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Hintergrund: Als Komplikation einer Subarachnoidalblutung können zerebrale Infarkte auftreten. Arterielle Vasospasmen stehen im Verdacht diese auszulösen, jedoch wird zunehmend eine multifaktorielle Ätiologie diskutiert. Die orale Gabe des Calciumantagonisten Nimodipin als Prophylaxe stellt den einzigen pharmakologischen Therapieansatz mit nachgewiesener positiver Wirkung auf das Patientenoutcome dar. Durch die gute Wirksamkeit bei oraler Aufnahme erfolgt die intraarteielle Applikation in von Vasospasmen betroffene Gefäße. Weiterhin wird die Perkutane Transluminale Angioplastie bei fokalen hochgradigen Vasospasmen eingesetzt. Diese endovaskulären Verfahren sind bisher nicht in signifikanten randomisierten Studien untersucht worden.
Zielsetzung: Neu aufgetretene Infarktmuster von Patienten nach SAB wurden hinsichtlich Wirkung und möglicher Komplikationen dieser Therapieansätze untersucht.
Methoden: Die klinisch erfassten Daten und die Bildgebung der im Zeitraum von 01.01.2007 bis 31.12.2011 in der Neuroradiologie der Universitätsklinik Frankfurt am Main behandelten und in die Untersuchung eingeschlossenen 88 Patienten wurde erneut untersucht. Im Falle neu aufgetretener zerebraler Infarkte wurden die Infarktmuster hinsichtlich einer Ätiologie analysiert.
Ergebnisse: 53,4% der Patienten entwickelten nach SAB neue zerebrale Infarkte nach intraarterielle Nimodipinapplikation und zusätzlicher PTA in einzelnen Fällen. Hiervon konnten 89,4% ätiologisch zerebralen Vasospasmen zugeordnet werden. Bei 5,7% aller Patienten traten Infarkte im Zusammenhang mit Komplikationen der intraarteriellen Nimodipingabe und PTA in Form von Thrombembolien und einer Gefäßdissektion auf. Die Ätiologie eines Infarktmusters verblieb unklar.
Fazit: Es konnte kein Vorteil für die intraarterielle Gabe von Nimodipin und PTA bei refraktärem Vasospasmus gezeigt werden. Weiterhin traten in 5,7% des Patientenkollektivs ischämische Komplikationen auf, sodass beide Verfahren nicht als Standardtherapie bei Patienten mit Vasospasmus nach SAB empfohlen werden können.
Ziel der vorliegenden Arbeit war die Optimierung der Kristallzüchtung von eisenbasierten Supraleitern. Im ersten Teil lag der Fokus dabei auf der Züchtung der 1111-Verbindung unter Hochdruck/Hochtemperaturbedingungen (HD/HT), sowie der systematischen Untersuchung verschiedener Einflüsse der Züchtung dieser Familie unter Normaldruckbedingungen.
Die HD/HT-Experimente führten unter den gewählten Parametern, sowohl unter der Verwendung eines Flussmittels als auch ohne, nicht zur Stabilisierung der gewünschten Zielphase. Stattdessen kam es zur Phasenseparation So bildete sich immer im Inneren des verwendeten BN-Tiegels ein, häufig kugelförmig ausgeformtes, Gebilde, bestehend aus einer Fe-As-Phase. Dies gilt sowohl für NdFeAsO als auch LaFeAsO1-xFx. Bei der Verwendung von Salz als Flussmittel kam es neben dieser Fe-As-Phase auch häufig zur Bildung einer Cl-haltigen Phase. Auch zeigte sich, dass es zu einer B-Diffusion während des Versuches kam, sodass Selten-Erd-Oxoborate nachgewiesen werden konnten. Durch einen Versuch unter Normaldruckbedingungen zeigte sich, dass dies kein Problem in der Hochdrucksynthese ist, sondern ein grundlegendes Problem bei der Verwendung von BN mit den Selten-Erden ist.
Nachdem gezeigt wurde, dass eine systematische Untersuchung bzw. Optimierung der Züchtungsparameter der 1111-Verbindungen unter HD/HT-Bedingungen enorm schwierig ist, lag der weitere Fokus auf der Züchtung unter Normaldruckbedingungen. Dazu wurde zu Beginn gezeigt, dass die Verwendung von Quarzampullen bei Temperaturen bis zu 1200 °C nicht zu einer zusätzlichen Sauerstoffdiffusion führen. Dies ermöglichte es ohne zusätzliche Schweißarbeit oder hohen Kosten den Optimierungsprozess für ein geeignetes Temperatur-Zeit-Profil durchzuführen. Das so erhaltene Profil wurde anschließen für alle weiteren Versuche verwendet. Mit dieser Basis wurde daraufhin untersucht, welchen Einfluss die Menge an Flussmittel auf die Stabilisierung der Phase und demnach auf die Kristallzüchtung hat. Dabei zeigte sich, dass ein molares Material-zu-Flussmittel-Verhältnis von 1:7 die besten Resultate liefert. Der nächste Optimierungsschritt, die Frage nach einem geeigneten Sauerstoffspender, in Angriff genommen. Bei dieser Frage wurde sich auf einen Sauerstoffspender aus der Gruppe der Eisenoxide konzentriert. Es zeigte sich, dass, für das gewählte Temperatur-Zeit-Profil die Verbindung FeO und Fe3O4 die besten Resultate liefern. In diesen Versuchen ist es gelungen Kristalle zu züchten die Kantenlängen bis zu 800 μm aufweisen. Allerdings zeigten Vergleichsversuche mit einen anderen Temperatur-Zeit-Profil, dass Fe2O3 in diesen Fällen die besten Resultate liefern. Dies macht deutlich, dass es bisher keine vollständige Kontrolle in der Züchtung der 1111-Verbindung gibt. Die Veränderung eines Züchtungsparameters bedeutet, dass auch alle anderen Parameter erneut geprüft werden müssen. Somit zeigte sich, dass eine fundierte und systematische Untersuchung der Züchtungsparameter notwendig ist.
Nachdem die grundlegenden Fragen für die undotierte Verbindung NdFeAsO beantwortet wurden, wurde untersucht, welche Sauerstoff-Fluorspenderkombination bei gegebenem Temperatur-Zeit-Profil optimal für den Kristallwachstum und den Fluoreinbau ist. Die erhaltenen Resultate belegten, dass in diesem Fall Fe3O4 und FeF2 zu den besten Resultaten führte. Die so gezüchteten Kristalle wiesen Kantenlängen bis zu 800 μm auf und Messungen des elektrischen Widerstandes zeigten einen maximalen Tc ≈ 53 K mit einen RRR-Wert im magnetischem Bereich von über 10. Damit unterscheiden sich die gezüchtete Kristalle hinsichtlich ihrer Qualität um den Faktor ~3 von den bisherigen Einkristallen bekannt aus der Literatur.
Durch die Ermittlung des reellen Fluorgehalts der Proben mittels WDX in Kombination mit elektrischen Widerstandsmessungen wurde ein vorläufiges Phasendiagramm erstellt.
Magnetische Messungen unter Normaldruck und Hochdruckbedingungen ermöglichten es die Anisotropie zwischen der ab- Ebene und der c-Ebene zu messen, sowie das Verhalten des elektrischen Widerstandes in Abhängigkeit vom Druck.
Es zeigte sich dabei, dass ab einem Druck von etwa 22.9 GPa die Supraleitung in diesen Kristallen nicht mehr vorhanden ist, und der Kristall wieder normalleitend ist. Mit weiter steigendem Druck steigen die Absolut-Widerstandswerte ebenfalls wieder an, was auf eine mögliche ferromagnetische Ordnung deutet.
Im zweiten Teil der Arbeit lag der Fokus auf einer Verbindung aus der 122-Familie der Pniktide: SrFe2As2. Zu Beginn wurde untersucht, welches der drei gewählten Tiegelmaterialien BN, Al2O3 oder Glaskohlenstoff, für Züchtungen dieser Phase am geeigneten ist. In allen Versuchen konnte die gewünschte Zielphase stabilisiert werden, jedoch kam es bei der Verwendung von Glaskohlenstoff zu Diffusion von Kohlenstoff aus dem Tiegel in die Probe hinein, sodass C-haltige Phasen nachweisbar waren. Ebenso zeigte sich, dass es auch eine Diffusion vom Material in den Tiegel hinein gegeben hat. Diese Probleme traten auch bei der Verwendung von Al2O3 auf. Durch ein Röntgenpulverdiffrakgtogramm konnte eine Al-haltige Verbindung in der Probe nachgewiesen werden. Ein weiterer Nachteil dieses Materials ist die Benutzung des Tiegels durch die Schmelze. Von den drei Materialien erwies sich BN als am besten geeignetes Tiegelmaterial. Es kommt zu keiner Benetzung oder Diffusion, auch der Fremdphasenanteil ist sehr gering in dieser Probe.
Mit diesem Wissen wurde im weiteren Verlauf ein quasi-binäres Phasendiagramm des Systems SrFe2As2-FeAs erstellt. Die intermetallische Verbindung FeAs fungiert hierbei als Flussmittel. Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhand ist die Frage ob das System kongruent erstarrend ist. Diese Frage lässt sich anhand der vorhandenen DTA-kurven nicht eindeutig beantworten, zeigte das System bei Aufheizen keine zusätzlichen Schmelzprozesse, es scheint allerdings, dass es in der Schmelze zu einem Abdampfen von Arsen kommt. Somit verschiebt sich die Zusammensetzung der Schmelze und beim Abkühlen treten zusätzliche Erstarrungsprozesse auf. Die Schmelztemperatur TM wurde so auf T = 1320 °C bestimmt. Mit steigendem Flussmittelanteil verschob sich diese Temperatur zu niedrigeren Temperaturen unter 1200 °C, was eine Züchtung in Quarzampullen wieder möglich macht.
Die Ergebnisse in dieser Arbeit liefern eine fundierte Grundlage für weitere Optimierungen. So ist zum Beispiel der Frage nach dem am besten geeigneten Sauerstoffspender nicht auf die Selten-Erd-Oxide eingegangen worden. Auch ob die Verwendung eines anderen Salzes, wie zum Beispiel den Iodiden für die Züchtung bessere Resultate liefert kann weiterhin untersucht werden.
Nachdem der Schmelzpunkt von SrFe2As2 bestimmt wurde und im quasi-binärem Phasendiagramm ein Eutektikum vorhanden ist, kann mit den weiteren Optimierungsschritten für die Kristallzüchtung dieses Systems begonnen werden. Dazu gehört die Entwicklung eines Temperatur-Zeit-Profils, sowie im nächsten Schritt Züchtungen von dotierten Verbindungen.
In dieser klinischen, randomisierten, doppelverblindeten Vergleichsstudie untersuchten wir, welchen Einfluss auf die Passgenauigkeit von Einzelzahnkronen und dreigliedrigen Brücken aus Vollkeramik zum einen die Anwendung einer intraoralen Digitalisierung mithilfe eines Intraoralscanners (Lava C.O.S Scanner, 3M ESPE, D-Seefeld) und zum anderen der Einsatz einer extraoralen Digitalisierung auf Basis einer konventionellen Abformung (Impregum penta soft, 3M ESPE, D-Seefeld) hat. Als weiteres Prüfkriterium wurde die Effizienz der jeweiligen Abformmethoden untersucht. Die Fragestellung sollte eine Aussage dazu treffen können, ob die digitale Abformung im klinischen Alltag des Zahnarztes einen Vorteil gegenüber der konventionellen Abformung erbringen kann.
In der Studie wurden 25 Patienten eingeschlossen und beide Abformmethoden nach der Zahnpräparation in einer randomisierten Abfolge angewandt. Beim Intraoralscanner waren ein Ganzkieferscan für die Brückenrestaurationen und ein Quadrantenscan für Einzelzahnkronen erforderlich. Die klinischen Arbeitsschritte wurden zeitlich erfasst. Die Kronen- und Brückengerüste aus Zirkoniumdioxidkeramik basierten auf den unterschiedlichen Abformmethoden. Die Gerüste wurden vor der Anprobe verblindet und mit Hilfe von Silikonreplikas die Passgenauigkeit am marginalen Randspalt, an der axialen Wand, am axio-okklusalen Übergang, sowie am okklusalen Messpunkt unter 66x Vergrößerung ermittelt.
Der marginale Randspalt der Restaurationen auf der Basis der konventionellen Abformung betrug 68,64 μm (Medianwert), respektive 60,31 μm bei der digitalen Abformung und unterschied sich statistisch signifikant. Die Passung an der axialen Wand ergab bei der digitalen Abformung 88,27 μm, bei konventioneller 92,13 μm, am axio-okklusalen Übergang 144,78 μm vs. 155,60 μm, am okklusalen Messpunkt 155,57 μm vs. 171,51 μm. Letzter wies einen statistisch signifikanten Unterschied auf (Mann-Whitney U Test, p = 0,05). Die Zeitmessung zeigte eine Ersparnis von 5 min 6 sec beim Quadrantenscan und 1 min 34 sec beim Ganzkieferscan zu Gunsten der digitalen Abformung.
Die Studienergebnisse weisen eine effizientere klinische Arbeitsweise der digitalen gegenüber der konventionellen Abformung nach, die mit einer identischen Passungsqualität einhergeht.
Im heutigen Deutschland lebt eine große Gruppe von Einwanderern türkischer Herkunft und ihren Nachfahren. In der Literatur und Publizistik dominierten bis vor kurzem sehr kritische Narrative über sie, insbesondere über die Frauen und ihre Rolle in den Gemeinschaften, die diese Gruppen bildeten. Hatice Akyün, eine junge deutsche Journalistin und Autorin türkischer Herkunft, versucht in vielen Publikationen dieses Bild zu entzaubern. Dem Beispiel ihres eigenen Lebens folgend, beschreibt sie den Alltag einer türkischen Familie aus einer neuen Perspektive. Sie ist gut integriert und erfolgreich tätig in beiden Kulturen, der deutschen und der türkischen, und sie zeigt es zum Beispiel in ihrem Text Einmal Hans mit scharfer Soße mit einem starken Sinn für Humor. Im folgenden Artikel versucht die Verfasserin, den langen imaginären Weg von Hatice aus der Peripherie der deutschen Gesellschaft in ihre Mitte vorzustellen. Die Analyse zielt darauf ab, die Vorurteile über Minderheiten von Einwanderern mit der Realität zu konfrontieren, die aus einer neuen unüblichen Perspektive dargestellt wurde.
Andrea Albrecht zeichnet in ihrem Beitrag, ausgehend von punktuellen Textbelegen, eine Skizze der unterschiedlichen diskursiven Verbindungen, die sich in der Rede vom "Held der Wissenschaft" abbilden können. In einem ersten Schritt wird zunächst das konnotative Umfeld nachgezeichnet, in dem sich die Rede vom "Held der Wissenschaft" situieren und etwa vom "Märtyrer der Wissenschaft" abgrenzen lässt (I). Die folgenden Abschnitte versammeln und analysieren Textbeispiele, in denen Heroismus und Wissenschaft auf unterschiedliche Weise verknüpft werden. Denn die Attribuierung eines wissenschaftlichen Akteurs als "Held" kann wörtlich genommen werden, sie kann aber auch metaphorisch sein oder auf die positive (oder auch negative, mitunter ironische) Auszeichnung von generellen oder auch speziellen Gemeinsamkeiten von Gelehrtentum und Heldentum hinauslaufen. Je nach argumentativer Absicht und Funktion kann man dabei symbiotisch verbindende (II), metaphorisch-analogisierende (III und IV), generalisierende und subsumierende Zuschreibungen (V) unterscheiden. Eine Grenzfigur stellen faktische Zuschreibungen dar, die aus einem zunächst metaphorischen Vergleich auf tatsächliche Übereinstimmungen des Verglichenen schließen (VI). Insgesamt aber sind es diese Koordinaten, die eine historische Perspektivierung des Themas mitbestimmen oder dieser vorausgehen müssten (VII).
Die Frage ist, ob und in welcher Weise säkulare Texte auf religiöse Auslegungspraktiken und Deutungsmuster rekurrieren, und welche Verschiebungen dabei zwischen ihnen stattfinden. Die Autoren gehen dabei erstens davon aus, dass der Kommentar eine paradoxe Textpraxis ist, und zweitens davon, dass diese Paradoxie in der Moderne besonders dort manifest wird, wo sie sich mit denjenigen Paradoxien berührt oder überschneidet, die im Prozess der Säkularisierung entstehen.
Seit Jahrzehnten steht eine Gestalt an oberster Stelle des Kanons historisch bedeutsamer Figuren in der Ukraine: der Dichter und Maler Taras Ševčenko (1814−1861). Im Land besteht Einigkeit über seine identitätsstiftende Funktion für die imaginierte Gemeinschaft Ukraine. Er wird über die Regionen hinweg als verbindende Gestalt wahrgenommen - besonders in Zeiten, in denen ein mögliches "Auseinanderbrechen" des Landes intensiv diskutiert beziehungsweise befürchtet wird. Ein Grund dafür ist, dass Ševčenko für die historisch unterschiedlich geprägten Regionen einen gleichermaßen festen Bezugspunkt darstellt: Er lebte im Russischen Reich und stammte aus einem Gebiet, das heute zur Zentralukraine gehört; gleichzeitig konnte und kann man sich in der Westukraine mit der Idee von Ševčenko als einem der wichtigsten Träger ukrainischer Identität identifizieren. In Ševčenko laufen zentrale gesellschaftliche und erinnerungskulturelle Diskussionen und Projektionen über Vergangenheit, den gegenwärtigen Zustand und mögliche zukünftige Entwicklungen des Landes zusammen, und die spannungsreichen Veränderungen und erinnerungskulturellen Widersprüche in der Geschichte der Ukraine drücken sich ganz besonders in der Auseinandersetzung mit Ševčenko aus. Ševčenko ist also auch nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1991 der Kulturheros schlechthin. Diese Umwertung der Ševčenko-Gestalt wird heute vor allem bei renommierten Wissenschaftlern und Ševčenko-Forschern, aber auch in Reden von Politikern deutlich. Demgegenüber bestehen in der Gegenwartskultur jedoch zahlreiche andere Entwürfe, die die Gleichsetzung Ševčenkos mit der Nation in Frage stellen. Dabei führen die Um- und Neudeutungen zu einer Pluralisierung des Ševčenko-Bildes; und auch wenn Gegenentwürfe als Bedrohung empfunden werden - gerade durch sie wird Ševčenkos Bedeutung aktualisiert und seine Gestalt auch für jüngere Generationen zugänglich und interessant gemacht. Der Kulturheros Ševčenko, der in der Sowjetzeit etabliert und in Folge hoch verehrt wurde, ist weiterhin äußerst populär und ein beliebtes Objekt kultureller, wissenschaftlicher und medialer Auseinandersetzungen in der Ukraine.
Die Dritte Option: Für wen?
(2017)
Sollte der Gesetzgeber eine Dritte Option im Personenstandsrecht einführen, so wird er sich damit auseinandersetzen müssen, wer Zugang zu dieser Dritten Option erhalten soll. Dieser Beitrag geht der Frage nach, was sich aus der Entscheidung vom 10. Oktober 2017 dazu entnehmen lässt: Muss die dritte Option neben inter*geschlechtlichen Menschen auch allen anderen offen stehen, die sich weder als Mann noch als Frau verstehen?
Im Folgenden werde ich die Rückkehr der Orthodoxie in drei Schritten am georgischen Beispiel erörtern. Im ersten Schritt werde ich die Rückkehr der Orthodoxie im Problemfeld des säkularisierten Staates verorten und einen Vergleich mit der Repolitisierung des Islam ziehen. Im zweiten Schritt werde ich die Rückkehr der Orthodoxie als nationalistische Ideologie beschreiben. Im dritten Schritt werde ich dieses Comeback aus der Erfahrung des Totalitarismus zu verstehen versuchen.
Im geographischen Areal der ehemaligen Sowjetunion existiert ein fast dreihundertjähriges Wechselverhältnis zwischen dem Feld der Macht und dem Feld der Literatur (und Kunst). Das "Denkmal" fungiert als Medium dieses Wechselverhältnisses, als ein Relais, das das Oszillieren des Heroischen zwischen dem Politischen und dem Künstlerischen, vom Staatslenker zum Künstler und zurück ermöglicht. Im Folgenden verfolgt Zaal Andronikashvili die Entstehung und Rezeption des Kulturheros aus und im Denkmal in fünf Schritten. Im ersten Schritt geht er auf die Aporien des Denkmals als eines absolutistischen Repräsentationsmediums ein. Der absolutistische Monarch ist zwischen dem Anspruch auf die ewige Präsenz und der nekrotischen Semantik des Denkmals hin- und hergerissen: er ist einerseits lebendig und immer präsent, andererseits erhebt er diesen Anspruch in und durch die Maske verstorbener Heroen. Im zweiten Schritt geht er den Konsequenzen nach, die die Einführung monarchischer Repräsentationsformen im Medium der Vollplastik im orthodoxen religionskulturellen Kontext hat: Sie setzt ikonoklastische Ressentiments frei und aktualisiert idolatrische Gefühle. Das Denkmal wird semantisch mit den Qualitäten des ambivalenten - sowohl heil- als auch unheilspendenden - Heros aufgeladen. Im dritten Teil untersucht Andronikashvili die künstlerische Kritik an solchen absolutistischen Repräsentationsformen sowie Fragen der Repräsentierbarkeit eines Künstlers am Beispiel der Denkmal-Gedichte von Aleksandr Puškin. Diese ist zugleich ikonoklastisch und ikonodul. Als ikonoklastische Kritik prangert sie das Gemachte, Künstliche, Tote der Repräsentation an. Der Künstler eignet sich aber auch monarchische Repräsentationsformen an, selbst wenn er sie sakral (freilich nicht im religiösen Sinne, sondern als Freiheitskampf) umdeutet. Dadurch begründet der Künstler einerseits einen vom Monarchischen unabhängigen politisch-poetischen Raum, andererseits übernimmt er sowohl die heilspendende als auch die nekrotische Semantik des Heros. Im vierten Teil verfolgt Andronikashvili die Transformation der künstlerischen Rezeption des Denkmals als Metapher zum tatsächlichen Denkmal des Künstlers im Russland des 19. Jahrhunderts. Im letzten Schritt wird gezeigt, wie die ikonoklastische Rezeption der Avantgarde den Künstler von seinem (metaphorischen) Denkmalpostament stürzt und das Künstlerische im Zuge der Oktoberrevolution wieder dem Politischen unterordnet. Die dadurch entstandene Leerstelle des Künstlerischen wird wiederum von der politischen Führer-Repräsentation gefüllt, die nicht nur die Erbschaft monarchischer Repräsentation, sondern auch die der kulturheroischen Repräsentation antritt.
Einleitung
(2017)
Das religionswissenschaftliche und ethnologische Kompositum Kulturheros bezeichnet Gestalten, die zwischen Göttern und Menschen stehen und die "für die Menschen überlebenswichtige[s] Kulturwissen zum ersten Mal einführen". Die Taten eines Kulturheros - etwa die Übergabe des Feuers an die Menschen - können in die Tradition der jeweiligen Gesellschaft eingehen, "zu bestimmten Anlässen feierlich erinnert" und "die Stiftungslegende eines Kults bilden". Die Enzyklopädie des Märchens definiert den Kulturheros als "mythische Figur meist früherer Überlieferungen, die für die jeweilige Gesellschaft Entscheidendes und Lebenswichtiges leistet". Donald Ward, der Verfasser dieses Eintrags, spricht zwar davon, dass neben Heiligen auch "Begründer, Reformer, Erfinder und politische Führer manchmal als echte Kulturheroen" (etwa Luther oder Kolumbus) gesehen werden können, seine Argumentation bleibt aber weitgehend auf Gestalten aus der Mythologie beschränkt. In unserem Band geht es hingegen nicht um mythische Figuren wie etwa Prometheus, sondern um ein neuzeitliches Phänomen: Mit Kulturheroen meinen wir Schriftsteller, Dichter, Wissenschaftler, Künstler oder Intellektuelle, denen ebenso wie den Kulturheroen der Religionswissenschaft bzw. Ethnologie in der Regel posthum eine herausragende kulturstiftende Rolle in der Gemeinschaft bzw. Gesellschaft zugeschrieben wird. Seit der Neuzeit werden Kulturheroen in dieser Weise medial konstruiert und durch Kultpraktiken geehrt, die früher eher militärischen oder politischen Helden vorbehalten waren.
Ein Dialog zwischen Sohn und Vater: "Wovon handeln Bücher eigentlich?" – "Alle wichtigen Bücher handeln von Gott." So beschreibt es Guus Kuijer in Das Buch von allen Dingen (2006). Mit dieser Geschichte beginnt der vorliegende Band über religiöse Spuren in aktueller Kinder- und Jugendliteratur, der die vier Vorlesungen des Kontaktstudiums der Theologischen Fakultät Fulda im Sommersemester 2015 unter dem Dictum versammelt: "Alle wichtigen Bücher handeln von Gott." (vgl. 7) Georg Langenhorst fundiert die religionspädagogische Auseinandersetzung mit Kinder- und Jugendliteratur in "Gestatten: Gott! Religion in der Kinder- und Jugendliteratur unserer Zeit. Befund, Deutung und Perspektiven für religiöses Lernen" (11–65) mit einer Analyse des aktuellen Jugendbuchmarktes. ...
Günümüzde, çevrilecek olan metnin sayfa düzeninin basıma hazır hale getirilmesinin çevirmenlerden sıkça istenmesi, çevirmenlik mesleğine olan bakış açısının değiştiğini açıkça göstermektedir. Kaynak kültürde var olan görsel bilgilerin alımlanması ve bunların erek kültüre uygun bir şekilde aktarılması gerekmektedir. Çeviri eğitiminde ‘başarılı’ bir çevirinin yalınızca sözcüklerin ve söz diziminin doğru aktarılmasıyla gerçekleşmeyeceği bilgisi edebi metinlere yönelik çözümleme yöntemini kullanarak verilebilir. Yan metinlerin değerlendirilmesi anlama sürecine katkı sağlar ve kültürel öğrenmeyi kolaylaştır. Bu bağlamda öğrencilere uyguladıkları çeviri stratejisini gerekçelendirme beceresi kazandırır. Edebi metinlerin çözümlenmesinde, yazar tarafından bilinçli kullanılan biçimsel özelliklerin ayırt edilmesi önemlidir. Bu doğrultudan yola çıkarak, bu çalışmada, çeviri sürecinde yan metinlerin önemini ortaya çıkarmaya çalışılacak ve bu bağlamda makro yapının çözümlenmesi yönteminden yararlanılacaktır. Bu nedenle "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo,-Christiane F" adlı eserin Türkçe çevirisi "Eroin,-Christiane F'in Korkunç Anıları" [Die erschreckenden Erlebnisse der Christiane F.] kullanılacaktır. Ele alınan metnin çözümlenmesi, Koller tarafından ileri sürülen “alımlayıcının farklı beklentilerini saptayan ölçütler” (2004) göz önünde bulundurarak yapılacaktır.
Als Peter Härtling am 7.11.2014 mit dem Hessischen Kulturpreis ausgezeichnet wird, spielt er auf die reformpädagogischen "fromme[n] Wünsche" an, die mit dem von Ellen Key 1902 ausgerufenen "Jahrhundert des Kindes" für das 20. Jahrhundert postuliert worden waren, und die, wie er selbst als Kind während und nach dem Zweiten Weltkrieg erfahren musste, "unerfüllbar" gewesen seien. Sein Rückblick lässt ihn allerdings zu dem Schluss kommen, dass das 21. Jahrhundert noch "schlimmer" sei, denn es handele sich um das "Jahrhundert des Flüchtlingskindes". Es liegt folglich nahe, angesichts seines im Herbst 2016 erschienenen "Romans für Kinder", Djadi, Flüchtlingsjunge, auf den erinnernden Autor zu blicken, der mit 13 Jahren kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs zum Waisen wurde. ...
"Ich mache die Orte zu meinen Sehnsuchtsorten, an die es mich zufällig verschlägt. Und ich lade diese Orte mit dem auf, was ich mitbringe – ganz ohne Erwartungen. So erstaunt es mich auch immer wieder, wie viel man aus einem Ort "herausholen" kann." So beschreibt Felicitas Hoppe im Interview mit dem Journalisten und Geografen Jens Nommel ihr Vorgehen bei der Konstituierung von Räumen in der diegetischen Welt. Diese Aussage ließe sich paradigmatisch auf das Gesamtwerk der Autorin übertragen, so sind es weniger Beschreibungen von realen Orten und Topografien, die sich hier finden, als vielmehr im Schreibprozess entstehende Imaginationsorte, die durch das Zusammentreffen eines den Orten Bedeutung zuweisenden Bewusstseins und der äußeren Beschreibung derselben entstehen. Dies geschieht, so die These dieses Beitrags, mithilfe einer Destabilisierung der strukturbildenden Elemente von Raum, Zeit und Kausalität, die in der Folge einen Vorstellungsraum öffnen, in dem physikalische Grenzen überwunden und im Modus der Gleichzeitigkeit alternative Seinsweisen erprobt werden können. Hoppe schließt dabei an die Darstellungstechniken der Literarischen Moderne an, greift die Diskussionen der Postmoderne vom Ende der großen Metaerzählungen, dem Tod des Subjekts und allgemeiner Geschichtslosigkeit auf und entwirft im Sinne einer Transmoderne alternative Darstellungsformen. […] Ziel des vorliegenden Beitrags ist demnach zunächst das Aufzeigen der Destabilisierungsprozesse in Bezug auf die genannten Elemente mithilfe einer textimmanenten Analyse der zeitlichen und räumlichen Struktur. Dabei werden, erstens, die verschiedenen Spielarten des Zeitbegriffs sowie Raumsemantiken auf der intradiegetischen Ebene in den Blick genommen, zweitens, Möglichkeiten der Zeit- und Raumgestaltung auf der Ebene des discours untersucht und schließlich der Prozess der Refiguration beleuchtet. Im Anschluss wird der Frage nach dem Funktionspotenzial der erarbeiteten Destabilisierungsprozesse sowie der Entwicklung derselben als ästhetisches Programm nachgegangen. Da die angeführten Destabilisierungsprozesse je nach thematischer Schwerpunktsetzung unterschiedliche Funktionen einnehmen, werden Hoppes Romane 'Pigafetta', 'Paradiese, Übersee', 'Johanna' und 'Der beste Platz der Welt' chronologisch analysiert und im Anschluss einem synthetisierenden Vergleich unterzogen.
Der jüdische Intellektuelle Ludwig Börne (1786-1837), der einer breiten Öffentlichkeit als Journalist, Literatur- und Theaterkritiker sowie Vermittler zwischen Frankreich und Deutschland bis in die Gegenwart ein Begriff ist, soll 1821 geurteilt haben, dass Johannes Weitzel der beste deutsche politische Schriftsteller sei. Umso erstaunlicher bei einer solchen Eloge durch eine weithin bekannte und seine Zeit prägende Geistesgröße ist, dass der Name Johannes Weitzel und dessen Werk heute weitestgehend unbekannt sind. Wenn man weiterhin berücksichtigt, dass Weitzels schriftstellerisches Werk mit den Werken und den Lebenswegen von Johann Joseph von Görres (1776-1848), Karl August Fürst von Hardenberg (1750-1822) und Karl Wenzeslaus Rodeckher von Rotteck (1775-1840), Karl Theodor Georg Philipp Welcker (1790-1869) sowie Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) korrespondierte, mit allen denen er in einem direkten Austausch stand, wundert man sich umso mehr, dass ein solch wichtiger ideengeschichtlicher Impulsgeber - was sich übrigens auch daran zeigt, dass er als eher bürgerlicher politischer Autor selbst für das Demokratieverständnis der deutschen Frühsozialisten von großer Bedeutung war - dermaßen in Vergessenheit geraten konnte. Wolfgang Kötzlers 1961 aufgeworfene Frage "Und wem, außer wenigen Fachhistorikern, ist sein Name heute noch ein Begriff?" gilt jedenfalls auch heute noch.
This paper is a comparative imagological analysis of the novels Die Schrift des Freundes (1998) by Barbara Frischmuth and Über Land (2016) by Hannah Dübgen. It aims to examine the direct communication with the stranger because the discussion with the stranger includes the discussion with the Self. The encounter with other religions and cultures opens up new ways for the self, to understand one’s own self from different angles. In this context, this study is to analyze the two novels with respect to interpretive models of experiencing the strangeness by Ortfried Schäffter and tries to answer the question about the influence of the stranger on the Self and the complementarity between them.
In Deutschland nahezu unbekannt, gehört der Schriftsteller Laurent Tailhade (1854-1919) zu den interessantesten Persönlichkeiten des literarischpolitischen Anarchismus im Frankreich des späten 19. Jahrhunderts. Er verfasste zahlreiche Gedichte und Essays, trat aber auch als Autor polemischer Zeitungsartikel und als aggressiver Redner hervor, sodass sich an seiner Person exemplarisch das Zusammenspiel von literarisch-ästhetischer und politisch-provokativer Praxis darstellen lässt.
Berühmt wurde Tailhade durch seinen zynischen Ausspruch "Qu’importent les victimes si le geste est beau!" anlässlich des Attentats von Auguste Vaillant auf die Französische Nationalversammlung im Dezember 1893: Gegenüber der "Schönheit" des terroristischen Aktes spielten humanitäre Erwägungen für Tailhade scheinbar keine Rolle. Nur wenige Monate später, im April 1894, wurde er selbst Opfer eines Anschlags in dem Pariser Restaurant Foyot, wobei er ein Auge einbüßte, sich aber dennoch - dies ist neben der ‚Ironie des Schicksals‘ der eigentlich entscheidende Aspekt - weiterhin für anarchistische Ideen einsetzte. Im Folgenden soll versucht werden aufzuzeigen, wie sich die zur viel zitierten ästhetizistischen Provokationsformel geronnene Aussage Tailhades in dessen literarisch-intellektueller Entwicklung und im künstlerischen und politischen Kontext des 19. Jahrhunderts verorten lässt.
Die Berichterstattung über den Nahostkonflikt gehört seit Jahrzehnten zum Standardrepertoire der Nachrichten. Hierzulande hat fast jeder eine Meinung zum israelisch-arabischen Konflikt, doch wenige verstehen, um was es den Konfliktparteien eigentlich geht, was in bisherigen Verhandlungen erreicht worden ist und wo genau die Hürden für eine Konfliktregelung liegen. Dieses Buch liefert eine kompakte und zugleich anschauliche und detaillierte Analyse des Konflikts zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn. Dabei stehen die lokalen und regionalen Akteure im Mittelpunkt. Um die Konfliktdynamiken zu erklären, geht das Buch vor allem auf die konkurrierenden Interessen und Narrative der Konfliktparteien sowie ihre Wechselwirkungen ein.
[Rezension zu: Lewe, Christiane; Othold, Tim und Nicolas Oxen (Hg.): Müll. Interdisziplinäre Perspektiven auf das Übrig-Gebliebene. Bielefeld: Transcript, 2016.]”.
Der von Christiane Lewe, Tim Othold und Nicolas Oxen herausgegebene Band Müll. Interdisziplinäre Perspektiven auf das Übrig-Gebliebene eröffnet in Schlaglichtern Zugänge zu ‚übrig-gebliebener‘ Materialität in kulturwissenschaftlicher Perspektive. Ausgehend von der Annahme, bei nicht mehr gebrauchten Dingen handele es sich um das Ergebnis sozio-kultureller Zuschreibungsprozesse, interessieren sich die Beiträge für so unterschiedliche Phänomene wie die Inszenierung von Müll im Fernsehen, Gender und Schmutz, Gebäuderecycling, Self-Storage oder künstlerische Auseinandersetzungen mit Müll. Als gemeinsamer Schnittpunkt der Fallstudien stellt sich dabei das Vorhaben heraus, den als konventionell unterstellten Abwertungen des Übrig-Gebliebenen entgegenzuarbeiten. Eine literaturwissenschaftliche Perspektive fehlt hingegen.
Die Mittelalterabteilung des Liebieghauses unter der Leitung von Stefan Roller, stellt seit dem 6. Dezember seine neueste, spektakuläre Erwerbung vor. Das spätgotische (um 1470/75), noch original polychrom gefasste Christuskind wurde schon 2011 bei der Ausstellung "Niclaus Gerhaert. Der Bildhauer des Mittelalters" im Liebieghaus gezeigt und stammt aus Privatbesitz. ...
Ich spreche im Folgenden über ein Thema, das 'Hermeneutik nach Luther' heißen soll. Als Hermeneutik verstehe ich dabei im Anschluss an Friedrich Schleiermacher - also im Anschluss an einen protestantischen Theologen, der seine eigene Hermeneutikkonzeption vorwiegend mit Bezug auf die Auslegung des Neuen Testamentes entwickelt hat, das heißt in einem dezidiert christlichen und zugleich mehrfachen, noch näher zu klärenden nach-Luther'schen Sinn - die "Kunst des Verstehens". Die Bestimmung verdeutlicht, dass das Verstehen nichts Selbstverständliches ist. Verstehen versteht sich nicht von selbst. Es muss selbst verstanden werden. Hermeneutik bezeichnet nach diesem Verständnis eine Aufgabe, und zwar, wie Schleiermacher zu betonen nicht müde wird, eine niemals abgeschlossene, immer weiter fortzusetzende Aufgabe.
Michael Bachmann untersucht die spezifische Situation von Theater und Performancekunst als "privilegierte Orte der (künstlerischen) Zeugenschaft". Nachdem er die grundsätzliche Ambivalenz der Beziehung zwischen dem Theatralen und der Rechtspraxis, zwischen Theater und Prozess, herausgestellt hat, analysiert Bachmann das südafrikanische Stück "Ubu and the Truth Commission" (1997), in dem eine Puppe das bezeugende Opfer verkörpert. Die Übertragung des Zeugenstatus auf eine explizit künstliche Figur erlaubt eine Reflexion, die auf "die ethische Frage der Stellvertretung zwischen verschiedenen Akteuren der Zeugenschaft und deren jeweilige Handlungsmacht sowie auf die Frage der Autorisierung" hinausläuft: "Wer gewinnt in welchem Rahmen auf welche Weise die Autorität, als Zeuge zu fungieren?" Bachmann zeigt, wie die Puppe als ästhetisches Objekt eine testimoniale Überzeugungskraft gewinnt und das Verhältnis von Handlungsmacht ('agency') und testimonialer Autorität veranschaulicht. Die ethisch-epistemische Frage der Autorität und Autorisierung des Zeugen wird letztlich auf das ästhetische Verfahren des Puppenspiels zurückgeführt, in dem die Differenz zwischen Bühnenfigur und Opferzeuge "einen Raum eröffnet, durch den das Zeugnis vermeintlich selbst zur Sprache kommt". Dieses "zur Sprache kommen" ereignet sich allerdings unterschiedlich, wenn es tatsächlich durch Sprache geschieht (wie etwa in Peter Weiss' "Ermittlung") oder eher durch einen körperlich-performativen Ausdruck (wie in William Kentridges Inszenierung von "Ubu").
Beim Gebrauch einer Fremdsprache durch Anfänger handelt es sich offensichtlich um "Spielarten interkultureller Kommunikation" (FÖLDES 2007: 614). Eine bezüglich der arabischen Auslandsgermanistik ergiebige Auseinandersetzung mit der Schreibfertigkeit gelingt erst, wenn interkulturelle und handlungsorientierte Aspekte zusammen und sprachkomparatistisch berücksichtigt werden. Davon ausgehend lässt sich dann erklären, inwieweit mögliche differente Verhaltens- und Handlungsmuster in der deutschen und der arabischen Sprach- bzw. Kulturgemeinschaft das Schreiben in der deutschen Sprache beeinflussen. Neben Faktoren im sprachsystematischen und lexikalisch-semantischen Bereich lässt sich dies im pragmatischen Bereich an zwei Parametern des kommunikativen Verhaltenstyps (Grad der Expressivität sowie der der Ritualisierung) untersuchen. Mögliche differente Verhaltens- bzw. Handlungsweisen werden hier anhand von arabischen Germanistikstudierenden geschriebener Aufsätze bzw. E-Mails diskutiert.
This paper analyzes serpentine figures in Eichendorff's novella 'Das Marmorbild', which are inscribed in the body of Venus in the mannerist style. These figurae serpentinatae gradually gain dynamism, move into the foreground of attention, and then condense into repulsive snake figures which evoke associations of the cunning snake of the Garden of Eden, the serpents on the back of the Frau Welt figure, and the fearsome Echidna of Greek mythology. These allusions also characterize the art which Venus represents as something abysmal and threatening. The multiple contextualization of the snake also reveals that 'Das Marmorbild' offers a double reading: in the narrower sense, Venus can be viewed as a representation of Romantic art, while in the wider sense she personifies art in general.
Die humane 5-LO ist das Schlüsselenzym in der LT-Biosynthese. LTs sind wichtige Entzündungsmediatoren und sind in einer Vielzahl von Krankheiten involviert, u. a. Asthma, Atherosklerose, rheumatische Arthritis, Sepsis, allergischen Reaktionen und in vielen Krebsarten. Die Struktur der 5-LO besteht aus 673 Aminosäuren und besitzt ein Molekulargewicht von 78 kDa. Sie ist in zwei Domänen unterteilt: die kleinere C2-ähnliche regulatorische Domäne (C2ld) und der größeren katalytischen Domäne. Die 5-LO besitzt NIS und NES, die für die zelluläre Lokalisation der 5-LO verantwortlich sind. Außerdem wird die Lokalisation noch von Phosphorylierungsstellen reguliert, die auf der katalytischen Domäne identifiziert werden konnten. 2011 konnten Häfner et al. zeigen, dass die 5-LO in der Lage ist Homodimere zu bilden.
Wie für die meisten anderen humanen Gene konnten auch bei der 5-LO alternative Spleißvarianten identifiziert werden. Schon 1992 konnten die ersten unterschiedlich gesüleißten Transkripte in Hirntumoren und differenzierten HL-60-Zellen gefunden werden. Später konnten weitere Isoformen in verschiedenen Zelllinien entdeckt werden.
In der vorliegenden Arbeit wurden die alternativen Spleißvarianten 5-LO∆13, 5-LO∆4 und 5-LOp12 untersucht und charakterisiert. Auf mRNA-Ebene wurde die Expression des 5-LO-WT und deren Isoformen sowohl in B- und T-Zelllinien als auch primären B- und T-Zellen, monozytären Zelllinien und primäre Monozyten aus Patientenproben (RA und Sepsis) untersucht. Es wurde festgestellt, dass das Expressionsprofil der 5-LO-Varianten zellspezifisch ist. Im Vergleich zu den T-Zellen konnte in B-Zelllinien ein höheres Expressionslevel detektiert werden. Des Weiteren zeigte sich interessanterweise ein stark erhöhtes Expressionslevel in primären Monozyten von RA- und Sepsis-Patienten.
Untersuchungen der 5-LO-Aktivität ergaben unterschiedliche Ergebnisse, abhängig von der Transfektionsmethode. Als transiente Transfektion diente die Calciumphosphat-Methode. Für die stabile Integration der HEK293T-Zellen wurde die Sleeping Beauty-Methode gewählt. Hierfür wurden Proteine mit einem GFP bzw. mCherry-Tag (GFP-5-LO-WT, mCherry∆13, mCherry∆4, mCherryp12) verwendet, um diese mittels Konfokalmikroskop visualisieren zu können. Nach transienter Transfektion konnte eine Inhibition der 5-LO-Aktivität nach Kotransfektion mit jeweils einer Isoform gemessen werden. Nach stabiler Integration jedoch zeigte sich eine Steigerung der 5-LO-Produktbildung. Mit Hilfe von Western Blots wurden Expressionskontrollen angefertigt und die Menge des 5-LO-WT quantifiziert. In transient transfizierten Zellen wurde eine Erniedrigung der Expression des 5-LO-WT bestimmt, wohingegen in stabil integrierten Zellen ein Anstieg des 5-LO-WT als auch der Isoformen beobachtet werden konnte. Einerseits könnte dies einem Artefakt der Transfektionmethode zugrunde liegen, andererseits könnte es ein Hinweis darauf sein, dass sich die Proteine gegenseitig in ihrer Expression beeinflussen.
Ebenso wurde die Lokalisation der 5-LO und deren Isoformen untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass die 5-LO überwiegend im Zellkern lokalisiert ist, während alle alternativen Protein-Isoformen im Zytosol zu finden waren. Durch Ionophor-Behandlung wurde eine Translokation des 5-LO-WT an die Kernmembran detektiert, die Isoformen verblieben im Zytosol. Überraschenderweise konnte beobachtet werden, dass die Spleißvariante 5-LO∆13 mit höherer Ionophor-Konzentration ebenso in der Lage ist an die Kernmembran zu translozieren. Um eine mögliche Interaktion der 5-LO mit den Isoformen zu untersuchen, sollten alle Proteine im selben Zellkompartiment lokalisiert sein. Dafür wurden verschiedene Stimuli und Mutationen getestet. Mit der Mutante GFP-5-LO-S271A und dem Stressstimulus Sorbitol und den CaMKII/p38-Inhibotoren KN-93/SB203580 konnte eine Translokation in das Zytosol erreicht werden. Die Ergebnisse der anschließenden Aktivitätsassays zeigten, dass die Isoformen keinen Einfluss auf die Aktivität der 5-LO ausüben.
Des Weiteren wurden die Phosphorylierungen an S523 und S271 von 5-LO-WT, 5-LO∆13, 5-LO∆4 und 5-LOp12 untersucht. Es wurde herausgefunden, dass die 5-LO-Proteine unterschiedliche Phosphorylierungsmuster aufweisen. Während 5-LO-WT und 5-LO∆4 eine schwache Phosphorylierung an S271 aufzeigen, konnte eine starke Phosphorylierung der 5-LO∆13 und 5-LOp12 detektiert werden. Im Vergleich dazu zeigte lediglich die Isoform 5-LOp12 eine sehr starke Bande an der Phosphorylierungsstelle S523. Bei beiden Phosphorylierungen konnten deutlich stärkere Signale nach Kotransfektion gemessen werden. Durch Klonierung eines P2A-Linkers zwischen 5-LO und des GFP-Tags, konnten die Isoformen vom 5-LO-WT in Western Blots voneinander getrennt werden. Dies zeigte, dass es zu einer Hochregulation der Expression der alternativen 5-LO-Varianten nach Kotransfektion mit dem WT führte, aber auch, dass die stärkere Phosphorylierung nach Kotransfektion unabhängig von der Proteinmenge ist.
"Im Grunde ist der ästhetische Anarchismus viel gefährlicher als der politische", warnte Hans Sedlmayr, österreichischer Kunsthistoriker mit NS-Vergangenheit und höchst umstrittener Kritiker der modernen Kunst, in einem Beitrag für die Zeitschrift Scheidewege von 1978. Während die Aktionen der politischen Anarchisten historisch weitgehend folgenlos geblieben seien, habe die anarchische Ästhetik der künstlerischen Avantgarden in einer viel umfassenderen, permanenten Revolution alle Bereiche des menschlichen Lebens im 20. Jahrhundert erfasst.
Die Absage an die Kunst, die Logik, die Ethik, die Scham; an die Kirche, den Staat, die Familie; an die klassische Tradition Europas wie an jede Religion - ist in die Tages- und Bildzeitungen, in Film- und Fernsehen, auf das Theater und in die Happenings, in die Praxis des Lebens eingedrungen. Die Ursprünge dieser Entwicklung verortet Sedlmayr in der Frühromantik, genauer: den Texten von Friedrich Schlegel und Novalis - "ohne sie ist das anarchische 20. Jahrhundert in der Tiefe nicht zu begreifen."
In Schlegels frühem, Ende 1795 fertiggestelltem Aufsatz 'Über das Studium der griechischen Poesie' allerdings, der noch weitgehend den Maßstäben einer klassizistischen Ästhetik verpflichtet ist und vom Verfasser des Verlusts der Mitte bei seinen Überlegungen daher zustimmend angeführt wird, erscheint das Wort 'Anarchie' überwiegend negativ konnotiert. Es fungiert hier als Metapher für Charakter-, Gesetz- und Formlosigkeit, für moralischen Verfall und ästhetische Desorientierung auf dem Gebiet der modernen Dichtkunst.
Sie treten einzeln auf, zu zweit, in der Regel durchfenstert, oft in Begleitung von Backstein, meistens mit einem Vordach und immer: in Farbe. Doch nicht nur den Türen verpasste Bruno Taut einen Anstrich – ganze Siedlungen wurden vielfarbig gestaltet, außen wie innen. Auf dem Ersten Deutschen Farbentag 1925 in Hamburg stellte Taut in seinem Vortrag kategorisch fest: "Da alles seine Farbe hat, so muss auch alles, was Menschen tun, farbig gestaltet sein." ...
Auf den ersten Blick wirkt der zur Besprechung vorliegende Sammelband uneinheitlich, weil eine große Zahl von unterschiedlichen Themen angesprochen wird, denen scheinbar nur gemeinsam ist, dass sie sich mit der unmittelbaren Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges und mit dem Jahr 1914 befassen. Dies ist bei näherer Betrachtung aber kein Manko: Gerade diese Diversität zeigt, wie uneinheitlich und widersprüchlich sich Europa im Sommer 1914 präsentiert hat. Aus vielen Beiträgen wird deutlich, dass es die eine Vorkriegszeit nicht gegeben hat, sondern dass sehr unterschiedliche Erfahrungen und Wahrnehmungen, die sich zum Teil widersprachen, direkt nebeneinander existierten. Diese Pluralität stellt einen untrennbaren Bestandteil der unmittelbaren Vorkriegszeit dar. Der Band ist in die drei Hauptsektionen Kriegserwartungen, Friedenshoffnungen und Mobilisierungen unterteilt. Abgerundet werden diese durch einen abschließenden Ausblick von Christoph Cornelissen, in dem knapp aber präzise auf die neuen Kontroversen um die Kriegsursachen, auf die Globalgeschichte des Weltkrieges und auf das erhebliche Medienecho im Epochenjahr 2014 eingegangen wird. ...
"Bibliotheken in [die] Zukunft führen" (Bibliothekartag 2016) bleibt das bestimmende Motto für die Managementkommission, da es angesichts zahlreicher Umweltveränderungen weiterhin seine Relevanz behalten wird. Daher wurde beim Round Table am 12. September 2016 in Stuttgart der Frage nachgegangen, welche organisationalen Strukturen gut geeignet sind, um erforderliche Prozesse zu unterstützen: „Beschränkt durch Linie, Stab und Matrix – Relevanz von Organisationsstrukturen und alternative Instrumente zur Organisationsentwicklung“. Zu dieser erweiterten Kommissionssitzung wurden Expert/inn/en aus öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken eingeladen, die sich aktuell mit der organisatorischen Gestaltung ihrer Häuser auseinandersetzen. Organisationsmodelle und Veränderungsprozesse wurden von Christine Brunner (Stadtbibliothek Stuttgart), Karl-Wilhelm Horstmann (Kommunikations-, Informations- und Medienzentrum Hohenheim) und Salina Lotz (Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel) präsentiert. Der Einblick in die Organisationsstrukturen und ihre Anpassungen dokumentierte, dass organisationale Veränderungen aus konkreten Problemlagen heraus entwickelt werden, also unmittelbar Bestandteil eines Veränderungsprozesses sind, weniger Mittel der Veränderung als ergänzende Maßnahme. Für die Kommission war eine wesentliche Erkenntnis aus dieser Diskussion, dass auch in Bibliotheken das Denken in hierarchisch organisierten Organisationsmodellen und Arbeitsprozessen immer ungeeigneter wird, um die erforderliche Anpassung zu wettbewerbsfähigen Betrieben zu gestalten. ...
Stefan Barton behandelt die Bedeutung des Zeugenbeweises im Strafverfahren. Im Zentrum steht die für den juridischen Kontext so wichtige Regelhaftigkeit zur Autorisierung des Zeugnisses, sowohl im Sinne eines Szenariums als auch bezüglich seiner Choreographie. Es gibt nicht nur einen festen Korpus an möglichen Beweisen ("Urkunden-, Augenscheins-, Sachverständigen- oder eben Zeugenbeweis"); vielmehr unterliegt jede Beweisart einem Regelwerk, so auch das Zeugnis. Dort, wo an anderen Stellen ein Faktor wie ein 'Zeugenhelfer' hinzutreten muss, um aus dem Zeugnis Gewissheit entstehen zu lassen, kann es eine Glaubwürdigkeitsprüfung sein, beispielsweise in einer psychologischen Glaubhaftigkeitsbeurteilung: Auch vor Gericht wird das Zeugnis evaluiert. Und auch hier gilt, dass ein schwer fassbarer Überzeugungsfaktor am Ende Ausschlag gibt für die Evaluierung bzw. Relevanz des Zeugnisses: Für das Urteil entscheidend ist die Überzeugung des Richters bezüglich des verhandelten Sachverhalts.
Literatur- und Fremdsprachendidaktik : zur Rolle des Theaters im Deutschunterricht in Burkina Faso
(2017)
Die Verwendung der Belletristik im Fremdsprachenunterricht trägt dazu bei, sprachliche und kulturelle Kompetenzen zu erwerben. Da die Sprechfertigkeit eine der sechs Grundkompetenzen im DaF-Unterricht ist, ist ihr Erlernen eine grundlegende und unverzichtbare Aufgabe im Fach "Deutsch als Fremdsprache" in und außerhalb Deutschlands. Deshalb versucht dieser Aufsatz, die Potenziale des Theaters auszuloten, um diese Grundkompetenz bei den Deutschlernenden in Burkina Faso zu entwickeln. Es geht also darum, die Möglichkeiten des Theaters als literarische fiktionale Gattung beim Spracherwerb der burkinischen Deutschlernenden zu bestimmen. Darüber hinaus wird dargestellt, inwiefern ein Theaterstück in einer "classe de première" bzw. einer 11. Klasse Unterrichtsgegenstand sein sollte und literaturdidaktisch aufbereitet werden kann. Dafür werden Theorien und Methoden der Theaterdidaktik sowie der rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik verwendet und an einem Beispiel illustriert.
Unter der Leitung der Ege Universität und der Beteiligung der Universität Paderborn, Istanbul und Hamburg fand vom 14. bis zum 16. November 2017 die erste internationale/kooperative Vierer-Tagung im Rahmen der Germanistischen Institutspartnerschaft an der Ege Universität in Izmir statt. Wissenschaftler und Interessierte reisten aus verschiedenen Städten wie Istanbul, Ankara, Eskişehir, Berlin, Paderborn, Hildesheim und Hamburg für die vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geförderte GIP Tagung an und leisteten mit gebiets- und themenbezogenen Vorträgen einen besonderen Beitrag dazu, eine international sehr vielschichtige Plattform entstehen zu lassen, die mehr als nur den literaturwissenschaftlichen Austausch ermöglichte
Dort, wo der Weg der Geschichte sich gegabelt hat zwischen der Hinnahme des Gewohnten und dem Ausstieg aus ihm, so sanft wie tunlich oder so revolutionär wie nötig, da stoßen wir auf eine Reihe von Neuerern: Kritiker der gesellschaftlichen Verhältnisse oder der überkommenen Denkbahnen, z.T. auch Sprachkritiker, Sprachneuerer. Die "Linkshegelianer" bilden den Grundstock: Strauß, Feuerbach, Bruno Bauer, Stirner, Hess, in ihren Anfängen müssen wir auch Marx und Engels dazu zählen. Sie haben an schon etablierten politischen Lehren weitergearbeitet, aber sie haben, vor allem, neue Lehren und eine Kritik an allem Überkommenen in die Welt gesetzt. Zu einem beträchtlichen Teil haben sie sie nicht selbst erdacht. Bei französischen Revolutionären (oder auch Reformern) von Babeuf und Fourier bis zu Proudhon sind sie in die Lehre gegangen, Marx auch bei Ricardo und den Größen der britischen Nationalökonomie. Auf die Nachzeichnung jener Lehren soll es hier ankommen. Dazu greife ich einen heraus, der interessant ist, weil er von den Anfängen seiner Reflexion an, erst mit der Verarbeitung seines Judentums beschäftigt, sich zu einem Mitkämpfer der führenden kommunistischen Führerpersönlichkeiten entwickelt hat, aber auf anarchistische Weise; danach ist er auch noch bei den frühen Sozialdemokraten gelandet, eben Moses Hess.
'Die Literatur der Roma Frankreichs' von Julia Blandfort, vorgelegt 2013 als Dissertation an der Universität Regensburg, ausgezeichnet mit dem Prix Germaine de Staël 2014, erschienen 2015 bei de Gruyter, legt den Grundstein für die Beschäftigung, innerhalb der romanischen Literaturen, aber darüber hinausgehend auch allgemein komparatistisch, mit den Roma-Literaturen der Romania.
Der Zwerg-Rohrkolben (Typha minima Funck ex Hoppe) ist eine charakteristische Pionierpflanze von alpinen Wildflusslandschaften. Seit den siebziger Jahren ist diese Kennart jedoch in Deutschland vollständig und in Österreich nahezu ausgestorben. Die anhaltenden Populationsrückgänge der Art sind wahrscheinlich das Ergebnis der weitverbreiteten Flussregulierung und des Kraftwerksbaus in Kombination mit den sehr speziellen Standortsansprüchen der Art. Dank den Anstrengungen von Wiederansiedlungsprogrammen befindet sich T. minima wieder an der Oberen Drau in Österreich. In dieser Publikation wird über die Keimung, das Wachstum, die Reproduktion und die Umweltpräferenzen von T. minima berichtet.
Die Keimungsexperimente von 2014 zeigten eine sehr niedrige mittlere Keimungsrate von 15,6% bei einem Schwankungsbereich von 0–90 %. Die Keimungsraten stiegen mit höheren Temperaturen, erhöhter Saatgutreife und kürzeren Saatgutlagerungszeiten. Nach der Saatgutlagerung von 480 Stunden wurde keine Keimung mehr beobachtet.
Beim FFH-Monitoring 2014 an der Oberen Drau wurden Zwerg-Rohrkolben-Keimlinge (Höhe < 5 cm) generell nur selten gefunden. Die vegetative Jungphase (Höhe > 15 cm, ausschließlich sterile Triebe) wies zumeist den höchsten Flächenanteil im Mittel von 62% auf. Typha minima bildete bis zu einem Alter von ca. 3 Jahren ausschließlich sterile Triebe aus. Ab einem Alter von ca. 9 Jahren wurden auch fertile Triebe mit Blütenständen ausgebildet, wobei deren Anzahl mit zunehmendem Alter sich tendenziell erhöhte. Die Analyse der Standortsfaktoren zeigte, dass T. minima auf eine hohe Bodenfeuchte im Mittel von 39 Vol-% angewiesen ist. Darüber hinaus war der Faktor Beschattung entscheidend. Erst ab einem Beschattungsgrad von 50% durch Weidengebüsche war eine Abnahme der Triebdichte von T. minima zu verzeichnen. Wir schließen daraus, dass T. minima-Populationen während der Keimungsphase extrem empfindlich sind und dass massive Habitatverluste überwiegend das Ergebnis der Flussregulation und der reduzierten Morphodynamik sind, die normalerweise geeignete offene Siedlungsräume für die Keimung des Zwerg-Rohrkolbens schaffen würde.
Scharlatane waren für die Gelehrtendiskurse der Frühen Neuzeit von kaum zu überschätzender Bedeutung, da sich anhand ihres Negativbeispiels Verhaltensideale formulieren ließen, die für die Wissenschaft maßgeblich waren. Das Interesse an dieser Figur reichte auch in die Literatur hinein, wo sie in vielfältiger Weise aufgegriffen wurde und um 1800 verstärkt in Erscheinung trat. Christoph Martin Wieland war einer der Autoren, die sich besonders intensiv mit ihr befassten. In seinem Roman Geschichte der Abderiten (1773-1779) inszeniert er den geistigen Gegensatz, der zwischen dem Protagonisten Demokrit, einem beispielhaften Gelehrten, und seinen Mitbürgern, den törichten Abderiten, besteht. Die These des vorliegenden Beitrags lautet, dass Wieland damit auf eine poetische Reflexion von Wissen abzielt, wobei er mit Hilfe des Scharlatanmotivs die wissenschaftlichen Ausschlussmechanismen seiner Zeit ironisiert. Mithin sind es die Bedingungen der Produktion von Wissen, die im Text aufs Korn genommen werden. Dabei spielt Wieland die komischen Konflikte durch, die auftreten können, wenn das der Aufklärung nahestehende Wissenschaftsethos eines Demokrit auf den Eigendünkel einer unaufgeklärten Gesellschaft trifft.
Gestern Abend lief die sehenswerte TV-Dokumentation "Nervöse Republik – Ein Jahr Deutschland" von Stephan Lamby in der ARD. Der Journalist hat bekannte Politiker wie Sarah Wagenknecht, Peter Tauber, Heiko Maas, Frauke Petry und Katarina Barley ein Jahr lang begleitet und sie zu der veränderten politischen und gesellschaftlichen Stimmung interviewt. ...
Innerhalb der historischen Kinder- und Jugendliteraturforschung gilt Karin Richter als ausgewiesene Kennerin der ostdeutschen Kinderund Jugendliteratur von 1949 bis 1990. Noch in der ehemaligen DDR habilitierte sich Richter zur Wirkungsästhetik und Poetik in der Kinder- und Jugendliteratur (1987) an der Universität Halle/ Wittenberg, von 1993–2008 war sie Professorin für Literarische Erziehung/Kinder- und Jugendliteratur an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Pädagogischen Hochschule/Universität Erfurt. In den vergangenen Jahren konzentrierten sich Richters Aktivitäten nur noch vereinzelt auf die kinder- und jugendliterarischen Texte der DDR (vgl. III). Auch dieser Band präsentiert keine neue Forschung, sondern eine persönliche Aufsatzsammlung von Beiträgen, deren Erstveröffentlichungen z. T. bis in die DDR zurückreichen. ...
Comics sind nicht linear, es gibt keine Vorgabe, ob wir zuerst die Bilder betrachten oder den Text lesen. So lassen die Brüche zwischen den Paneln, zwischen den Zeichen, zwischen den einzelnen Heften auch immer einen Raum entstehen. Einen Grenzraum, der verschiedene Lesarten und Fragen ermöglicht. Die dem Comic spezifische Ästhetik der Brüche und Wiederholungen wird im Comic 'Hure h' explizit benutzt, um Fragen nach Identität, Geschlechterrollen und Begehren aufzuwerfen und gesellschaftliche Zuschreibungen zu hinterfragen. Identität wird im Comic 'Hure h' nicht als feststehende Einheit dargestellt, sondern in ihrer fragmentierten Struktur gezeigt. Die Brüche in der Darstellung von Identität und die parodistische Bezugnahme auf gesellschaftliche Akte machen den Raum für eine Grenzüberschreitung der Geschlechternormen auf. Die Differenz zwischen den dargestellten Zeichen und deren imaginierten gesellschaftlichen Konnotationen lässt die Möglichkeit entstehen, dass Normvorstellungen und Konstruktionen von 'gender' und 'sex' als solche aufgezeigt und dadurch aufgebrochen werden.
Hatte Heidegger noch davon gesprochen, dass der Stein "weltlos" sei und auch "Pflanzen und Tiere […] gleichfalls keine Welt haben" und als "Zeug" und "Verlässlichkeit" zu einer Welt gehören, die sich dem Bewusstsein öffnet, verstehen Deleuze und Guattari das 'faire monde' gerade als eine dezentrierende Relationalität, ein Werden hin zur Welt in ihrer Vielfältigkeit und Unbestimmtheit, ja eine Bewegung des abstrakt und nichtwahrnehmbar Werdens. Julia Bee greift in ihrem Beitrag diese Idee auf und versteht Spiel als einen Modus der Praktiken des 'worlding', als ein "Anders-Werden". In Anlehnung an Brian Massumi wird das als ob des Spiels nicht als nachahmender Bezug auf eine bestehende Realität, sondern als Abstraktion und ein Mehr verstanden, das eine Ebene der Virtualität eröffnet. Am Beispiel von "Begone Dull Care", einem Animationsfilm von Norman McLaren und Evelyn Lamberts, beschreibt Bee ein solches "vibrierendes, pulsierendes und ständig transformierendes Feld der tanzenden Wahrnehmung".
Mit einem entschiedenen Plädoyer dafür, einen Begriff des Spiels zu wahren, der von der Beteiligung eines Bewusstseins nicht absieht, endet Andreas Beinsteiners Beitrag. Er arbeitet am Begriff des Spiels, wie er ihn in den späteren Arbeiten von Martin Heidegger findet, eine spezifische Konstellierung zwischen Spiel und Medium heraus. Wenn für Heidegger die Vorstellung einer Gegebenheit oder physis damit verbunden ist, dass sie dem "Anwesenden die Anwesung" gibt, kommt ihr schon immer eine mediale Qualität zu. Allerdings entzieht sich Medialität dann zugunsten dessen, was sie erscheinen lässt. Sie liefert eine Bühne für das Spiel des Seienden. Auch wenn dies nicht so verkürzt zu verstehen ist, wie es dann in Gadamers Idee des "Spielplatzes" wieder auftaucht, der antitechnische Zug des Arguments ist kaum weniger deutlich. Die Möglichkeit zur Irritation, Unterbrechung, Dysfunktionalität oder gar Handlungspotenz wird der Technik von Heidegger nicht zugesprochen.
Es ist sinnvoll, sich zu vergegenwärtigen, dass die Geschichte der Kinderliteratur eng mit der Pädagogik und der Schule als Vermittlerin verbunden war, in besonderer Weise seit der Epoche der Aufklärung. So meint der Begriff "Schulbücher" ein breites Spektrum, das sich aus wachsendem öffentlichen und staatlichen Interesse an einer bildenden Wirkung durch Bücher auf SchülerInnen und Lehrpersonen entwickelt hat. Der Band dokumentiert Vorträge der Jahrestagung 2012 des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Bibliotheks-, Buch- und Mediengeschichte. Es geht um Fibeln, Lernbücher für Kinder, Lesebücher über die zunehmenden Wissensbereiche, die Morallehre, Kinderbibeln – vieles auch an Erwachsene adressiert; dazu kommen methodische Handreichungen und pädagogische Abhandlungen, die bis in Gelehrtenkreise hineinwirkten. Der erkennbare Bildungsaufbruch seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ist der Beginn des bis in unsere Gegenwart reichenden Bemühens um Bildung durch Bücher. ...
Am Ende der 1990er Jahre konnte man durch die Analyse der Metaphern der Alltagssprache schon sehen, "in welche Richtung" man rannte: Und heute leben wir in einer (globalen) Gesellschaft, in der jede Handlung und jeder Lebensbereich unseres Lebens als verwirtschaftet und auf Wettbewerb ausgerichtet ist. Aber all das war schon "geschrieben" und enthalten in den Bildern und der Sprache der Zeit: Es musste nur "gelesen" werden. Wenn wir auf die etymologischen Wurzeln des Wortes Kompetition achten (vom Lateinischen cum petere: cum = mit, zusammen, petere = zusteuern auf; das Wort bedeutet also zusammen gehen, übereinstimmen, sich treffen, zusammen Fragen stellen), müssen wir uns eingestehen, dass das Konzept des Wettbewerbs, der in Europa sehr stark gefördert wurde, im Gegensatz zur Begünstigung der Kooperation im Erlangen von Verständnis und individueller Fähigkeit zum Zwecke der Verbesserung der Lebensqualität, des Teilens von Gewinnen und des kulturellen Wachstums, eher die Angriffslust, die Notwendigkeit des Erfolgs, der Verwirklichung und des Besitzes bevorteilt hat. Schlussendlich hat sich der Umgang mit der Gegensätzlichkeit, die der Wettbewerb aufzeigt, zugespitzt mit einer Verschärfung der Dynamik zur Erlangung der Vormachtstellung.
Ali Benmakhlouf zeigt die Spannung zwischen dem Begriff des Conatus und der Lebensnot bei Spinoza auf. Spinoza gründe seine Ethik gerade auf dem wirkmächtigen Vergleich der menschlichen und philosophischen Suche nach beständiger Freude mit einer tödlichen Erkrankung, angesichts der man in äußerster Gefahr zu den noch so unsichersten Hilfsmitteln greift. Mit seiner Ethik, so Benmakhlouf, arbeitet Spinoza nicht auf die Änderung einer moralischen Einstellung oder Haltung hin, sondern auf eine Lebensform im Sinne Wittgensteins. Hiervon ausgehend verfolgt der Beitrag weiter, wie sich die Spannung zwischen Streben und Lebensnot durch Überlegungen von Montaigne, Frege, Whitehead bis hin zu Wittgenstein nachverfolgen lässt. Abschließend setzt Benmakhlouf seine Position von der Wittgensteins mit einem Verweis auf ein literarisches Gedankenspiel Lewis Carrolls ab, unterstreicht aber mit Spinoza und Wittgenstein, dass das Philosophieren und ethische Entscheidungen gewissermaßen eine therapeutische Tätigkeit darstellen, die der Lebensnot begegnet.