Analyse des starken Bestandsrückgangs beim Waldlaubsänger Phylloscopus sibilatrix im Bodenseegebiet
Analysis of the substantial population decline of the Wood Warbler (Phylloscopus sibilatrix) at Lake Constance, south-western Germany
- In der Brutsaison 2003 wurden in 29 besetzten Revieren und
13 in früheren Jahren besetzten Revieren („verwaiste Reviere")
des Waldlaubsängers Vegetationsparameter der Kraut-,
Strauch- und Baumschicht erhoben, und der Bruterfolg von
zehn Brutpaaren kontrolliert. In zehn Revieren verpaarter
Männchen und zehn verwaisten Revieren wurde das Nahrungsangebot
abgeschätzt und Ellenbergsche Zeigerwerte
berechnet. Für den Waldlaubsänger wurde hiermit erstmals
ein Vergleich von besetzten und verwaisten Revieren durchgeführt,
um Einblicke in die Eignung der rezenten Lebensräume
als Bruthabitat zu bekommen.
Der festgestellte Bruterfolg (50 %) liegt im Rahmen entsprechender
Daten aus der Literatur. Auffällig ist die hohe Anzahl
unverpaarter Männchen (63 %). Es brütet nur ein kleiner Teil
der Population, und von diesen Bruten ist nur die Hälfte erfolgreich.
Der hohe Anteil unverpaarter Männchen ist möglicherweise
ein Hinweis darauf, dass die Habitate des Waldlaubsängers
im Untersuchungsgebiet fragmentiert sind.
Hinweise darauf, dass erhöhte Prädation an den Bestandsrückgängen
beteiligt ist, ergaben sich nicht.
Im Vergleich von besetzten und verwaisten Revieren des
Waldlaubsängers ergaben sich keine Unterschiede hinsichtlich
Nahrungsverfügbarkeit zur Nestlingszeit und am Neststandort.
Dies legt nahe, dass diese Faktoren nicht an den Bestandsrückgängen
im Untersuchungsgebiet beteiligt sind. Unterschiede
in besetzten und verwaisten Revieren ergaben sich in
strukturellen Parametern der Baumschicht. Verwaiste Reviere
haben einen älteren Baumbestand und wichtige strukturelle
Elemente, z. B. die Beastung von Bäumen unter 4 m, sind
dort in geringerem Ausmaß vorhanden. Da das Flächendurchschnittsalter
der Waldbestände in Deutschland und Mitteleuropa
höher wird, ist denkbar, dass sich die Habitatqualität
für den Waldlaubsänger weiter verschlechtert. Zur Zeit finden
aber vermutlich eher Verschiebungen innerhalb von Baumaltersklassen
statt, die noch für den Waldlaubsänger geeignet
sind. In Revieren verpaarter Männchen wurde öfter eine zusammenhängende
Grasfläche und mehr einzelne Grasbüschel
festgestellt als in Revieren unverpaarter Männchen und in
verwaisten Revieren. Sie sind im Zusammenhang mit dem
Neststandort wichtig und es ist denkbar, dass es an geeigneten
Nistplatzmöglichkeiten mangelt.
Die Bestandsrückgänge des Waldlaubsängers sind eine überregionale
Entwicklung und treffen zumindest auf das südliche
und westliche Mitteleuropa zu. Das Ausmaß des Bestandsrückganges
im Untersuchungsgebiet innerhalb von 20 Jahren
(Rückgang um 87 %) legt den Schluss nahe, dass neben der
Fragmentierung und Verschlechterung der Bruthabitate Ursachen
außerhalb des Untersuchungsgebietes in erheblichem
Maße an dem Populationsrückgang beteiligt sind. Am wahrscheinlichsten
sind Veränderungen in Rast- oder Überwinterungsquartieren
und/oder ein großräumiger Wandel im
Verbreitungsareal infolge klimatischer Veränderungen.
- During the breeding season of 2003, vegetation parameters of 29 occupied territories and of 13 abandoned territories of the
Wood Warbler (Phylloscopus sibilatrix) were recorded and the breeding success of 10 pairs was monitored. In ten territories
of paired males and ten abandoned territories, food availability was assessed and Ellenbergian indicator values were calculated.
The breeding success of 50 % was similar to data from the literature. The high percentage of unpaired males (63 %) was
striking and implies that the Wood Warbler habitat may be fragmented in the area under investigation. There is no evidence
that increased predation may be involved in the observed population decline.
No differences were found between occupied and abandoned territories with regard to food availability and microclimatic
conditions surrounding the nesting site. This indicates that these factors are not involved in the observed population decline.
However, differences were found in structural parameters of the tree layer. In deserted territories the trees tended to be older
and important structural elements were less common. In territories of paired males, grass cover was higher, and more than 50
single tussocks were recorded more often than in territories of unpaired males. The prevalence of grasses appears to be an
important factor for the location of Wood Warbler nests and it is possible that the amount of suitable nest sites depends on
the availability of extensive grass layers. The significance of some structural elements is currently little understood and should
be evaluated in more comprehensive studies of the habitat preferences of the Wood Warbler. The forest stands in Central
Europe are generally growing older and it is likely that habitat quality for the Wood Warbler is declining due to the maturation
of forest stands. In contrast, local forestry data suggest that habitat suitability for the Wood Warbler is not reduced despite
alterations in the age group of the forest stands.
The population decline of the Wood Warbler, amounting to a reduction of 87 % in the study area at Lake Constance, is not
only a regional development but seems to be occurring throughout the western part of Central Europe and beyond. The
magnitude and extent of the decline during the last 20 years strongly suggests that environmental changes outside the breeding
grounds may be the main cause. Locally, habitat fragmentation and subsequent deterioration
of the Wood Warbler’s
breeding grounds are the most important factors. However, changes in and the availability of resting and wintering grounds
of this migratory species, as well as possibly massive changes in the species’ main range, seem to be more significant.