CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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"Jedes einzelne Bild nur ein Mosaikstück"? : zur Funktion des Erzählens in Eva Menasses Werken
(2015)
Eva Menasses erzählerisches Werk hat seit dem Erscheinen ihres ersten Romans Vienna (2005) sowohl bei Kritikern als auch beim lesenden Publikum einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen. In den vielen, überwiegend positiven Besprechungen ihrer Bücher werden immer wieder deren dichte Atmosphäre, die kunstvolle Komposition, vor allem aber der darin zu findende "scharfe Witz" hervorgehoben, und ihre literarische Qualität wird nur selten in Zweifel gezogen. Angesichts dessen ist es nur wenig verwunderlich, dass auch die Literaturwissenschaft sich bereits für ihre Werke zu interessieren begonnen hat, wenn auch vorwiegend für die spezifischen Identitätsprobleme, die Menasse in Vienna unter den Nachfahren der jüdischen Überlebenden des Holocaust ausmacht. An dieser Schwerpunktsetzung lässt sich insofern auch kaum etwas aussetzen, als Menasse selbst großen Wert auf diese Frage gelegt und nachdrücklich betont hat: "Das einzige für mich wirklich wichtige Thema [in Vienna] ist die Geschichte des 20. Jahrhunderts und die Frage der Identität. Das allein ist der Antrieb gewesen, diesen Roman zu schreiben." Dennoch ist durch die Konzentration auf diese Fragestellung die ästhetische Seite ihrer Bücher bislang weitgehend unbeleuchtet geblieben, obwohl sich dazu in den Texten mehr als genug Reflexionen finden, gerade was die Frage nach der möglichen Leistung, aber auch nach den Grenzen des Erzählens anbelangt. Dies ist umso bedauerlicher, als genau darin der Kern der bislang erschienen Werke zu bestehen scheint, insofern diese Reflexionen nicht nur das Thema der Identität entscheidend zu erhellen vermögen, sondern überhaupt erst sichtbar werden lassen, dass auch die Bücher nach Vienna, trotz ihrer sonst sehr unterschiedlichen Thematik und ästhetischen Anlage, allesamt auf die im ersten Buch bereits aufgeworfenen Probleme bezogen bleiben. Im Folgenden soll deshalb versucht werden, diese Probleme und die Verbindungen zwischen den einzelnen Werken klarer herauszuarbeiten, um so zu einer möglichst deutlichen Anschauung und einer ersten Einordnung von Menasses bisherigem Schaffen zu gelangen.
Im Jahre 1930 erscheint im stahlhelmnahen Berliner Frundsberg-Verlag ein von dem "konservativ-revolutionären" (Armin Mohler) Publizisten Franz Schauwecker herausgegebener Sammelband mit zwanzig Beiträgen unter dem Titel "Mondstein. Magische Geschichten", darunter ein Text Ernst Jüngers, "Sizilianischer Brief an den Mann im Mond". Mit gerade mal vjerzehn Druckseiten und einigen reichlich kryptisch anmutenden Stellen könnte man ihn im riesenhaften, in acht Jahrzehnten gewachsenen Opus Jüngers getrost vernachlässigen, wenn er ihn nicht selbst zu einem maßgebenden Schlüsseldokument autorisiert hätte [...]. Hier will ich zeigen, wie man den "Brief" tatsächlich als Zäsur von Ernst Jüngers Autorschaft lesen kann, indem er auf eine Tendenz der Zeit bezogen wird, die ich den Einspruch des beginncnden 20. Jahrhunderts gegen das ausgehende 19. nennen möchte. Gleichzeitig wird deutlich, daß "theologische" oder "philosophische" Fragestellungen einen ungewohnt anderen Zugang zu Jüngers Frühwerk eröffnen.
Sowohl Etymologie als auch Metaphorik des Transparenzbegriffs kreisen um die Verbindungen von Licht zur Erkenntnis und wiederum zur Moral, die an den Transparenzbegriff weitergegeben wurden, was den Fokus auf den übertragenen Gebrauch von Transparenz lenkt. 'Transparenz' verweist folglich auf mehr als eine bloße Zustandsbeschreibung, denn sie stellt einen Begriff dar, der aus historischen, sozialen sowie technologischen Gründen wirkmächtig wurde und sich auf eine zunehmende Zahl von Gesellschaftsbereichen bezieht. Die medialen Veränderungen, die sich durch Digitalisierung und ständige Vernetzung ergeben, stoßen somit ein tieferes und allgemeines Nachdenken über das Verhältnis von Öffentlichkeit, Transparenz und Demokratie an. Gerade im digitalen 21. Jahrhundert werden Begriff und Konzept, die auf ideengeschichtliche Wurzeln in der Aufklärung zurückgreifen und die beiden Bedeutungshemisphären von Staat und Individuum nachzeichnen besonders wichtig. [...] 'Transparenz' wohnt eine deutlich deskriptive sowie eine normativ-metaphorische Ebene inne, die in der Originalität des Begriffs in der Optik und im optischen Bereich wurzeln, wie besonders im Bereich der Architektur manifest wird. Transparenz vereinfacht die Herstellung der für die Demokratie notwendigen Öffentlichkeit, stellt dabei allerdings eine Art vorgelagerten Zustand beziehungsweise eine grundlegende Eigenschaft dar, welche Öffentlichkeit erst ermöglicht. Als normativ und metaphorisch anschlussfähige Ideologie bezieht sich Transparenz jedoch auch auf das Individuum. Die Transparenz des Individuums, die sich im digitalen Bereich besonders deutlich am digital gläsernen Menschen zeigt, stellt nicht nur eine Gefahr für die individuelle Privatsphäre dar, sondern macht den Einzelnen überwachbar und erhält so eine politische Dimension. Insgesamt prägt Transparenz daher als gesellschaftliche Ideologie moderne Lebenswelten.
Der Artikel schlägt vor, die Frage nach dem Berühren indirekt, d.h. ausgehend von einer Unhaltbarkeit der Unbetroffenheit aufzugreifen. In 'Schiffbruch mit Zuschauer' diskutiert Hans Blumenberg den Verlust der Zuschauerposition als einen rezeptionsgeschichtlichen Umschlagpunkt. Entscheidend hierfür sind die von Jacob Burckhardt beschriebenen Aporien der Geschichtsschreibung im "Revolutionszeitalter". Ein Blick auf Burckhardts Metaphernkonstellationen kann zeigen, dass die beschriebene "Krisis" die Logik der großen historischen Instanzen gerade unberührt lässt. Demgegenüber lässt sich mit Blumenbergs bereits 1979 angekündigter 'Theorie der Unbegrifflichkeit' eine Variante möglichen Distanzverlusts erschließen, die sich keinem hintergründigen Spiel historisch wirksamer Kräfte, sondern der immanenten – und darin keineswegs ahistorischen – Destruktion der Leistung des Begriffs verdankt. Unter dem Titel der Berührbarkeit wird die Wiederkehr des Sinnlichen zunächst als eine Krise methodischer Sicherungen reformulierbar.
Alexander Waszynski argumentiert, dass sich im Medium der Sprache höchstens indirekt thematisieren lässt, was unter 'Berühren' zu verstehen ist, nämlich in der Unhaltbarkeit absoluter Distanz, die das Methodenideal objektiver Wissenschaft jedoch voraussetzt. Anhand von Hans Blumenbergs, Siegfried Kracauers und Jacques Derridas Wiederaufnahmen von Edmund Husserls Krisis-Schrift wird rekonstruiert, wie im 20. Jahrhundert methodologische Instabilität, für die schon bei Husserl die Figur des 'Zickzack' einsteht, programmatisch operationalisiert und mit dem Problem des Berührens verbunden wird.
Der eingetopfte Held : kulturökologische Relektüre des Romans "Ein ungeratener Sohn" von Renate Rasp
(2015)
In dem heute fast vergessenen Roman von Renate Rasp, Ein ungeratener Sohn, wird in der Form einer bitterbösen Satire gezeigt, was Erziehung anrichten kann. Eine bürgerliche Kleinfamilie beschließt, dass aus dem Sohn Kuno ein Baum werden soll. Der Transformationsprozess zur vegetabilen Lebensform durchläuft verschiedene Stadien vom Abhacken der Hände und Verschließen der Sinne bis zum Eintopfen, muss jedoch am Ende scheitern. Die traditionelle Lesart dechiffriert den Text als radikale Kritik am Zusammenhang von Bildung, Erziehung und Herrschaft. Unter kulturökologischer Prämisse gelesen, tritt im Beitrag klar hervor, wie sich der Mensch-Natur-Herrschaftsdiskurs in diesem Roman entfaltet.
Nach dem Anthropologen Kaushik Sunder Rajan bedeutet der Biokapitalismus die Überdeterminierung der Wirtschaft bei biopolitischen Entscheidungen. Die Überdeterminierung heißt in diesem Fall eine starke wirtschaftlich-politische Beeinflussung der Richtung wissenschaftlicher Forderung und Entwicklung. Ein extremes Beispiel für solch ein System ist in der Dystopie "Brave New World" (1932) vorzufinden, mit der sich dieser Aufsatz beschäftigt. Zuerst werden die Begriffe der Biopolitik nach Michel Foucault und des Biokapitalismus nach Kaushik Sunder Rajan definiert. Darauf aufbauend untersucht die Arbeit den Biokapitalismus innerhalb der Gesellschaft von Aldous Huxleys Roman. Dafür wird zunächst der Autor, sein zeitlicher Kontext und der Aufbau der dystopischen Gesellschaft thematisiert. Im Hauptteil befasst sich der Aufsatz mit folgender Fragestellung: Wie zeigt sich der Biokapitalismus in Huxleys "Brave New World"? Dabei sind die Ziele des Aufsatzes die Beantwortung der Fragestellung und die Herauskristallisierung der Gefahren dieser dystopischen Gesellschaft für unsere Gegenwart. Diese werden zum Schluss im Fazit zusammengefasst erläutert.
Sozial- und politikromantische Einbildungen haben eine lange, vielleicht sogar unendliche Lebensdauer, vor allem - aber nicht nur - in den Massenmedien. Zu solchen Vorstellungen gehört, dass die Oper vor allem im 19. Jahrhundert eine revolutionäre und systemkritische Wirksamkeit entfaltete oder die Komponisten dies zumindest beabsichtigten. [...] Die Opernzensur, so wird umgekehrt geschlossen, sei dazu dagewesen, all dies zu unterdrücken. Und die freiheitsliebenden und aufgeklärten Komponisten hätten einen steten Kampf gegen die Zensoren zu führen gehabt. Das hier skizzierte Bild der Operngeschichte darf man, auch wenn es immer noch in wissenschaftlichen Kontexten erscheint, als groben Unfug bezeichnen. [...] Viel wichtiger als das politische Argument war sowohl im 18. wie im 19. Jahrhundert das moralische Argument von Zensoren gegen einzelne Opern.
Warum interessiert sich der Opernforscher für das Opernpublikum? Opernkomponisten und Librettisten des 19. Jahrhunderts verfaßten oder bearbeiteten ihre Werke im Hinblick auf bestimmte Opernhäuser, auf deren Usancen, finanzielle und technische Möglichkeiten (z.B. die zur Verfügung stehende Orchesterbesetzung und - vor allem - die verfügbaren Sänger und Sängerinnen) sowie Rahmenbedingungen, auf die sie ebenso Rücksicht nehmen mußten wie auf die Zensur. Eine der dominanten Rahmenbedingungen war das Publikum. Ästhetische Präferenzen, Bildungsgrad, Erwartungshorizont, aber auch ganz banale Erwartungen an die maximale Länge einer Oper konnten den Erfolg einer Oper erheblich beeinflussen. [...] Will man also die Bedingungen untersuchen, denen die Opern in ästhetischer und institutioneller Hinsicht unterlagen, kommt man um eine Analyse des Opernpublikums nicht herum. [...] Die folgenden Ausführungen sollen einige methodische Hinweise zur Möglichkeit der Analyse des Opernpublikums im 19. Jahrhundert anhand konkreter Beispiele geben, die aber ausdrücklich nur auf dieses Jahrhundert (im Sinne des "langen" 19. Jahrhunderts) beschränkt sind.