CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
Refine
Year of publication
Document Type
- Article (1576)
- Part of a Book (1247)
- Review (419)
- Part of Periodical (299)
- Book (181)
- Conference Proceeding (59)
- Report (44)
- Preprint (11)
- Periodical (7)
- Other (5)
Language
- German (3858) (remove)
Keywords
- Literatur (423)
- Rezension (299)
- Deutsch (166)
- Rezeption (146)
- Geschichte (142)
- Begriff (139)
- Vergleichende Literaturwissenschaft (136)
- Ästhetik (133)
- Übersetzung (128)
- Benjamin, Walter (127)
Institute
- Extern (178)
- Neuere Philologien (4)
- Universitätsbibliothek (3)
- Präsidium (2)
- Sprach- und Kulturwissenschaften (1)
Der Literatur- und Medienwissenschaftler Tobias Wilke widmet sich in seinem Aufsatz der in der Forschung bislang unbeachtet gebliebenen Beziehung von "Aura" und "Medium". Dem Begriff des technischen Mediums, so Wilke, liegt ein nicht-technisches Konzept von Medialität zugrunde, das sich in enger Korrelation und Konvergenz mit dem Aura-Begriff herausbildet. Die Aura ist die sichtbare Umhüllung eines Objekts und damit ein Phänomen der optischen Wahrnehmung, in der die Konturen des Gegenstandes aufgelöst werden, wie Benjamin am Beispiel von Van Goghs "De sterrennacht" ausführt. Wilke verortet Benjamins Kunstwerk-Aufsatz an einer medienhistorischen Zäsur, die den Übergang von einem spiritistischen zu einem technologischen Verständnis von Medialität markiert.
In den Literaturwissenschaften ist der Begriff des Digitalen bislang vor allem dort in Erscheinung getreten, wo jüngere literarische Phänomene der letzten ca. 30 Jahre verhandelt werden - Phänomene also, wie sie im Zuge der elektronischen Textverarbeitung am PC und der Nutzung des Internets entstanden sind. Zu denken ist hier etwa an die Diskussionen um neue narrative Strukturen im Kontext von 'hypertext fiction', um die multimediale Zusammenführung von Bild, Ton und Schrift im Rahmen von sogenannter 'net poetry' oder um die Transformation von Leser-Text-Beziehungen durch die (interaktiven) Rezeptionsbedingungen des 'reading on screen'. Auch wo Literatur- und Medienhistoriker eine archäologische Rekonstruktion der Vorläufer bzw. historischen Wurzeln von (heute so bezeichneter) "digitaler Literatur" unternommen haben, galt das Interesse vornehmlich früheren Formen von "Computer-Dichtkunst" oder "Maschinenpoesie", die sich ab den späten 1950er Jahren zu entwickeln begannen.
"A.I. or Nuclear Weapons: Can You Tell These Quotes Apart?" - so fragte die New York Times ihre Leser:innen am 10. Juni dieses Jahres. In Form eines metadiskursiven Ratespiels rückte die Zeitung damit eine Analogie in den Blick, die in den jüngsten Debatten um Künstliche Intelligenz zu erheblicher Prominenz gelangt ist. Wenn derzeit die Risiken neuester (Sprach-)Technologien beschworen werden, lässt der Vergleich mit dem Vernichtungspotenzial von Atomwaffen nicht lange auf sich warten. Dies gilt für die in Print- und Onlinemedien ausgetragene Diskussion, ist aber auch innerhalb der wissenschaftlichen Community mit ihren Spezialöffentlichkeiten zu beobachten. Warnungen vor den unabsehbaren Folgen der KI-Entwicklung gleichen in ihrer Drastik und teils bis aufs Wort den Mahnrufen und Appellen, mit denen in der Nachkriegszeit auf die damals neue Gefahr eines drohenden globalen Nuklearkonflikts reagiert wurde. Ob sich die von der New York Times anonymisiert präsentierten Aussagen wie "If we go ahead on this, everyone will die" oder "We are drifting toward a catastrophe beyond comparison" auf unsere Gegenwart oder auf die historische Situation der 1950er und 1960er Jahre beziehen, ist daher tatsächlich nicht immer ohne Weiteres auszumachen. Und erst kürzlich berichtete die Zeitung von einem Mitarbeiter des von Google betriebenen DeepMind-Forschungslabors, der einen Vortrag zum maschinellen Lernen mit einem Zitat aus George Orwells Essay "You and the Atomic Bomb" (1945) eröffnet hatte - ein weiteres Beispiel dafür, wie sehr die zwischen Künstlicher Intelligenz und Nuklearwaffen gezogenen Parallelen zu einem anscheinend unverzichtbaren Topos in der Auseinandersetzung mit neuronalen Netzen und Large Language Models (LLMs) geworden sind.
Schön ist nicht nur das Spiel mit Buchstaben und Erinnerungssplittern, sondern auch das mit Zahlen. Im Jahr Zweitausendundzehn ist es dreißig Jahre her, dass ich der damals dreißigjährigen Sigrid Weigel zum ersten Mal begegnete. Mit ihr als Dozentin lernte ich - nach meinem Wechsel von der Bonner zur Hamburger Universität im Sommersemester 1980 - eine Form des leidenschaftlichen Studierens kennen, die ich noch mehr ersehnt hatte als das Großstadtleben. Es war wohl eine der glücklichen Konstellationen, in denen Lehrende und Lernende gemeinsam aufbrachen, um neue Fragen an ihr Fach, die Literaturwissenschaft, zu stellen, vergessene Texte (von Frauen) zu entdecken und bekannte (von Männern) anders zu lesen. Getrieben von der Wissbegierde, was es denn mit der Geschlechterdifferenz auf sich hatte, übten wir uns in genauer Lektüre, intensiver Analyse und theoretischer Reflexion.
Sebastian Wildes Aufsatz 'Die Wirklichkeit der Katastrophe' beleuchtet diesen Konflikt vom Standpunkt des betroffenen Subjekts aus: Der Schriftsteller Marcel Beyer wurde 2002 nicht nur zum Zeugen, sondern in vielerlei Hinsicht zum 'Opfer' des Elbehochwassers. Wie Kluge nutzt auch Beyer die spezifischen Eigenschaften seines Mediums, um sich kritisch mit der Presseberichterstattung auseinanderzusetzen. Im Essay 'Wasserstandsbericht' setzt Beyer dem scheinbar dokumentarischen Überblick der Bildmedien den tatsächlich betroffenen Körper als 'Rezeptionsapparat' entgegen und macht die Katastrophe somit durch sprachliche Mittel unmittelbar erfahrbar.
Immer häufiger finden verschiedenste Formen von Infografiken Einzug in Comics aller Couleur. Mit Rückgriff auf bildwissenschaftliche Grundbegriffe wird anhand zweier aktueller Beispiele nach einem Minimalkriterium dafür gefragt, was den Unterschied von einem Piktogramm zu einer Comic-Darstellung ausmachen könnte: Angenommen wird eine wechselseitige Bedingtheit von visueller Kontextbildung zur Individuation von Personen und Objekten. Es wird gezeigt, wie diese verschiedenen medialen Semantiken innerhalb des Comic-Vokabulars auf zwei unterschiedliche Weisen interagieren können.
In der Redeordnung des Memoriale stehen sich göttliches Wort, eigene und fremde Rede, Medium und Schreiber, Mund und Schrift, Körper und Passionen gegenüber. Unerhörter Anlass für die Abfassung dieses Memoriale ist die conversio der Angela, in der sie sich von ihrem irdischen Leben als Ehefrau und Mutter ab- und der Liebe in Gott zuwendet. Dabei ist das Memoriale, das diese Umkehr zur Darstellung bringt, nicht aus der Aktualität einer drängenden Situation geschrieben und dokumentiert deshalb keine autobiographische Unmittelbarkeit. Wie bei Augustinus ist das Schema der conversio das der Nachträglichkeit: Erst aus dieser Perspektive kann das Ganze überhaupt zur Darstellung gebracht werden. Im Unterschied zur sorgfältig narrativ ausgefeilten, autobiographische Züge tragenden Bekehrung von Augustinus ist das dabei Besondere dieser conversio, dass sie nicht von eigener Hand verfasst ist: Angela diktiert ihre Bekehrung ihrem Beichtvater, woraufhin dieser mit der Niederschrift zugleich das Gehörte ins Lateinische übersetzt. Wenn der Beichtvater das Bekenntnis direkt von ihrem Mund abschreibt, fallen Beichte und Bekenntnis zusammen, damit aber nicht das Subjekt der Rede und der Verfasser. Die von Angela leidenschaftlich erfahrene Liebe zu Gott steht im Zeichen der Autorität nicht nur der Kirche und der Patristik, sondern auch der Schrift. Angelas Rede ist die der Anderen. Das Memoriale wird im Nachzeichnen ihrer conversio aber nicht zum einfachen Ausdruck laienhafter volkssprachlicher Sakralität, sondern ist diskursive Strategie und performative Ökonomie der Sakralisierung. Die Übertragung des Gottesbegehrens Angelas in die Schrift erweist sich als Kontrafaktur und Transformation der Bibel. So sehr diese Konstellation von beichtender Konvertitin und schreibendem Beichtbruder in den historischen Moment der Entdeckung einer weiblichen spirituellen Empfänglichkeit im 13. Jahrhundert passt, so sehr findet sich hierin die Moderne wieder: mit Clemens von Brentano oder Urs von Balthasar, die von den weiblichen Lippen die göttlichen Offenbarungen ablauschen, die ihnen selbst nicht zuteil werden.
Bei Walter Benjamin steht die Moderne im Zeichen des Verlusts. Denn er fasst Moderne nicht als Erfüllung vorgeformter Geschichte, sondern in den Spuren ihres Verschwindens. Zum Schauplatz dieser negativen Gründungsfigur wird für Benjamin der Begriff der Erfahrung. Modern ist, wer um die Erfahrung gebracht worden ist. Und so schildert Benjamin den Dichter, der von einer Ecke aus, das Glücksspiel beobachtet, als einen um seine Erfahrung gebrachten: "Der Dichter nimmt nicht am Spiele teil. Er steht in seiner Ecke; nicht glücklicher als sie, die Spielenden. Er ist auch ein um seine Erfahrung betrogener Mann, ein Moderner." (GS I, 636) Das Erkennen der Moderne im Zeichen des Verlusts und Betrogenseins entsteht durch eine Rückschau. Im zurückgewendeten Blick erscheint Moderne in der Differenz von Vergangenem und Gegenwärtigem, von vormaliger Fülle und Mangel im Jetzt. Bei aller "Schönheit" (GS II, 442), die Benjamin dabei dem Entschwinden abgewinnt, ist die vollzogene Figur melancholische Trope. Aus der melancholischen Differenz heraus scheint die Kontinuität der translatio abgebrochen. Auf diesen Bruch richtet Benjamin immer wieder seinen Blick, ob er nun über die veränderten Rezeptionsbedingungen von Kunst im "Zeitalter technischer Reproduzierbarkeit" spricht oder über den Unterschied von Roman und Erzählung. Während die Erzählung bei Benjamin für das Einst einsteht, in dem Erfahrung noch tradierbar war, bedeutet die Moderne des Romans demgegenüber einen irreversiblen Verlust des Austauschs von Erfahrungen: "Es ist, als wenn ein Vermögen, das uns unveräußerlich schien, das Gesichtertste unter dem Sicheren, von uns genommen würde. Nämlich das Vermögen Erfahrungen auszutauschen." (GS II, 439)1 Was uns "genommen wurde", scheint auf immer verloren und daher ist, was uns offenbar ausweglos bleibt: Die Melancholie. Jedoch bietet Benjamin selbst eine Perspektive an, wie mit dieser Figur der Moderne umzugehen ist und somit einen Ausweg aus der Melancholie heraus. Dieser Ausweg zeigt sich im Begriff der Übung an. Denn Übung bei Benjamin - und das möchte ich zeigen - ist doppelt markiert: Sie steht zum einen für jenes Einst an Erfahrung, das mit der Moderne verschwunden ist. Zum anderen ist sie das, was die Moderne weiterbringt. Sie trainiert den Körper, schult die Sinne. Kurz: Sie übt im Umgang mit der Technik und damit im Umgang mit der Moderne. Allerdings - und das ist die Crux an der ganzen Sache -, ist sie dabei stets in Gefahr: Umzuschlagen nämlich in Dressur, um damit den Menschen der Technik zu unterwerfen. Dass Benjamin diesen feinen Unterschied gesehen hat, darin besteht seine Aktualität. Sie steht dabei ganz im Licht der Antike. Denn mit dem Begriff der Übung und seinem unterschiedlichen, doppelten Gebrauch aktualisiert er ein geläufiges Verfahren der Antike. Entgegen seiner eigenen Insistenz auf Verlustfiguren wie den "Abschied für ewig" (GS I, 623) oder der "Liebe [...] auf den letzten Blick" (ebd.), führt seine Verwendung der Übung vor, dass die Moderne selbst in ihren melancholischsten Zügen und der Verlustmarkierung der Erfahrung, sich übend mit ihren eigenen Bedingungen auseinandersetzt und auf diese Weise die abgebrochene Erfahrung gänzlich unmelancholisch wieder ins Spiel bringt.
"Mit dem Gesicht nach Westen und dem Rücken zu den anderen", das umschreibt die für die jüngere Generation im östlichen Europa so typische West-Ausrichtung, die aber dem direkten Nachbarn auf der anderen Seite der Grenze kaum Interesse zollt. Diese Äußerung wurde zum Leitmotiv und Movens des Forschungs- und Ausstellungsprojekts comiXconnection strip – bandă desenată – strip – képregény – ϲрипп, das die extrem unterschiedlich entwickelten Comic-Szenen aufspürt und zueinander in Beziehung setzt. Ein Projekt, das sich im Laufe der Vorbereitung und Umsetzung mit immer neuen Grenzen konfrontiert sah.