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Emotionalität und Verhalten : eine literaturpsychologische Kritik des Werther-Mythos

  • Zu den immer noch lebendigen Mythen über die Rezeption von Goethes "Werther" gehört die Annahme, die begeisterten jugendlichen Leser hätten das Werk missverstanden, ihre empfindelnd-schwärmerische Lektüre sei von Goethe so nicht intendiert gewesen. Diese Ansicht geht in der Hauptsache zurück auf Georg Jägers Beitrag zum Germanistentag 1972. Jägers Aufsatz ist die erste - und deshalb noch immer wegweisende - Studie zur Rezeption des "Werther", die nach den historischen Bedingungen bestimmter Rezeptionsweisen gefragt und auf dieser Basis verschiedene "Konkretisationen" des "Werther" spezifiziert hat. Die Unterstellung einer unmündigen, "unaufgeklärten", mit autonomer Kunst noch unerfahrenen Leserschaft war ein Standardverfahren der materialistischen Leserforschung der 1970er und 80er Jahre, das der noch durch und durch behavioristischen Lerntheorie der damaligen Psychologie entsprach. Auf diese Weise reproduzierte man den lesedidaktischen Diskurs der Spätaufklärung, in welchem immer wieder die Befürchtung artikuliert wurde, die jugendlichen Romanleser könnten fiktionale und wirkliche Welt nicht richtig unterscheiden und "die poetische Schönheit leicht für die moralische nehmen" (Lessing 1985-2001, Bd. 1112, S. 667). Entsprechend diesem Deutungsmuster liest man in der germanistischen Forschungsliteratur häufig die verkürzende Jäger-Referenz, der Wertherkult verdanke sich der "anhaltende[n] Verwechslung von Predigt und "wahre[r] Darstellung"" (Waniek 1982, S. 79), ja von Realität und Fiktion, und diese Venvechslung habe bei den enthusiastischen jugendlichen Rezipienten zu einer unreflektierten Nachahmung des Helden geführt. Die Missverständnisthese lässt außer Acht, dass Goethe um 1774 die Aufnahme des "Werther" selbst in Richtung auf eine schwärmerische und quasireligiose Rezeption hin gelenkt hatte.

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Metadaten
Verfasserangaben:Katja Mellmann
URN:urn:nbn:de:hebis:30-1148069
URL:http://www.mellmann.org/sonderdrucke/Mellmann2007_Werther-Mythos.pdf
Titel des übergeordneten Werkes (Deutsch):Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes
Dokumentart:Wissenschaftlicher Artikel
Sprache:Deutsch
Jahr der Fertigstellung:2007
Jahr der Erstveröffentlichung:2007
Veröffentlichende Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Beteiligte Körperschaft:Deutscher Germanisten-Verband
Datum der Freischaltung:19.02.2010
GND-Schlagwort:Goethe, Johann Wolfgang von; Jugend; Hermeneutik; Psychologie; Behaviorismus; Leserforschung
Jahrgang:54
Ausgabe / Heft:3
Seitenzahl:15
Erste Seite:328
Letzte Seite:344
Quelle:http://www.mellmann.org/sonderdrucke/Mellmann2007_Werther-Mythos.pdf ; (in:) Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes, 54, 2007, S. 328-344
HeBIS-PPN:22429198X
DDC-Klassifikation:8 Literatur / 80 Literatur, Rhetorik, Literaturwissenschaft / 800 Literatur und Rhetorik
Sammlungen:Germanistik / GiNDok
Germanistik / GindokWeimar
BDSL-Klassifikation:13.00.00 Goethezeit / BDSL-Klassifikation: 13.00.00 Goethezeit > 13.14.00 Zu einzelnen Autoren
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