CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Heike Schlie untersucht Formen vormoderner religiöser Zeugenschaft, die sich in komplexen medialen Konstellationen ereignet. Die hagiographische Zeugenschaft, die in einer Reliquiensammlung gespeichert ist und in der rituellen Zeigung der Reliquien aktiviert wird, wird auf weitere Medien übertragen, in sie ausgelagert und in ihnen erweitert, sodass ein 'Netz aus zeugenden Gesten' und 'Zeugenschaftspraktiken' entsteht. Ergänzt bzw. eingeleitet werden diese Beobachtungen durch eine Untersuchung der historischen Zeugenschaftsbegriffe und ihrem Konnex zu religiöser Zeugenschaft. Ein besonderes Augenmerk gilt hier der Analyse einer vormodernen Konstellation, in der Reliquien als 'Akteure' betrachtet werden müssen, was im jüngsten "forensic turn" eine Art Nachfolge kennt. Zum anderen werden im Kontext der Bildmedien die Spezifitäten christlicher Zeugenschaftsformen fassbar, die im Fall der apostolischen 'Zeugenkette' und des 'Bekenntnisses' des Märtyrers oder des Eremiten eine Reihe von epistemischen und medialen Besonderheiten aufweisen und auch in Bildern wie Dürers "Marter der Zehntausend" diskursiviert bzw. reflektiert werden - ein Phänomen, das Schlie anhand der Kategorie des "métatémoignage" von Derrida analysiert. So wird das Bild selbst zum "Erkenntnismittel", das heißt ein "Medium zum 'Über-Zeugen' des Unglaubens".
Stefan Barton behandelt die Bedeutung des Zeugenbeweises im Strafverfahren. Im Zentrum steht die für den juridischen Kontext so wichtige Regelhaftigkeit zur Autorisierung des Zeugnisses, sowohl im Sinne eines Szenariums als auch bezüglich seiner Choreographie. Es gibt nicht nur einen festen Korpus an möglichen Beweisen ("Urkunden-, Augenscheins-, Sachverständigen- oder eben Zeugenbeweis"); vielmehr unterliegt jede Beweisart einem Regelwerk, so auch das Zeugnis. Dort, wo an anderen Stellen ein Faktor wie ein 'Zeugenhelfer' hinzutreten muss, um aus dem Zeugnis Gewissheit entstehen zu lassen, kann es eine Glaubwürdigkeitsprüfung sein, beispielsweise in einer psychologischen Glaubhaftigkeitsbeurteilung: Auch vor Gericht wird das Zeugnis evaluiert. Und auch hier gilt, dass ein schwer fassbarer Überzeugungsfaktor am Ende Ausschlag gibt für die Evaluierung bzw. Relevanz des Zeugnisses: Für das Urteil entscheidend ist die Überzeugung des Richters bezüglich des verhandelten Sachverhalts.
Welche Konsequenzen hat Storfers Konzept einer antihistoristischen Schreibweise, sein Postulat der "Erschütterung der bequemen chronologischen Erklärungsweise", wie er schreibt, für seine Geschichte der Wörter? Welches sind die Voraussetzungen und Prinzipien seines Projekts einer "Wortforschung" als "Kulturgeschichtsforschung"? Storfer nähert sich seinem Gegenstand von zwei Seiten her. Zum einen unterstreicht er die Sprachlichkeit des Quellenmaterials, auf das sich, so betont er, "jede Geschichtsforschung" stützt. Zum anderen fragt er danach, in welchem Sinn sich Geschichte in der Sprache ablagert.
In recent years, critics and art historians have pointed to an 'educational turn', a rise in participatory pedagogical art projects and artist-led experimental schools. This essay considers artist-led projects and museum programmes that restage or reenact educational experiments from the past, analysing their limits and possibilities in the study and presentation of modern art history. Much like performance art, pedagogy is ephemeral and contingent, and yet it differs in that it does not establish a fixed spectatorial role. To be understood it must be participated in, for, as Josef Albers described his teaching, 'we are gathering experience'.
Die im religiösen Kontext entstandenen Formen des Umgangs mit Heil und Erlösung bleiben bis in die Gegenwart prägend für den literarischen Diskurs. Die Bibel stellt dabei einen zentralen Prätext dar, wobei in der Moderne nicht selten gerade ihre ambivalenten Erzählungen und Figuren in den Blick genommen werden. Auch mehrere Texte von Joseph Roth befassen sich mit der Frage nach dem Heil und beziehen sich dabei in unterschiedlicher Weise auf religiöse Literatur. Mit dem Roman 'Hiob. Roman eines einfachen Mannes' und der Novelle 'Die Legende vom heiligen Trinker' stehen zwei dieser Texte im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen. Beide Texte greifen neben ihren expliziten Bezügen zur religiösen Literatur auf das Motiv der Wüstenwanderung und das damit verbundene Schema von Exil und Wiederkehr zurück, beziehen sich dabei aber auf je unterschiedliche religiöse Konzepte und Erzähltraditionen. Nicht zuletzt steht 'Hiob' in engem Bezug zur jüdischen Kultur Osteuropas, während die 'Legende' stärker an der christlichen Kultur orientiert ist.
In a 1949 letter, Cesare Pavese describes with great zeal the genesis of a new work - one he compares, albeit with a certain amount of irony, to Dante's Commedia. [...] This embryonic project would quickly become the novel "La luna e i falò", completed in less than two months and published shortly before Pavese's suicide in 1950. On the surface, there would seem little reason to take seriously the analogy drawn by the author between "La luna" and the "Commedia", for the novel in question contains no explicit references to the medieval poet. Tristan Kay argues in this essay, however, that the presence of Dante in "La luna" is both more pervasive and more significant than has previously been suggested. While critics have noted in passing several narrative and structural parallels between the two texts, which Kay details in Section II, no attempt has been made to consider their wider significance in our understanding of Pavese's novel. What follows is a reading of "La luna" which shows that the "Commedia" functions not simply as a formal model for Pavese, but, more importantly, as an ideological anti-model, in dialogue with which the author articulates his deeply pessimistic understanding of the human condition.
'Ultima mano' : Endretusche und Nachbearbeitung in der italienischen Kunsttheorie der Neuzeit
(2021)
Projektion als Entwurfs- und Übertragungsverfahren kann auch ein Kalkül mit offenem Ausgang sein. Diesem Problem widmet sich Laura Valterio in ihrem kunsttheoretischen Beitrag, in welchem das abschließende Moment der 'ultima mano' ins Zentrum gerückt wird. In den kunsttheoretischen Debatten der Frühen Neuzeit wird die 'letzte Hand' gleichermaßen zu einem symbolischen Moment der Vollendung, wie auch der technischen Meisterschaft des Malers. Valterio zeigt, wie die 'ultima mano' als Versprechen der Vollkommenheit stets entrückt bleibt, aufgeschoben wird und damit einen Projektionsraum etabliert, in welchem die Genauigkeit als Akt des Abschließens zur Disposition steht.
Depuis 2012, le programme doctoral CUS/CRUS (désormais Swissuniversities) de littérature générale et comparée s'efforce d'offrir un lieu et un réseau d'échanges et de pensée aux jeunes chercheurs de la littérature comparée et des différentes langues et littératures étudiées dans les universités suisses. L'orientation de ce programme le place doublement en position de transgression. D'une part, la littérature comparée est par essence une science du dépassement; la comparaison, la mise en réseau et l'éclairage croisé des langues et des littératures vont de pair avec l' "au-delà" d'un sujet préalablement circonscrit; comparer suppose la mesure d'un espace, l'expérience de ses limites et leur franchissement. D'autre part, l'invention d'un cadre réunissant à la fois des doctorants, des chercheurs plus confirmés et des professeurs, où puissent se discuter aussi bien des questions théoriques que les problèmes concrets auxquels la recherche expose les uns et les autres, invitait à ne pas se priver d'un questionnement croisant plusieurs approches. Nous avons donc imaginé un programme ouvert autant aux questions esthétiques et littéraires (les représentations des frontières et de leur transgression, la forme que ces représentations pouvaient adopter) qu'aux sujets engageant une métaréflexion sur les limites de nos outils de recherche et les conditions réelles d'une transdisciplinarité qui serait plus que programmatique (une théorie et une pratique de la transgression des limites).
State security archives in Eastern Europe are shedding new light on the operative practices of the secret services and their interaction with performance art. Surveillance, tracking, undermining, disruption, writing of reports, and measure plans were different operative methods to be carried out in continuous repetitive processes. This paper argues that, through these repetitive working processes, state security agencies were permanently engaged in different forms of reenactments: of orders, legends, report writing, and inventing measure plans. With this operative reenactment, state security agencies not only tried to track down facts but also created 'fake facts' serving their agenda. These 'fake-facts' were then again repeated and reenacted by informants endlessly to be 'effective' in the surveillance and elimination of performance art.
What is an exilic law? The Talmud was itself located 'in exile' without ever being considered 'exilic': the self-representation of the Talmud is consistent with the idea that Jewish law might be redacted in diaspora but is still centred on the Temple of Jerusalem. Yet the Zohar offers a unique representation of Jewish law as a central legal product and a metaphysically exiled reality. Hence, Jewish law has not only been born 'in exile' but also has an 'exilic' nature. An exilic law, then, is a tenebrous 'path' that inverts the 'moral ways' of Jewish law, as it departs from the 'exilic centre' of Babylon and installs a 'non-exilic centre' on Mount Moria, where Isaac was almost sacrificed and the Temple of Jerusalem was erected. When Scripture is brought out in an 'exodus', it departs from the solid terrain of an 'exilic law' and radicalizes the event of Abraham's being called to sacrifice his own son by producing a notable inversion of the notion of 'literal sense'. And yet this 'literal sense' that has always been there had almost been neglected, just like a 'purloined letter' - in every sense of the expression.