Geschichtswissenschaften
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Nein, Langeweile kommt bei Franck Collard nicht auf, ist er doch Historiker des Gifts und der Leidenschaft. Seit seinem Werk "Le crime de poison au Moyen Âge" greift er immer wieder das Problem des Einsatzes von Gift in der Welt des Spätmittelalters, vor allem im 15. Jahrhundert, auf; einem Saeculum, in dessen erster Hälfte – zumal in einem im Innern zerrissenen und vom Hundertjährigen Krieg heimgesuchten Frankreich – ebenso das Thema der "passions" eine zentrale Rolle spielt, dem er bereits 2015 die Studie "Politique des passions et anthropologie des pulsions à la cour de Charles VII" widmete . Eine Annäherung an Jeanne d’Arc unter solches Vorzeichen zu stellen lag nahe, einmal aufgrund besagter "passions au sens de déchirements" im Königreich, sodann angesichts von Johannas "passion au sens d’exaltation affective et d’amour extrême" wie auch – mit Blick auf ihren Prozess und Tod in Rouen – wegen ihrer "passion … au sens de souffrance sacrificielle" (S. 11). ...
Rezensionen zu:
Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. von Alfred HAVERKAMP (= Städteforschung. Veröffentlichungen des Instituts für vergleichende Städtegeschichte in Münster - Reihe A: Darstellungen, Bd.181, Köln-Wien 1984: Böhlau-Verlag, 364 S., 12 Abb., DM 52.--.
Hartmut BOOCKMANN, Die Stadt des späten Mittelalters. München, 1986: Beck, 357 S., 521 Abb., DM 98.
Nachrufe auf Theodor Schieffer (11.VII.1910 – 9.IV.1992): Mit Theodor Schieffer, der am 9. April 1992 in seiner Heimatstadt Bad Godesberg starb, ist ein bedeutender Mediävist dahingegangen, dessen Lebenslauf und wissenschaftliches Wirken mit Mainz und dem Rheinland eng verbunden waren: An der neugegründeten Johannes Gutenberg-Universität wirkte er von 1946 bis 1954, der Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte stand er von 1952 bis 1955 als Präsident vor, und in vielen seiner Publikationen spielt dieser Raum eine gewichtige Rolle. ...
Wenn der Name Kunibert über die Jahrhunderte an seinem Kölner Sitz nie in Vergessenbeit geriet, so hat daran vor allem die Grabeskirche des Heiligen am Rhein ihren Anteil. Und jeder, der sich näher mit der allgemeinen Geschichte des 7. Jahrhunderts beschäftigt hat, weiß, wie sehr über Köln hinaus Kunibert die Geschicke des späten Merowingerreichs mitprägte; wird F. Steinbach beipflichten, daß er "politisch eine hervorragende Rolle spielte". Dennoch - und das mag zunächst verwundern - war Kunibert nie Gegenstand biographischen Interesses, sieht man einmal von zwei kurzen und wenig ergiebigen Skizzen des 19. Jahrhunderts ab. Diese Diskrepanz zwischen historischer Bedeutung und wissenschaftlicher Erforschung hat ihren Grund in einer desolaten Quellenlage. Nicht nur, daß der Zeugnisse recht wenige sind - wir bewegen uns schließlich im "notorisch quellenarmen 7. Jahrhundert" -, die wichtigsten Dokumente stammen überdies aus späterer Zeit oder stellen das Werk von Fälschern dar. Die Kunibertvita ist nicht vor dem 9. Jahrhundert entstanden, und ihren recht eingeschränkten Wert hat der Editor M. Coens eher noch zurückhaltend kommentiert: „Par malheur, les temoignages trop brefs des annales et des chartes, qui ne peuvent suffire a tracer le dessin precis d'une telle personnalite, n'ont recu qu'un assez mediocre complement litteraire dans les Vies de S. Cunibert ...". Unter den Urkunden, die für Kunibert von Belang sind, findet sich manche Fälschung, und schließlich hat gerade die wichtigste zeitgenössische Quelle, das vierte Buch des sogenannten Fredegar, besonders in den Kunibert betreffenden Passagen als tendenziös zu gelten. Mithin ist jede Annäherung an seine Person mit einem Grad an Unsicherheit verbunden, der jenes frühmittelalterlicher Forschung zwangsläufig eigene Maß an Vermutung und Hypothese noch übersteigt. "Die faktischen Kenntnisse über das 7. und 8. Jahrhundert sind recht begrenzt; wir müssen das wenige Sichere in immer neuen Kombinationen zu Reihen ordnen und zusehen, wie sie zueinanderpassen" - diese Einsicht von A. Borst zu befolgen, ist im Falle Kunibert also ein schwieriges Unterfangen. Manche Unklarheit wird sich nicht durch stimmige, eben "zueinanderpassende" Interpretation erhellen lassen, manche Frage wird unbeantwortet bleiben, manches Problem weiterer Diskussion bedürfen. Doch auch unter solch ungünstigen Vorzeichen scheint ein Versuch lohnend. Neues Licht fallt auf die Kirche des Kölner Frühmittelalters, die durch den Hofbischof Kunibert erstmals fest in den fränkischen Staatsverband zu einer Zeit einbezogen wurde, da das regnum Francorum letzte Machtentfaltung des Königtums unter Chlothar II. und Dagobert I. erlebte, sich danach aber auch die austrasische Sonderheit unter den Arnulfingern-Pippiniden immer stärker ausbildete. So erfordert die Position Kuniberts zu Chlothar und Dagobert wie zu Pippin dem Älteren und Grimoald besondere Aufmerksamkeit. Läßt sich seine Stellung als Rat und Erzieher der Könige wie als Bundesgenosse der frühen Karolinger, zwischen "Reichseinheit" und "Partikularismus" eindeutig bestimmen? Und wird dieser Gegensatz der Wirklichkeit des Frankenreichs im 7. Jahrhundert überhaupt gerecht? Fragen über die Person zur Zeit.