulturigen Konfigurationen und den sprachlichen bzw. kulturellen Austauschprozessen explizit Rechnung trägt. In diesem Zusammenhang wird hier eine interkulturelle (oder transkulturelle) Linguistik als mögliches Paradigma vorgeschlagen.
Die performative Ästhetik der Stimmung entsteht mit der romantischen Verlagerung der Deutungshoheit von der Vernunft zur poiesis zu Kunst, Gefühl, Einbildungskraft, und entwickelt sich im transgressiven Zusammenspiel von Wissen und Poetik. Hauptmerkmale textueller "Stimmungs kunst" sind fingierte Oralität und Polyfokalität, die sowohl das enzyklopädische Schreiben als auch der Roman aufweisen. Das zeigen die polyphonen und selbstreflexiven Strukturen der Naturbeobachtung bei Novalis und der Betrachtung von Landschaftsmalerei bei Brentano, wo man im entreferenzialisierten Kunstwerk nach Appellstrukturen sucht. Im Kontext der Schriftzentriertheit entwerfen Die Lehrlinge zu Sais in Abgrenzung von Mimesis und Rhetorik Stimmungs szenarien, die orale (rhythmisch-klangliche), szenisch-dialogische und performative Komponenten der Dichtung privilegieren, welche auf die Darstellung eines befreienden Entgrenzungserlebens zielen. Die unbegriffliche Entgrenzungsdimension der Stimmung erweist sich als programmatischer Bestandteil des absoluten Ganzheitsanspruchs, dessen Erfüllung der kosmographische Roman als Kreuzung von mathesis und poiesis und "Mischung aller Dichtarten" (p. Schlegel) im Projekt der neuen Mythologie für sich beansprucht. Enzyklopädie und Roman konvergieren in der Darstellung des Universums, die bei Novalis in der erklärten Zwecklosigkeit der Fiktion ihr symbolisch strukturiertes Aufschreibesystem findet. Insbesondere die narrative Anarchie der Märchenerzählungen sublimiert die spekulative Poetisierung der Wissenschaften zur Affektspur, die das vielstimmige "ConfusionsSystem" des Novalis zur universalen Harmonie imaginärer Ideenparadiese hetaufstimmt. Da dies ohne mannigfache "Verabgründungen" wie Märchen, Höhlenerlebnisse, Träume, Visionen, Initiationen oder absolute Bücher nicht mehr möglich ist, wird der welterklärende Roman zum Theater des kosmischen Dramas.
Wenn wir eine Art Resümee versuchen, so könnte man folgendes sagen: 1. In einer ganz besonderen Weise, in der sich persönlicher Umgang und sachliche Themen vermischten, konnte Bertuch für Schiller in dessen ersten Weimarer Jahren eine wichtige Rolle spielen. Die durch Bertuch mögliche Beeinflussung des »Mercantilischen« hat nicht nur beträchtlichen Nutzen für Schiller gebracht, sondern auch sein Bewußtsein für die Probleme des literarischen Marktes geschärft. Mit wesentlich mehr Sachverstand konnte er in seinen künftigen Publikationsplänen, besonders bei den von ihm in den 90er Jahren herausgegebenen Periodica, also den Hören und dem Musenalmanach, die komplizierten Bedingungen des Marktes einschätzen und nutzen, wenn dies ihn auch nicht vor Illusionen und Enttäuschungen bewahrte. 2. Die Aktionen Bertuchs für Schiller bis zum Memoiren-Projekt Anfang der 90er Jahre erlauben einen lebendigen Einblick in eine Verlags- und Buchhandelslandschaft, die sich in einem faszinierenden, aber für alle Beteiligten schwierigen Entwicklungsprozeß befand. Persönliche Kontakte und Beziehungen sowie besonderes Verhandlungsgeschick spielten dabei noch eine größere Rolle als heute. Schiller respektierte ohne Zweifel diese besonderen Zusammenhänge, spricht er doch in seinem bereits zitierten Brief an Bertuch vom November 1784 bezeichnenderweise von Bertuchs »Zirkeln und Korrespondenten« und seinem daraus erwachsenden »Zusammenhang mit dem Publikum«. Bertuch erwies sich nicht zuletzt deshalb als nützlicher Partner Schillers, weil er mit diesen komplizierten Beziehungen souveräner als mancher Zeitgenosse umzugehen verstand. Wurde Bertuch auch nicht zum Verleger Schillers im strengen Sinne dieses Wortes, so gehören seine Aktionen für Schiller durchaus zum Thema »Schiller und seine Verleger«. Das bereits erwähnte vorzügliche neue Buch von Stephan Füssel zu diesem Thema könnte in dieser Hinsicht noch ergänzt werden. 3. Ordnet man die Beziehungen Schillers zu Bertuch generell in die Bilanz der ersten Weimarer Jahre von 1787 bis 1789 ein, so kann man ihnen einen doch recht beträchtlichen Stellenwert zubilligen. Neben den großen Zielen Schillers - wir haben diese Worte von »Größe, Hervorragung, Einfluß auf die Welt und Unsterblichkeit des Namens« eingangs zitiert - gibt es noch das reale, wenn man will alltäglich-banale Ziel, das Schiller gegenüber Körner im Januar 1788, genau in der Mitte seiner Weimarer Monate, so umschreibt: »Ich sehne mich nach einer bürgerlichen und häußlichen Existenz, und das ist das Einzige, was ich jezt noch hoffe«. Das für Schillers weiteren Weg eminent wichtige Ergebnis der ersten Weimarer Zeit ist die hart erarbeitete ideelle Position Schillers, seine schriftstellerischen Erfolge, die Anerkennung, die er sich zu erwerben begann. Doch kaum weniger wichtig erschien ihm die damit verbundene gesicherte »bürgerlichen Existenz«, - die »häußliche« wird 1790 durch die Heirat mit Charlotte von Lengefeld folgen. »Bürgerliche Existenz« bedeutet Existenzsicherung als freier Autor durch Erfolg im Publikum und somit die alles in allem gesicherte ökonomisch-finanzielle Lebensbasis. Mit dem, was Bertuch für Schiller tun konnte - ALZ und Allgemeine Sammlung historischer Memoires sind die wichtigsten Stichworte - hat er einen beträchtlichen Anteil an dieser Wende in Schillers schriftstellerischer Existenz wie in seinen realen Lebensbedingungen.
„Une école pour la joie d´apprendre“ lautet das Motto, mit dem das GTZ-Entwicklungshilfeprojekt „Projet Education de Base en 5e Région (PEB)“ in der 5. Verwaltungsregion von Mali, Westafrika, seit 2005 im Auftrag der Consulting ECOEducation, für seine Inhalte wirbt. Während Deutschland um seine schulmüden Jugendlichen kämpft, gibt es andere Orte auf der Welt, wo der „Hunger nach Bildung“ groß ist und viel Engagement in großen Teilen der Bevölkerung hervorruft. „In die Schule gehen“ ist oftmals ein Privileg, das nicht allen Kindern zuteil wird. Das übergeordnete Ziel des Grundbildungs-Projektes, mit dem sich diese Arbeit beschäftigt, lautet: „Eine größere Anzahl von schulfähigen Kindern hat Zugang zu einer qualitativ verbesserten Grundbildung innerhalb der Interventionszonen des Projektes“ (Ministere de l´Education national, Données du Projet Education Base, 2002)....
Das Gedicht "Die Künstler" eröffnet sozusagen Schillers theoretische Beschäftigung mit ästhetischen Fragestellungen, die ihrerseits die "klassische" Epoche seiner Kunstproduktion einleitet. Gerade wegen dieser Eingangsposition des Gedichtes und auch infolge einer späteren Behauptung von Schiller selbst, der im Nachhinein die ersten zehn Bogen seiner "ästhetischen Briefe" als eine philosophische Weiterführung des Gedichtes bezeichnete, hat man in ihm immer wieder nach Antizipationen der späteren ästhetischen Theorien gesucht. Solche Ermittlungen konnten jedoch höchstens zur Erkenntnis entweder ganz allgemeiner oder umgekehrt bloß punktueller Übereinstimmungen führen, da die Hauptgegenstände von Schillers späterer ästhetischer Reflexion über das Erhabene und die tragische Kunst, über die objektive Autonomie der Kunst und die "ästhetische Erziehung" oder schließlich über Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der Poesie der Antike und der Moderne, im Gedicht nicht thematisiert werden. Darüber hinaus bildet Schillers Studium der Kantschen Philosophie und insbesondere von dessen Kritik der Urteilskraft eine kaum zu überbrückende Wasserscheide, die die im Gedicht Die Künstler enthaltene Kunstauffassung von jener der späteren ästhetischen Überlegungen Schillers trennt, welche ausnahmslos von diesem Werk ausgehen und sich mit ihm auf verschiedene und zunehmend kritischere Art und Weise auseinandersetzen.
"Wie ein ungeheures Märchen" : Johann Caspar, Johann Wolfgang und August Goethe im Petersdom in Rom
(2006)
Die Baugeschichte des Petersdoms in Rom, wie er sich dem Blick des neuzeitlichen Betrachters darstellt, ist das Resultat eines großen Abbruchunternehmens ebenso wie eines gewaltigen Neubaus. Von „schöpferischer Zerstörung“ hat Horst Bredekamp mit Blick auf die Baugeschichte von Neu St. Peter in Rom seit 1506 gesprochen. Als Johann Wolfgang Goethe, den Spuren seines Vaters folgend, 1786 auf seiner „Hegire“ das antike Rom und den Petersdom erblickte und sich damit in die südliche Kunstwelt „initiiert“ fühlte, konnte er kaum einschätzen, dass sein Neubau der deutschen Litera-tursprache ein ähnlich gewaltiges und gewaltsames Abbruch- und Aufbauprojekt sein könnte, wie der sich über mehr als ein Jahrhundert erstreckende Neubau der Papstkirche in Rom. Die „römischen Glückstage“, deren Stimmung und Kunstgefühl sich Goethe noch 1829, bei der Edition des „Zweiten römischen Aufenthalts“, in die „kimmerischen“ Nächte des Nordens holte, versuchte sein Sohn August 1830 auch für sich zu reklamieren. Doch endete dessen zu spät unternommene Flucht in einer Tragödie. August von Goethe starb zehn Tage, nachdem er die Kuppel des Petersdoms im Glanz der Morgensonne gesehen hatte, an einem Schlaganfall in Rom. Von dem Schock, der ihn im November 1830 durch die Nachricht vom Tod des Sohnes ereilte, hat sich Johann Wolfgang Goethe nicht mehr erholt.
Modifiability by almost has been used as a test for the quantificational force of a DP without stating the meaning of almost explicitly. The aim of this paper is to give a semantics for almost applying across categories and to evaluate the validity of the almost test as a diagnosis for universal quantifiers. It is argued that almost is similar to other cross-categorial modifiers such as at least or exactly in referring to alternatives ordered on a scale. I propose that almost evaluates alternatives in which the modified expression is replaced by a value close by on the corresponding Horn scale. It is shown that a semantics for almost that refers to scalar alternatives derives the correct truth conditions for almost and explains selectional restrictions. At the same time, taking the semantics of almost seriously invalidates the almost test as a simple diagnosis for the nature of quantifiers.
Die spätantiken ,Disticha Catonis', von einem unbekannten Autor im 3./4. Jahrhundert verfasst, dienten seit karolingischer Zeit dem Unterricht in der gramatica. Dort hielten sie dem Lateinschüler sprachliches Anschauungsmaterial ebenso bereit wie, das war dem mittelalterlichen Trivialunterricht nicht minder wichtig, elementare Verhaltenslehre in leicht memorierbarer Form. So unterweisen die circa 140 Hexameterdistichen aus einer vulgärstoizistischen Grundhaltung heraus etwa im rechten Umgang mit Besitz, mit den eigenen Affekten, mit Leid und Tod, oder wie man sich Fremden, Freunden oder der eigenen Frau gegenüber verhalten soll. Der Bestand der Distichen wurde bereits in mehreren vorkarolingischen Redaktion auf vier Bücher verteilt und um Prosasentenzen (breves sententiae) vor Buch I und metrische Vorreden zu Buch II-IV erweitert. Eine das Werk eröffnende, knappe Prosavorrede (praefatio) ist einem sorgenden Vater in den Mund gelegt, der die Lehren seinem geliebten Sohn ans Herz legt.
Prostaglandin (PG) E2 (PGE2) plays a predominant role in promoting colorectal carcinogenesis. The biosynthesis of PGE2 is accomplished by conversion of the cyclooxygenase (COX) product PGH2 by several terminal prostaglandin E synthases (PGES). Among the known PGES isoforms, microsomal PGES type 1 (mPGES-1) and type 2 (mPGES-2) were found to be overexpressed in colorectal cancer (CRC); however, the role and regulation of these enzymes in this malignancy are not yet fully understood. Here, we report that the cyclopentenone prostaglandins (CyPGs) 15-deoxy-Δ12,14-PGJ2 and PGA2 downregulate mPGES-2 expression in the colorectal carcinoma cell lines Caco-2 and HCT 116 without affecting the expression of any other PGES or COX. Inhibition of mPGES-2 was subsequently followed by decreased microsomal PGES activity. These effects were mediated via modulation of the cellular thiol-disulfide redox status but did not involve activation of the peroxisome proliferator-activated receptor γ or PGD2 receptors. CyPGs had antiproliferative properties in vitro; however, this biological activity could not be directly attributed to decreased PGES activity because it could not be reversed by adding PGE2. Our data suggest that there is a feedback mechanism between PGE2 and CyPGs that implicates mPGES-2 as a new potential target for pharmacological intervention in CRC.
Stechmücken der Art Stegomyia aegypti (ehemals Aedes aegypti, REINERT et al. 2004) sind die wichtigsten Überträger von Gelbfieber- und Dengueviren. Diverse Arten der Gattung Anopheles verbreiten die Erreger der Malaria. Bei Versuchen, Malaria, Gelbfieber und Dengue einzudämmen, wurden in den letzten Jahrzehnten wiederholt Kampagnen gegen Stechmücken geführt. Dabei wurden Insektizide vielfach flächendeckend ausgebracht. Dies führte kurzfristig zu geringeren Mückendichten, allerdings entwickelten sich auch vielerorts gegen diese Gifte resistente Mückenpopulationen. Anstelle des flächendeckenden Gifteinsatzes wird heute versucht, die Insektizide örtlich und zeitlich effektiv einzusetzen, um so die Gefahr weiterer Resistenzbildung zu minimieren und sowohl die Kosten als auch die Belastung für Umwelt und Bevölkerung möglichst gering zu halten. Um Insektizide zur richtigen Zeit gezielt ausbringen zu können, ist ein Monitoring der Mücken erforderlich. Mückenfallen, die durch optische Effekte und Duftstoffe gezielt anthropophile Stechmückenarten anlocken, sind für ein derartiges Bestandsmonitoring besonders geeignet. Auf der Suche nach attraktiven Duftstoffen, welche die Effektivität solcher Fallen erhöhen, wurde unter anderem auch 2-Undecanon getestet. In Verhaltensversuchen mit den anthropophilen Mückenarten Stegomyia aegypti und Anopheles stephensi konnte die Attraktivität dieser Substanz sowohl als Einzelreiz als auch in Kombination mit anderen Attraktanzien gezeigt und quantifiziert werden.
Die vorliegende Studie thematisiert am Beispiel der Fließgewässerniederung der Drentse A, einem großflächigen Schutzgebiet im Nordosten der Niederlande, die Folgen einer langjährigen Heuwiesennutzung ohne Düngung. Im Einzelnen wurde von uns die Zusammensetzung der Vegetation und Bodenfauna auf fünf Grünlandflächen untersucht, die sich in der Dauer der Ausmagerung unterschieden. Getrennt betrachtet wurden dabei die bachnahen, moorigen Niederungsbereichen und die angrenzenden sandigen Geestbereiche. Die ausgewählten Grünlandflächen waren zum Zeitpunkt der Aufnahmen seit 5, 15, 25, und 32 Jahren gemäht aber nicht mehr gedüngt worden. Eine weitere, nach wie vor konventionell bewirtschaftete Wiesenfläche (incl. Düngung) diente als Kontrolle. Auf allen Flächen wurde die Vegetation und Regenwurmfauna in 10 Plots mit einer Größe von jeweils 4 m² bzw. 0.04 m² untersucht. Darüber hinaus wurden über 28 Jahre hinweg die Brutvögel des Gebietes mittels Revierkartierung erfasst. Die Pflanzenartendiversität hat sich mit Dauer der Ausmagerung signifikant erhöht. Sie stieg in den bachnahen Bereichen von 13 Arten in der Kontrollfläche (40 m²) auf 49 Arten in der am längsten ausgemagerten Grünlandfläche an. In den trockenen Geestbereichen war der Anstieg deutlich schwächer. Bezogen auf die Gesamtfläche von 40 m² wurden die meisten Arten hier in der 15 Jahre lang ausgemagerten Grünlandfläche gefunden, während bei Betrachtung der 4 m² großen Aufnahmepunkte die höchste Artenzahl ebenfalls in der ältesten Untersuchungsfläche lag. Die Diversität und Abundanz der Regenwürmer nahm mit Dauer der Ausmagerung ab. Die festgestellten Arten gehörten zu 4 Gattungen, wobei die Gattung Allolobophora am individuenreichsten vertreten war. Mit Dauer der Ausmagerung sank besonders im trockenen bachfernen Geestbereich der Boden-pH-Wert auf unter 3,8 ab. Die damit einhergehenden pessimalen Lebensbedingungen erklären hinreichend die geringe Diversität und Dichte von Regenwürmern in diesen Bereichen. An fast allen Standorten sank die Biomasse der Regenwürmer zum Sommer hin auf Werte unter 25 g/m², so dass für viele Limikolen zu dieser Zeit pessimale Ernährungsbedingungen bestehen. Die Zahl der Brutvogelarten war aufgrund des recht kleinen Untersuchungsgebietes insgesamt gering. Dennoch konnten auffallende Veränderungen in der Brutvogelgemeinschaft beobachtet werden. Während Limikolen wie Kiebitz (Vanellus vanellus) und Uferschnepfe (Limosa limosa) vollständig aus dem Gebiet verschwanden, wanderten der Große Brachvogel und die Bekassine ein. Allerdings sind auch sie aktuell nur noch selten im Gebiet vertreten. Dafür hat sich inzwischen das Schwarzkehlchen (Saxicola torquata) als Brutvogel eingestellt – möglicherweise eine Folge der sich ändernden Grünlandvegetation (hier: Zunahme von Pflanzenarten, die als Ansitzwarten fungieren können wie etwa Cirsium palustre) in Kombination mit einem verbesserten Nahrungsangebot an Makroinvertebraten. Eingewandert sind zwischenzeitlich auch eine Reihe weiterer Vogelarten, wie Pirol (Oriolus oriolus) und Kleinspecht (Dendrocopos minor), die charakteristisch für sich entwickelnde Bruchwälder sind. Letztere haben sich, meist kleinflächig, auf ehemaligen Feuchtgrünlandstandorten entwickelt.
In the paper by Bolte [Acta Cryst. (2006), E62, m1609-m1610], the chemical name in the title and the chemical diagram are incorrect. The correct title is {5-[4'-(2,2,5,5-Tetramethyl-3-pyrroline-1-oxyl-3-carbonyloxy)biphenyl-4-ylethynyl]-2,3,7,8,12,13,17,18-octaethylporphyrinato}copper(II) benzene solvate' and the correct diagram is given below.
Die Arbeitsgruppe Vegetationsdatenbanken trifft sich seit 2002 jährlich zu bundesweiten Workshops, die vom Bundesamt für Naturschutz gefördert werden. Über einen E-Mail-Verteiler, der derzeit 190 Adressen in Deutschland und angrenzenden Ländern umfasst, wird regelmäßig über einschlägige Aktivitäten informiert. Das 5. Arbeitstreffen fand vom 22.-24. Februar 2006 auf Einladung von Martin Diekmann und Maike Isermann an der Universität Bremen, Arbeitsgruppe für Vegetationsökologie und Naturschutzbiologie, statt, und wurde von 57 Teilnehmerinnen aus Deutschland, der Tschechischen Republik, Großbritannien, den Niederlanden, der Schweiz, Österreich und Frankreich besucht.
In einem an Anfänger wie Fortgeschrittene gerichteten JUICE-(Teil-)Workshop gab Lubomir Tichy einen umfassenden Überblick über die Anwendungsmöglichkeiten zu dem von ihm entwickelten Programm. Grundlegende und weiterführende Auswertungsverfahren wurden präsentiert und gleichzeitig von den Teilnehmerinnen am eigenen Notebook ausprobiert.
Westlich von Beverungen erstreckt sich entlang der alten Straße nach Drenke das Naturschutzgebiet "Wandelnsberg". Es umfasst Teile des eigentlichen Wandelnsbergs sowie den sich nordwestlich anschließenden Nullenberg. Beide sind Erhebungen des unteren Muschelkalks, die im Norden steil zum Springtal und zum Siedlungsrand von Beverungen abfallen und auf der Kuppe des Wandelnsberges eine Höhe von 255 m ü.NN erreichen. In süd- und südwestliche Richtung schließen sich größere Waldgebiete an. Mit 105 ha Größe war das Gebiet bis Ende der 1980er Jahre die größte Naturschutzfläche im Kreis Höxter. Der anfangs des 20. Jahrhunderts weitgehend waldfreie und mit orchideen- und wacholderreichen Schaftriften bedeckte Wandelnsberg, ist heute ein sehr abwechslungsreicher Komplex aus Wald, Gebüschen, Grünland und randlichen Ackerflächen.
In einem modernen Staat finden immer wieder Gedenkveranstaltungen unterschiedlichster Art statt. Man will sich schöner und weniger schöner, beglückender und traumatischer Ereignisse erinnern, um daraus sich selbst und der Welt ein Wir- Gefühl und ein Selbstbild zu präsentieren. In diesem Sinn wurden am 8. Mai 1985 und am 8. Mai 2005 Gedenkveranstaltungen im Plenarsaal des Deutschen Bundestages abgehalten; Hauptredner waren die jeweiligen Bundespräsidenten, 1985 Richard von Weizsäcker, 2005 Horst Köhler. Beide Reden - sie werden Gegenstand der nachfolgenden Analysen und Interpretationen sein - sind heute im Internet leicht abrufbar: Die Rede von Weizsäckers habe ich von der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung, die Rede Köhlers vom Internetauftritt des Bundespräsidialamtes bezogen. Die beiden Texte, die mir in dieser Form zugänglich wurden, werde ich nun beschreiben.
... This year's Scientific Symposium of the University Library is already number six in the row. It was again prepared and organised like some of the previous conferences together with our North American partners. This means that a continuous specialists’ discussion and a professional partnership have been already installed. All librarians and information managers are invited to learn more about the results of this cooperation every year when it's time for the next Symposium during Frankfurt Book Fair. ...
[Jahresbericht 2006] Katholische Theologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
(2006)
Rezension zu Andrea Allerkamp: Anruf; Adresse, Appell. Figurationen der Kommunikation in Philosophie und Literatur. Bielefeld (transeript) 2005. 383 S.
Mit ihrer Habilschrift verfolgt Andrea Allerkamp ein dreifaches Anliegen: die Aufschlüsselung von Anruf, Adresse und Appell als rhetorischer Figuren (9-11), die Ausweisung eines durch diese Figuren aufgemachten ethisch-politischen Szenarios (15-17, 31-41) sowie die Rückwendung der Problemstellung auf Methoden und Strategien der Wissenschaft von der Literatur (347-350). Anhand so unterschiedlicher philosophischer und literarischer Texte wie denen von Augustinus, Dante, Angelus Silesius, Hölderlin, Kierkegaard, Mallarmé, Rosenzweig, Kafka, Benjamin und Delbo unternimmt Allerkamp ein stets materialreiches close reading.
Rezension zu Andrea Hübener: Kreisler in Frankreich. E. T.A. Hoffmann und die französischen Romantiker. Heidelberg (Winter) 2004. 395 S.
Die zu besprechende, von der Technischen Universität Berlin angenommene Dissertation geht Hoffmanns Einfluß auf den 'Romantisme' nach und bezieht dabei Bildende Kunst und Musik mit ein, was sich bei einem Dichter, der ganz im Sinne der nach einer Synthese der Künste strebenden romantischen Bewegung auch komponierte und zeichnete, geradezu anbietet. Beabsichtigt ist also ein vergleichendes und explizit interdisziplinäres Vorgehen.
Rezension zu Annette Simonis: Grenzüberschreitungen in der phantastischen Literatur. Einführung in die Theorie und Geschichte eines narrativen Genres. Heidelberg (Winter) 2005. 312 S.
Annette Simonis macht in ihrem Einführungsbuch die kulturwissenschaftliche Modellierung des rituellen Übergangs für das Verständnis phantastischer Literatur fruchtbar. Deutlich ist dabei allerdings von Anfang an, dass es nicht darum gehen kann, phantastische Werke als bloße Illustrationen kulturwissenschaftlicher Thesen zu verstehen, sondern vielmehr darum, ein bereitgestelltes Modell in den Dienst genuin literaturhermeneutischer Interessen zu nehmen.
"Die Friedens- und Konfliktforschung aus der Perspektive der jüngeren Generationen" zu betrachten, ist Anliegen des zweiten Bandes zur "Zukunft des Friedens". Bereits der erste Band ging aus einer Tagung hervor, auf der "Erkenntnisse und Perspektiven der Friedens- und Konfliktforschung" reflektiert wurden. ...
Rezension zu Barbara Naumann u. Edgar Pankow (Hg.): Bilder-Denken. Bildlichkeit und Argumentation. München (Wilhelm Fink) 2004. 307 S.
Das Denk-Bild ist mittlerweile ein geradezu klassischer Topos der Kulturwissenschaften. Dem vorliegenden Band geht es aber nicht vorrangig um die Benjamin'sche Figur eines dialektischen Bildes. Vielmehr wird der Frage nach einer eigenständigen Denkweise der Bilder und des Bildlichen in philosophischer, kultur-, kunst-, literatur- und medienwissenschaftlicher Perspektive nachgegangen.
Celia Applegates neues Buch erzählt die Vorgeschichte eines überdeterminierten Ereignisses: der Aufführung einer gekürzten Version von J. S. Bachs Matthäus-Passion in Berlin 1829. Das Ereignis hatte viele (mögliche) Bedeutungen. Biografisch markierte es den Durchbruch Felix Mendelssohn Bartholdys als ernsthafter Akteur auf der Berliner, deutschen (und internationalen?) musikalischen Bühne. Musikalisch brachte es die Wiederentdeckung Bachs als Vokalkomponist, auf die eine bis 1833 andauernde Aufführungswelle und Neueditionen folgten. Allgemeinhistorisch könnte man argumentieren, dass Bach 1829 zum 'deutschen Erinnerungsort' wurde, der künftig eine Ikone des deutschen Kulturnationalismus, in dem die Musik bekanntlich eine Schlüsselrolle spielte, darstellte. Applegate geht es dagegen vorwiegend darum, 1829 als Endpunkt darzustellen: die Aufführung brauchte "einen Saal, eine Partitur, Sänger, Instrumentalisten, einen Dirigenten, ein Publikum" (173) - warum kamen die ausgerechnet 1829 zusammen? Sie schildert fünf Entwicklungsstränge, die in Berlin zusammenliefen. Mendelssohn Bartholdy konnte sich durch das relativ risikofreie Experiment einer Aufführung historischer Musik 1829 - nach einer gescheiterten Opernpremiere, einer Reise nach Paris und einer Wanderung durch Deutschland - in einer besonderen Weise präsentieren: als Experte für nationale, respektable, religiöse Musik. Letztlich bleibt aber auch nach Applegates Recherchen offen, welchen genauen Anteil an der Konzertplanung Mendelssohn, Carl Friedrich Zelter und Eduard Devrient hatten. Zweiter Punkt: die allmähliche Erhebung der Musik von einer Quelle bloßer, schwer analysierbarer und national unspezifischer Unterhaltung zu einer ästhetischen Form des Ausdrucks, der Kommunikation und Artikulation nationaler Besonderheit fand in philosophischen Debatten vor allem um und nach 1800 statt. Drittens profitierte die Aufführung von einer wachsenden, protestantisch geprägten, nord- und mitteldeutschen Musikpresse. Vor allem Adolf Bernhard Marx und seine Berliner Allgemeine Musikalische Zeitung veranstalteten zugunsten Bachs und des Berliner Konzerts eine regelrechte publicity-Kampagne, der es auch darum ging, dem Publikum die wahre Bedeutung des Stückes (und die 'richtige' emotionale Reaktion) nahe zu bringen. Der Chor, der in Berlin auftrat, bestand aus Männern und Frauen. Das war zwar musikalisch nicht völlig neu, aber bei Aufführungen von Kirchenmusik hatte es das bislang nicht gegeben. Entscheidend war, dass es ein besonderer Chor war: eine Ansammlung musikalischer Laien in der Berliner Singakademie, die selten öffentlich auftraten und somit in doppelter Hinsicht einen Gegenpol zu weiterhin unter einem gewissen Prostitutionsverdacht stehenden weiblichen 'Bühnen-Profis' bildeten. Schließlich hatte die mit den preußischen Kirchenwirren verbundene Krise der protestantischen Kirchenmusik Bach im Besonderen und Kirchenmusik im Allgemeinen für eine säkulare (oder doch zumindest säkularere) Verwendung freigegeben, die zugleich erlaubte, Bach konfessionell zu delokalisieren und auch für ein katholisches deutsches Publikum annehmbar zu machen. Das elegant geschriebene Buch liefert einen sehr bemerkens- und bedenkenswerten Beitrag zur Musik-, Kultur- und Nationalismusgeschichte des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts in Deutschland. Mäkeln kann man natürlich immer: etwa, indem man fragen würde, ob der Rückgriff auf Mack Walkers eher statisches Bild der deutschen Gesellschaft (vgl. 61, 67) wirklich besser zu Applegates Interpretation passt als neuere Portraits einer dynamischeren, mobileren Gesellschaft [1], oder ob nicht auch der Blick auf nationale Vorstellungen um 1800 ein weniger stärker hätte differenziert werden können. Das ändert freilich nichts daran, dass man selten ein so kluges, spannendes, konzises und wohlproportioniertes Buch lesen wird. Anmerkung: [1] Vgl. Theodore Ziolkowski: Berlin. Aufstieg einer Kulturmetropole um 1810, Stuttgart 2002; Helga Schultz: Das ehrbare Handwerk: Zunftleben im alten Berlin zur Zeit des Absolutismus, Weimar 1993; Lothar Gall: Bürgertum in Deutschland, Berlin 1989.
Rezension zu Christian Moser: Kannibalische Katharsis. Literarische und filmische Inszenierungen der Anthropophagie von James Cook bis Bret Easton Ellis. Bielefeld (Aisthesis) 2005. 124 S.
Die Idee des Kannibalismus besetzt in der westlichen Vorstellungswelt eine bizarre Position zwischen ethnologischem Forschungsgegenstand, xenophobem Abgrenzungsphantasma und unerträglichem Tabu-, wenn nicht Zivilisationsbruch. Die viszerale Faszination des Menschen für das Menschenfressen spiegelt sich nicht nur im regen multidisziplinären Interesse der Wissenschaften für die Anthropophagie wider. Reale Einzelfälle wie derjenige des Armin Meiwes entfesseln weltweit Boulevard-Exzesse, Serienmörder mit kannibalischen Methoden - fiktionale ebenso wie ihre wirklichen Vorbilder - genießen in der Pop-Kultur ikonischen Status. Das unerschöpfliche Faszinationspotential des Kannibalismus hält einen munteren wissenschaftlichen Diskurs am Leben, dem Christian Moser mit seinem Essay eine disziplinenübergreifende Meta-Betrachtung hinzufügt.
Rezension zu Claudio Guillén: Entre lo uno y lo diverso. Introducción a la Literatura Comparada (Ayer y hoy). Barcelona (Tusquets) 2005.499 S.
Man darf sagen, dass das vorliegende Buch des spanischen Komparatisten Claudio Guillén, gewissermaßen der Klassiker der 'literatura comparada', eine Seltenheit darstellt, insofern es 500 Seiten umfasst, und erst recht, insofern es nun in neuer Auflage präsentiert wird.
Rezension zu Dieter Lamping u. Frank Zipfel: Was sollen Komparatisten lesen? Berlin (Erich Schmidt) 2005. 90 S.
Ein speziell auf die Vergleichende Literaturwissenschaft zugeschnittener Kanon darf sich keinesfalls in der unkritischen Übernahme der für ihre Verkehrssprachen bereits erstellten, im gleichen Verlag erschienenen Lektüre-Empfehlungen erschöpfen, sondern muß anderen Anforderungen genügen: Gemäß dem der Disziplin eigenen Selbstverständnis heißt es, einen Kanon zu konstruieren, der, auf die Beziehungen zwischen den einzelnen Nationalliteraturen ausgerichtet, unweigerlich den Begriff der Weltliteratur berührt. Der vorliegende Band leistet demnach, obwohl auch als Leitfaden für das Studium der Komparatistik nutzbar, einen nicht geringen Beitrag zu der unweigerlich grundsätzliche Fragen anschneidenden Kanondiskussion.
Douglas G. Morris's excellent book poses a broad question: what happened to the rule of law in Germany after 1919? How severe was the collapse of judicial impartiality and competence? Can one doubt whether the Weimar Republic ever qualified as a republic, "if a necessary part of a republic is a judiciary committed to democratic ideals and impartial justice" (p. 1)? That there was a collapse in judicial impartiality is hardly in doubt. As early as 1922, Emil Julius Gumbel provided statistical proof: between late 1918 and summer 1922, a total of 354 political murders committed by perpetrators affiliated with the political right had been punished with one life sentence plus 90 years and 2 months imprisonment; in 326 cases, there had been no punishment at all. By contrast, the 22 murders committed by left-wing sympathizers in the same period had been punished with 10 death sentences, 3 life sentences and 248 years and 9 months imprisonment; only 4 perpetrators escaped (p. 1). To be sure, this statistic may indicate more about the political leanings of police officials and prosecutors investigating cases than of judges who rule on the evidence put before them, but the divergence in sentencing remains remarkable. Morris reformulates this insight to ask how Germany's judges, trained to apply the law in an impartial and technically correct manner, could become raving political partisans willing to twist the law in favor of a particular political position. He does not seek to provide a comprehensive answer, but focuses on cases which involved Max Hirschberg, a Jewish attorney who practiced in Munich from 1911 to 1934, when he escaped to Italy. Hirschberg moved on to the United States in 1939, where he died in 1964. Hirschberg was not only involved in the major political trials of the day in 1920s and early 1930s Munich, but also developed a systematic interest in judicial error, which culminated in a major work on Das Fehlurteil im Strafprozeß, published in 1960. Morris is interested primarily in how trials were conducted. This in-depth analysis is divided into three blocks: political trials in 1922 and 1925, when Germany's war guilt and the causes of defeat were treated in libel suits and criminal prosecutions; non-political cases in which Hirschberg succeeded in having judicial errors reversed; finally, political cases linked with the rise of the Nazi party from 1926. In each case, Morris offers a clear exposition of the facts and substantial as well as legal issues in the case, a step-by-step analysis of trials and appeals processes, and an evaluation of the outcome. The main lines of argument which emerge from these analyses are, first, that some problems were peculiar to Bavaria. The main issue was the existence of people's courts, introduced during Bavaria's brief socialist phase to provide swift justice. The people's courts did not just increase judges' freedom of action by abolishing procedural safeguards, but also protected judges from professional scrutiny and criticism because there were to be no appeals. One of Hirschberg's major victories in the cases of the early 1920s was successful lobbying for their reintroduction. Second, Munich's judges may have been particularly traumatized by the brief revolutionary episode (and by the political preferences of Bavaria's ministries, which were systematically anti-Republican); moreover, they were called upon to decide a stream of political trials, some of which--notably libel trials--effectively sought the impossible, namely a definitive judicial ruling on the validity of a certain interpretation of history or a personal political position. Third, in spite of significant personal variations in style and substance, even after the reintroduction of appeals judges tended to use their freedom of maneuver in an anti-left-wing (which implicitly meant pro-National Socialist) sense. However, until 1933, this state of affairs did not challenge the ties which bound the profession. The Bavarian ministry of justice failed in its attempts to have Hirschberg disbarred in the early 1920s. Even when Hirschberg was released from so-called protective custody in 1934, most of his colleagues rallied round the decorated war veteran, allowing him to retain an access to the court building that was denied most Jewish attorneys. Finally, the problems of the justice system affected non-political cases as well, which may have deepened distrust of Republican institutions. The meticulously researched book benefits immensely from its author's experience as a practicing attorney familiar with courtroom drama and legal technicalities, which are vividly recreated and succinctly explained. The focus on Hirschberg illustrates both the immense obstacles a defense attorney faced and the victories an exceptionally gifted attorney could still win. Even though the courtroom perspective disregards some of the motivations which have their roots outside court--be it the social structure of and career perspectives in Munich's legal profession or political pressures on judges--these are not the main focus of Morris's research. Finally, one could argue about the optimist portrayal of pre-1918 German justice in politically sensitive cases. The clear focus on Weimar trials ensures that the book is no biography. Although Morris includes brief chapters on Hirschberg's youth and his years in exile, not much information is offered on Hirschberg's private life, the economics of his legal practice or his time in exile. But this decision does not diminish Morris's achievement in providing a fascinating insight into the workings of Weimar justice.
The volume consists of eight essays with a precise focus: the study of the "dynamics of social exclusion" as reflected in data available for 1994 to 1996, when a detailed survey of a sample of households in EU countries, the "European Community Households Panel," was conducted. On the basis of these data, the authors document the extent and prevalence of poverty generally and specifically in regard to particular risk groups defined in terms of age, health and personal circumstances (young adults, lone parents, people with sickness or disability and retirees).[1] The analysis was carried out for five countries: Austria, Germany, Greece, Portugal and the United Kingdom, which were taken to be representative of the extremes of EU membership: north and south; wealthy and poor; large and small. The essays discuss income poverty (measured as incomes at 40, 50 or 60 percent of median incomes) as well as housing problems, access to basic necessities like food and utilities, access to consumer durables and social interactions. The essays document not only that the extent of poverty varies between countries--a well-known fact--but also that its causes and effects continue to differ even in an increasingly united western Europe. Austria had the lowest proportion of the population in poor households (17 percent--compared to 18 percent in Germany, 21 percent in the United Kingdom and Greece, and 24 percent in Portugal). While sickness and disability were likely to impoverish individuals in all the countries studied, this was particularly true of Austria, Germany and the United Kingdom (that is, northern Europe); retirement was more likely to result in income poverty in the south. The north-south divide was less relevant for parents; single income households with children were particularly likely to suffer from income poverty in the United Kingdom, Germany and Portugal. Poverty was more likely to be persistent than merely a brief phase in the life cycle. Persistence rates of income poverty were around 80 percent in Greece and Britain, above 70 percent in Portugal and above 60 percent in Germany and Austria. But the effects were rather different. In the United Kingdom, high persistence rates of income poverty coincided with low persistence rates (34 percent) of amenities deprivation, whereas the persistence of necessities deprivation was relatively low in Greece at 39 percent. The volume was conceived as a contribution to policy decision-making in the aftermath of the 2000 Lisbon Declaration, which focused (among other things) on poverty and encouraged member states to set more concrete targets for dealing with social exclusion. Some member states did so; Britain, for example--a country where income poverty was particularly likely to result in deprivation of basic necessities--vowed to abolish "poverty" by 2020. The volume is a treasure-trove of data and empirical analysis; it makes essential, though at times rather trying, reading for anyone interested in the extent of social exclusion, and the likelihood of falling into or escaping from it. It also provides ample proof--if any were needed--that governments seeking to combat social exclusion have to set different priorities, because they are not attacking the same phenomenon. Unfortunately, the empirical as well as the more conceptual contributions reveal some of the approach's and the book's shortcomings.[2] The book's very advantage--providing a precise research agenda--is also a drawback. With its focus on three years, and on the life-cycle rather than more stable factors such as ethnicity, occupation or regional origin, the volume presents a particular image of the risk (and duration) of deprivation, which may be more or less comprehensive for different countries. The narrow temporal focus makes one wonder whether measuring poverty's "persistence" of poverty makes much sense for such a relatively short time. Such doubt is enhanced when considering some of the oddities in the results: how did households that remained poor in the United Kingdom manage to get their hands on consumer durables? (The same question could be asked for the sudden increase in access to necessities in Greek households.) Illustrating the empirical findings with more concrete examples would have been helpful, particularly when they are counterintuitive, for instance the statement that patterns of poverty in eastern and western Germany were converging in spite of the continuing divergence in unemployment patterns. Another question--admittedly suggested by events of the last several years--is whether ethnicity, regional origins or occupations are not more important in determining the extent and duration of social exclusion than life cycle. These factors were not, and partly could not be, measured on the basis of the data used, but have moved to the center of policy debates today. This matter relates to another issue the book does not address: who is to blame for poverty, and what roles have governments and the European Union assumed in determining poverty patterns and trends? Have past policy choices--for instance, cutting benefits; increasing "flexibility" in labor markets; encouraging the emigration of jobs (such things the European Union is frequently accused of doing)--made a difference? Is combating poverty a serious policy agenda, or merely window-dressing to make the "reforms" that were key to the Lisbon agenda for modernizing the EU more palatable? Europe seems to be facing an internal contradiction between the agenda of competition and privatization (which results in higher access costs to essential services for "low value" customers) and the agenda of abolishing poverty. This contradiction is partly sustained by U.K. data. Which element is and should be more important to the European Union or national governments is hotly debated, but of course serious contributions to the debate require a comprehensive review of the present state of affairs through the type of careful studies of which this volume is an excellent example.
Im Mittelpunkt der Darstellung stehen zwei Angehörige der Familie Clough. Anne Jemima (Annie) Clough wurde 1820 in Charleston, North Carolina, geboren und starb 1892 im englischen Cambridge. Ihre Nichte Blanche Athena (Thena) Clough kam 1861 in Derbyshire auf die Welt und starb 1960 in London - das erklärt Anfangs- und Enddatum des Untertitels. Die Geschichte, die Gillian Sutherland in dieser lebendigen und materialreichen Familienbiografie erzählt, hat zwei Fluchtpunkte. Das Schicksal der Cloughs ist eng verflochten mit der Geschichte von Newnham College, Cambridge, wo Sutherland lehrt. Zudem geht es der Autorin um das Verhältnis zwischen bildungsbürgerlichen Berufen und 'gentility', d. h. einem finanziell abgesicherten und nach den Maßstäben der englischen Oberschicht respektablen Lebensstil. Annie Clough war die Tochter eines Kaufmanns, der mehrfach bei dem Versuch scheiterte, von Amerika oder England aus im Fernhandel oder Finanzwesen, vor allem im Handel mit Baumwolle, sein Glück zu machen und ein respektables Vermögen zu erwerben. Die Übersiedlung der Familie nach Amerika war Ausdruck der Hoffnung auf das Potenzial des Baumwollmarktes; die Rückkehr nach Liverpool ein erster Ausdruck des Scheiterns. Aber während die Bank von Annies Großvater nur einmal in Konkurs ging und mittelfristig alle Schulden tilgen konnte, machte das Handelshaus ihres Vaters zweimal bankrott. Die Notwendigkeit, zum Unterhalt der Familie beizutragen, brachte Annies Bruder, den in Oxford als Theologen ausgebildeten, Spezialisten als Dichter bekannten Arthur Clough dazu, sich zunächst als Vorsteher eines Studentenwohnheims des Londoner University College, dann als Beamter im 'Erziehungsministerium' zu versuchen - beides letztlich mit mäßigem Erfolg. Das lag freilich auch daran, dass Clough, den die Debatten im Umkreis des Oxford Movement zum Atheisten hatten werden lassen, als Lehrer in einem noch weitgehend theologisch geprägten Umfeld nur schwer tragbar schien; eine akademische Karriere in Oxford blieb ihm ebenso verschlossen wie die Aussicht auf eine Pfarrei. Annie Clough wählte ebenfalls den Weg in den Bildungsbereich. Freilich fehlte ihr eine formale Ausbildung, die über den Schulbesuch selbst hinausgegangen wäre. Mithin waren auch ihre Unternehmungen als Lehrerin und Schulleiterin eher provisorischer Natur; dazu kam der frühe Tod des Bruders und das Bedürfnis, mit für dessen Kinder zu sorgen. Annie Clough engagierte sich somit aus Überzeugung, aber auch aus ökonomischem Interesse für einen Ausbau der Frauenbildung. 1871 wurde sie Vorsteherin eines vor allem auf Betreiben Henry Sidgwicks gegründeten Wohnhauses für bildungswillige Frauen in Cambridge. Die Universität hatte soeben Vorlesungen für weibliches Publikum geöffnet und damit eine Kernforderung der akademischen Frauenbewegung erfüllt. Ähnliche Vorlesungen wurden bereits in anderen Teilen Englands angeboten. In Cambridge ergab sich aber das Problem, dass in der Stadt keine geeigneten Unterkünfte für alleinstehende Damen zur Verfügung standen. Das spätere Girton College befand sich damals noch in Hitchin; das Cambridger Modell sah zudem vor, dass Frauen ganze Vorlesungszyklen besuchen sollten, die sich vorwiegend an männliche Studenten "in residence" richteten, was wiederum die Begleitung durch eine Anstandsdame erforderte. 1875 wurde aus dem zunächst fünf Damen beherbergenden Wohnheim Newnham Hall, 1879 Newnham College, nach Girton das zweite Frauencollege der Universität. Die Autodidaktin Clough wurde von einer quasi-Hausdame zum College Principal. Auf diesem Posten folgte ihr Thena Clough, die zu den ersten Newnham Studentinnen gehört hatte. Der zweite Teil des Buches kreist um die Funktionsweise des Colleges, den langen Kampf um die Zulassung von Frauen zu Universitätsexamen und das intellektuelle Milieu Newnhams, ohne doch ganz zur breiten College Geschichte zu werden. So gerät freilich die These aus dem Blick, bildungsbürgerliche Aktivitäten seien finanzielle Rettungsanker der englischen Oberschicht gewesen, die es erlaubten, ohne großen Aufwand einen respektablen Lebensstil zu sichern (2 f.), der normalerweise auf Handelskapital oder Landbesitz gegründet gewesen wäre. Im Falle der männlichen Cloughs mag das so gewesen sein (auch Thenas Bruder machte eine eher wenig distinguierte Karriere im civil service), bei den Frauen der Familie wird aber bereits deutlich, dass die These kaum verallgemeinerbar ist. Zudem fehlen systematische und detaillierte Angaben zum Einkommen der Cloughs; über weite Strecken scheint ein Rest von Familienvermögen und ein dichtes Verwandtschaftsnetzwerk wichtiger gewesen zu sein als der Beruf. "The Power of Mind" passt da - auch mit Blick auf Annie Cloughs angeheiratete Cousine Florence Nightingale und andere Angehörige des weiteren Bekanntenkreises - als Erklärungsmodell schon besser.
Rezension zu Guido Hiß: Synthetische Visionen. Theater als Gesamtkunstwerk von 1800 bis 2000. München (epodium) 2005 (= aesthetica theatralia, Bd. 1).319 S.
Guido Hiß, Professor für Theaterwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum, ist nicht nur Theaterwissenschaftlern mit seinen Arbeiten zur Aufführungsanalyse und zu medienspezifischen Fragestellungen ein Begriff. Mit dem vorliegenden Werk liefert er einen historisch ausgerichteten Theorie-Querschnitt über 'Synthetische Visionen. Theater als Gesamtkunstwerk von 1800 bis 2000'. Dieses Sujet ist zwar schon in verschiedenen epochengebundenen Einzelstudien untersucht worden, einen umfassenden zeit- und theoriegeschichtlichen Ansatz suchte man bislang jedoch vergebens.
Rezension zu Helene Barriere u. Nathalie Peyrebonne (Hg.): L'ivresse dans taus ses états en littérature. Arras (Artois Presses Universite) 2004. 352 S.
Hinter dem französischen 'ivresse' schwanken die deutschen Pendants zwischen 'Trunkenheit' und 'Betrunkensein'; entsprechend staffelt sich die Spannbreite der 22 Beiträge einer Tagung, die im November 2001 in Arras stattfand.
Rezension zu Herwig Gottwald u. Holger Klein (Hg.): Konzepte der Metamorphose in den Geisteswissenschaften. Heidelberg (Winter) 2005. 183 S.
Unter dem Leitwort 'Metamorphosen' steht die Arbeit einer Gruppe von Geisteswissenschaftlern an der Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg; verbindendes Anliegen ist die Idee "den Begriff der Metamorphose unter verschiedenen, zum Teil gegensätzlichen theoretischen und einzelwissenschaftlichen Perspektiven zu beleuchten und für geisteswissenschaftliche Untersuchungen epistemisch fruchtbar zu machen", wie Herwig Gottwald und Holger Klein erläutern (Vorwort, unpag.). Es geht also darum, über interdisziplinär verbindende Einzelthemen und -gegenstände hinaus eine Operationsbasis zu finden - respektive zu schaffen -, auf der sich die Erkenntnisinteressen verschiedener Disziplinen als analog erweisen könnten.
The articles in this volume represent anthropological approaches to the study of external and internal boundaries in Europe. The authors raise fascinating methodological and empirical questions by approaching European societies from the perspective of a discipline usually working on the basis of greater cultural distance between scholars and the objects of their research. Moreover, the volume tackles a subject usually understood as a political project and a political problem, E.U. Europe, in an original non-political-science perspective. The volume's case studies are all based on bottom-up views of Europe, with fieldwork the methodology of choice. The first articles focus on institutions. Cris Shore and Daniela Baratieri's article focuses on the ambivalent results of attempts by European schools, which cater mainly to Eurocrats in Brussels and Luxemburg, to replace nationalism with a sense of European identity or nationhood, while Gregory Feldman discusses Estonian programs for the integration of Russian-speakers and Davide Però addresses the position of Italy's left-wing parties and public to the "new immigration." While these essays argue that "Europe" may not be as destructive to national (institutional) boundaries or the nation state as is often supposed, the next block of articles tackles migration across boundaries in a more conventional perspective, focusing on particular immigrant groups. Helen Kopnina discusses Russians in London and Amsterdam, while Christina Moutsou focuses upon immigrants in Brussels and Jacqueline Waldren examines Bosnians in Mallorca. To me, the case study of Turkish migrants in West Berlin by Sabine Mannitz is particularly intriguing, because it uses the peculiar experience of a lesson on Jews' fate in the Holocaust in which the teacher cast immigrants as permanent outsiders in Germany to explore pupils' sense of boundaries, and the East-German West-German divide appeared to loom much larger for immigrants than that between foreigners and Germans. The last section focuses on concrete and contested boundaries in European states and towns: William F. Kelleher, Jr. discusses Northern Ireland, Greek towns are the focus of Venetia Evergeti and Eleftheria Deltsou's article and South Tyrol is examined by Jaro Stacul. The volume makes for diverse and diversifying reading, and can only be highly recommended to anyone interested in innovative perspectives on the fate of the European project.
Rezension zu Jochen Hörisch: Theorie-Apotheke. Eine Handreichung zu den humanwissenschaftlichen Theorien der letzten fünfzig Jahre, einschließlich ihrer Risiken und Nebenwirkungen. Frankfurt am Main (Eichborn) 2004. 323 S.
Angesichts der wirren Zeitläufte mit ihrer Neigung zur umgesetzten Dystopie diagnostiziert der Verf., Professor für Literatur- und Medienwissenschaften an der Universität Mannheim, ein "fragiles Comeback des Prestiges von humanwissenschaftlichen Theorien " (317), mithin ein auch bei den Humanwissenschaftlern grassierendes Bedürfnis nach Sicherheit, Sinn und kohärenter Ordnung. Ihnen und allen interessierten Laien bietet er nun eine 'Handreichung', so der gewiß nicht ironisch gemeinte Untertitel, ein Hilfsmittel, halb Lexikon, halb Vademecum für den wissenschaftlichen Alltag bzw. den Hausgebrauch. Darin will der Verf. "Grundzüge, Grundgesten und Grundbegriffe derjenigen Theorien vorstellen und prüfen, die in den letzten fünfzig Jahren das Sagen hatten und zum Widerspruch reizten." Gleichzeitig ersteht hinter dieser Theorie-Landschaft ein wissenschaftshistorisches und, mittelbar, ein geisteswissenschaftliches Panorama der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts samt allen Krisen und Irrungen.
Rezension zu Margrit Frölich, Reinhard Middel u. Karsten Visarius (Hg.): Außer Kontrolle. Wut im Film. Marburg (Schüren) 2005 (= Arnoldshainer Filmgespräche, Bd.22). 196 S.
Die Gefühle sind zurück. Zumindest in der Filmwissenschaft ist in der jüngeren Vergangenheit eine Reihe von Arbeiten erschienen, die sich den Emotionen und Affekten des Kinos widmen; denen auf der Leinwand ebenso wie - unlösbar damit verbunden - denen im Zuschauerraum. Ein schmaler Band nimmt nun einen speziellen, aber zugleich extremen Affekt in den Blick, der in seiner Maßlosigkeit quer zur analytischen Vermessung zu stehen scheint. 'Wut im Film' ist der Untertitel des Bandes 'Außer Kontrolle', von dessen Umschlag den Leser die Comic-Wutikone Hulk, grün vor Wut und stark im Schweiße, anblickt. Dokumentiert sind die Beiträge der '22. Arnoldshainer Filmgespräche', zu denen die dortige Evangelische Akademie jährlich einlädt. Filmkritiker, und -Wissenschaftler, teils mit erkennbar kirchlichem Hintergrund, untersuchen den emotionalen Ausnahmezustand, der sich gerade aufgrund seines eruptiven Charakters und der damit verbundenen Dynamik besonders zur filmischen Auswertung eignet.
Mark Kopytman - Voices of Memories: Essays and Dialogues, ed. Yulia Kreinin, Israel Music Institute, Tel Aviv, 2004, 288 p. A Doctor of Medicine who is also a composer is a rarity. A composer who is also a Doctor of Medicine is even rarer. Dr. Med. Mark Kopytman, however, is above all a composer, and one of Israel´s foremost contemporary composers at that. "Mark Kopytman - Voices of Memories" is a Festschrift - a volume of collected essays edited by Yulia Kreinin, to celebrate his 70th birthday. It is a formidable literary monument to honour this outstanding personality.
Rezension zu Melanie Möller: Talis oratio - qualis vita. Zur Theorie und Praxis mimetischer Verfahren in der griechisch-römischen Literaturkritik. Heidelberg (Winter) 2004 (= Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften. Neue Folge, 2. Reihe, Bd. 113). 396 S.
Wie der Mann, so das Buch. Oder, anders herum: Der Stil ist der Mensch. Diesen Gemeinspruch erhebt die vorliegende Monographie zur Problemformel der Hermeneutik. Vorweg sei festgestellt: Die Verfasserin legt einen Denkweg frei, der die historische und systematische Darstellung der griechisch-römischen Literaturkritik übersteigt, indem für den hermeneutischen Diskurs unserer Gegenwart kontrastierende Anschauungen bereitgestellt werden. Leitend ist die Fragestellung: Inwieweit zeigt sich in der Rede die Individualität des Redners, so dass aus dieser jene besser zu verstehen ist? Oder ist das, was als Individualität sich zeigt, als objektives Merkmal der Rede einzustufen, das mit der lebensgeschichtlichen Individualität des Redners nicht zusammenhängt?
Rezension zu Norbert Greiner: Übersetzung und Literaturwissenschaft. Tübingen (Gunter Narr) 2004 (= Grundlagen der Übersetzungsforschung, Bd. 1). 173 S.
Mit dieser Monographie präsentiert Norbert Greiner, Anglist in Hamburg, die theoretischen Koordinaten einer Praxis, die er selber mit seiner 1989 erschienenen Übersetzung von Shakespeares 'Much Ado About Nothing' vor Augen geführt hat.