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Dante, deutscher Dante und die Selbstbehauptung gegen das Nationalgedicht in Thomas Manns "Doktor Faustus"

  • Zum bürgerlichen Haushalt, weiß man, gehören gute Bücher. Selbstverständlich gehören sie deshalb auch zu dem des Ehepaars Institoris, das in Thomas Manns „Doktor Faustus“ das Exempel bildungsbürgerlichen Niedergangs angibt. Dessen Wohnung, das »Musterbild eines Heims deutschen Kultur-Bürgertums« (440), beschreibt der Roman als bloße Staffage um die politische und psychische Zerrüttung ihrer Bewohner. Die »guten Bücher«, die man bei den Institoris »überall, im Wohn-, Empfangs- und Herrenzimmer, aufgestellt fand« (440), stehen deshalb im Romantext in Anführungszeichen, nicht um sie selbst, sondern um den Bezug ihrer Besitzer zu ihnen als Phrase zu kennzeichnen. »Gut« bedeutet hier den dekorativen Schauwert, so daß auch die Inhaltsangabe auf Möblierung deutet: Es sei »gediegen Bildungsmäßiges« (440). Denkt man an das Bildungsmäßige, das Titel und Motto des Faustus-Romans aufrufen, an Goethes „Faust“ und „Dantes Divina Commedia“, und hält man sich an die »guten Bücher«, die das Lesepublikum dieses Romans aus seiner Vorkriegs-Bürgerlichkeit kennen kann, so ragen zwei Exemplare heraus. Zwei Prachtbände, großformatig die anspruchsvollsten Repräsentationsbedürfnisse befriedigend, zwei bedeutende Werke zu bedeutendem Anlaß neu ediert. Das eine, aus dem Jahr 1932, ist die »100-Jahrausgabe« von Goethes „Faust“, das andere, 1938, eine »Erinnerungsausgabe« von Dantes „Divina Commedia“. (…) Eine »nur aus neun Versen bestehende Anrede des Dichters an sein allegorisches Lied« (219): Es sind ebenso neun Verse von Dante, die Thomas Mann seinem Roman voranstellt. Leverkühns Dante-Vertonung vermittelt so das Motto mit dem Ende des Romans, und alles drei Stellen verbinden sich gegen die zeitgenössisch offiziellen Dante- und Goethe-Monumente zu einem eigenen literarischen Selbstbewußtsein. Es besteht aus der Resignation, ob der mühevolle Sinn verstanden werde, aus dem dagegen behaupteten Vertrauen in den dichterisch-ästhetischen Wert und der daraus gewagten Hoffnung. So erweist sich die »nobilitate«, die das Motto dem Roman zuspricht, als eine gegen das deutschnationale „Faust“- und Dante-Prestige mit eigenem, alternativem Dante- und Goethe-Bezug artikulierte Selbstbehauptung.

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Metadaten
Verfasserangaben:Stefan Matuschek
URN:urn:nbn:de:hebis:30-114416
ISBN:978-3-428-10586-1
Titel des übergeordneten Werkes (Deutsch):Literaturwissenschaftliches Jahrbuch
Verlag:Duncker & Humblot
Verlagsort:Berlin
Dokumentart:Wissenschaftlicher Artikel
Sprache:Deutsch
Datum der Veröffentlichung (online):06.09.2011
Jahr der Erstveröffentlichung:2001
Veröffentlichende Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Datum der Freischaltung:06.09.2011
Freies Schlagwort / Tag:Divina Commedia; Dr. Faustus; Faust
GND-Schlagwort:Mann, Thomas; Goethe, Johann Wolfgang von; Dante <Alighieri>; Mythos
Jahrgang:42
Seitenzahl:14
Erste Seite:271
Letzte Seite:284
Quelle:(in:) Theodor Berchem, Volker Kapp, Franz Link, Kurt Müller, Ruprecht Wimmer, Alois Wolf (Hrsg. im Auftrage der Görres-Gesellschaft): Literaturwissenschaftliches Jahrbuch - Berlin: Duncker & Humblot, 2001 S. 271-284. (Bd. 42)
HeBIS-PPN:356688607
Institute:keine Angabe Fachbereich / Extern
DDC-Klassifikation:8 Literatur / 83 Deutsche und verwandte Literaturen / 830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
Sammlungen:Germanistik / GiNDok
Germanistik / GindokWeimar
BDSL-Klassifikation:16.00.00 Jahrhundertwende (1880-1914) / BDSL-Klassifikation: 16.00.00 Jahrhundertwende (1880-1914) > 16.15.00 Zu einzelnen Autoren
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