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Auf einer vom 25.12.2007 bis 15.1.2008 stattgefundenen
Reise nach Libyen, die schwerpunktmäßig auf Exkursionsziele
im Fezzan ausgerichtet war, wurden 96 Vogelarten
nachgewiesen, von denen 76 in dieser Arbeit
näher kommentiert werden. Es handelt sich dabei um
Beobachtungen, deren Auswertung aufgrund spärlicher
oder gar fehlender Angaben in der einschlägigen Literatur
relevant ist. In einer Tabelle sind die registrierten
Erstnachweise, Höchstzahlen etc. für Libyen bzw. den
Fezzan aufgeführt.
Die Ergebnisse machen deutlich, dass Teile des
Landes für mehrere europäische Vogelarten eine bislang
nicht erkannte hohe Bedeutung als Durchzugsund
Winterquartier haben. Vor allem die Gewässer
und Feuchtgebiete, in den in der östlichen Zentralsahara
liegenden Fezzan-Oasen bieten gute Rast- und
Überwinterungsbedingungen für wassergebundene
Vogelarten und sind bis heute ein im Zugablauf paläarktischer
Vogelarten unterschätzter Lebensraum.
Einen besonderen Stellenwert scheint neben den stark
anthropogen überprägten, von Menschen besiedelten
Oasen die isoliert in der offenen Wüste liegende Krateroase
Wau an Namus mit ihren Salzseen zu haben.
Zu erwähnen ist hier ein zahlenstarker Trupp des
Schwarzhalstauchers. Eine so große Ansammlung
wurde in der Sahara noch nicht beobachtet. Zudem
sind der Erstnachweis der Schnatterente für den Fezzan, mehrere Rufer der Wasserralle und der wahrscheinlich
größte Winterbestand des Blässhuhns in der
libyschen Wüste bemerkenswert. Eine Bedeutung haben
aber auch die ausgedehnten Phragmites-Bestände
als Winterquartier für diverse Singvogelarten. Die
häufigsten Arten waren Zilpzalp, Blaukehlchen und
Samtkopfgrasmücke.
Als eine weitere Überraschung sind 650-700 Weißstörche
und 130 Turmfalken auf den kreisrunden Landwirtschaftsflächen
bei Maknusa zu werten. Für beide
Arten wurden solche Konzentrationen im Winter in
Nordafrika noch nicht registriert. Es ist davon auszugehen,
dass sich hier inmitten der Zentralsahara seit
Jahren ein individuenreiches Überwinterungsgebiet des
Weißstorches etabliert hat, das bisher unentdeckt blieb.
Dieser Nachweis ist möglicherweise ein Hinweis auf die
zunehmende Teilzieher-Entwicklung bei einigen Transsahara-
Migranten. Aber auch bei anderen Arten muss
in diesen Gebieten mit zahlenstarken Winter-Ansammlungen
gerechnet werden, was u.a. 100-120 rastende
Rotkehlpieper zeigten.
Schließlich wurde in mehreren Feuchtgebieten der
Fezzan-Oasen beobachtet, wobei auch hier zunächst die
Bedeutung, u.a. als Überwinterungsgebiet für diverse
wassergebundene Vogelarten nur erahnt werden kann.
Dafür sprechen z.B mind. 60 Bekassinen und viele rufende
Wasserrallen bei Bergin, die Rekordzahlen für
Libyen bedeuten, aber auch eine Reihe erster Winter-
Nachweise verschiedener Limikolenarten für den Fezzan
und die Präsenz von Teichrohrsänger und Blaukehlchen.
Abschließend wird auf den Nachholbedarf an speziellen
Felduntersuchungen zum Durchzugs- und Rastgeschehen
paläarktischer Zugvögel in der libyschen
Sahara eingegangen. Besonders wichtig ist eine Kartierung
der avifaunistisch bedeutsamen Gebiete. Vor allem
sollten auch Schutzbemühungen nicht ausbleiben, da
viele der Oasen-Landschaften, insbesondere die Süßwasserstellen
und deren Vegetation durch Verkippung
und Müllablagerungen äußerst gefährdet sind.
Unsere Studie hat am Steinschmätzer die Folgen einer verlängerten
Brutzeit durch zusätzliche Spätbruten für das Zeitmanagement
von Weitstreckenziehern untersucht. Wir fragten,
ob der Zeitverlauf der Mauser verändert wird, ob saisonale
Aktivitäten verschachtelt werden und ob die Geschlechter
unterschiedlich auf spätes Brüten reagieren. Zudem erwarteten
wir eine verminderte Rückkehrrate von Spätbrütern. Die
Ergebnisse zeigen, dass Steinschmätzer beider Geschlechter
ohne Spätbruten kurz nach dem Ausfliegen der Jungen gleichzeitig
mit der Mauser beginnen, während spät brütende Steinschmätzer
den Mauserbeginn verzögern. Die Verzögerung ist
bei den Weibchen (23 Tage) viel ausgeprägter als bei den
Männchen (6 Tage). Infolgedessen überlappten spätbrütende
Männchen häufig Brut und Mauser, während die Weibchen
möglicherweise vor dem Zugbeginn in Zeitdruck gerieten.
Trotz des späten Mauserbeginns wechselten Spätbrüter beider
Geschlechter ihr Gefieder tendenziell um etwa eine Woche
langsamer und konnten somit ihre Verspätung nicht kompensieren.
Obwohl zwei Bruten für den Steinschmätzer sicher
eine höhere Belastung darstellen, zeigten die Rückkehrraten
keine Benachteiligung auf. Unabhängig von Alter, Geschlecht
und Anzahl der Bruten lag die Rate im Populationsmittel bei
23,5 %. Vermutlich ziehen nur Steinschmätzer in ausgezeichneter
körperlicher Verfassung Spätbruten auf und gleichen
die zusätzliche Belastung aus.
Schwanzwippen ist bei einer Reihe von Vogelarten ein sehr
auffälliges Verhalten, dennoch ist die Funktion dieses Verhaltens bislang wenig geklärt. In dieser Arbeit werden verschiedene
Hypothesen vorgestellt und diskutiert. Dabei erscheinen
Hypothesen am überzeugendsten, die dieses Verhalten in
einem Räuber-Beute-Kontext platzieren. Wippen signalisiert
die Wachsamkeit eines Individuums an einen potenziellen
Beutegreifer. Mögliche weitere Interpretationen sind Alarmsignale
oder Kommunikation innerhalb eines Paares, sowie
eine lokomotorische Funktion. Die letzten drei Hypothesen
wurden bislang allerdings noch nicht experimentell getestet
oder durch Beobachtungen bestätigt.
Dieser dritte Beitrag in unserer Reihe über neue Vogeltaxa gibt eine Übersicht der im Jahre 2007 neu beschriebenen Gattungen, Arten und Unterarten rezenter Vögel und basiert auf umfangreicher Literaturrecherche. Im Berichtszeitraum wurden drei neue Gattungen, sieben neue Arten und 135 neue Unterarten den Nomenklaturregeln entsprechend benannt. Neue Gattungen wurden für Arten bzw. Artengruppen innerhalb der Familien der Schwalme (Podargidae), Töpfervögel (Furnariidae) und Ammern (Emberizidae) aufgestellt. Sechs der neuen Arten entfallen auf die Passeriformes, nur eine auf die Non-Passeres, ein Kolibri. Die meisten neuen Unterarten (133) gehören den Non-Passeres an, davon allein 132 der Familie der Gänse-und Entenvögel (Anatidae), nur zwei sind Sperlingsvögel. Zoogeografisch geordnet entfallen eine neue Gattung, sechs neue Arten und eine Unterart auf Süd- und Mittelamerika, die anderen Taxa wurden für Nordamerika und die Karibik (1/0/133), Asien (0/0/1) und Ozeanien (1/1/0) beschrieben. Eine im Jahre 2006 erschienene Publikation mit der Beschreibung von 26 neuen Unterarten einer nordamerikanischen Gänseart musste in unserer letzten Jahresübersicht unberücksichtigt bleiben (Martens & Bahr 2008). Da sie in engem Zusammenhang mit einer Publikation des Jahres 2007 steht, behandeln wir hier beide gemeinsam. Für die Paläarktische Region und die Indomalayische Region erfassen wir erneut die Aufspaltungen bereits bekannter Arten in Tochterarten, zumeist Allospzies. Im Berichtzeitraum sind davon Fledermauspapageien (Loriculus), Timalien (Alcippe), Seidensänger (Cettia), Finken (Rhodopechys, Rhynchostruthus) und Ammern (Emberiza) betroffen. Nach wie vor verändern diese Aufspaltungen das Bild der Vogel-Taxonomie und Vogel- Diversität weltweit besonders nachhaltig, und alle entsprechenden nomenklatorischen Handlungen bedürfen genauer und kritischer Dokumentation.
Kolbenenten sind nach dem simultanen Abwurf der Schwingen
über zwei Wochen anhand einer veränderten Rückenpartie
rasch als flugunfähig erkennbar. Im letzten Drittel des
Federwachstums wird die Schwingenmauser aber nur deutlich,
wenn der Flügel beim Putzen geöffnet wird. Ein markiertes
Weibchen zog 35 Tage nach Abwurf - dann offenbar
gut flugfähig - vom Mauserplatz ab. Mit diesem Wert und
mittels einer Zuwachsrate der HS 9 eines gefangenen Männchens
von 5,6 mm/Tag (bzw. 5,0 mm/Tag bei Schwingenlängen
zwischen 60 und 100 mm) wurden die Daten von Schwingenabwurf
und wiedererlangter „guter“ Flugfähigkeit von 80
Kolbenenten kalkuliert, die 1980-1986 am „Ismaninger Speichersee
mit Fischteichen“, Oberbayern, während ihrer Mauser
gefangen wurden. In den Jahren 2002, 2005, 2006 und 2008
wurde die Phänologie der Schwingenmauser hingegen durch
Feldbeobachtung ermittelt (41 Stichproben bei 3477 Männchen
bzw. 976 Weibchen).
In beiden Zeiträumen gleichen sich die Verläufe der Schwingenmauser
hinsichtlich Beginn, Anstieg und Lage der Maxima
weitgehend. Männchen warfen die Schwingen frühestens
zwischen 15.06. und 20.06. ab. Anfang Juli stiegen die Anteile
Mausernder von unter 20 % rasch auf über 80 % Mitte Juli.
Gipfelwerte über 90 % lagen übereinstimmend Ende Juli. Ab
25.07. konnten die ersten Männchen wieder gut fliegen, Mitte
August schon zwei Drittel, Ende August über 90 %. In den
1980er Jahren mauserten die zentralen zwei Drittel der Männchen
ihre Schwingen innerhalb von 7 Wochen zwischen 05.07.
und 23.08.
Erste Weibchen warfen die Schwingen zwischen 02. und
05.07. ab. Ab Mitte Juli stiegen die Anteile Mausernder von
5-23 % langsam auf über 90 % Mitte August. Die frühesten
Weibchen konnten ab dem 06.08. wieder gut fliegen, Ende
August waren es schon um 40 %, nach der ersten Septemberwoche
zwei Drittel. Die zentralen zwei Drittel der Weibchen
mauserten 1980-1986 zwischen 10.07. und 12.09. innerhalb
von 9 Wochen. Letzte, isolierte Abwurfdaten waren 16.09. für
ein Männchen bzw. 10.10. für ein Weibchen, wieder gut flugfähig
waren diese Individuen am 21.10. bzw. 14.11.
Die beiden Zeiträume unterscheiden sich erheblich hinsichtlich
der Herkunft der Mausergäste. 1980-1986 kamen sie
vor allem aus dem südlichen Mitteleuropa, 2002-2008 dominierten
neu hinzu gekommene Vögel aus Spanien. Trotz
dieser Veränderung ist ein Einfluss auf den zeitlichen Ablauf
der Schwingenmauser nicht erkennbar.
Die Sommermaxima der Kolbenenten am „Ismaninger Speichersee
mit Fischteichen“, Bayern, sind von 1967 bis 1997
langsam von etwa 750 auf über 2.500 gestiegen. Das entsprach
etwa der Größenordnung und dem Trend der Brutbestände
im südlichen Mitteleuropa und Teilen Frankreichs. Ab 1998
kletterten die Maxima rasch auf mehr als 13.500 im Jahr 2003.
Dieses hohe Niveau blieb unter Schwankungen bis 2008 mit
immer noch 11.500 Ind. erhalten (Allzeit-Maximum: 16.093
Ind. am 30.07.2005).
Die hohen Zahlen im letzten Jahrzehnt sind Ausdruck einer
Verlagerung großer Mauserbestände aus Südwest- nach Zentraleuropa,
der die Verlagerung noch größerer Teile der Winterbestände
seit Beginn der 1990er Jahre entspricht. Aus
europäischen Mittwinter- und Brutbestandszahlen lässt sich
ableiten, dass in den Jahren um 2005 bis zu 40 % der zentral-/
südwesteuropäischen Flyway-Population in Ismaning die
Schwingen gemausert haben. An diesem Mauserzug waren
teils mehr als 10.000 Vögel aus Spanien beteiligt.
Die saisonale Dynamik war auch 2002 bis 2008 stark vom
Mauserzug dominiert: Mitte Juni waren bereits 2.400 bis 4.600
Mausergäste anwesend. Bis Ende Juli zogen in jeder Woche
durchschnittlich 1.050 bis 1.900 Ind. zu. Die Maxima, meist
Ende Juli, bestanden vor allem aus flugunfähigen Vögeln. Ab
Anfang August zogen im Mittel wöchentlich knapp 1.600 mit
neuen Schwingen wieder ab, vom 28.07. bis 11.08.2003 sogar
6.830 Ind. Dies sind aber nur Bilanzwerte aus abwandernden
Männchen und noch zuwandernden Weibchen, auch der
geschlechtsspezifische Turnover ist nicht bekannt. Zwischen
November und Februar waren höchstens Dutzende anwesend,
ausnahmsweise 450 bis 1.000 Vögel.
Fertig Vermauserte blieben bis 1984 gelegentlich bis in den
September. Ein Trend zum Verlassen des Gebietes bereits ab
Juli/Anfang August wird ab 1999 zur Regel, vielleicht infolge
einer rascheren Verknappung der Nahrungsgrundlage. Dagegen
blieben Beginn und Höhepunkt der Schwingenmauser
seit den 1980er Jahren etwa gleich.
Errechnete Männchenzahlen stiegen 2005 und 2006 rasch
auf Maxima von 11.000 bis 12.000 Mitte oder Ende Juli, ab
Anfang August fielen sie ebenso rasch wieder, Mitte September
waren nur noch 140 bis 300 anwesend. Die Zahlen der
Weibchen begannen später und langsamer zu steigen und
erreichten erst im August Höchststände über 5.300 bzw. 2.700.
Damit waren ein Drittel bzw. ein Fünftel aller Mausergäste
Weibchen, was in dieser Höhe bisher noch nicht dokumentiert
wurde. Selbstständige Jungvögel blieben in den Jahren 2002
bis 2008 bis Ende August stets unter 1 %.
Die Nahrungsgrundlage für bis zu 5.000 Individuen in den
Teichen sind nach wie vor makrophytische Grünalgen. Im
See mausernde Vögel ernähren sich seit der Verringerung des
Nährstoffeintrages von der Armleuchteralge Chara vulgaris
und Laichkraut-Arten Potamogetonaceae. Kolbenenten sind
also selbst während der Schwingenmauser keineswegs auf
Chara oder auf Makrophyten angewiesen. Das typische Habitat
für mausernde Kolbenenten sind offene Wasserflächen.
Schilfbestände wurden nicht aufgesucht.
In Ismaning beringte Brutvögel und Mausergäste sind 1970
bis 1989 im Winter vor allem in der Camargue, Frankreich,
aber auch in Spanien gefunden worden. Ein Mauserzug von
französischen Brutzeitfänglingen nach Ismaning wurde erstmals
2007 und 2008 nachgewiesen.
Eine Analyse von Bestandsverlagerungen braucht gerade
im Sommerhalbjahr streng simultane Erfassungstermine. Weil
große Verbände innerhalb weniger Stunden von Ismaning
zum Bodensee, in die Schweiz oder anderswo hin ziehen
können, empfehlen wir bei der Beschreibung von Sommervorkommen
eine klare Trennung zwischen nachgewiesener
und vermuteter Schwingenmauser.
Das Helgoländer Ringfundmaterial ist durch eine extrem
weit zurück reichende und bis auf die Kriegsjahre kontinuierliche
Beringungstätigkeit sowie die isolierte Lage
der Insel in der Nordsee charakterisiert. Seit dem Beginn
der Beringung auf Helgoland im Jahr 1909 konnte die
Beringungszentrale der „Vogelwarte Helgoland“ mehr
als 11.100 Fundmeldungen auf Helgoland beringter
Vögel sammeln. Die vorliegende Auswertung umfasst
alle seit 1909 auf Helgoland beringten und abseits gefundenen
sowie an anderen Orten beringten und auf
Helgoland gefundenen Vögel.
Die ausgewerteten 6.914 Funde auf Helgoland beringter
Vögel stammen von insgesamt 108 Arten, von weiteren
134 beringten Arten gibt es keine Funde. Rund 18 % aller
Funde auf Helgoland beringter Vögel stammen aus der
Zeit von 1909 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges.
Von 1959 bis 1985 gab im Mittel 134 Funde pro Jahr,
danach sank die Zahl auf im Mittel nur noch 82 Funde
pro Jahr. Für fast jede Art gibt es Angaben zur Fundrate,
zur größten Entfernung des Fundortes, zur maximalen
Tagesleistung sowie zum Höchstalter. 116 Funde, die
hinsichtlich ihres Fundortes aus der Masse heraus ragen,
besonders selten sind oder sich durch ein hohes Alter,
hohe Zuggeschwindigkeit oder besondere Fundumstände
auszeichnen, werden einzeln vorgestellt.
Die Funde aus 41 Staaten verteilen sich von Spitzbergen
bis nach Namibia und von Island bis fast an den Ural.
Die meisten Vögel wurden in Deutschland gefunden,
gefolgt von Frankreich, Großbritannien, Dänemark, den
Niederlanden und Norwegen. Einige Funde wurden aus
Afrika, aber nur sehr wenige aus den osteuropäischen
Ländern und aus Asien gemeldet. An den hier zusammengestellten
Funden auf Helgoland beringter Vögel sind
Amsel Turdus merula und Singdrossel Turdus philomelos
mit jeweils über 1.000 Meldungen am häufigsten beteiligt,
an dritter Stelle rangiert die Trottellumme Uria aalge
mit über 500 Funden. Von 11 weiteren Arten gibt es
noch jeweils über 100 Funde. Etliche Individuen wurden
mehr als einmal abseits von Helgoland gemeldet.
In nördlichen Richtungen erfolgten die meisten Funde
bis zu einer Entfernung von 600 km mit einem Peak bei
70 bis 80 km an der schleswig-holsteinischen Westküste
und einem weiteren bei 420 bis 600 km im südlichen
Skandinavien. Nur wenige Funde wurden aus mehr als
2.000 km in nördlichen Richtungen gemeldet. In südlichen
Richtungen lagen vergleichsweise viele Funde
innerhalb einer Entfernung bis 2.300 km mit vier Peaks
bei 40 bis 80 km, 400 bis 500 km, 1.000 bis 1.300 km und
2.000 bis 2.300 km. Nur wenige Funde wurden aus mehr
als 3.000 km in südlichen Richtungen gemeldet. Den
Fundorten entsprechend wiesen die meisten Zugrichtungen
im Frühjahr nach Nordosten und im Herbst
nach Südwesten.
Die (scheinbaren) mittleren Zuggeschwindigkeiten
der auf Helgoland beringten Vögel variierten stark in
Abhängigkeit von der ausgewerteten Tagesdifferenz
zwischen Beringung und Fund: Bei gleich gewählten
Fundzeiträumen unterschieden sich die mittleren
Heimzug- und Wegzuggeschwindigkeiten weder bei
Kurz/Mittelstreckenziehern noch bei Langstreckenziehern.
Dagegen war die mittlere Wegzuggeschwindigkeit
der Langstreckenzieher höher als die der Kurz/Mittelstreckenzieher.
Bei einer gemeinsamen Fundrate aller auf Helgoland
beringten Vögel von 0,91 % war die der Nonpasseres
mit 5,65 % bedeutend höher als die der Passeres mit
0,67 %. Die Drosseln hatten mit 0,94 % eine wesentlich
höhere Fundrate als die übrigen Passeres mit 0,48 %. Bis
zum Ende des Zweiten Weltkriegs waren die Fundraten
sowohl für alle Funde zusammen als auch für verschiedene
Artengruppen etwas höher als danach, der Unterschied
ist jedoch nur bei den Drosseln signifikant.
Die meisten Funde wurden mit unbekanntem Fundumstand
oder als geschossen gemeldet, an dritter Stelle
standen Wiederfänge. Mit jeweils unter 10 % war der
Anteil der natürlichen Fundumstände, der abgelesenen
Vögel sowie der durch Technik oder Verschmutzung in
Menschenhand gelangten Tiere vergleichsweise klein.
Die meisten Vögel wurden tot gefunden, als lebend
wurde weniger als ein Viertel aller Funde gemeldet und
bei weniger als 10 % der Funde wurde kein Fundzustand
angegeben. Sowohl die Fundumstände als auch die
Fundzustände der auf Helgoland beringten Vögel haben
sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts verändert.
Die 1.516 von 1909 bis 2008 auf Helgoland gefundenen
Vögel von anderen Beringungsorten verteilen
sich auf 96 Arten. Dabei war die Amsel mit 275 Funden
von allen Arten am häufigsten vertreten, an zweiter
Stelle lag die Silbermöwe Larus argentatus mit 197 Funden,
an dritter die Mantelmöwe Larus marinus mit 86
Funden. Nennenswerte Zahlen fremdberingter Vögel
wurden auf Helgoland nicht vor 1960 gefunden (seitdem
im Mittel 28 fremdberingte Vögel pro Jahr). Für fast
jede Art, von der Funde fremder Vögel auf Helgoland
vorliegen, gibt es Angaben zur größten Entfernung des
Fundes vom Beringungsort, zur maximalen Tagesleistung
sowie zum Höchstalter. 54 Fremdfunde, die hinsichtlich
des Beringungsortes aus der Masse der Funde
heraus ragen, besonders selten sind oder sich durch ein
hohes Alter oder hohe Zuggeschwindigkeit auszeichnen,
werden einzeln vorgestellt.
Die fremden auf Helgoland gefundenen Vögel stammen
von 950 unterschiedlichen Beringungslokalitäten
aus 22 verschiedenen Staaten. Die meisten Individuen
waren auf den Britischen Inseln beringt worden, gefolgt ischen
Staaten stammen nur wenige Fremdfunde, kein
einziger aus Afrika oder Asien. Die weitaus meisten
Fremdfunde auf Helgoland wurden wieder gefangen,
mit größerem Abstand folgen unbekannter Fundumstand,
geschossene sowie im Feld abgelesene Vögel.
Fremdfunde durch natürliche Umstände, Verschmutzung
oder Technik spielten auf Helgoland kaum eine
Rolle. Zwei Drittel der fremden Vögel wurden auf Helgoland
lebend und ein Drittel tot gefunden.
Die Funde der Trottellumme, einer innerhalb Deutschlands
besonderen Art, werden in einem eigenen Kapitel
betrachtet. Diese Art zeichnet sich nicht nur durch die
dritthöchste Zahl von Funden auf Helgoland beringter
Vögel (653, davon die meisten aus Skandinavien), sondern
auch durch eine relativ hohe Fundrate von 7,6 %
aus. Die meisten Trottellummen wurden geschossen (v. a.
in Norwegen) oder kamen durch Verölung (meist entlang
der Schifffahrtsstraßen in der südlichen Nordsee) bzw.
durch Fang in Fischereigeräten (überwiegend in Schweden
und Dänemark) in die Hand von Menschen.
In den Jahren 2002 bis 2005 wurden in Thüringen zwei
Jungvögel und sieben Altvögel mit Solar-Satelliten-
Telemetriesendern markiert, die bis Ende 2008 2686
Ortungen auf der Basis des Dopplereffektes ermöglichten.
Die Genauigkeit der meisten Ortungen war nicht
sehr groß, jedoch für Untersuchungen zum Zugverhalten
ausreichend.
Insgesamt konnten im Herbst acht Wegzüge nach
Spanien und im Frühjahr vier Heimzüge ins Brutgebiet
telemetriert werden. Außer bei einem Jungvogel, der
bereits im August abzog und 47 Tage bis nach Spanien
benötigte, lag der Zugbeginn in der ersten Oktoberhälfte.
Die Ankunft im Frühjahr erfolgte vom 5. bis 12.
März. Die Rotmilane überwanden auf dem Zug ins
Winterquartier Entfernungen zwischen 1450 und 2320
km, wofür die Altvögel 12 bis 28 Tage benötigten. Der
Frühjahrszug verlief etwas zügiger in 8 bis 22 Tagen.
Ein Weibchen, das über fünf Zugperioden telemetriert
werden konnte, verbrachte die ersten beiden Winter
im selben Gebiet in Südwestspanien und flog in der
dritten Zugperiode nur noch bis Nordspanien. Dort
fand Ende Dezember ein Wechsel des Winterquartiers
über 130 km statt. Im vierten Untersuchungsjahr überwinterte
es im Brutgebiet. Im folgenden Jahr zog das
Weibchen bereits eine Woche früher als in den ersten
drei Jahren nach Westspanien ab, wo es im Dezember
tot gefunden wurde.
Drei Mitglieder einer Familie (Männchen und zwei
Junge) zogen getrennt, und die Jungvögel suchten unterschiedliche
Winterquartiere auf. Neben den Ergebnissen der Telemetrie wurden
durch die individuelle Erkennbarkeit der Rotmilane
anhand der PTTs weitere Erkenntnisse gewonnen. So
konnte die Verdrängung eines Paares aus dem Brutgebiet
durch andere Rotmilane nachgewiesen werden
und ein über fünf Brutperioden kontrolliertes Weibchen
hatte in dieser Zeit mindestens vier verschiedene
Partner.
Von den neun besenderten Vögeln kamen vermutlich
sieben Tiere um, zwei Männchen und ein Weibchen im
Brutgebiet, ein Männchen auf dem Zug und zwei Jungvögel
und ein Weibchen im Überwinterungsgebiet. Ein
Weibchen trägt derzeit (Sommer 2009) noch den Sender
und hat seit der Besenderung im Alter von drei
Jahren jährlich (bisher siebenmal) erfolgreich Jungvögel
aufgezogen. Bei einem Altvogel wurde der Sender
entfernt, als er wiedergefangen wurde.
Die Habitatpräferenzen des Baumpiepers wurden auf
einer 30 km2 großen Fläche in der Wahner Heide (Nordrhein-
Westfalen) untersucht. Datengrundlage war eine
rationalisierte Revierkartierung aus dem Jahr 2007, die
mit Hilfe von digitalen Karten und einem Geographischen
Informationssystem analysiert wurde. Hauptaugenmerk
lag dabei auf der Habitatwahl, auf der Assoziation
mit dem Waldrand und der Exposition der
gewählten Waldränder. Ein Großteil der 162 untersuchten
Brutreviere lag auf Offenlandflächen und in
Laubwäldern, hingegen nur 8 % in Nadelwäldern. Die
Siedlungsdichte ist positiv dem Vorkommen von Offenlandflächen
korreliert. Außerdem wurde eine signifikante
Präferenz für Waldrandhabitate ermittelt, wobei
62 % der Reviere nicht weiter als 50 m vom Waldrand
entfernt lagen. Waldränder mit westlicher Exposition
wurden tendenziell gemieden.
Im Oktober 2006 fanden Untersuchungen im erst kürzlich
entdeckten Brutgebiet des Kapverdenrohrsängers
auf Fogo statt. Dabei wurde festgestellt, dass die Art im
Kulturland im Norden der Insel weit verbreitet ist. Insgesamt
konnten in der Höhenzone zwischen 222 und
973 m über NN 129 Reviere kartiert werden. Eine auffällige
Konzentration war in der Region um Pai António
feststellbar. Die Siedlungsdichte betrug 0,65 Reviere/10
ha. Im Dichtezentrum wurden sogar 1,9 Reviere/10 ha
festgestellt. Die Gesamtpopulation der Insel wird auf
mindestens 500 Brutpaare geschätzt. Eine umfassende
Habitatanalyse zeigt, dass der Rohrsänger insbesondere
in Kaffeeplantagen mit großen Obstbäumen und
-sträuchern vorkommt. Neben dem dominanten Kaffee
sind weitere eingeführte Nutzpflanzenarten, vor allem
Mais vorherrschend. Auch das Wandelröschen ist stellenweise,
hauptsächlich in oberen Berglagen oder in
schwer zugänglichen Schluchten ein wichtiges Habitatelement.
Riesenschilf spielt dagegen auf Fogo nur eine
untergeordnete Rolle. In einem montan gelegenen Aufforstungsgebiet
konnte der Rohrsänger nicht nachgewiesen
werden.
Von neun gefundenen Nestern befanden sich sieben
in Mangobäumen. Diese waren stets in einer aus drei
Zweigen bestehenden Gabel eingeflochten. Die Standhöhe
lag zwischen 2 und 15 m. Zudem konnte das Brutverhalten
an einem Nest mit Gelege studiert werden.
Bemerkenswert war vor allem, dass beide Geschlechter
sich bei der Bebrütung abwechselten.
Vermutlich brütete die Art schon vor der menschlichen
Besiedlung (häufig) auf Fogo, fand jedoch auch
nach der Kultivierung in den Kaffeeanpflanzungen einen
geeigneten Ersatzlebensraum. Die Zukunft des
Kapverdenrohrsängers ist auf dieser Insel bei Erhalt der
Kaffeekultur und Beibehaltung der derzeitigen Bewirtschaftungsweise
anscheinend gesichert.
[Alfred Ebenbauers] altertumswissenschaftliche Prägung äußert sich in seinen Arbeiten zur skandinavischen und mittellateinischen Literatur: die Dissertation widmet sich der Helgi-Sage und dem Helgi-Kult (...), einer der ersten Aufsätze gilt dem Altisländischen (...), un der Germanischen Religionsgeschichte bleibt er treu (...), schreibt den einschlägigen Artikel in der Theologischen Realenzyklopädie. (...) Als Perspektive durchzieht das Denken vom Mythos (...) her viele Arbeiten, der Blick in den "Brunnen der Vergangenheit" reicht bei ihm weiter als bei den Fachkollegen, und die "Frühzeit menschlichen Bildträumens", umd mit Thomas Mann zu sprechen, ist als Horizont oft präsent.
Die Arbeit analysiert den Begriff sowie den Wert der Freiheit in den Schriften des kanadischen Philosophen Charles Taylor, unter Bezugnahme auf dessen politische Philosophie und philosophische Anthropologie. Die begriffliche Klärung basiert auf einer Systematisierung der positiven Verwendung des Freiheitsbegriffes in Taylors Gesamtwerk. Die Wertanalyse interpretiert die Ergebnisse der Systematisierung in Bezug auf die Frage, ob Freiheit in Taylors Verständnis ein extrinsischer oder ein intrinsischer Wert ist.
kurz und kn@pp news : Nr. 17
(2009)
kurz und kn@pp news : Nr. 16
(2009)
* Kooperation von "jeder-Fehler-zaehlt.de" mit der Techniker Krankenkasse
* "PRIorisierung von MUltimedikation bei Multimorbidität" – PRIMUM-Pilotstudie erfolgreich gestartet
* Neuer Arbeitsbereich: Qualitätsförderung und Konzeptentwicklung
* Neu im Institut ist Sabine Pommeresch
* Frankfurter Fortbildungsreihe Evidenzbasierte Medizin
* 2. Frankfurter Tag der Allgemeinmedizin: Jetzt online
kurz und kn@pp news : Nr. 15
(2009)
Zur aktuellen Verbreitung von Gagea bohemica (ZAUSCHN.) SCHULT. & SCHULT. f. in Sachsen-Anhalt
(2009)
Nach neueren genetischen Untersuchungen stellt Gagea bohemica eine hoch variable Spezies dar, wobei die Unterscheidung spezifischer oder infraspezifischer Taxa, charakterisiert durch morphologische und genotypische Merkmale mit unterschiedlicher geographischer Verteilung oder Habitatanforderungen, nicht länger aufrechterhalten werden kann. Für die Vorkommen von Gagea bohemica s. l. wurde unter Einbeziehung von Gagea saxatilis für Sachsen-Anhalt eine Rasterkarte erarbeitet, aus der hervorgeht, dass der Felsen-Goldstern aktuell noch an einer großen Zahl von Fundorten im mittleren und südlichen Gebiet Sachsen- Anhalts auftritt.
Es werden Funde von gefährdeten und bemerkenswerten Moosarten aus dem Harz und der Umgebung von Halle/S. mitgeteilt. Neu für Sachsen-Anhalt sind Schistidium pruinosum und Schistidium trichodon. Für Gymnostomum calcareum wird die erste gesicherte Angabe aus Sachsen-Anhalt mitgeteilt. Wiederfunde verschollener Arten konnten von Asterella gracilis, Encalypta trachymitria, Frullania fragilifolia, Hypnum pratense und Pterogonium gracile gemacht werden.
In dem bei Halle (Saale) gelegenen Naturschutzgebiet „Muschelkalkhänge zwischen Lieskau, Köllme und Bennstedt“ wurden die Moosgesellschaften und die Moosflora erfasst. Bedeutungsvolle Gesellschaften sind die basiphytischen, epigäischen Assoziationen Tortelletum inclinatae, Barbuletum convolutae, Astometum crispi, Aloinetum rigidae und Dicranelletum rubrae, die epilithischen Assoziationen Orthotricho anomali-Grimmietum pulvinatae und Homomallietum incurvati sowie die epixylen Assoziationen Orthotrichetum fallacis, Ulotetum crispae, Pylaisietum polyanthae und Brachythecio rutabuli-Hypnetum cupressiformis. Alle Gesellschaften sind durch zahlreiche Aufnahmen in 14 Tabellen dargestellt. Insgesamt konnten 20 Moosgesellschaften, 2 Flechtengesellschaften und 108 Moosarten (3 Lebermoose, 105 Laubmoose) nachgewiesen werden.
GOeTHEO : Ausgabe 1
(2009)
GoeTheo ist ein Projekt, welches der Transparenz des Fachbereichs und der Informationsweitergabe an Studierende, Förderer und Interessierte dient.
Die Fachbereichszeitschrift ist eine gemeinsame Publikation des Vereins der Freunde und Förderer der Evangelischen Theologie in Frankfurt/Main und des Fachbereichs Evangelische Theologie der Goethe-Universität. Seit Wintersemester 2009/10 erscheint GoeTheo immer zum Semesteranfang und informiert über die Lehrveranstaltungen des kommenden Semesters, sowie über aktuelle Entwicklungen des Fachbereichs in Forschung und Lehre.
Alle bekannten Bolboschoenus-Vorkommen im Altmarkkreis Salzwedel (Sachsen-Anhalt) wurden überprüft. Bolboschoenus maritimus s. str. hat seinen Verbreitungsschwerpunkt auf salzbeeinflussten Standorten, B. laticarpus wurde auf kaum salzbeeinflussten Wuchsorten neu für das Gebiet nachgewiesen. Erstmals für Sachsen-Anhalt konnte der Neophyt B. planiculmis belegt werden. Diese Art besiedelt insbesondere Nassstellen auf Äckern.
Nach einer kurzen Einführung zur Ökologie und zur Erforschung der Armleuchteralgen werden das Untersuchungsgebiet im Südteil von Sachsen-Anhalt umgrenzt und die Methoden der Erfassung der Armleuchteralgen erläutert. Bei den Untersuchungen konnten 15 Characeen-Arten nachgewiesen werden. Die Häufigkeiten der einzelnen Sippen werden in einer Tabelle und die Artenzahlen in einer Karte dargestellt. Für die seltenen Arten werden die konkreten Fundorte genannt. Darauf folgen Hinweise für eine Aktualisierung der Roten Liste und ein Aufruf zur Erfassung sowie Tipps zum Sammeln von Armleuchteralgen.
Es werden Funde von seltenen und gefährdeten Wasser- und Sumpfpflanzen in Auengewässern, Altwasserflachseen und Sekundärgewässern des Elbe-Havel-Winkels im Biosphärenreservat „Flusslandschaft Elbe“ (Nordosten von Sachsen-Anhalt) dokumentiert. Wasserpflanzen (38 % Rote Liste-Arten) des Lebensraumtyps 3150 „Natürliche eutrophe Seen mit einer Vegetation des Magnopotamions oder Hydrocharitions“ indizieren eine natürliche Wasserqualität.
Mit der neuen Umgangspflegschaft verabschiedet sich der Gesetzgeber vom Grundsatz, dass Eingriffe in das elterliche Sorgerecht erst bei (nicht anders abwendbaren) erheblichen Kindeswohlgefährdungen zulässig sind. Bleibt zu hoffen, dass die Praxis mit größter Behutsamkeit von der Bestellung von Umgangspflegschaften Gebrauch macht, insbesondere dann, wenn Umgang gegen den Kindeswillen durchgesetzt werden soll, was sich aus rechtlichen, fachlichen und ethischen Gründen verbietet. Die massive Bedrohung der eigenständigen Interessenvertretung Minderjähriger – die bislang eine Erfolgsgeschichte zu werden schien – tritt am 01.09.2009 in Kraft. Verfahrenspfleger/-beistände werden sich auf die neue vergütungsrechtliche Situation einzustellen haben, mit welchen persönlichen Konsequenzen, das kann nur von ihnen beantwortet werden. Es wäre schade, insbesondere für die auf qualifizierte und einfühlsame erfahrenspfleger/-beistände angewiesenen Minderjährigen, wenn allzu viele dieser erfahrenen und bewährten Interessenvertreter Minderjähriger sich von diesem bedeutsamen, aber auch herausfordernden Arbeitsfeld abwenden müssten, geht es doch bei der Gruppe von Minderjährigen, die auf einen Verfahrenspfleger bzw. -beistand zur eigenständigen Wahrnehmung ihrer Interessen angewiesen sind, um Minderjährige, die bereits erheblich gefährdet sind oder waren bzw. denen eine solch massive Beeinträchtigung ihres Wohls droht. Sicherlich: Auf die Situation vor 1998 sind wir noch nicht zurückgeworfen, aber es gilt in mühsamer Arbeit die Rechtspolitik davon zu überzeugen, dass diese Fehlentscheidung alsbald korrigiert werden muss.
Dieser Band dokumentiert die Vorträge des ersten „Familienrechtlichen Forums Göttingen“, das am 28. Juni 2008 stattgefunden hat. Unmittelbar vor dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens erörterten Experten aus Wissenschaft, Politik und Praxis das im September 2009 in Kraft tretende „Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ (FamFG). Der Band enthält einen Überblick über die Grundzüge des neuen Familienverfahrensrechts sowie Analysen und Stellungnahmen zu einzelnen Bereichen. Dabei werden schwerpunktmäßig das neue Rechtsmittel- und Vollstreckungssystem, das Hinwirken auf Einvernehmen, das Vermittlungsverfahren, der Verfahrensbeistand, der Umgangspfleger und das Verfahren bei Kindeswohlgefährdung behandelt. Darüber hinaus wird eine interdisziplinäre Perspektive durch die soziologische Einordnung der derzeitigen Reformen in den Kontext der allgemeinen Familien- und Sozialpolitik eröffnet.
Das ehemals in Süd- und Osthessen in Kiefernanbaugebieten weiter verbreitete Dolden-Winterlieb (Chimaphila umbellata) hat nach dramatischen Bestandesrückgängen in dem schon seit Jahrhunderten bekannten Verbreitungsgebiet in den Sandgebieten Südhessens heute nur noch wenige Restbestände im Bereich zwischen Niederroden, Zellhausen und Babenhausen in der östlichen Untermainebene. Ursache des Rückgangs waren sowohl Änderungen der Waldstruktur als auch die Schädigung der für die Entwicklung und Nährstoffversorgung der Winterlieb-Pflanzen unbedingt notwendigen Mykorrhiza-Pilze durch die Stickstoff-Immissionen im ausgehenden 20. Jahrhundert. Durch wenige Schutzmaßnahmen können die verbliebenen hessischen Vorkommen, die inzwischen zu den westlichsten in Europa gehören, zumindest vor mechanischen Beeinträchtigungen bewahrt werden. Wichtig wäre aber auch weitere Forschung zum noch nicht völlig geklärten Themenkomplex Chimaphila-Mykorrhiza-Baum, also die Bindung der Chimaphila-Pflanzen an einen oder mehrere Bäume in der Umgebung.
Die Vorkommen der anthropochoren Aster-Arten im Stadtgebiet von Frankfurt am Main (Symphyotrichum lanceolatum, S. novae-angliae, S. novi-belgii, S. parviflorum, S. salignum) wurden kartiert und historische Dokumente zur Rekonstruktion der Einwanderung ausgewertet. Aktuell konnten 39 Fundorte im Stadtgebiet dokumentiert werden, am häufigsten ist S. lanceolatum. 40 Merkmale wurden untersucht und vermessen, um ihre taxonomische Relevanz zu beurteilen. Als hilfreich zur Unterscheidung der Arten erwiesen sich vor allem verschiedene Merkmale der Hüllblätter. Mit Ausnahme von S. novae-angliae sind die Arten aber morphologisch kaum zu unterscheiden und durch viele Übergänge verbunden. Vergleichsweise gut voneinander abgrenzbar sind die beiden Aggregate von S. novi-belgii (S. salignum, S. novi-belgii) und S. lanceo-latum (S. lanceolatum, S. parviflorum).
Ajuga pyramidalis und Fritillaria meleagris werden in der hessischen Florenliste als indigen eingestuft. Beide Arten dürften aber in Hessen Neophyten sein. Vorkommen des Pyramiden-Günsels stehen in Zusammenhang mit Nadelholzanbau. In Taunus und Spessart ist es für einige Jahrzehnte zu örtlich begrenzten Einbürgerungen gekommen, im Burgwald hat die Art ein kleines Areal aufbauen können. Die Schachblume, eine ehemals beliebte Gartenpflanze, die in Deutschland erst im 16. Jahrhundert in Gartenkultur gelangte, ist vielfach verwildert. Die Verwilderungen sind aber fast alle zeitlich und örtlich sehr begrenzt. Ein Areal konnte die Art im bayerisch-hessischen Sinntal im Spessart aufbauen.
Der Langstielige Mannsschild (Androsace elongata) gehört zu den auch früher schon sehr seltenen Pflanzenarten Hessens und wurde erstmals Anfang des 19. Jahrhunderts nachgewiesen. Weitere Nachweise gelangen danach erst ab etwa 1950. Seither wurde die Art im Raum Münzenberg in der nördlichen Wetterau kontinuierlich bestätigt. Im Rahmen der 2008 durchgeführten Untersuchungen konnten zwei weitere Wuchsorte aufgefunden werden. Keines dieser Vorkommen unterliegt bislang gesetzlichem Schutz. Die wenigen Pflanzen an stärker geneigten Böschungen sind durch Sukzession hochgradig bedroht und auf den geringer geneigten Wuchsflächen können die individuenreicheren Bestände bei Ausbleiben oder Änderung der derzeitigen Nutzung rasch zusammenbrechen. Als geeignete Maßnahme zur Erhaltung bietet sich die Einbeziehung aller Flächen in die auf anderen Magerrasen der Umgebung schon praktizierte Huteschäferei an.
Im Rahmen einer hessenweiten Untersuchung wurden etwa 70 künstliche Stillgewässer – Kiesgruben, Tagebaurestseen, Fischteiche – auf das Vorkommen von Wasserpflanzen untersucht.
Die Untersuchung erbrachte den Nachweis von 78 Taxa, darunter 59 Arten Höherer Pflanzen und 19 Arten Characeen. Rund 25 % der nachgewiesnen Arten sind in der Roten Liste des Landes Hessen aufgeführt. Einige der nachgewiesenen Arten galten als verschollen. Von herausragender Bedeutung sind Kiesgruben in der Untermain- und Oberrhein-ebene, wo bis zu 10 Characeen-Arten in einem Gewässer nachgewiesen werden konnten. Von bundesweiter Bedeutung sind Funde von Nitella confervacea, N. tenuissima, Tolypella glomerata, T. intricata und T. prolifera. Als weit häufiger als erwartet erwies sich Potamogeton trichoides, die in allen Untersuchungsbereichen festgestellt wurde. Elodea nuttallii ist in den untersuchten Gewässern deutlich häufiger als E. canadensis. Sehr stark als Vogelrastplatz genutzte Teiche in der Wetterau zeigen, offenbar bedingt durch den Nährstoffeintrag durch Wasservögel, eine deutliche Eutrophierung.
Umstellung des Raumbezugssystems der Landesvermessung : Auswirkungen auf die botanische Arbeit
(2009)
Die deutsche Landesvermessung ersetzt das bisher verwendete Raumbezugssystem „Potsdam-Datum“ mit Gauß-Krüger-Projektion durch das europaweit definierte „Europäische Terrestrische Referenzsystem 1989“ mit UTM-Projektion. Aus dieser Umstellung ergeben sich für die botanische Arbeit zwei Konsequenzen:
- Auf den im neuen Raumbezug erstellten Topographischen Karten wird ein neues, gegenüber dem bisherigen verschobenes Gradnetz abgebildet. Dies muss bei botanischen Rasterkartierungen beachtet werden. Die Unterteilung des Kartenfeldes in Viertel kann nicht mehr entlang von glatten, im Kartenrahmen verzeichneten Minutenwerten vorgenommen werden. Laufende Minutenfeldkartierungen mit dem Raumbezug Potsdam-Datum/Gauß-Krüger müssen auch in Zukunft in diesem System fortgeführt werden, um die Kompatibilität der Ergebnisse zu wahren.
- An die Stelle der bisher gewohnten Gauß-Krüger-Koordinaten werden die UTM-Koordinaten treten.
Der Blattschnitt der im neuen Raumbezug erstellten Topographischen Karten 1 : 25 000 wurde gegenüber dem Vorläufer nicht verändert. Deshalb hat die Umstellung des Raumbezugssystems auf alle Fundortangaben, die sich an Messtischblattgrenzen (beispielsweise Messtischblattvierteln) orientieren, keine Auswirkungen. Bei einem solchen Erhebungsraster können im alten und neuen Raumbezug erstellte Kartenausgaben parallel verwendet werden.
The study offers a comprehensive overview on the works and activity of József Eötvös, central personality of the 19th-century modernisation of political culture and educational system in Hungary. It also reveals the paradoxical consequences of his efforts, namely the fact that while the first and second generation of Hungarian intellectuals returning home from Germany in the early ’40s and after the Austro-Hungarian Compromise in 1867 successfully contributed to the building of the modern cultural nation, at the end of the century the generation of émigrés chose Germany on purpose to escape the nationalistic institutional framework of Hungarian culture and sciences.
German immigration to Brazil starts in the 19th century. In Brazil, the Literature of German Immigrants has been the subject of many studies. On the other hand, the literary production on immigration to Brazil produced in Germany during this period, is still quite unknown. This article will discuss one specific poem in this context, a text from 1847 called 'Traurige Rückwanderung der Brasilianer nach ihrem jüngst verlassenen Vaterlande'.
Risikoabschätzung für das Auftreten Thrombolyse-assoziierter intrazerebraler Blutungen mittels MRT
(2009)
Symptomatische intrazerebrale Blutungen (sICH) stellen die wichtigste Komplikation der Thrombolyse akuter ischämischer Schlaganfälle dar. Sie sind mit einer erhöhten Mortalität und sehr schlechten Langzeitergebnissen verbunden. Die Identifikation von Patienten mit einem erhöhten Blutungsrisiko stellt daher ein wesentliches Ziel aktueller Forschungsbemühungen dar.
In der vorliegenden Studie wurde die Bedeutung ausgewählter MR-Parameter (Leukoaraiosis, Mikroblutungen, Ausmaß der DWI-Läsion) als mögliche Prädiktoren für Thrombolyse-assoziierte sICH untersucht.
In die retrospektive, multizentrische Studie wurden prospektiv erhobene Daten von 475 Patienten aus sechs deutschen und zwei internationalen anerkannten Schlaganfallzentren eingeschlossen, die im Zeitfenster von <6 Stunden mit einem akuten ischämischen Schlaganfallereignis im Bereich der vorderen Zirkulation mit einer i.v. (n=367; 77%), i.a. (n=74; 16%) oder i.v./i.a. (n=34; 7%) Thrombolyse behandelt worden.
Alle Patienten wurden mit einem Schlaganfall-MR-Protokoll untersucht, welches neben Diffusions- und FLAIR-Sequenzen auch T2*-gewichtete Sequenzen enthielt.
Für die Analyse wurden die Patienten jeweils in eine Gruppe ohne und eine Gruppe mit schwerer LA (Fazekas 0-1 vs. 2-3) und je eine Gruppe mit kleinem (<1/3 des A. cerebri media-Stromgebietes (MCA)) und großem (>1/3 MCA) DWI-Läsionsausmaß dichotomisiert. T2*-Wichtungen wurden auf das Vorliegen und die Anzahl von zerebralen Mikroblutungen (CMB) untersucht und Patienten in eine Gruppe mit ≥1 CMB und ohne CMB dichotomisiert.
Eine sICH wurde als eine in der Verlaufsbildgebung (cCT oder MRT) dokumentierte (≥10 ml) Blutung definiert, die innerhalb von 36 Stunden nach Thrombolysebeginn mit einer klinischen Verschlechterung des Patienten (≥1 Punkt auf der NIHSS-Skale) einherging.
Insgesamt entwickelten 28 (5,9%) Patienten eine sICH. SICH waren signifikant häufiger in der Gruppe mit LA (Fazekas 2-3) (n=12/114; 10,5%) als in der Gruppe ohne LA (Fazekas 0-1) (n=13/335; 3,5%) zu finden. In einer logistischen Regressionsanalyse (Alter, National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS) bei Aufnahme, Art der Thrombolyse) blieb LA ein unabhängiger Risikofaktor (Odds ratio 2,7 (95% KI, 1,29-6,59), p=0,015).
Die Anzahl der sICH konnte auch in der Gruppe mit großen (>1/3 MCA) (n=6/32; 18,8%) signifikant häufiger als in der Gruppe mit kleinen DWI-Läsionen (<1/3 MCA) (n=12/319; 3,8%) erhoben werden, was umgerechnet einem 5,9 fachen Risiko (Odds ratio 5,9 (95% KI, 2,048-17,017, p=0,003) einer sICH für Patienten mit großen DWI-Läsionen im Vergleich zu Patienten mit kleinen DWI-Läsionen entspricht. Das Ausmaß der DWI-Läsion bleibt in einer multivariaten Regressionsanalyse (s.o.) ein unabhängiger Risikofaktor für sICH.
Die Ergebnisse einer großen Subgruppenanalyse der i.v.-behandelten Patienten (n=367/376, 77%) waren hinsichtlich der Bedeutung für LA und Ausmaß der DWI-Läsion vergleichbar mit den Ergebnisse der Gesamtmenge.
Die Anzahl der sICH unterschied sich nicht signifikant zwischen der Gruppe mit ≥1 CMB (n=7/79, 9%) und der Gruppe ohne CMB (n=20/367, 5%, p=0,295).
Zusammenfassend konnte die vorliegende Arbeit die MR-Parameter Leukoaraiose und das Ausmaß der initialen DWI-Läsion als unabhängige Risikofaktoren hinsichtlich der Enwicklung Thrombolyse-assoziierter sICH nachweisen. Hiermit kann einerseits die Sicherheit der Thrombolyse im 3h-Zeitfenster erhöht und der Behandlungzeitraum hoffentlich zukünftig erweitert werden. Der potentielle Behandlungsgewinn einer Thrombolyse sollte bei Einschluss in Betracht kommender Schlaganfallpatienten sorgfältig gegen das mit zunehmender LA und DWI-Läsionlast ansteigende Blutungsrisiko abgewogen werden. Eine unabhängige Assoziation zwischen sICH und CMB konnte nicht gezeigt werden, so dass das Blutungsrisiko bei Patienten mit CMB’s den Behandlungsvorteil wahrscheinlich nicht übersteigt.
Um die kontinuierlich auf uns einströmende Menge an Reizen zu verarbeiten, ist es wichtig, die Informationen genau zu selektieren. Ein hilfreicher Mechanismus ist hierbei die Aufmerksamkeit gezielt nur auf eine Informationsquelle zu richten und zu verarbeiten.
So ist es möglich, selbst in komplexen Situationen, wie zum Beispiel einer Feier mit vielen verschiedenen Gesprächen, ganz gezielt ein einzelnes herauszufiltern.
Der Effekt von Aufmerksamkeit auf auditory steady-state Responses (aSSR) wurde in der Vergangenheit schon in verschiedenen Studien mit unterschiedlichen Messverfahren und Stimuli untersucht. Dabei wurden teils widersprüchliche Ergebnisse gefunden, die entweder gar keine oder auf sehr kleine Frequenzbereiche beschränkte Aufmerksamkeitseffekte fanden.
Das Ziel dieser Studie war es, die Auswirkungen von Aufmerksamkeit auf die aSSR innerhalb eines größeren Frequenzspektrums (11 Hz, 23 Hz, 41 Hz, 73 Hz und 97 Hz) zu analysieren. Für diesen Zweck wurden den Probanden nach Instruktion der zu beachtenden Seite jeweils zwei benachbarte Modulationsfrequenzen während vier aufeinander folgenden Blöcken dichotisch präsentiert. Die Probanden wurden angewiesen, Trägerfrequenzänderungen auf der zu beachtenden Seite durch Betätigen einer Maustaste anzugeben. Die Registrierung der aSSR-Antworten geschah mittels Elektroenzephalogramm (EEG). Auch die durch die Stimulation hervorgerufene P300 wurde dargestellt.
Bezüglich des Effekts von Aufmerksamkeit auf die aSSRs zeigte sich nach Analyse der gewonnenen Daten im Frequenzbereich von 23 Hz eine Auswirkung. Diese stellte sich in Form einer Amplitudensteigerung auf der jeweils durch den Probanden beachteten Präsentationsseite dar. Bei einer Modulationsfrequenz von 41 Hz kam es bei Präsentation auf der rechten Seite zu höheren Amplituden als bei Präsentation auf der linken Seite. Bei 73 Hz und 97 Hz konnte keinerlei Auswirkung weder der Aufmerksamkeit noch der Präsentationsseite registriert werden. Auffällig war bei den präsentierten Tönen im 20 Hz und 70 Hz Bereich auch eine im Vergleich zu den anderen Frequenzbereichen (11 Hz, 41 Hz und 97 Hz) verlängerte Reaktionszeit der Probanden. In Kombination mit der Modulation der aSSR-Amplitude durch Aufmerksamkeit bei 23 Hz könnte dies ein Hinweis auf einen förderlichen Einfluss der Aufgabenschwierigkeit auf die Detektierbarkeit von Aufmerksamkeitseffekten sein.
Im Gegensatz hierzu zeigte die dargestellte P300 in allen präsentierten Blöcken einen deutlichen Effekt der Aufmerksamkeit. Dieser äußerte sich ebenfalls in einer Steigerung der Amplitude.
Es scheint also zumindest ein moderater Einfluss von Aufmerksamkeit auf die aSSRs zu existieren. Gleichzeitig wirkt dieser allerdings stark abhängig von gewähltem Stimulus und Messmethode. Der Effekt von Aufmerksamkeit auf die P300 konnte dagegen gut repliziert werden und scheint daher bei dichotischer Stimulation ein deutlicher Marker für Aufmerksamkeit zu sein.
In der vorliegenden Studie wurden Adoptierte auf Merkmale wie Selbstbewusstsein, Widerstandsfähigkeit und Bindungseinstellungen in Abhängigkeit verschiedener möglicher Einflussfaktoren wie beispielsweise Heimaufenthalten untersucht. Mittelpunkt der Forschung war die Exploration der Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen in Abhängigkeit der verschiedenen Adoptionsformen, die den Kontakt zu den leiblichen Eltern möglich machen oder verhindern. Untersuchungen an erwachsenen Adoptierten sind noch selten, ebenso gibt es keine wissenschaftlichen Studien in Deutschland, die sich mit dem Thema der Adoption befassen. Auch die Forschung auf dem Gebiet der verschiedenen Adoptionsformen und ihrer Auswirkung auf die Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen bei Adoptierten ist noch sehr jung. Dies wurde mit der vorliegenden Studie deutschlandweit erstmalig in Angriff genommen. Die Ergebnisse zeigten, dass Heimaufenthalte, je häufiger sie sind, zu einer verminderten Widerstandsfähigkeit der Adoptierten führten. Heimaufenthalte konnten als starker Prädiktor für verminderte Resilienz identifiziert werden. Ebenso sanken die Werte auf manchen Skalen der Multidimensionalen Selbstwertskala wie beispielsweise die Wertschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit. Adoptierte wurden mit steigender Anzahl an Heimaufenthalten neurotischer. Leider konnte aufgrund mangelhafter Angaben die Dauer der Heimaufenthalte und Aufenthalte in Pflegefamilien nicht in die Auswertung mit einbezogen werden, darüber hinaus auch nicht die Qualität der Erinnerungen an diese Heimaufenthalte. Dennoch lässt sich feststellen, dass Heimaufenthalte das Selbstwertgefühl und die Selbstsicherheit Adoptierter nachhaltig beeinträchtigen können. Sie sollten so gering wie möglich gehalten werden. Auf die Bindungseinstellungen zeigten sie keine Auswirkungen. Hier könnte zukünftig eine genauere Untersuchung des Einflusses von Heimaufenthalten erfolgen, die unter anderem die Dauer und zusätzliche Wechsel von Pflegefamilien mit einbezieht. Bezüglich der Adoptionsformen offene Adoption vs. Inkognitoadoption konnte gezeigt werden, dass es für die Entwicklung der untersuchten Persönlichkeitsmerkmale keine Rolle zu spielen scheint, ob die Adoptierten die Möglichkeit des Kontaktes zu ihren leiblichen Eltern haben oder nicht. Dennoch führte die positive Bewertung dieses Kontaktes zu besseren Ergebnissen bezüglich des Selbstwertes als die negative Bewertung des Kontaktes zu den leiblichen Eltern. Interessant ist, dass Adoptierte, die keine Kontaktmöglichkeit zu ihren leiblichen Eltern hatten, bessere Werte bezogen auf Facetten des Selbstwertgefühles zeigten als Adoptierte, die diesen Kontakt negativ bewerteten. Es scheint, als wäre es für das eigene Selbstbewusstsein gesünder, keinen Kontakt zu haben als ihn letztendlich negativ zu bewerten. Positiv empfundener Kontakt konnte das Selbstwertgefühl und die Bindungseinstellungen nicht zusätzlich verbessern. Allerdings kann keine sinnvolle Konsequenz aus diesen Ergebnissen gezogen werden. Im Voraus ist selten zu beurteilen, wie der / die Adoptierte das Treffen und den Kontakt zu den leiblichen Eltern bewerten wird. Dies hängt mit Sicherheit nicht nur vom Adoptierten selbst, sonder mitunter von einer Anzahl an Faktoren ab, nicht zuletzt von dem Vorhandensein früher Vorurteile und der Unterstützung seitens des Adoptivelternhauses. Es ist nicht verantwortlich und angemessen, aus reiner Spekulation über den möglichen Ausgang eines Kontaktes diesen im Voraus zu verhindern und dem Kind diese Möglichkeit zu versagen. Laut den Ergebnissen ist ein anderes Ereignis im Leben eines Adoptierten für sein Selbstwertgefühl und sein Bindungsverhalten entscheidender. Dies bezieht sich auf die Kommunikation der Adoptiveltern mit ihrem Kind. Wichtigster Prädiktor für ein gesundes Selbstbewusstsein und günstige Bindungseinstellungen war laut den Ergebnissen das Geständnis der Eltern über die Adoption. Eltern, die diesbezüglich offen und ehrlich ihren Kindern gegenüber waren, wurden in ihrem Erziehungsverhalten von diesen als emotional wärmer und weniger kontrollierend bewertet als Eltern, die ihre Kinder nicht über die Adoption aufgeklärt hatten. Adoptierte, die über ihre eigene Adoption nicht aufgeklärt wurden, zeigten vermindertes Selbstwertgefühl, verminderte Widerstandsfähigkeit und schlechtere Bindungseinstellungen, wobei die Skala „Nähe“, das heißt die Messung zur Fähigkeit, andere Menschen an sich heran zu lassen, Werte außerhalb des Normbereiches aufzeigte und man hier sogar von einem pathologisch veränderten Persönlichkeitsmerkmal sprechen kann. Auch das Alter bei Aufklärung spielt eine wichtige Rolle. Frühe Aufklärung über die Adoption, in der vorliegenden Studie wurde ein Zeitpunkt bis zum neunten Lebensjahr als früh definiert, führte zu höherem allgemeinen Selbstwertgefühl und einer erhöhten Widerstandsfähigkeit. Auf die Bindungseinstellungen schien der Zeitpunkt der Aufklärung keine Auswirkung zu haben. Eltern, die ihre Kinder früh über ihre Adoption informierten, wurden als weniger überbehütend und kontrollierend bewertet. Wichtig zu erwähnen ist, dass die Werte bei den Rechnungen der Gruppenvergleiche, mit Ausnahme des oben erwähnten Wertes für die Skala „Nähe“ der Adult Attachment Scale, alle im Normbereich lagen. Es liegen also, auch im Vergleich mit den Normstichproben, keine Befunde vor, die bei der adoptierten Stichprobe auf Pathologien hinweisen. Zu finden sind jedoch leichte Abweichungen von der Norm, die statistisch gesehen von Signifikanz sind und auch inhaltlich wichtige Hinweise auf die Folgen von Adoption liefern. Obwohl der Großteil der Adoptierten (90.3%) über ihre Adoption aufgeklärt worden war und dies laut oben beschriebener Ergebnisse eine günstiger Faktor bezüglich der Entwicklung von Selbstwert und Bindung ist, lässt sich feststellen, dass Adoptierte im Vergleich zu den nicht adoptierten Normstichproben ein vermindertes Selbstwertgefühl und ungünstigere Bindungseinstellungen aufwiesen. Weitere Einflussfaktoren dieser Persönlichkeitsmerkmale im Leben eines Adoptierten müssten zukünftig identifiziert werden. Seelische Vorerkrankungen, wie beispielsweise eine Depression, könnten einen solchen Einflussfaktor darstellen. 20.6% der Adoptierten der vorliegenden Studie gaben an, seelisch erkrankt zu sein, darunter waren 12.1% depressiv, was zu zusätzlichen Rechnungen veranlasste. Bei diesen Berechnungen mit dem Vergleich von depressiven Adoptierten versus seelisch gesunden Adoptierten fiel auf, dass die depressive Gruppe niedrigere Werte auf Skalen des Selbstwertes und der Resilienz aufwies, sowie schlechtere Bindungseinstellungen hatte als die seelisch gesunde Gruppe. Depressive Adoptierte waren zusätzlich neurotischer und bewerteten ihre Elternhäuser als emotional kühler. Ebenso hatten sie mehr Ablehnung und Strafe durch die Mütter erfahren. Besonders hervorzuheben sind jedoch die Ergebnisse auf den Skalen der emotionalen Selbstwertschätzung und der Bindungseinstellung Angst. Hierbei lagen die Werte der depressiven adoptierten Gruppe deutlich außerhalb des Normbereichs und wiesen auf pathologisch veränderte Persönlichkeitsmerkmale hin. Depressive hatten somit deutlich schlechtere Einstellungen gegenüber sich selbst als Adoptierte, die nicht depressiv waren. Ebenso hatten sie eine sehr schlechte Selbstachtung und litten vermehrt unter Ängsten. Es bleibt also die Frage offen, inwiefern seelische Vorerkrankungen, die in der vorliegenden Studie zu einem hohen Prozentsatz vertreten waren, zu den schlechteren Ergebnissen bezüglich Selbstwert und Bindung Adoptierter im Vergleich zu Normstichproben beitragen. Es bleibt offen, ob Adoption alleine ein Risikofaktor für vermindertes Selbstbewusstsein und schlechte Bindungseinstellungen ist oder ob diese Ergebnisse nicht vielmehr durch andere Faktoren, wie seelische Erkrankungen, beeinflusst werden. Abschließend lässt sich feststellen, dass die Ehrlichkeit der Adoptiveltern und der offene Umgang mit dem Thema der Adoption entscheidend zur Bildung eines gesunden Selbstwertes und günstiger Bindungseinstellungen ihres Kindes beitragen. Ebenso sollten Adoptierte nicht lange in Unwissenheit über ihre Herkunft gelassen werden. Ein früher Zeitpunkt der Aufklärung über die eigene Adoption hat positiven Einfluss auf die Entwicklung des Selbstwertes, der Widerstandsfähigkeit und der Bindungseinstellung. Weiterhin ist zu sehen, dass die reine Kontaktmöglichkeit zu den leiblichen Eltern für die Entwicklung von Selbstwertgefühl, Resilienz und Bindung keine entscheidende Rolle zu spielen scheint. Eine offene Adoptionsform alleine, in der der Kontakt zwischen Adoptivfamilie und leiblichen Eltern von Anfang an aufrechterhalten bzw. zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen wird, scheint für die Entwicklung des Adoptivkindesnicht die entscheidende Rolle zu spielen. Interessant bleibt die Frage nach dem Einfluss von Adoption als Risikofaktor für die Entwicklung von seelischen Erkrankungen und hierunter insbesondere Depression. Ein hoher Prozentsatz der Adoptierten dieser Studie gab an, seelisch erkrankt zu sein (20.6%), die häufigste genannte Diagnose darunter war die Depression (12.1%). Die Diagnosehäufigkeiten und Prädiktoren für die Entwicklung von Depressionen müssen zukünftig genauer untersucht werden. Da es sich bei der vorliegenden Studie um eine anonymisierte Fragebogenstudie ohne zusätzliche Führung von Interviews handelte, war es nicht möglich, Fragen zu Angaben der Probanden zu beantworten und Missverständnisse zu klären. Manches Ergebnis, wie die Angabe der Probanden, depressiv zu sein, oder die Untersuchung der Anzahl von Heimaufenthalten schien sehr fraglich. Zukünftige Studien sollten zusätzlich Interviews mit den Teilnehmern beinhalten, da sich so Missverständnisse am leichtesten klären lassen und Rückfragen möglich sind. Zur Erfassung von seelischen und körperlichen Erkrankungen können Testverfahren wie das Brief Symptom Inventory (Franke 2000) und die Hospital Anxiety and Depression Scale (Lingen, Buss, Snaith 2005) verwendet werden. Die Teilnehmerzahl der Studie belief sich auf 165 Probanden. Bei 75.8% der Probanden handelte es sich um weibliche Teilnehmerinnen. Da Studien bereits belegt haben, dass das Geschlecht einen entscheidenden Einfluss auf die Ergebnisse bei Untersuchungen zu Persönlichkeitsmerkmalen hat (Freeark, Rosenberg et al.2005), müsste man die Unterteilung in männliche und weibliche Probandengruppen vornehmen. Aufgrund der zu kleinen Teilnehmerzahl an Männern konnte diesin der vorliegenden Studie nicht geschehen. Ebenso betrifft dies die Einteilung der Probanden in die Altersgruppen bei Aufklärung über die Adoption. Hier konnte aufgrund der kleinen Teilnehmerzahl nur eine Unterteilung in ein Alter bis zum neunten Lebensjahr und ab dem zehnten Lebensjahr erfolgen. Bis zum neunten Lebensjahr durchläuft das Kind jedoch wichtige Entwicklungsschritte auf den Gebieten der Bindung zu Bezugspersonen, Entwicklung eines Selbstbildes und Integration in eine Gemeinschaft, in denen das Kind die Information über die eigene Adoption unterschiedlich verarbeitet. Anhand größerer Teilnehmerzahlen kann eine genauere Einteilung in verschiedene Altersklassen auch vor dem neunten Lebensjahr erfolgen und so der optimale Zeitpunkt der Aufklärung über die Adoption genauer festgelegt werden. Ebenso wichtig wäre eine weitere Einteilung in Inlands- vs. Auslandsadoptionen. Kinder, die aus dem Ausland adoptiert wurden, haben vermehrt Integrationsschwierigkeiten aufgrund ihres andersartigen Erscheinungsbildes, die sich auch auf die Entwicklung von Selbstbewusstsein auswirken können (von Borczyskowski, Hjern et al. 2006). Dies müsste man anhand der Unterteilung in Inlands –und Auslandsadoptionen genauer untersuchen. Die Probanden der vorliegenden Studie gaben an, ein emotional wärmeres und empathischeres Elternhaus gehabt zu haben als die Normstichprobe. Bei der Bewertung des Elternhauses handelt es sich jedoch lediglich um die Einschätzung der Teilnehmer, es ist eine subjektive Bewertung. Über die Qualität der Elternhäuser an sich kann man aus objektiver Sicht keine Aussage machen. Weitere Testverfahren zur Messung der Beziehungsqualitäten zwischen den Adoptierten und ihren Eltern und/oder der Persönlichkeitsmerkmale der Adoptiveltern müssten hierfür herangezogen werden. Ebenso wenig kann mit der Adult Attachment Scale das tatsächliche Bindungsverhalten gemessen werden. Vielmehr gibt dieses Testverfahren einen Hinweis auf die Bindungseinstellungen der Probanden. Zur Untersuchung von Bindungsverhalten liegen keine Testverfahren in Fragebogenform vor, dies müsste auf andere Weise erfolgen, beispielsweise mit Hilfe des Adult Attachment Interviews. Es lässt sich also feststellen, dass zur genaueren Untersuchung von Adoptierten eine größere Teilnehmerzahl erforderlich wird. Eine erweiterte Testbatterie und die Führung von Interviews können Missverständnisse und offene Fragen aus dem Weg räumen und ermöglichen so eine differenziertere Auswertung der Ergebnisse.
Ziel dieser Arbeit ist es, Art, Häufigkeit und Dauer der Komplikationen nach sekundärer Kieferspaltosteoplastik mit Beckenkammtransplantation bei Patienten mit Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten aufzuzeigen. Dazu wurden in dieser retrospektiven Studie die Daten von 236 Patienten, die im Zeitraum zwischen Juli 1986 und August 1997 im Klinikum „Rechts der Isar“ der Technischen Universität München eine Spanentnahme am vorderen Beckenkamm zur autologen Transplantation im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich erhielten, ausgewertet. Die Datenerhebung erfolgte durch Analyse der OP-Berichte, Krankenblätter, persönliche Befragung und körperliche Untersuchung aller 236 Patienten. Der Focus dieser Arbeit liegt bei der Darstellung der Ergebnisse der 182 LKG-Patienten, welche mit den anderen Indikationsgruppen verglichen wurden. Das durchschnittliche OP-Alter der LKGPatienten betrug 13,8 Jahre, die Daten wurden im Mittel 5,3 Jahre nach der Entnahme-OP erfasst. Chirurgische Frühkomplikationen konnten bei 15 LKG-Patienten (8,2 %) beobachtet werden, die bei zwei Patienten (1,1 %) einer chirurgischen Nachbehandlung (Hämatomausräumung) bedurften. Die Komplikationsrate war bei den Patienten mit der Diagnose LKG (8,2 %) geringer als bei den übrigen Indikationsgruppen zur Knochenentnahme. Diese reichte von 11 % bei Tumorpatienten bis 26 % bei Patienten mit Dysgnathie. Eine Gehbehinderung war mit 91,7 % die häufigste nichtchirurgische Komplikation. Die Gehbehinderung war bei 13,7 % der LKG-Patienten so stark, dass sie auf Gehhilfen angewiesen waren. 78 % waren ebenfalls gehbehindert, benötigten jedoch keine Gehhilfe. Starke postoperative Schmerzen in der Entnahmeregion nannten 48,4 %. Über postoperative Sensibilitätsstörungen klagten 28,6 % der LKG-Patienten. Zum Untersuchungszeitpunkt, im Durchschnitt 5,3 Jahre nach dem operativen Eingriff, wurden immerhin noch bei 6,0 % der LKG-Patienten persistierende Schmerzen als Spätfolge gefunden. Sensibilitätsstörungen persistierten bei 9,9 % aller Spalt-Patienten. Bei der subjektiven Bewertung fanden sich desweiteren bei 7,8 % nichtschmerzhafte bleibende Beschwerden wie Wetterfühligkeit. Mit der Ästhetik der Narbe im Entnahmebereich waren 86,3 % zufrieden, unzufrieden nur 7,1 %. Bei entsprechender Indikation würden sich 91,8% der LKG-Patienten wieder für die gleiche Therapieform (Beckenkammtransplantation) entscheiden, immerhin 14 Patienten (7,9 %) würden diesen Eingriff unter keinen Umständen wiederholen bzw. nur Fremdmaterial als Augmentat verwenden, als sich erneut einer Entnahme-OP zu unterziehen. Beim isolierten Vergleich der Schmerzhaftigkeit werteten 60,4% die Becken-Operation und 18,1 % die Operation im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich als schmerzhafter. Beim Vergleich der Gesamtbefindlichkeit des postoperativen Zustandes hingegen wurden der Mund-Kiefer-Gesichtsbereich von 56,0 % und der Beckenbereich nur von 19,8 % als der insgesamt unangenehmere Befund bezeichnet. Für 29,7 % war die Entnahme-Operation schlimmer als erwartet, für 25,3 % deckte sich die Erfahrung durch die Operation mit ihrer Erwartungshaltung und 13,7 % erwarteten stärkere Beschwerden, als sie letztendlich auftraten. 31,3 % hatten keine Erwartungshaltung oder machten keine Angabe. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass mit der autologen Beckenkammtransplantation für Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten eine Therapieform zur Verfügung steht, die ästhetisch und funktionell sehr gute Ergebnisse ermöglicht. Dennoch sind mit der Entnahmeoperation Komplikationen und Langzeitschäden verbunden, über die der Patient aufgeklärt werden muss und die insgesamt das Operationsergebnis schmälern. Um zukünftig die Entnahme von Beckenkammspongiosa zu umgehen, sollten zukünftig vermehrt Knochenersatzstoffe zur Defektauffüllung zum Einsatz kommen. Dies ist Inhalt momentan laufender, intensiver Forschung.
Rezension zu: Claudia Bruns: Politik des Eros. Der Männerbund in Wissenschaft, Politik und Jugendkultur (1880–1934). Köln u.a.: Böhlau Verlag 2008. 546 Seiten, ISBN 978-3-412-14806-5, € 44,90
Abstract: Quer zur Standardrezeption analysiert Claudia Bruns in ihrer Dissertation Blühers Konzeption von Mann, Männlichkeit und mann-männlicher Beziehung unter besonderer Berücksichtigung damit einhergehender Ausschlüsse. Zentral legt sie das Konzept des Männerbundes zugrunde, das den Dreh- und Angelpunkt der vorliegenden Untersuchung bildet, und zieht die Theorien Blühers als paradigmatisches Beispiel dafür heran. Dieses Vorgehen ist aus verschiedenen Gründen klug gewählt und vorteilhaft. Bislang ist kaum der ideologisch vielschichtige Gehalt von Diskussionen, wie sie Blüher führte und führen konnte, in die Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften eingegangen. Zudem gab es bislang kein Gesamtverzeichnis der Schriften Blühers, wodurch die Rezeption erschwert wurde, und das sich nun im Anhang der Arbeit dankenswerterweise findet.
Rezension zu: Ariane Bürgin: Endliches Subjekt. Gleichheit und der Ort der Differenz bei Hobbes und Rousseau.München: Wilhelm Fink Verlag 2008. 188 Seiten, ISBN 978-3-7705-4581-0, € 24,90
Abstract: Die Idee der Gleichheit bei den beiden Klassikern der politischen Philosophie Hobbes und Rousseau soll vor dem Hintergrund der neueren feministischen Debatten um Gleichheit und Differenz betrachtet werden. Doch die Ausführungen verlaufen stark entlang der bloßen Wiedergabe der Originalliteratur und deren Rezeptionsgeschichte – unter besonderer Berücksichtigung von Lacan. Die vielfältigen und großen Diskussionen in der feministischen Theorie finden dabei viel zu wenig Beachtung.
Während des Alterungsprozesses kommt es u.a. im Gehirn zu einem signifikanten Verlust
postmitotischer Zellen, was zu Hirnleistungsstörungen im Alter führen kann.
Der Grund für diesen Zellverlust durch Apoptose könnte sein, dass es im Alter zu erhöhtem
oxidativen Streß und zu einer Veränderung in der Konzentration der an der Apoptose beteiligten
Proteine und Faktoren kommt. Diese Studie befaßt sich mit der neuronalen Apoptose und den daran
beteiligten Proteinen und Regulatoren. Ziel war es, herauszufinden, ob es im Alter zu einer
gesteigerten Apoptoserate im Hippokampus und zu einer Veränderung der Konzentration von
Proteinen kommt, die das Auftreten bzw. die Hemmung der Apoptose begünstigen könnte.
Untersucht wurden die Hippokampi von Pavianen als mögliches Primaten-Modell für altersbedingte
Pathologien, die das menschliche Gehirn betreffen können.
Um apoptotische Zellen im Hippokampus der Paviane nachzuweisen, wurde mit der TUNEL-Methode
gearbeitet und mittels Immunhistochemie untersucht, welchen Effekt das Alter auf die Verteilung der
Immunreaktivität von Cytochrom C, AIF, Bax, Bcl-2, Caspase-3 sowie von XIAP, einem Inhibitor der
Apoptose, hat. Auch die Immunreaktivität der Enzyme PARP und ICAD wurde dargestellt. Die
Ergebnisse zeigen, dass in den Hippokampi der gealterten Paviane das anti-apoptotische Protein Bcl-2
in unveränderter Reaktivität vorlag und das pro-apoptotische Protein Bax hochreguliert war. Es gab
eine Umverteilung und möglicherweise Freisetzung von Cytochrom C, jedoch aber keine Aktivierung
von Caspase-3. Diese Ergebnisse zeigen eine gewebepezifische Änderung des Bcl-2/Bax-
Verhältnisses in den Hippokampi der alten Primaten, die zur Beeinflussung der Cytochrom CFreisetzung
beitragen, ohne jedoch zur Apoptose der Zelle zu führen. Apoptotische Zellen konnten
mittels TUNEL-Färbung nicht nachgewiesen werden. Das könnte damit zusammenhängen, dass
XIAP, ein inhibitorisches Regulatorprotein der Apoptose, bei den gealterten Pavianen hochreguliert
war, ebenso wie das DNA-Reparaturenzym PARP. Auch das Enzym ICAD, welches in aktivierter
Form während der Apoptose wesentlich zum Chromatinabbau beiträgt zeigte im Alter eine erhöhte
Aktivität. Da in einer Studie über Tau-Pathologie im Hippokampus von Pavianen für das Auftreten
dieser Pathologie ein Zusammenhang mit dem Alter nachgewiesen werden konnte, und man weiß,
dass Zellen in der Nähe der β-Amyloidablagerung bei M.Alzheimer durch Apoptose absterben, wurde
mit Hilfe der Immunfloureszenz die Reaktivität des Enzyms Neprelysin untersucht, welches für den
β-Amyloidablagerung zuständig ist. Dieses war in seiner Reaktivität in den Hippokampi
der älteren Paviane im Gegensatz zu der in den Hippokampi der jüngeren Primaten erniedrigt, was auf
eine altersbedingte Disposition zu diesen Plaques hinweist.
20 Jahre ISOE ++ start2 ist Perle der Wissensregion ++ CuveWaters: Baubeginn der Anlagen ++
Bundesnetzagentur verwendet Ergebnisse aus Intelliekon ++ Zielgruppenmodell: Warum Hausbesitzer
energetisch sanieren ++ Projektstart: Elektroautos in Dienstwagenflotten ++ Neue Klimaforschungsprojekte ++ Forschungspolitik ++ Soziale Ökologie in der Lehre ++ Termine ++ Publikationen
* Pelikan: Erfolge gegen Handel mit Tropenholz
* Spenden-Daueraktion überschreitet 10.000–Euro-Schwelle
* Indonesien: Besuch bei den Regenwald-Kämpfern
* Perus Ureinwohner kämpfen ums Überleben
* Projekte 1: Helft uns, unser Borneo zu bewahren!
* Projekte 2: Baumschule auf Sumatra
* Projekte 3: Perus Regenwald braucht Hilfe
* Erfolg im Tanoé-Affenwald
Das vorletzte Kapitel des Fünften Buches des "Fließenden Lichts der Gottheit" Mechthilds von Magdeburg (13. Jahrhundert) handelt von fünf Boten, die Gott zur Ermahnung der Menschen in die Welt gesandt hat. Gleich als erste wird Elisabeth von Thüringen († 1231) genannt. Von ihr heißt es in einer Gottesrede, ihre Sendung gelte für jene unseligen, unkeuschen, hochmütigen und eitlen Frauen, die auf den Burgen sitzen. Viele von diesen edlen Frauen seien dem Vorbild von Elisabeth gefolgt, allerdings nur soweit ihr Wille und ihre Kraft eben reichten. [...] Zwar lässt die Zahl der von kirchlicher Seite als glaubwürdig befundenen Wunderheilungen erahnen, welch hoher Beliebtheit und Bekanntheit sich Elisabeth schon kurz nach ihrem frühen Tod erfreute, doch wissen wir nicht, ob es die im "Fließenden Licht" referierte hohe Zahl von edlen Damen in Thüringen bzw. Sachsen gegeben hat, die vom Vorbild der ungarischen Königstochter und Landgräfin von Thüringen angeregt, sich für ein Leben in freiwilliger Armut und im Dienst der Kranken entschieden haben. Eine Ausnahme scheint es allerdings doch zu geben: Jutta von Sangerhausen. In den nicht allzu zahlreichen Forschungsbeiträgen zu Jutta wird sie als „die einzige direkt vom Vorbild Elisabeths inspirierte Vertreterin der religiösen Frauenbewegung Thüringens“ charakterisiert [...]. Anlass für die Annahme, Jutta sei dem Vorbild Elisabeths gefolgt, bieten vor allem zwei Stellen in ihrer Vita, wo der Lebenswandel Juttas mit dem von Elisabeth expressis verbis verglichen wird.
Die Verbindung von Texten und Bildern ist für das gesamte Werk Rolf Dieter Brinkmanns konstitutiv: vom frühen Gedichtband ‚Le Chant du Monde’, der 1964 mit Radierungen von Emil Schumacher erschien, über die Gedichtbände der mittleren Phase, ‚Godzilla’ und ‚Die Piloten’ (beide 1968), die mit Werbebildern unterlegt bzw. mit Comic-Collagen ausgestattet waren, bis zu den späten, aus dem Nachlass veröffentlichten Materialbänden ‚Rom, Blicke’, ‚Erkundungen für die Präzisierung des Gefühls für einen Aufstand’ und ‚Schnitte’, in denen Brinkmann umfangreiches Text-Bild-Material collagierte und dabei neben eigenen Photographien vor allem auf Zeitungen und Zeitschriften zugriff. Um angesichts dieser Vielfalt und Heterogenität nicht bei allgemeinen Aussagen stehen zu bleiben, soll im Folgenden ein einzelnes Projekt Brinkmanns genauer analysiert werden [der Gedichtband Westwärts 1&2]; es wäre dann zu erproben, ob die daraus hervorgehenden Thesen auch für das Gesamtwerk von Bedeutung sind.
Der mythische-sakrale Bericht scheint dazu bestimmt zu sein, eine Verkörperung zu finden, die der zu Grunde liegenden Vorstellung eine größere Anziehungskraft verleiht, wobei beides, Verkörperung und Vorstellung, nur eng miteinander verbunden ihre religiöse Wirkung erlangen können. Das sehen wir am Beispiel einer Pilgerfahrt, bei welcher die Pilger danach streben, ihrem ›Heiligen Objekt‹ körperlich wie geistig näher zu sein. [...] Unter dem ›Rätsel der Mythologie‹, sofern davon die Rede sein kann, würden wir eine Art Bewegung der Mythologie verstehen, die darin besteht, die sakralen Werte für bestimmte Institutionen wie Religion oder Politik festzulegen und ebenso in einer zweiten Phase ihrer Selbstbewegung die eigene ›Identität‹ als Mythologie aufzugeben und unter anderen ›Gestalten‹ in Erscheinung zu treten: Sie heißt ab jetzt nicht mehr ›Mythologie‹, sondern ›heilige Geschichte‹ oder ›nationale Identität‹.
Sprachtechnologie für übersetzungsgerechtes Schreiben am Beispiel Deutsch, Englisch, Japanisch
(2009)
Wir [...] haben uns zur Aufgabe gesetzt, Wege zu finden, wie linguistisch basierte Software den Prozess des Schreibens technischer Dokumentation unterstützen kann. Dabei haben wir einerseits die Schwierigkeiten im Blick, die japanische und deutsche Autoren (und andere Nicht-Muttersprachler des Englischen) beim Schreiben englischer Texte haben. Besonders japanische Autoren haben mit Schwierigkeiten zu kämpfen, weil sie hochkomplexe Ideen in einer Sprache ausdrücken müssen, die von Informationsstandpunkt her sehr unterschiedlich zu ihrer Muttersprache ist. Andererseits untersuchen wir technische Dokumentation, die von Autoren in ihrer Muttersprache geschrieben wird. Obwohl hier die fremdsprachliche Komponente entfällt, ist doch auch erhebliches Verbesserungspotential vorhanden. Das Ziel ist hier, Dokumente verständlich, konsistent und übersetzungsgerecht zu schreiben. Der fundamentale Ansatz in der Entwicklung linguistisch-basierter Software ist, dass gute linguistische Software auf Datenmaterial basiert und sich an den konkreten Zielen der besseren Dokumentation orientiert.
“Et cur, ô mea mater Germania, hunc Genium tuae Musae non etiam porrò continuâsti?“ Diese Klage über die fehlende Kontinuität hochrangiger deutscher Dichtung des Mittelalters stammt aus der Feder des Altphilologen Friedrich Taubmann, und sie steht im Kommentar seiner Ausgabe von Vergils ›Culex‹ aus dem Jahre 1618. Es waren nicht Hartmann, Wolfram oder Gottfried, die dem Wittenberger Professor für Poesie und Altphilologie die Möglichkeiten deutscher Sprache und Dichtung so schmerzlich bewusst werden ließen, nein, es waren die ›Winsbeckischen Gedichte‹, die der befreundete Rechtshistoriker und Diplomat Melchior Goldast 1604 in seine Ausgabe paränetischer Texte des deutschen Mittelalters aufgenommen hatte, strophische Lehrgespräche zwischen Vater und Sohn resp. Mutter und Tochter. Goldasts Vorliebe für die Paraeneses ad Filios und Taubmanns „superlativisches Lob auf den Rang der Winsbeckischen Gedichte“ leiteten eine Hochschätzung dieser Texte ein, die bis ins spätere 18. Jahrhundert ungebrochen blieb und selbst bei Anhängern unterschiedlicher, sich ansonsten befehdender ‘Schulen’ zu finden war. Für Johann Jakob Bodmer etwa repräsentierten die ›Winsbeckischen Gedichte‹ „das ächteste, das wir aus dem Schwäbischen Weltalter haben“. Er begeisterte sich insbesondere für „Weinsbecks Frau“ – sie avancierte in seiner Literaturgeschichte von 1743 zur zentralen Lichtgestalt staufischer Literatur. Seine Bewunderung galt der Minneethik des Gedichts und auch der Darbietungsweise, „[m]it zärtlichem Affect, worinn der Geist noch glimmet“. Bis um 1800 hielt die Hochschätzung der ›Winsbeckischen Gedichte‹ an, von da an ist eine nachlassende Begeisterung und endlich auch ein nachlassendes Interesse für diese Texte zu verzeichnen, das schließlich in Verständnislosigkeit und Geringschätzung mündete.
Der Schluss vom Bekannten auf das weniger Bekannte ist ein zentrales Grundprinzip der Didaxe. Ein mittelalterlicher Texttyp, der dieses Prinzip nicht nur beherzigt, sondern es durch seine Bauform regelrecht ausstellt, ist das spätestens seit 1230 literaturfähig gewordene Reimpaarbîspel, das zwei unterschiedliche Bereiche oder Sphären so aufeinander bezieht, dass der erste Teil des Textes, die eigentliche Beispielerzählung, ein allgemein akzeptiertes Modell einführt, das dann im zweiten Teil, in der Auslegung, auf eine andere Lebenssphäre übertragen wird, um mit diesem Akt der Analogisierung das zu Erklärende im Rückgriff auf bereits Etabliertes zu verdeutlichen. […] Hinzu kommt, dass gerade Texte dieser Art interessante Rückschlüsse auf die Etablierung, Durchsetzung und Veränderung von Diskursen ermöglichen, zeigt doch schon die Zweiteiligkeit der Bauform, die eine Redeordnung A mit einer Redeordnung B vergleicht, auf das deutlichste an, dass diese Texte gewissermaßen auf der Schwelle zwischen zwei argumentativen Kontexten angesiedelt sind, wobei das im ersten Teil Präsentierte stets als das bereits Eingeführte, Abgesicherte, Evidente erscheint, während das im zweiten Teil Vorgeführte immer als das relativ gesehen Neue wahrgenommen wird, das in seiner Geltung und in seiner Evidenz vom vorher Entwickelten abhängt.
Zur Lehrhaftigkeit der ›Treuen Magd‹Wenn man schon aus fast allen Erzählungen etwas lernen kann, so soll man es in besonderer Weise aus Erzählungen vom Exempeltyp, die ja eine Lehre explizieren und ihre Gültigkeit in einem Handlungsteil belegen oder ‘beweisen’. Die Exempelerzählung gilt als ein recht urtümliches literarisches Phänomen, in der Regel glatt gefügt und einfach zu deuten. Beim Märe ›Die treue Magd‹ liegt das Moment des Belehrens auf der Hand, der Zusammenhang von Lehre und dargestellter Handlung ist offensichtlich, und so sollte das hübsch erzählte Stück der Deutung keinen Widerstand entgegensetzen.
Um die Wende zum 14. Jahrhundert verfasste der Genueser Dominikaner Jacobus de Cessolis mit dem ›Liber de moribus hominum et officiis nobilium sive de ludo scaccorum‹ einen moraldidaktischen Traktat, der als Schachbuch bezeichnet wird, da er nach der Anordnung der Spielfiguren auf einem Schachbrett gegliedert ist. Bereits auf 1337 datiert die mittelhochdeutsche Versfassung von Konrad von Ammenhausen, deren Verse 19233–19336 das Akrostichon 'Dis bůch tiht ich Cůnrat von Ammenhusen, in der stat ze Stein, da ich münich unde lütpriester wuas. ich kunde es niht getihten bas' bilden. Ferdinand Vetter, der Herausgeber beider Texte, merkt dazu an: „Der Verfasser schliesst, wie er begonnen, mit dem Bekenntnis seiner Schwäche, mit der Bitte um Entschuldigung. Sie sei ihm gewährt!“ Ästhetisch konnte Konrad seine Kritiker nicht befriedigen; neben den „ganz besonders holperig“ gebildeten Versen, der „Kunstlosigkeit“ und der „hausbacken[en]“ Sprache ist es vor allem „notorische Weitschweifigkeit“ , die ihm zum Vorwurf gemacht wird. Im Folgenden möchte ich zeigen, dass sich wesentliche Charakteristika der sprachlichen und strukturellen Gestaltung der mittelhochdeutschen Versfassung besser beschreiben und erklären lassen, wenn man die mediale Situation, in der die in der Dichtung enthaltene Lehre vermittelt wird, und das Publikum, für das sie gedacht ist, berücksichtigt. Dazu greife ich auf Überlegungen zurück, die von den romanistischen Linguisten Peter Koch, Wulf Oesterreicher und Brigitte Schlieben-Lange angestellt worden sind.
Zur Schauseite der höfisch-ritterlichen Kultur gehören die Wappen. Bemalung und Gestaltung lassen sie zu einem wesentlichen Repräsentationsmittel werden. Wappenschild und Helmzier stehen dabei im Verbund mit anderen Formen der Repräsentation wie Panegyrik, Bildnis und Turnierbuch. Wie sich die unterschiedlichen Thematisierungen von Wappen im späten Mittelalter gegenseitig ergänzen, soll im Folgenden am Beispiel der heraldischen Totenklagen Peter Suchenwirts (ca. 1325–1407) gezeigt werden. Suchenwirt hat sechzehn panegyrische Reden auf verstorbene Adlige verfasst, die auch Blasonierungen ihres Wappens enthalten. Die Beschreibungen Suchenwirts zielen, wie ich im Vergleich mit Texten Konrads von Würzburg zeigen möchte, nicht nur auf die heraldisch korrekte Wiedergabe des Wappens, sondern zugleich auf die Imagination von Pracht und Zerstörung des Wappenschildes. Auf diese Weise beinhalten die meisten heraldischen Totenklagen mit der Wappenbeschreibung zugleich eine knapp gehaltene Allegorie auf Leben und Tod des Ritters. Diese über die eigentliche Blasonierung hinausgehende und in den einzelnen Reden unterschiedlich stark ausformulierte Konzeption von Suchenwirts Wappenbeschreibungen soll im Folgenden vorgestellt werden. Abschließend wird zu fragen sein, wie sich das Wechselverhältnis von dem in dieser Weise imaginierten Wappen und dem realen Wappenschild im performativen Akt der Gedenkfeier bestimmen lässt.
Es liegt nahe, dass das Äsop-Kapitel des ›Liber de moribus egregiisque dictis omnium philosophorum et poetarum‹, der philosophiegeschichtlichen Enzyklopädie eines anonymen Bearbeiters, das Interesse der Fabelforschung gefunden hat: Der Fabelbestand ist verzeichnet im Katalog von Gerd Dicke und Klaus Grubmüller. Hier findet sich auch der wichtige Hinweis darauf, dass die Fabelepimythien regelmäßig einen „Sentenzeneinschub“ enthalten. Versucht man, die Sentenzen zu identifizieren, so zeigt sich bald, dass sie, nicht selten versatzstückartig integriert, verschiedenen lateinischen Proverbiensammlungen und Spruchcorpora zuzuordnen sind und (nicht nur) mit Blick auf überlieferungsgeschichtliche Zusammenhänge eine lohnende Quelle für die Parömiologie bilden. Anknüpfend an die Forschung zum Verhältnis von Fabel und Sprichwort bzw. Fabel und Proverbium, möchte der vorliegende Beitrag anhand des Äsop-Kapitels des ›Liber de moribus‹ darlegen, inwiefern die Interferenz von Fabel- und Proverbiensammlung textgenerierende Funktion im Sinne einer produktiven Textkompilation besitzen kann.
Gegenstand dieses Aufsatzes ist das Wechselspiel von narratologischen und didaktischen Erwägungen in Konrads ›Büchlein von der geistlichen Gemahelschaft‹. Diese mystagogische Allegorie aus dem 14. Jahrhundert, die locker mit der Familie der ›Tochter Syon‹-Texte verbunden ist, hat explizit die 'pezzerung' seiner Leserschaft zum Ziel und rechtfertigt mit Hinweis darauf den Gebrauch des 'geleichnus' (einer Form der uneigentlichen Rede). [...] Dieser Aufsatz wird die Konstruktion dieser Allegorie unter vier Aspekten untersuchen: zum Ersten die Verschmelzung eines Hohelied-Szenariums mit Erzählstoffen aus verschiedenen Gleichnissen des Neuen Testaments; zweitens die Einbettung verschiedener selbstständiger 'pispel', von denen einige sich ebenfalls an Gleichnisse des Neuen Testaments anlehnen, in das überspannende 'geleichnus', das die Gesamterzählung ausmacht; drittens das zeitweilige Überlappen der Welt des 'geleichnus' mit der der Leserschaft, und schließlich die Positionierung von 'pezzerung' sowohl innerhalb als außerhalb der Diegese.
Musikalische Unterweisung hat einen festen Platz auf allen Stufen des mittelalterlichen Bildungssystems […]. Für die vielfältigen rhythmischen, mnemotechnischen und intensivierenden Beziehungen, die Musik mit lehrhaftem Sprechen eingeht, ist der lebenspraktische Hintergrund entscheidend. Vor allem im monastischen Kontext nahm die Vermittlung von Musik einen zentralen Platz ein, da Musikkenntnisse für die gemeinschaftlich gesungene Liturgie unabdingbar waren. […] Die Musiklehre ermöglichte die Aneignung theologischer Konzepte und übernommener Lehrinhalte; Singen und der mentalis iubilus auf den Seeleninstrumenten wurden von da aus zu einer zentralen Ausdrucksform der persönlichen Andacht. Das wird im 15. Jahrhundert in der von der devotio moderna inspirierten Reformbewegung von Bursfelde besonders sichtbar, da sich aus dieser Zeit nicht nur liturgische Handschriften, sondern auch Andachtsbücher und Berichte über den Umgang mit Musik innerhalb der Reformbewegung erhalten haben. […] Die Ebstorfer Schulhandschriften, die Liederbücher aus Wienhausen und Ebstorf und die Medinger Andachtsbücher bieten reiches Anschauungsmaterial für die Vermittlungsleistung spätmittelalterlicher geistlicher Musik. Ein besonderer Akzent wird dadurch gesetzt, dass volkssprachige Musikformen gleichberechtigt einbezogen und in das Liedrepertoire und die Andachtsübungen integriert werden. Im Folgenden frage ich daher danach, wie sich unter den Bedingungen der liturgischen Erneuerung Ende des 15. Jahrhunderts die Unterrichts- und Musizierpraxis der Nonnen in neue, musikalisch inspirierte Andachtsmodelle umsetzt.
Didaktischer Pluralismus und Poetik der Lehrdichtung : Zum ›Ritterspiegel‹ des Johannes Rothe
(2009)
Der Begriff ‘Pluralismus’, der eine Koexistenz von verschiedenartigen Denk- und Lebensformen bezeichnet und in seinen jeweiligen Kontexten spezifiziert werden muss, scheint spontan auf mittelalterliche Verhältnisse nur schlecht anwendbar. Gerade auf dem Feld der Ethik denkt man hier zuerst an das verbindliche Weltbild, an Regelungen, die unter dem Dach der christlichen Religion ihren Platz haben mit theologisch-systematischer Aufarbeitung und bei abweichendem Verhalten mit Sanktionen verbunden sind. Aber nicht nur die historische Realität ist vielfältiger und komplexer, auch die ethische Reflexion, die uns im literarischen Medium mittelalterlicher Lehrdichtung entgegentritt, bietet ein ganz anderes Bild. Das Scheitern der systematischen Aufrisse, das Nebeneinander von Konzepten, unvermittelte Gegensätze und Widersprüche, Systemlosigkeit als Prinzip, Brüchigkeit, Dissoziation und Klitterung sind gerade Grundzüge mittelalterlicher didaktischer Literatur und Merkmal ihrer Poetik. Ich rolle das Problem am ›Ritterspiegel‹ des Johannes Rothe auf und schließe einige grundsätzliche Überlegungen zur Poetik des Didaktischen an.
Wie arbeitet ein spätmittelalterlicher Verfasser didaktischer Texte, wenn er sein Material zusammenstellt? Orientiert er sich an Florilegien, die ihm einen Fundus an Autoritätenzitaten zur Verfügung stellen, welchen er dann nach Bedarf verwenden kann? Benutzt er so etwas wie einen Zettelkasten, in dem er sich einzelne Dicta und Sentenzen zusammenstellt, und die er immer wieder neu sortiert? Oder arbeitet er vielleicht doch in einer Bibliothek mit Texten, die ihm nicht nur Zitate, sondern auch Kontexte für seine eigene Umsetzung des Materials liefern und es ihm erst ermöglichen, kompetent auf die Inhalte der vorhandenen Texte zurückzugreifen? […] In der Vorbereitung zur Neuedition des ›Ritterspiegels‹ sind wir den Autoritätenzitaten nachgegangen. Nicht immer ließ sich zu dem jeweils genannten Autor eine passende Vorlage zu finden, insbesondere die Identifikation von Zitaten der Kirchenväter (Gregorius, Augustinus, Cassiodorus, Hieronymus) machte größere Schwierigkeiten. Mitunter kommen mehrere mögliche Quellen in Betracht. Aussagen etwa, für die Rothe Aristoteles oder Seneca als Autorität angibt, könnte er aus Zusammenstellungen wie den ›Auctoritates‹ exzerpiert haben. Angesichts der Übereinstimmung zwischen den Sentenzen und Dicta in den Exzerpten und den umfassenderen Originaltexten ist jedoch aus dem Einzelzitat in der Regel nicht entscheidbar, ob das Florilegium oder das Original zitiert wurde. Umso aufschlussreicher sind solche Quellenfunde, die signifikante Besonderheiten aufweisen. Eine derartige Quelle ist mir auf der Suche nach Vorlagen für die Memento-Mori-Teile und die Ubi-sunt-Topik in prägnanter Weise aufgefallen und soll im Vordergrund der folgenden Ausführungen stehen. Sie spricht meiner Ansicht nach deutlich gegen die Florilegienthese, zumindest relativiert sie diese.