CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Als epochales historisches Phänomen zog die Französische Revolution Menschen unterschiedlichen Schicksals und entgegengesetzter Denkart in ihren Bann. Auf ihrer Bühne traten nicht nur Charaktere wie Camille Desmoulins auf, die ihr gewissermaßen mit Leib und Seele angehören und die ohne diesen brutalen Beschleuniger von Geschichte wahrscheinlich ein anonymes Leben auf den Hintertreppen der Gesellschaft nie verlassen hätten. Auch Männer wie Georg Forster, die längst in Wissenschaft und Literatur sich ein ihnen sicher angehörendes Stück Land erarbeitet hatten, ließen sich in sie hineinreißen. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, daß es in jenen letzten Monaten vor seinem Tod, die der in seiner Heimat verfolgte deutsche Aufklärer in Paris verbracht hat, zu einer persönlichen Begegnung zwischen den beiden so unterschiedlichen Schriftstellerpersönlichkeiten gekommen ist: der Revolutionskommissar Merlin de Thionville, mit dem Forster während der kurzlebigen Mainzer Republik zusammengearbeitet hatte und den er nun in Paris wieder aufsuchte, war ein enger Freund und zeitweilig sogar Koautor von Desmoulins.
Bei einem solchen Treffen, sollte es zustande gekommen sein, hätten die beiden Schriftsteller ihre divergenten Einschätzungen zum gegenwärtigen Stand der Revolution diskutieren können. Ursprünglich beide gleichermaßen vom Terror verschreckt, hatten sie in den letzten Monaten des Jahres 1793 dennoch sehr unterschiedliche Konsequenzen gezogen. Desmoulins überwand seine Angst vor der mörderischen politischen Repression (und wohl auch die Sorge, den eigenen Kameraden als Nestbeschmutzer zu erscheinen) und startete Ende des Jahres mit seiner Zeitschrift 'Le Vieux Cordelier' eine publizistische Kampagne gegen eine Revolution, die in seinen Augen ihre Ideale preiszugeben im Begriff war. Forster dagegen rang sich dazu durch, die Übel der aktuellen Lage als notwendiges Zwischenstadium zu akzeptieren. Wenige Wochen bevor Desmoulins seine neue Zeitschrift gründete, hatte er unter dem Titel 'Parisische Umrisse' eine Artikelfolge eröffnet, in der er seinen empfindsamen deutschen Lesern, gewissermaßen aus der Höhle des Löwen heraus, den Terror nahezubringen versuchte.
Es sind literarische Texte, die das Corpus des folgenden Beitrages ausmachen. Die Fragen, die an diese Texte gestellt werden, sind indes sozialgeschichtlicher Natur: Über welche sozialen Gruppen wird gelacht? Welche Haltung wird durch die Komik zum Ausdruck gebracht? Wird durch das Lachen die bestehende soziale Ordnung bestätigt oder in Frage gestellt? Diese drei Fragen sollen für den Bereich der französischen Literatur in drei Schritten untersucht werden: zunächst soll nach der Funktion der Komik im Ancien Régime im Zusammenhang mit dem hierarchischen Gattungssystem, das mit der sozialen Hierarchie in Verbindung steht, gefragt werden; danach gilt es, die Funktion der Komik nach der Französischen Revolution mit dem Einbruch des Gattungs- und Sozialsystems zu untersuchen; ein letzter Abschnitt gilt der Wiederentdeckung Rabelais’ durch die romantische Generation mit ihrer Neueinschätzung des Komischen.
Revolutionär
(2016)
Auch der Begriff des "Revolutionärs" entstand im Verlauf der Französischen Revolution. In seinem Artikel zur Bedeutung des Wortes 'révolutionnaire' schreibt der Marquis de Condorcet, ein Mensch sei revolutionär gesinnt, wenn er den "Prinzipien der Revolution anhängt, wenn er in ihrem Sinn handelt und bereit ist, sich für sie zu opfern." Daraus folgt eine weitreichende Bedeutungsverschiebung: Wie aus der Revolte die Revolution wird, so wird nun aus dem Aufrührer ein rechtmäßig Gewalt ausübender Revolutionär, aus den Gegnern der Revolution aber Konterrevolutionäre. Wie Florian Grosser ausführt, ist die Frage, wer überhaupt als revolutionäres Subjekt gelten kann, zentral für Theorien der Revolution. Dabei können die Besetzungen sehr unterschiedlich ausfallen: "die Ausnahmeerscheinung eines singulär geschichtsmächtigen 'Täters', eine revolutionäre 'Avantgarde', eine entrechtete Minderheit oder marginalisierte soziale Klasse, ein Volk, eine Mehrheit der '99 Prozent' oder eine offene, von klaren Zugehörigkeitskriterien unabhängige 'Multitude'".
Wie verhalten sich historische Textsemantik und bildsprachliche Semantik zueinander? Welche strukturellen Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede bestehen zwischen politischen Grundbegriffen und ihren Visualisierungen? Wie verändern sie sich in der 'Sattelzeit', an der Schwelle zur Moderne? Diesen Fragen versucht der folgende Essay nicht theoretisch, sondern empirisch anhand eines französischen Fallbeispiels nachzuspüren: der Ikonographie von République in der Zeit von 1789 bis 1889. Die exemplarischen Bildbelege entstammen der zeitgenössischen Gebrauchsgrafik, einem Printmedium relativ großer sozialer Reichweite, gesammelt im Fundus des Lexikons der Revolutions-Ikonographie. Begriffshistorische Vergleichsmöglichkeiten bietet u. a. das Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich.
Passionen der Ordnung
(2010)
In ihrer Schrift 'Über Revolution' (1963) bekennt sich Hannah Arendt zu einer politischen Passion des Mitfühlens - einer 'passion for compassion'. Die Wurzeln dieses Mitfühlens sind wesentlich dem semantischen wie begrifflichen Humus der schottischen Aufklärung entliehen. Der Text ergänzt jene von Arendt idealisierte Figur der griechischen 'polis' als Fundament einer guten, erstrebenswerten Ordnung. Die Resultante aus der Passion des Mitfühlens und der Figur der 'polis' - so will es scheinen - ist die Republik, wie sie sich idealerweise in den Institutionen der Amerikanischen Revolution niederschlägt; und dies in Kontrast zu der von Arendt wenig gelittenen Traditionslinie der Französischen Revolution, die ihrerseits von glühenden, indes wenig regulierten Passionen eines sich sozial begründenden Mitgefühls angefacht wird.