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Zu Hegel nicht ohne Fichte
(2020)
Geht man die Philosophiegeschichte treu durch wie der Zeiger das Ziffernblatt an der Wanduhr, so weiß man bald nicht mehr, wo man ist. Das kommt den Hegel-Leser an, erinnert er sich noch, was bei Fichte stand, und lässt sich nicht täuschen von der brausenden Kant- und Fichte-Polemik des jungen Privatdozenten, als der sich selbst noch suchte. Bald wusste er besser, was ihn auf seinen Weg gebracht. Es gibt Polemiken in der Philosophie, wie von Leidenschaft getrieben, und am heftigsten gegen den im Denken Nächsten. Hegels Anfänge waren Kant- und Fichte-Abfertigungen gewesen. Kant und Fichte, eben 20 Jahre nach ihren epochemachenden Schriften wurden sie schon für Zurückgebliebene erklärt. Nicht Weltblick für den schöpferischen Geist der Zeit werde geöffnet von der transzendentalen Logik und deren von Fichte daraus gebildeten idealistischen Handlungstheorie. Nur schmale 'Reflexionsphilosophie der Subjektivität' komme hier mit ewig unbefriedigtem Sollen, statt auf das Weitertreibende in der Sache Geschichte selbst zu sehen. Die beiden jungen Schwaben, nach Jena, ins Zentrum des die Schulmetaphysik zurücklassenden Kantianismus gekommen, sie schrieben Philosophie wie Eroberer, die ihre geistige Herrschaft antreten wollen. Das hohe Sendungsbewusstsein für die eröffnete neue Lehre gehörte zur an sich altaufklärerischen Überzeugung, dass Philosophie - nicht mehr Religion - uns eine menschheitsführende Weltsicht öffne. Die Frage blieb, am schärfsten zwischen Hegel und Fichte, ob Philosophie vorangehe und den Weg weise, so dass auch real nach deren Programm gehandelt werden solle, oder doch nur den je geschehenen Schritt begreife und ihn anzuerkennen lehre. Aber in seinen philosophiehistorischen Vorlesungen der 20er Jahre schilderte Hegel dann die Logik des Konstruktionsprinzips 'Arbeit' in der Fichte'schen Wissenschaftslehre detailliert; noch immer kritisch, aber als die ernste Sache bei einem, der etwas gefunden habe, das mit uns fortgehe. Im Schlusskapitel der "Phänomenologie des Geistes" (1807) hatte er schon die Parallel-Wege der (europäischen) Menschheit von Ideal- und Realgeschichte ganz im Duktus des Fichte'schen Praxisbegriffes konstruiert, bis hin zum Ich-Kennwort. Das Gerüst der Hegel'schen Geistphilosophie steht überhaupt auf dem Fundament des Fichte'schen Handlungs- und Vergegenständlichungsgedankens.
Vischers Freiheitsbedürfnis war unersättlich, und er war ständig auf der Suche nach Trost und Orientierung in einer orientierungslosen Zeit. Vischer hoffte, dies nicht nur in der Kunstschönheit in fernen Ländern zu finden, sondern vor allem in der Literatur, der Dichtung und der Philosophie. Der erste Teil des Goethe'schen Faust und Hegels Philosophie sollten daher in der zerrissenen, stürmischen Vormärzzeit zum Rettungsanker für ihn werden. Vischer wird sich von diesen Reisebegleitern nie gänzlich befreien, sie werden mehr oder weniger ausdrücklich sein ganzes Leben an seiner Seite sein, wenn er sich auf die Suche nach einem (unmöglichen) Gleichgewicht zwischen den beiden Seelen in seiner gespaltenen Brust macht: der systematischen (mit offensichtlichen Anklängen an Hegel) und der zerrissenen (die klar auf den Faust anspielt). Wir wollen, von der ersten ausgehend, beide analysieren.
Ausgangspunkt der hier vorgenommenen Zusammenstellung einer ästhetischen Theorie, einer kunstgeschichtlichen Analyse und einer poetischen Darstellung des niederländischen Genres war eine Faszination. Annette von Droste-Hülshoff hatte in einem Prosafragment ein ästhetisches Experiment mit einer Gattung durchgeführt, deren ästhetische Besonderheiten theoretisch erst in jüngster Zeit und durch eine neuartige kulturgenetische Vorgehensweise von Hegel und Schnaase exponiert worden waren. Staunenswert dabei ist nicht nur, dass und wie Droste-Hülshoff die verschiedenen Bestimmungsstücke des Genres, die Ästhetik des Flüchtigen, die Ästhetik des Zweideutigen und die ästhetische Theorie des Interieurs, im sprachlichen Medium erprobt; verblüffend ist mehr noch, dass sie die implizit zwischen Hegel und Schnaase sich abzeichnende Differenz in der Einschätzung der ästhetisch lizenzierten Darstellung des Bösen narratologisch zu nutzen weiß und folgerichtig das niederländische Gesellschaftsbild in eine "Kriminalgeschichte" überführt.
Hölderlin und Hegel heute
(2020)
Die Wege des Dichters und des Philosophen, die sich in revolutionären Zeiten im Tübinger Stift kennengelernt hatten, waren verschieden und doch vielfältig verbunden. Immer wieder und besonders häufig in diesem doppelten Jubiläumsjahr 2020 sind die Dioskuren des deutschen Idealismus Gegenstand der Betrachtung und Bewunderung gewesen. [...] Am 9. Dezember 2020 wollen wir uns unter dem Titel "Hölderlin und Hegel heute" den Werken dieser beiden Schwaben jedoch vor allem unter der Fragestellung nähern, was diese denn mit uns heute noch oder wieder zu tun haben könnten.
Am "Funktionsübergang von Dichtung und Publizistik", so Wolfgang Preisendanz, bilde sich bei Heine eine Kunstprosa aus, die Einspruch gegen Hegel erhebt und das Fortleben nicht mehr schöner Kunst in Gestalt moderner oder realistischer Kunst verbürgt. Ob Heine seiner Hegel-Bewunderung zum Trotz als Kronzeuge neuer, moderner Kunst gelten darf, sei dahingestellt. Eine Entscheidung darüber hinge nicht zuletzt von dem an ihn angelegten Modernebegriff ab. Der geläufige - mit Heine als Übergang - zeugt jedenfalls 'contre coeur' vom Rechtfertigungszwang, den Hegels Diktum zumindest auf Literarhistoriker immer noch ausübt. Doch nur bedingt kann Heine ihren Absichten dienlich sein. Dass er selbst, trotz gelegentlich ausgedrückter Hoffnungen, denen zufolge "die neue Zeit […] auch eine neue Kunst gebären […], sogar eine neue Technik" hervorbringen würde, doch eher pessimistisch in die Zukunft des "greisen Europa" sah und die Frage zu bejahen geneigt war, die er am Ende des Berichts über die Gemäldeausstellung von sich wies: "Oder hat es überhaupt mit der Kunst und mit der Welt selbst ein trübseliges Ende?", soll im Folgenden als ein Aspekt seiner Formel vom Ende der Kunstperiode erhellt werden.
Die leitende Prämisse der folgenden Überlegungen besteht auch in der These, dass Hegel mit dem Ende der Kunst eine Einsicht formuliert hat, die für die literarische Moderne konstitutiv ist. Mit der vordergründigen Wiedereinsetzung Hegels verbindet sich allerdings ein kritischer Einwand, der sich wiederum von Hölderlin her formulieren lässt. Wie die Auseinandersetzung mit Hegels Ästhetik deutlich macht, lässt die Verschränkung von Gattungspoetik und Geschichtsphilosophie, den Ort der modernen Literatur auf eigentümliche Weise unbestimmt. In dem Maße, in dem Hegels einseitiger Blick auf die seiner Meinung nach vorbildliche Kunst der Antike an der Eigengesetzlichkeit der Poesie in der Moderne vorbeigeht, erscheint Hölderlins Poetik als ein Korrektiv, das die negative These vom Ende der Kunst erst produktiv werden lässt. Das Ziel der folgenden Ausführungen liegt dementsprechend darin, ausgehend von der gattungspoetischen und geschichtsphilosophischen Bestimmung von Tragödie und Lyrik bei Hegel und Hölderlin einen Begriff der Poetik zur Geltung zu bringen, der die These vom Ende der Kunst ernst nimmt und es dennoch erlaubt, eine Poetik der Moderne zu entwickeln. Damit ist zugleich das methodische Vorgehen der Arbeit gekennzeichnet. In einem ersten Schritt geht es darum, Hegels These vom Ende der Kunst in einem kritischen Durchgang durch seine Ästhetik noch einmal eine bestimmte Plausibilität abzugewinnen. Die Diskussion der Verschränkung von Geschichtsphilosophie und Gattungspoetik, die Hegels Ästhetik auszeichnet, führt in einem zweiten Schritt zu einer kritischen Rekonstruktion seiner umstrittenen Lektüre der Sophokleischen "Antigone", die zugleich zu Hölderlins Poetik als einer Alternative zu Hegels Ästhetik überleitet, in deren Zentrum die Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Recht steht.
Dialektik
(2018)
Was 'Dialektik' nun genau sei, darüber gibt es immer noch sehr verschiedene und auch einander ausschließende Auffassungen. Vor allem auch darüber, ob es eine Dialektik gebe oder geben könne, die sich noch besonders durch das Attribut 'materialistisch' empfehlen würde. Je näher wir hinsehen, desto mehr entschwindet uns der Begriff, der einmal so viele Gewissheiten trug. Vielleicht liegt das auch schon daran, dass sich im Begriff der Dialektik viele Bedeutungsdimensionen gleichsam sedimentiert haben; er trägt schwer an seiner Geschichte und kann sich gerade deshalb immer wieder von einseitigen Fixierungen zurückziehen.
O presente texto lida com a forma do juízo em Hölderlin e Hegel, focalizando principalmente seus momentos de divisão e unificação. Inicialmente, unificação e divisão são aqui tratadas a partir de temáticas desenvolvidas em torno do amor no séc. XVIII. O juízo é analisado basicamente no âmbito da Ciência da lógica, de Hegel, de prefácios do romance Hyperion e do texto "Juízo e Ser", de Hölderlin. A análise visa expor as passagens entre esses momentos do juízo nos textos supracitados, as quais mobilizam relações entre singular, particular e geral. Considerando essas relações, propõe-se uma interpretação do romance acima mencionado.
"Hegels philosophische Entwicklung in seiner Jenaer Zeit bildet eine eigene Epoche innerhalb seines Denkens, die durch eine rapide Folge von einander ablösenden systematischen Entwürfen gekennzeichnet ist". Die Illustration eines kleinen Schrittes dieser Entwicklung soll in der vorliegenden Arbeit für die Philosophie des Geistes erfolgen. Es wird zuerst (I.) die Fassung von 1805/06 relativ ausführlich dargestellt, um anschließend (II.) in einem Vergleich mit der Geistphilosophie von 1803/04 die Motive anzudeuten, die zu ihrer veränderten Abfassung geführt haben dürften. Gegenstand der Arbeit sind so allein diese beiden Textgruppen. Die Miteinbeziehung weiterer Bezüge zu vorangehenden und nachfolgenden Werken Hegels sowie übergreifend Betrachtungen zum jeweiligen Systemganzen – denn die Geistphilosophie ist ja Teil eines Systems – muß aus Gründen der Umfangsbeschränkung unterbleiben.
Auftretende Redundanzen entspringen dem Bemühen um größtmögliche Klarheit, die sich der Schwierigkeit der infrage stehenden Texte nicht ohne Weiteres abgewinnen läßt.