Consequences of environmental pollution on genetic diversity in populations of the midge Chironomus riparius

  • The rate of species extinctions due to anthropogenic activities has dramatically increased within the past few centuries (Dirzo & Raven, 2003; Novacek & Cleland, 2001). Although the mechanisms and ultimate causes leading to the extinction of species remain largely unclear (Frankham et al., 2002), five threats to global biodiversity have frequently been referred to as the most important: habitat destruction and fragmentation, global climate change, hunting and overuse of food resources, biological invasions and environmental pollution (Dudgeon et al., 2006; Lewis, 2006; Novacek & Cleland, 2001). Different research fields, as conservation biology, ecology and ecotoxicology, investigate the effects of these factors on organisms and found strong evidence for their negative impact on regional and global biodiversity. In most cases, natural populations will be impacted not only by one threat, but rather a combination of them (Buckley & Roughgarden, 2004; Kappelle et al., 1999). Multiple environmental stress factors can have cumulative negative effects on the survival of populations (Sih et al., 2004). To understand, how natural populations respond to combinations of different stress factors is thus of crucial importance in order to understand our present and future impact on all scales of biodiversity (Warren et al., 2001). The effects of anthropogenically introduced chemicals on organisms and ecosystems are investigated in the field of ecotoxicology. Research in this area has led to a large body of information concerning the impact of chemical stress on the fitness of model species in the laboratory. In contrast to this, there is an obvious lack of knowledge on the effects of contaminants on natural populations and communities (Bickham et al., 2000; Bourdeau et al., 1990). For instance, ecotoxicologists have just started to investigate the impact of environmental pollution on the genetic variability of natural populations (Bickham et al., 2000; Whitehead et al., 2003). Genetic variation provides the raw material for populations in order to adapt to changing environmental conditions and is thus the substrate for evolution and long-term survival of populations and species (Frankham, 2005). The amount of genetic variation in populations is positively correlated with the effective population size (Frankham, 1996). Habitat destruction and fragmentation has divided the ranges of many species into small and isolated refuges. Without migration from adjacent habitats, isolated populations will decrease in their level of genetic diversity through random loss of alleles (Hedrick, 2000). Frankham (1995) for instance, showed that 32 of the 37 endangered species (which occur in small populations per definition) of different animals and plant taxa display reduced levels of heterozygosity compared to closely related and more frequent species. In strongly human impacted landscapes, both factors, environmental pollution and habitat destruction, can be expected to occur frequently together. It is thus of crucial importance to investigate the impact of reduced genetic diversity and inbreeding on the response to chemical stress. In addition, chemical exposure has frequently been discussed to have an impact on the extent of genetic variability in exposed populations (Guttman, 1994; Staton et al., 2001; van Straalen & Timmermans, 2002). However, evidence for this 'genetic erosion hypothesis' remained scarce to date, most likely because of the difficulty to single out the impact of pollution stress from a background of multiple factors which influence patterns of genetic variability in natural populations (Belfiore, 2001; Staton et al., 2001; van Straalen & Timmermans, 2002).
  • Das Ausmaß an genetischer Vielfalt ist für Populationen in verschiedener Hinsicht von Bedeutung. Zum einen bildet genetische Diversität das evolutionäre Substrat für die Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen. Zum anderen geht eine Erniedrigung genetischer Diversität häufig mit Inzucht einher. Niedrige Heterozygotie und hohe Inzuchtraten wirken sich häufig negativ auf Überlebensraten und Reproduktion aus und erhöhen somit das Aussterberisiko von Populationen. Die anthropogen verursachte Übernutzung von Flächen und die Fragmentierung ehemals zusammenhängender Areale, führen zur Bildung kleiner, voneinander isolierter Populationen. Da genetische Diversität positiv mit der Populationsgröße korreliert ist, sind solche kleinen 'Reliktpopulationen' häufig genetisch verarmt. Neben Habitatzerstörung und -fragmentierung sind natürliche Populationen durch weitere anthropogene Einflüsse bedroht, wie etwa der Klimaerwärmung und der Verschmutzung von Luft, Böden und Gewässern. Es muß für den Biodiversitätsschutz folglich von großem Interesse sein, Interaktionen zwischen den genannten Stressoren und ihre Auswirkungen auf die Fitness von Populationen zu untersuchen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Konsequenzen reduzierter genetischer Diversität auf die Fitness von Chironomus riparius-Populationen unter Schadstoffbelastung. C. riparius ist ein Vertreter der weltweit verbreiteten und mit etwa 10.000 beschriebenen Spezies sehr artenreichen Familie der Chironomiden (Zuckmücken). Zuckmückenlarven dominieren im Benthos verschiedenster Gewässertypen hinsichtlich Artenvielfalt und Biomasse und stellen aufgrund ihrer Funktion als wichtige Stoffumsetzer und als Nahrungsquelle für viele Fische und Wasservögel eine Schlüsselgruppe in limnischen Ökosystemen dar. C. riparius wird des Weiteren in der Ökotoxikologie als Modellorganismus zur Bestimmung der Sedimenttoxizität nativer Sedimente, wie auch zur Risikoabschätzung von Chemikalien in standardisierten Biotestverfahren eingesetzt. Um die Beziehungen zwischen Schadstoffbelastung und genetischer Variabilität in Chironomus-Populationen und zu untersuchen, wurden zunächst fünf variable Mikrosatellitenmarker für C. riparius entwickelt (Kapitel 2). Die Marker wurden auf den Polytänchromosomen der Speicheldrüsen von C. riparius lokalisiert, um eine mögliche physikalische Kopplung der Loci zu untersuchen. In Kapitel 3 wird untersucht, ob Schadstoffexposition zu einer genetischen Verarmung von C. riparius-Populationen führen kann. Hierzu wurden zwei Laborpopulationen der Art über 12 Generationen dem hochwirksamen Pestizid Tributylzinn (TBT) in einer Konzentration von 160μg Sn/kg Sediment exponiert. Zwei weitere Zuchten wurden parallel auf unbelasteten Kontrollsedimenten gehältert. Die genetische Diversität wurde mittels Mikrosatellitenanalyse bestimmt; zusätzlich wurden in jeder Generation verschiedene Fitnessparameter (Larvalmortalität, mittlerer Schlupfzeitpunkt (EmT50), Reproduktionserfolg) aufgenommen. Die genetische Variabilität nahm in beiden TBTexponierten Populationen signifikant über die Zeit ab, während in den Kontrollansätzen kein derartiger Trend feststellbar war. TBT hatte weiterhin negative Effekte auf alle aufgenommenen Life-history-Parameter. Im Gegensatz zur genetischen Variabilität konnten jedoch keine zeitlichen Trends bei den Fitness-Merkmalen festgestellt werden. Es wurde jedoch eine große Variation in den Fitnessparametern sowohl zwischen den Populationen als auch zwischen verschiedenen Generationen beobachtet. Die Befunde zeigen, daß eine Belastung mit Umweltchemikalien die genetische Diversität von Populationen innerhalb weniger Generationen herabsetzen kann. Diese "genetische Erosion" wird bei seltenen und isolierten Populationen am stärksten sein und damit das Aussterberisiko von bedrohten Arten in belasteten Gebieten auf lange Sicht erhöhen. Es ist in der Vergangenheit gezeigt worden, daß der Verlust genetischer Diversität die Fitness von Populationen erniedrigen kann. In Kapitel 4 wurde getestet, ob genetisch verarmte und ingezüchtete C. riparius-Populationen neben einer erniedrigten Fitness auch eine erniedrigte Schadstofftoleranz zeigen. Hierzu wurden neun Laborzuchten der Art mit unterschiedlichen Diversitäts- und Inzuchtniveaus generiert und in einem Life-Cycle-Versuch an verschiedene Konzentrationen des Schwermetalls Cadmium exponiert. Die Ergebnisse zeigen, daß Inzucht und genetische Verarmung die Fitness von C. riparius sowohl unter Cadmiumbelastung als auch in den Kontrollen erniedrigt. Jedoch waren die Life-history-Unterschiede zwischen den Diversitätsniveaus unter Cadmiumbelastung insgesamt am größten. Zusätzlich konnte gezeigt werden, daß die Inzuchteffekte stark vom untersuchten Fitnessmerkmal abhängen. Während einige Parameter nur vom Inzuchtgrad abhingen, wurde für andere Fitnessmerkmale eine Interaktion zwischen dem Grad an Inzucht und der Stärke der Cadmiumbelastung festgestellt. So wiesen etwa alle neun Populationen unter Kontrollbedingungen eine ähnliche Larvalentwicklungsdauer auf, während hohe Cadmiumbelastungen den Emergenzzeitpunkt lediglich bei den stark ingezüchteten und genetisch verarmten Zuchten verzögerten. Diese Ergebnisse dokumentieren, daß die Faktoren Inzucht und genetische Verarmung Expositionsstudien mit Chironomiden stark beeinflussen. Da Inzucht und der Verlust genetischer Diversität in kleinen Populationen am stärksten sind, wird Schadstoffbelastung isolierte und lokal begrenzte Populationen stärker negativ beeinflussen als weitverbreitete und individuenreiche Populationen. Um das Ausmaß an genetischer Verarmung in Laborzuchten von C. riparius zu dokumentieren, wurden 10 Zuchtstämme der Art aus verschiedenen Labors in Europa mittels Mikrosatellitenanalyse untersucht (Kapitel 5). Hierbei konnte gezeigt werden, daß alle Zuchtstämme gegenüber zwei Freilandpopulationen aus Südwestdeutschland hochgradig genetisch verarmt sind. Selbst durch die Kreuzung von 11 Zuchtstämmen aus Europa und den USA konnten kein dem Freiland ähnliches Diversitätsniveau erreicht werden. Des Weiteren wurde die genetische Variabilität einer Laborzucht über 23 Generationen im Labor untersucht. Dabei konnte eine signifikante Abnahme der Heterozygotie schon nach wenigen Generationen festgestellt werden. Genetische Verarmung ist bei C. riparius-Zuchten im Labor durch die begrenzte Populationsgröße und eine völlige Isolation kaum zu vermeiden. Um eine Beeinflussung von Testergebnissen durch genetische Verarmung und Inzucht zu vermeiden, sollten Laborstämme von C. riparius daher regelmäßig mit Freilandindividuen aufgefrischt werden. In den vorherigen beiden Kapiteln konnte gezeigt werden, daß genetische Verarmung die Reaktion von C. riparius gegenüber Schadstoffbelastung beeinflußt und daß Laborzuchten genetisch verarmt sind. In Kapitel sechs wurde daher getestet, inwieweit die Ergebnisse ökotoxikologischer Expositionsstudien bei Verwendung unterschiedlicher Testzuchten reproduzierbar sind. Hierzu wurden sechs verschiedene Laborstämme von C. riparius in einem Lebenszyklustest verschiedenen Cadmiumkonzentrationen ausgesetzt. Mittels Mikrosatellitenanalyse wurde das Ausmaß an genetischer Variabilität in den Zuchten untersucht. Signifikante Unterschiede in den aufgenommen Life-history-Parametern zwischen den Zuchten wurden sowohl in den Kontrollen als auch in den Belastungsgruppen gefunden. Die größte Variation zwischen den Zuchten trat jedoch unter moderatem Cadmiumstress auf. Bei hohen Belastungsgraden zeigten dagegen alle Zuchten stark erhöhte Mortalitäten und erniedrigte Reproduktionsraten. Die genetisch verarmtesten Zuchten wiesen im Gegensatz zu den diverseren Ansätzen schon unter Kontrollbedingungen eine erniedrigte Fitness auf und reagierten empfindlicher auf Cadmiumstress. So konnte etwa bei der genetisch verarmtesten Zucht (PTG) im Gegensatz zu allen anderen Ansätzen schon in der niedrigsten Belastungsstufe kein Reproduktionserfolg mehr beobachtet werden. Dieser Versuch zeigt, zusammen mit den Ergebnissen der beiden vorherigen Kapitel, daß Biotests zur Chemikalientestung mit Zuckmücken, wenn nicht gar mit allen sich sexuell reproduzierenden Organismen, durch Inzucht und genetische Verarmung in den Testpopulationen beeinflußt werden und ihre Aussagekraft für die Verhältnisse im Freiland in Frage gestellt werden kann. Alle in den vorherigen Kapiteln dargestellten Ergebnisse wurden im Labor generiert. In Kapitel 7 wurde schließlich untersucht, ob die im Labor erhaltenen Ergebnisse auch auf die komplexe Situation im Freiland übertragbar sind. Hierfür wurden zunächst 432 in der stark anthropogen beeinflußten Rhein-Neckar-Region gesammelte C. riparius Individuen mittels DNA-Barcoding identifiziert und dann die genetische Diversität aller Chironomus riparius und C. piger-Individuen mittels Mikrosatellitenanalyse bestimmt. Es konnte hierbei keine Korrelation zwischen der genetischen Diversität in Populationen beider Arten und der Schadstoffbelastung an den jeweiligen Standorten festgestellt werden. Hierfür konnten zwei mögliche Ursachen identifiziert werden. Zum einen zeigte ein im Labor durchgeführter Chironomus-Biotest, daß Sedimentproben von den besammelten Standorten trotz recht hoher Schwermetallkonzentrationen kaum toxische Effekte auf C. riparius hatten. Des Weiteren wurde bei beiden Arten hoher Genfluß zwischen den Standorten festgestellt, welcher einer möglichen genetischen Verarmung an belasteten Standorten entgegenwirkt. Wie diese Ergebnisse zeigen, ist die Untersuchung der Auswirkungen von Chemikalienstress auf die genetische Struktur von Populationen nur unter Berücksichtigung populationsdynamischer Prozesse sinnvoll. Das in dieser Arbeit im Labor beobachtete Phänomen der "genetischen Erosion" unter Schadstoffexposition sollte im Freiland insbesondere für kleine und isoliert vorkommende Populationen relevant sein. Isolierte Reliktpopulationen stellen jedoch die bevorzugten "Ziele" des Artenschutzes dar. Die beiden Haupterkenntnisse dieser Arbeit, daß Chemikalienbelastung sich negativ auf die Diversität kleiner, isolierter Populationen auswirkt und daß genetische Verarmung und Inzucht (die ja gerade in kleinen Populationen auftreten) die Sensitivität gegenüber Schadstoffexposition erhöht, haben für den Biodiversitätsschutz folglich eine große Bedeutung. Lebensräume von Tieren und Pflanzen werden in immer stärkeren Maße von anthropogen verursachter Landschaftszerstörung- und Fragmentierung isoliert, was zur Bildung zahlreicher kleiner und voneinander isolierter Populationen führt. Durch das Fehlen von Genfluß zwischen diesen Populationen kann deren genetische Diversität durch anthropogenen Umweltstreß, wie Chemikalienbelastung oder der Veränderung des Klimas, herabgesetzt werden. Sollte der im Labor beobachtete Effekt, daß genetisch verarmte Populationen eine erniedrigte Toleranz gegenüber Umweltstress aufweisen, ein generelles Phänomen darstellen, so bedeutete dies eine noch stärkere Gefährdung der Biodiversität durch menschliche Einflüsse, als derzeit prognostiziert wird.

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Metadaten
Author:Carsten NowakORCiDGND
URN:urn:nbn:de:hebis:30-48676
Referee:Bruno StreitGND, Klaus SchwenkORCiD
Advisor:Klaus Schwenk, Markus Pfenninger
Document Type:Doctoral Thesis
Language:English
Date of Publication (online):2007/09/12
Year of first Publication:2007
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2007/07/05
Release Date:2007/09/12
Page Number:130
First Page:1
Last Page:130
HeBIS-PPN:190331135
Institutes:Biowissenschaften / Biowissenschaften
Dewey Decimal Classification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 57 Biowissenschaften; Biologie / 570 Biowissenschaften; Biologie
Sammlungen:Sammlung Biologie / Biologische Hochschulschriften (Goethe-Universität)
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht