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Wie alle sinnlichen Erfahrungen vollzieht sich auch die akustische Wahrnehmung unter Einbeziehung des ganzen Körpers, auch wenn sie unmittelbar den Eindruck hervorruft, von einem bestimmten Punkt im Körper oder einem einzelnen Organ auszugehen. Außerhalb des Labors – und wahrscheinlich nicht einmal dort – treten Sinneswahrnehmungen jedoch nie separat auf, denn die Umwelt, die auf die Sinne wirkt, gibt keine präzise nach den Grenzen und Möglichkeiten des menschlichen sensorischen Apparates getrennten Signale ab. Auch das Hören beginnt mit einer haptischen Empfindung, nämlich der mechanischen Rezeption von Schallwellen durch das Trommelfell. So ist es auch nur schwer möglich, die akustischen Wahrnehmungen aus der Berliner Kindheit von den anderen Sinneseindrücken zu isolieren. Intersensorialität bestimmt die Texte: Die Süße der Schokolade geht beispielsweise nicht nur über die Zunge, sondern auch über das Auge und das Herz in das Kind ein, und der Abend riecht ihm nach "Lampe und Zubettgehn" – zwei Elemente des Abends, die gewöhnlicherweise nicht als olfaktorische Ereignisse wahrgenommen werden (424 u. GS IV, 268). Ebenso sind für den Kind-Erzähler die Stimmen aus dem Telefon "Nachtgeräusche", das Schneegestöber vor dem Fenster erzählt "lautlos" Geschichten, und die Schwingungen der Kirchenglocken bleiben "aufgestapelt" vor der Hauswand liegen (GS VII, 390; 396; 413).
Trotz dieser ausgeprägten Intersensorialität treten in der Berliner Kindheit natürlich akustische Phänomene auf, wenn auch eben selten unvermischt. Daher möchte ich zunächst eine Art vorsortierten Katalog dieser Wahrnehmungen geben und einige Besonderheiten bei deren Auftauchen vor dem Hintergrund der auditiven Stadtwahrnehmung charakterisieren. In einem zweiten Schritt möchte ich einige Deutungen dieser Besonderheiten vorschlagen, die sich aus der speziellen Art von Benjamins Texten und aus seiner Biographie ergeben. Die leitende These ist dabei, dass Benjamin die Klänge in der Stadt seiner Kindheit nicht, wie andere mit ihm zeitgenössische Autoren, als eine Funktion der Moderne und als ein Teil der Großstadtrhetorik einsetzt, sondern zur Konstruktion einer bestimmten Art von idealer, kindlicher Wahrnehmung.
Die abgelauschte Stadt und der Rhythmus des Glücks : über das Musikalische in Benjamins Denken
(2013)
Im Folgenden sollen die Dimensionen des Musikalischen und Akustischen bei Benjamin betrachtet werden. Zunächst wird das musiktheoretische Vokabular, das Benjamin auf nicht-musikalische Phänomene und Medien anwendet, Gegenstand der Untersuchung sein. Es handelt sich dabei um erkenntnistheoretische und medienphilosophische Überlegungen, die sich an der Form des Musikalischen, besonders am Rhythmus, orientieren. Danach wird das auditiv sensible Schreiben Benjamins am Beispiel der Berliner Kindheit um neunzehnhundert auf die Funktion akustischer und musikalischer Phänomene hin überprüft und mit Benjamins Überlegungen zum Hören verknüpft. Das Ohr zeigt sich hier als das Organ, das über akustische Reize in Klangmedien und die mit ihnen verbundenen Gefühle die Aufmerksamkeit für die in Bildern und Worten fortlebende Geschichte erzeugt. Schließlich wird nach der Funktion der Musik in Benjamins Werk gefragt. Mit Blick auf die Sprache weist er der Musik als der hörbaren Kunst eine Rolle zu, die Bilder und Sprache auf ihre Verbindung und auf die Möglichkeit der Erlösung von der durch sie bedingten Ausdruckshemmung bezieht. Es zeigt sich, dass die Musik bei Benjamin die Sphäre des semiotisch (noch) Unbestimmten bildet und in einer Spannung zwischen Übersinnlichem und Leiblichem steht, die sie mit der Transzendenz ebenso verbindet wie mit den Gefühlen und propriozeptiv wahrnehmbaren Impulsen.
Im Gegensatz zu Adorno wird Walter Benjamins Theorie […] kaum mit Musik in Verbindung gebracht, sondern vor allem für ihr Bilddenken geschätzt. Auch wenn im Ursprung des Deutschen Trauerspiels, in den Erinnerungsszenen der Berliner Kindheit, den Häuser- und Gedankenschluchten der Passagenarbeit und nicht zuletzt in seinem Briefwechsel durchaus von Musik die Rede ist, rücken Klänge seltener in den Mittelpunkt seiner Schriften und sind in der Rezeption bisher auch weniger beachtet worden. Ohnedies wird derjenige enttäuscht, der gerade von Benjamin – so reizvoll es sein mag, sich solchen Gegenständen widmende Essays zu imaginieren – die Exegese des gängigen musikalischen Kanons erwartet: Keine Abhandlung zu Schuberts Streichquintett schließt an die Interpretation der Wahlverwandschaften an und ebenso vergeblich sucht man nach die Erwägungen zum Trauerspiel auf die Affektkontrolle der opera seria oder die des Kraus-Essays auf die Musik des Fackel-Habitués Arnold Schönberg übertragenden Arbeiten. Dennoch kommt Musik, Klage und Tönen in Benjamins Reflexionen eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Selten drängen sie sich lautstark in den Vordergrund, erlauben aber – zumal in einer Zeit, in der auch die professionelle Auseinandersetzung mit Musik die ideale Beständigkeit musikalischer Werke und ihrer Texte zunehmend in Zweifel zieht – theoretische Einsichten, über die das auf andere Dinge gerichtete Ohr des Experten achtlos hinweggeht. In Ergänzung zur wohlbekannten epistemischen und poetischen Rolle seiner Sprach- und Denkbilder unternimmt dieser Band den ersten systematisch angelegten Versuch, sowohl den kultur- und medienhistorischen Zusammenhängen von Benjamins akustischen Motiven nachzugehen als auch ihre ästhetische Relevanz für die gegenwärtige Produktion und Reproduktion von Klängen zu reflektieren.
Queste note su memoria e oblio prendono le mosse da due fenomeni noti, pur nella loro enigmaticità, e apparentemente opposti come il déjà-vu e il jamais-vu. Accade qualcosa e si ha l'impressione che si stia ripetendo un evento già vissuto, oppure ci si trova in un luogo praticato da anni e, a un certo punto, letteralmente, non lo si riconosce più, percependolo come nuovo ed estraneo. Si tratta di sentimenti che, pur facendo parte dell'esperienza più comune, conservano un alone di opacità. Sia nella "familiarità estranea" sia nella "estraneità familiare" si ha a che fare con uno spaesamento, una vertigine emotiva che sulle prime fa retroagire la nostra comprensione. In entrambi i casi lo stupore si accompagna all'inquietudine: la portata dirompente del nuovo strappa fuori dal riparo delle proprie certezze, dall'impalcatura delle proprie conoscenze. Sono i momenti di interferenza di livelli temporali diversi, in cui alla finitudine dell'evento vissuto si giustappone l'illimitata dimensione del ricordo. La simultaneità delle sfere contrapposte, il loro cortocircuitare e sovrapporsi, dà luogo a uno spaesamento, che talvolta assume un carattere demonico, perturbante (unheimlich), per dirla con Freud. Il senso dell'Unheimlichkeit fa tutt'uno con il sentimento di angoscia o di terrore che si genera nella conversione dell'opposto, quando il noto diventa fonte di terrore, quando il familiare si fa estraneo, o anche quando l'estraneo appare come familiare. Il ritorno del rimosso, sotto forma di paure o desideri inconfessabili, rinvia ai conflitti dell'infanzia e alle fase arcaiche della vita umana. In questo senso rappresenta una "promessa" che il presente non ha saputo esaudire, e che sopravvive in tutta la sua carica sovversiva.
Walter Benjamin gilt allgemein als "schwieriger" Autor, da er nicht mit vorab geklärten, universell gültigen Begriffen arbeitet, sondern vorhandenen Begriffen wie dem individuellen "Erlebnis" in der Moderne oder der kollektiven "Erfahrung" in der Prämoderne eine besondere Bedeutung verleiht. Dies ist jedoch nur dadurch möglich, dass er diese "Individualbegriffe" in bestimmte Zusammenhänge einbettet. Die Wiederholung solcher Begriffe an der Textoberfläche bewirkt, dass einander als fremd vorgestellte Zusammenhänge in eine unerwartete Beziehung gebracht werden und, ähnlich wie in seiner Geschichtstheorie, zu einem "dialektischen Bild" zusammenfinden.
My point of departure is Benjamin's "Lehre vom Ähnlichen," since this text elaborates a theory of reading and writing based on the concept of "nonsensory similarity." The "strange ambiguity of the word reading in relation to both its profane and its magical meaning", which is often cited in Benjamin criticism, is derived from a precise figure, namely the constellation as a model for writing and the concomitant practices of anagrammatical dispersion.
A influência de Bertolt Brecht sobre Walter Benjamin é comumente atribuída à assimilação da tradição de crítica marxista pelo último. O presente artigo busca realizar uma crítica imanente e teórica da obra de ambos com o fito de investigar outras faces possíveis dessa influência. Sendo assim, o objetivo é demonstrar que o "Efeito de distanciamento" (em alemão "Verfremdungseffekt") utilizado por Brecht em seu teatro épico tem um papel fundamental na leitura que Benjamin fará do cinema e aparece nas quatro versões do ensaio sobre "A obra de arte na época de sua reprodutibilidade técnica", bem como na sua teoria sobre a "aura".
El artículo examina un conjunto de obras de Siegfried Kracauer y Walter Benjamin con el propósito de reconstruir los aportes de ambos autores a una teoría crítica de los intelectuales. Situados entre los frentes, los dos ensayistas intentaron conjugar el compromiso social y político y la búsqueda de una politización de los intelectuales con la renuencia a aceptar y reproducir los dictados de una organización partidaria dogmática. Como término de comparación para el contexto de producción de ambos autores se considera el París de la Restauración, en el que un grupo de pensadores y escritores alemanes exiliados se constituyeron como los primeros intelectuales modernos, identificados con la figura de la conciencia desgarrada (zerrissenes Bewusstsein), tal como fue formulada por Hegel.
El estudio "Zwei Gedichte von Friedrich Hölderlin" es el primer ensayo crítico de Walter Benjamin. Respecto de dicho ensayo, los intérpretes se han concentrado en sus tesis e influencias más generales, sin reconocer por otro lado ciertos giros heterodoxos presentes en su lectura de Hölderlin. Así, tras el velo de sus postulados crítico-metodológicos, es possible reconocer un abordaje moderno de la poética hölderliniana, donde los motivos filosóficoidealistas aparecen desplazados por una lectura sensual y materialista. Dicho giro obedece a la presencia de intuiciones que más tarde constituirán los ejes fundamentales del pensamiento benjaminiano.
A teoria da mídia alemã surge no campo dos estudos literários no início dos anos oitenta e desempenha um papel vital no campo da comunicação e dos estudos de mídia mundo afora. Contudo, muitos pesquisadores dos estudos literários não parecem ter consciência do assim chamado "media turn" alemão, que produziu contribuições importantes para o debate contemporâneo acerca de questões sobre texto, mídia, percepção e tecnologia. Este artigo tenta mostrar um panorama desse debate, enfocando autores como Benjamin, Schmidt e Flusser.
In the present context of the triumph of capitalism over real socialism, this article points out that, despite their ideological differences, both systems are bound to the same conception of history-as-progress. In contrast, it recalls Walter Benjamin's philosophy of history, marked by the critique of progress in the name of a revolutionary time, which interrupts history's chronological continuum. Benjamin's perspective is used to study the conflict of temporalities among the Soviet artists in the two decades after the October Revolution: on the one hand, the anarchic, autonomous and critical time of interruption – which is the time of avant-gade –, on the other hand, the synchronization with the ideas of a progressive time as ordered by the Communist Patty; this is the time of vanguard, whose capitalist Counterpart is fashion.
This paper analyses the idea of the avant-garde in Benjamin and its reception in German literary criticism after World War II. It examines the works of Hans Magnus Enzensberger and Peter Bürger, who focus on the concept of avantgarde. This perspective allows us to broaden our reflection on German literary history since the end of World War II, and this contributes to the discussion on Postmodernism. The elaboration of the concept of allegory gives this discussion a clearer direction. Benjamin's key-notion of profane illumination was not received in a theoretical-philological way – but it materialized as experience in the students' revolt at the end of the 60s and the beginning of the 70s.
Considering that the German dramatist Heiner Müller has treated several times the subject of the angel of history, this essay proposes a comparison between Müller’s first angel (Der glücklose Engel) from 1958 and the original “angel of history” (Engel der Geschichte), a seminal text written by Walter Benjamin in 1940. Benjamin’s work reflects the author’s thoughts on the corruption of history and the dangerous notion of progress. Müller’s angel, on the contrary, despite his beliefs in the destructive force of the history, sees the future in a positive perspective.
Herauszufinden, aus welchen verborgenen Quellen sich das Denken und Schreiben eines Autors speist, hat die Literaturwissenschaft stets gereizt. Das gilt für die positivistische Einflussforschung wie für deren methodisch versiertere Neuauflage, die Intertextualitätsforschung. Auch bei der vorliegenden Studie meint man es auf den ersten Blick mit einer Arbeit zu tun zu haben, die dieser in die Kritik geratenen Forschungstradition zuzurechnen ist. "Der frühe Walter Benjamin und Hermann Cohen" - schon der Titel des Buches unterscheidet sich kaum von anderen, beliebigen Überschriften wie "Walter Benjamin und Bertolt Brecht", "Walter Benjamin und Ludwig Klages" oder "Benjamin und Karl Kraus". Und blättert man im Inhaltsverzeichnis herum, so setzt diese Tendenz sich fort, denn dort erfährt man, dass das Buch ausgiebig über Benjamin und Felix Noeggerath, Benjamin und Stefan George, Benjamin und Ludwig Strauß sowie Benjamin und Gustav Wynecken informieren wird. (Auszug aus Rezension in literaturkritik.de)