Georg Lukács' europäische Passagen
- 1958 schrieb Theodor W. Adorno: Den Nimbus, der den Namen von Georg Lukács heute noch, [...] umgibt, verdankt er den Schriften seiner Jugend, dem Essay-Band 'Die Seele und die Formen', der 'Theorie des Romans', den Studien 'Geschichte und Klassenbewußtsein', in denen er als dialektischer Materialist die Kategorie der Verdinglichung erstmals auf die philosophische Problematik prinzipiell anwandte. Ursprünglich etwa von Simmel und Kassner angeregt, dann in der südwestdeutschen Schule gebildet, setzte Lukács bald dem psychologischen Subjektivismus eine objektivistische Geschichtsphilosophie entgegen, die bedeutenden Einfluß ausübte. Die 'Theorie des Romans' zumal hat durch Tiefe und Elan der Konzeption ebenso wie durch die nach damaligen Begriffen außerordentliche Dichte und Intensität seiner Darstellung einen Maßstab philosophischer Ästhetik aufgerichtet, der seitdem nicht wieder verloren ward. Als, schon in den frühen zwanziger Jahren, der Lukácssche Objektivismus sich, nicht ohne anfängliche Konflikte, der offiziellen kommunistischen Doktrin beugte, hat Lukács nach östlicher Sitte jene Schriften revoziert; hat die subalternsten Einwände der Parteihierarchie unter Mißbrauch Hegelscher Motive sich gegen sich selbst zu eigen gemacht und jahrzehntelang in Abhandlungen und Büchern sich bemüht, seine offenbar unverwüstliche Denkkraft dem trostlosen Niveau der sowjetischen Denkerei gleichzuschalten [...]. Wenn heute - über ein halbes Jahrhundert später - diese Zeilen wie eine unverändert gültige Charakterisierung des Philosophen und Literaturhistorikers anmuten, so nicht nur, da sich mit der Auflösung der Sowjetunion und dem Ende des realen Sozialismus in Ostmittel- und Osteuropa die politischen Rahmenverhältnisse, die Lukács' Arbeit in vielfacher Weise bestimmt hatten, aufgelöst haben. Schon deutlich früher war das Werk des ungarischen Intellektuellen ins Abseits des europäischen Gedächtnisses gedrängt worden.
Verfasserangaben: | Stephan Braese |
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URN: | urn:nbn:de:hebis:30:3-494726 |
URL: | http://www.passagen.at/cms/index.php?id=290 |
ISSN: | 0043-2199 |
ISSN: | 2510-7291 |
Titel des übergeordneten Werkes (Deutsch): | Weimarer Beiträge : Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturwissenschaften |
Verlag: | Passagen Verlag |
Verlagsort: | Wien |
Dokumentart: | Wissenschaftlicher Artikel |
Sprache: | Deutsch |
Jahr der Fertigstellung: | 2019 |
Jahr der Erstveröffentlichung: | 2012 |
Veröffentlichende Institution: | Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg |
Beteiligte Körperschaft: | Klassik Stiftung Weimar |
Datum der Freischaltung: | 12.12.2019 |
GND-Schlagwort: | Lukács, Georg; Europabild |
Jahrgang: | 58 |
Ausgabe / Heft: | 4 |
Seitenzahl: | 19 |
Erste Seite: | 558 |
Letzte Seite: | 576 |
HeBIS-PPN: | 457690194 |
DDC-Klassifikation: | 1 Philosophie und Psychologie / 10 Philosophie / 100 Philosophie und Psychologie |
8 Literatur / 80 Literatur, Rhetorik, Literaturwissenschaft / 800 Literatur und Rhetorik | |
8 Literatur / 83 Deutsche und verwandte Literaturen / 830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur | |
Sammlungen: | Germanistik / GiNDok |
CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft | |
Germanistik / GiNDok / Passagen Verlag | |
BDSL-Klassifikation: | 01.00.00 Allgemeine deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft / BDSL-Klassifikation: 01.00.00 Allgemeine deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft > 01.08.00 Zu einzelnen Germanisten, Literaturtheoretikern und Essayisten |
Zeitschriften / Jahresberichte: | Weimarer Beiträge / Weimarer Beiträge 58.2012 |
Übergeordnete Einheit: | urn:nbn:de:hebis:30:3-494458 |
Lizenz (Deutsch): | Deutsches Urheberrecht |