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In den siebziger Jahren überragte die Deutung der Werke Brechts die anderer Autoren an Umfang und Intensität um ein Vielfaches. Alles wurde diskutiert, seheinbar nichts ausgelassen. Inzwischen ist die Diskussion zum Erliegen gekommen, da die gesellschaftliche und politische Dimension der Literatur, deren Repräsentant Brecht wie kein anderer war, in den neuen kulturwissensehaftlichen Konzeptionen keine Rolle mehr spielt. Die Protagonisten der Brechtforschung und einige ihrer Anhänger publizieren zwar weiter, stoßen aber nicht auf Widerspruch, so daß sich Defizite fortsetzen. Dies ist auch bei einem 1952 erschienenen Band mit dem Titel "Theaterarbeit" der Fall, üher den nichts geschrieben wurde, vermutlich weil der Name Brechts hier nur als Teil einer "Redaktion" auftaucht und theoretische Äußerungen eher im Hintergrund stehen. In Editionen und Handbüchern wird er nicht oder nur am Rande berücksichtigt: In der "Großen kommentierten Berliner und Frankfurter Ausgabe" sind selbst die aus dem Band übernommenen Texte nur unzureichend ediert. In der fünfbändigen Ausgabe des Brecht-Handbuchs (2001-2003) wird der Band nicht als eigenständiges Werk behandelt, so daß die Mängel der Edition nicht korrigiert wurden. Dennoch ist die Theaterarbeit mit 400 großformatigen Seiten, aufwendiger Typographie und zahlreichen Abbildungen nicht nur repräsentativer als alle Publikationen Brechts, sie enthält auch die einzige umfassende Darstellung der epischen Dramaturgie zu seinen Lebzeiten. Durch die Vernachlässigung des Bandes hat eine unbedachte Brechtphilologie deshalb fortgesetzt, was die Kulturinstitutionen der DDR seit Beginn der fünfziger Jahre aus politischen Gründen betrieben haben: die Ausgrenzung eines Grundlagenwerks.
Das Erkenntnisinteresse der Literaturforschung kann, selbst wenn deren Materialbasis sich auf literarische Texte beschränkt, über die Texte hinausgehen. Aber auch in diesem Falle ist nicht davon abzusehen, daß sie in der Regel die wichtigste Erkenntnisquelle der Forschung bilden, und das heißt, daß die Texte erst einmal verstanden werden müssen. Man kann durch die Texte nicht hindurchgehen wie durch eine geöffnete Tür. Einem sozialgeschichtlich interessierten Literaturforscher wird eine passagere sachliche Kenntnisnahme allenfalls genügen können, wenn er zum Beispiel nur feststellen will, in welchen literarischen Texten Kaninchen eine Rolle spielen oder von Kaninchen die Rede ist. Hingegen wird er schon bei der Untersuchung, "wie" sie zur Erscheinung kommen, zunächst einmal die Texte selbst in der Weise zu seinem Erkenntnisgegenstand machen müssen, daß er sie analysiert und interpretiert. Er muß den Texten erst eine Bedeutung zuschreiben, ehe er die Kontexte bilden kann, auf die sich sein Erkenntnisinteresse richtet.
Zu meinen Schwerpunkten als Professor für Neuere deutsche Literatur gehört neben der Medien- und Kulturwissenschaft insbesondere mit ihren Theoriebildungen auch die Gegenwartsliteratur. Das hört sich gut an, und es mag wohl sein, dass dieser Schwerpunkt dazu geführt hat, dass ich heute hier in dieser Runde sein darf. Tatsächlich aber verbirgt sich hinter einem solchen Schwerpunkt Gegenwartsliteratur eine immense wissenschaftliche Provokation, die viel mit dem Profil meines Faches, der Literaturwissenschaft und ihrer literaturtheoretischen Grundlegung, zu tun hat, vor allem aber mit der Literaturgeschichte. Gleichzeitig ist diese Provokation auch eng mit meiner eigenen intellektuellen und akademischen Biographie verknüpft. Beide Stränge, der wissenschaftliche und theoretische sowie der biographische, treffen sich in meiner persönlichen Auseinandersetzung mit Gegenwartsliteratur, und davon will ich Ihnen heute kurz erzählen.
Wenn das Begehren liest...
(2012)
Das queere Lesen entdeckt anscheinend vor allem solche Bedeutungen und Zusammenhänge, die nicht primär zu sehen sind und unter der Text/Bild-Oberfläche verborgen liegen. Epistemologisch gesehen rechnet es also mit der Kategorie des Verstecks, wie sie von Eve Kosofsky Sedgwick beschrieben ist. Als ob es um das Sehen des Versteckten, des Nicht-Sehbaren gehen würde, also im Prinzip um eine Vorstellung, eine Imagination, das Sehen dessen, was man sehen möchte.
Die Zeitschrift Pandaemonium Germanicum erscheint zweimal jährlich und versteht sich als Forum für die wissenschaftliche Diskussion in den verschiedenen Bereichen der internationalen Germanistik, nämlich der Literatur- und Übersetzungswissenschaft, Linguistik, DaF und Kulturstudien. Die Zeitschrift wird von der deutschen Abteilung der FFLCH-USP (Universität São Paulo) seit 1997 herausgegeben und will zur Verbreitung unveröffentlichter Forschungen von GermanistInnen aus Brasilien und anderen Ländern, sowie zur Förderung des Dialogs zwischen der Germanistik und anderen Wissensbereichen beitragen.
"Zentrum und Peripherie". Internationale Konferenz des Germanistenverbandes der Tschechischen Republik an der Schlesischen Universität in Opava, 25.-27. Mai 2016
Die internationale Tagung Zentrum und Peripherie wurde vom Germanistenverband der Tschechischen Republik und der Abteilung für Germanistik am Institut für Fremdsprachen der Schlesischen Universität in Opava veranstaltet. Das Organisationsteam aus Opava bestand aus Dr. habil. Gabriela Rykalová, Dr. habil. Veronika Kotůlková und Dr. Miroslav Urbanec. Fast hundert FachteilnehmerInnen aus der Tschechischen Republik, Deutschland, Österreich, Polen, der Slowakei, Spanien, der Türkei und Ungarn konnten in Opava begrüßt werden, außerdem VertreterInnen des DAAD, der Deutschen Welle, des Österreichischen Kulturforums Prag sowie Germanistikstudierende verschiedener Universitäten. Im Rahmen der Konferenz fand auch die Mitgliederversammlung des Germanistenverbands der Tschechischen Republik statt.
Die XII. Tagung des Verbandes der Deutschlehrer und Germanisten der Slowakei (SUNG), die vom 30. Juni – 02. Juli 2016 an der Philosophischen Fakultät der Comenius-Universität in Bratislava stattgefunden hat, widmete sich dem Verhältnis von Gewalt und Sprache. Die literaturwissenschaftlichen Beiträge dieses Hefts dokumentieren die Breite und zugleich auch die historische Bedeutung dieses Themas, dem durch das Gedenken an die sich jährende europäische "Urkatastrophe", den Ersten Weltkrieg, eine besondere Aktualität zukam.
Der Artikel stellt aktuelle stilometrische Studien im Delta-Kontext vor. Diskutiert wird, warum die Verwendung des Kosinus-Abstands zu einer Verbesserung der Erfolgsquote führt; durch Experimente zur Vektornormalisierung gelingt es, die Funktionsweise von Delta besser zu verstehen. Anhand von mittelhochdeutschen Texten wird gezeigt, dass auch metrische Eigenschaften zur Autorschaftsattribution eingesetzt werden können. Zudem wird untersucht, inwieweit die mittelalterliche, nicht-normierte Schreibung die Erfolgsquote von Delta beeinflusst. Am Beispiel von arabisch-lateinischen Übersetzungen wird geprüft, inwieweit eine selektive Merkmalseliminierung dazu beitragen kann, das Übersetzersignal vom Genresignal zu isolieren.
Im Rahmen der Slowakischen Wissenschaftswoche fand an der Selye J. Universität in Komárno der zweite Jahrgang der internationalen Tagung Komorner Germanistentag am Institut für Deutsche Sprache und Literatur statt. Die Serie dieser Tagung ist für den Lehrstuhl von zweifacher Bedeutung. Einerseits ist es ein Versuch, die Tradition einer internationalen Tagung, die vor etwa zehn Jahren in der Abteilung für moderne Philologie an der Selye J. Universität von Csaba Földes, dem Begründer dieser Abteilung, veranstaltet wurde, wieder ins Leben zu rufen. Andererseits wollte man mit der Konferenz die Gelegenheit ergreifen, das vor zwei Jahren selbstständig gewordene Institut für deutsche Sprache und Literatur vorzustellen. [...] Die Teilnehmer präsentierten ihre Projekte und Forschungsergebnisse in drei thematischen Gruppen, und zwar in Linguistik, Literaturwissenschaft und Sprachdidaktik.