CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Phantastik, Unwirklichkeit, Traum, Wahn, Tod und Apokalypse sind stichwortartig schnell skizzierte und auch notwendige Orientierungspfeiler zur Vermessung von Kubins Romanwerk als phantastischer Topos im Literaturuniversum des frühen 20. Jahrhunderts. Fungieren sie doch in gewissem Sinne auch als Hinweismarken, die auf die andere Seite humaner Rationalität hindeuten und je nach Ansatz biographische, psychoanalytische, politische oder auch sozial-historische Interpretationen ermöglichen. Doch sollte man nicht, wenn man - wie in diesem Aufsatz - die Visionarität des Textes für (post-)anthropologische Diskurse des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts sichtbar machen will, das Augenmerk auf Dispositionen legen, die auf Arthur Schopenhauers anti-rationalistische Philosophie referierend Fragen nach Raum-Zeit Konstellationen aufwerfen?
Im "Versuch über den Begriff des Republikanismus" (1796) halt Friedrich Schlegel (in kritischer Auseinandersetzung mit Kant) ein Plädoyer für die "Majestät des Volkes". Dieses Engagement im Bereich der Politischen Philosophie scheint indes eine kurze Episode zu bleiben, denn bald schon wendet sich Schlegel wieder der literarischen Kritik zu; im "Gespräch über die Poesie" (1800) entwirft er das Konzept einer selbstreferentiellen Dichtung. Was zunächst als radikale Abkehr von der im Republikanismus-Aufsatz aufgeworfenen Problemstellung erscheint, erschließt sich einer semiotischen Analyse jedoch als eine konsequente Fonschreibung und Entwicklung des in diesem Text formulierten Repräsentationsmodells. Es zeigt sich, dass sich das Verhältnis des Republikanismus-Aufsatzes und des Poesie-Gesprächs als ein progressives Reflexionsstufenverhältnis bestimmen lässt.
Im Jahre 1930 erscheint im stahlhelmnahen Berliner Frundsberg-Verlag ein von dem "konservativ-revolutionären" (Armin Mohler) Publizisten Franz Schauwecker herausgegebener Sammelband mit zwanzig Beiträgen unter dem Titel "Mondstein. Magische Geschichten", darunter ein Text Ernst Jüngers, "Sizilianischer Brief an den Mann im Mond". Mit gerade mal vjerzehn Druckseiten und einigen reichlich kryptisch anmutenden Stellen könnte man ihn im riesenhaften, in acht Jahrzehnten gewachsenen Opus Jüngers getrost vernachlässigen, wenn er ihn nicht selbst zu einem maßgebenden Schlüsseldokument autorisiert hätte [...]. Hier will ich zeigen, wie man den "Brief" tatsächlich als Zäsur von Ernst Jüngers Autorschaft lesen kann, indem er auf eine Tendenz der Zeit bezogen wird, die ich den Einspruch des beginncnden 20. Jahrhunderts gegen das ausgehende 19. nennen möchte. Gleichzeitig wird deutlich, daß "theologische" oder "philosophische" Fragestellungen einen ungewohnt anderen Zugang zu Jüngers Frühwerk eröffnen.
9/11. - "Es wird nichts mehr so sein, wie es war." Dieser Satz war nur leicht abgewandelt am 12. September 2001, dem Tag nach den Terroranschlägen auf das New Yorker World Trade Center, einstimmig in Bild und Frankfurter Allgemeiner Zeitung zu lesen. Die Feststellung, daß dies eine Floskel sei, ist längst selbst zu einer Phrase in der Auseinandersetzung mit dem 11. September verkommen. Jan Philipp Reemtsma hat darauf hingewiesen, daß man diesen Satz schon aufgrund seiner Omnipräsenz in den ersten Tagen nach den Anschlägen "nicht einfach als Unsinn abtun" könne: Er markiere unser Verständnis dieses Datums als Zäsur von welthistorischer Bedeutung. Wenn nichts mehr so sein wird, wie es war - wie wird es dann sein? Diese Frage impliziert für Künste und Medien eine weitere Frage, nämlich die nach der Darstelbarkeit. Wie kann man den zumindest in den Monaten nach 9/11 empfundenen Singularität des Ereignisses gerecht werden?
"Feinde, es gibt keine Feinde!" : Derridas "Politiques de l’amité" als Replik auf die Wende 1989/90
(2007)
Die Überlegungen zu „Politiken der Freundschaft“ durchqueren die Wendezeiten 1989 und 1990, sie gehen in der Beschäftigung mit den Problemen des Nationalismus, des Fremden, des Theologisch-Politischen in die achtziger Jahre zurück. Diese Durchquerung macht diese Schrift zu einem ausgezeichneten Dokument der Wende, wenn auch, was wenigstens andeutungsweise geschehen soll, das unmittelbarste Zeugnis für eine vom Ereignis der Wende erzwungene Auseinandersetzung die beiden Vorträge vom April 1993 hinzuzuziehen sind, die unter den Titeln "Wither marxism?" und "Spectres de Marx", zu deutsch: Die Gespenster von Marx, aber auch die Spektren, im Sinn von die verschiedenen Facetten, von Marx eine Trauerarbeit und eine neue Internationale ankündigen.
Die im Frühjahr 2005 veröffentlichten Aufnahmen "Wörter Sex Schnitt" - der Titel wurde im übrigen von den Herausgebern kreiert - entstanden von Oktober bis Dezember 1973 im Zusammenhang mit einem Auftrag des WDR. Es ging um die Erstellung einer Folge in der Hörfunkreihe "Kölner Autorenalltag". Brinkmann bekam dafür vom Sender ein mobiles Aufnahmegerät zur Verfügung gestellt, das er gleichsam als akustisches Notizbuch verwendete.: So hatte er die Möglichkeit, unabhängig außerhalb eines Studios in den verschiedensten Situationen selbst zu entscheiden, was er für die vorgesehene Sendestunde aufzeichnen wollte. Und dies war eine ganze Menge: 29 Tonbänder mit 656 Minuten und 52 Sekunden, also knapp elf Stunden, stehen insgesamt im Audionachlaß zur Verfügung. Davon wurden nun im Jahr 2005 360 Minuten und 40 Sekunden, das heißt über sechs Stunden, auf fünf CDs herausgegeben, zusammen mit einer sechsten CD, "The Last One", auf der die Performance-Qualitäten von Brinkmann als Spoken-Word-Poet bei seiner letzten Lesung auf dem Cambridge Poetry Festival von 1975 zu hören sind. .
Sebalds "Poetik des Luftkrieges", die literarische Beispiele aus dem Entstehungszeitraum der vierziger bis siebziger Jahre diskutiert und die ihre poetologischen "Forderungen" gemäß den in dieser Zeitspanne auftretenden Schreibweisen je unterschiedlich ausprägt; die sich als apodiktische Setzung überdeutlich ausgibt zugleich aber konkrete sprachliche Verfahren "empfiehlt", die diskursive Fixierungen gerade unterlaufen; eine solche Poetik will möglicherweise als präskriptive Poetik nicht unbedingt gelesen werden. Öffnet sie doch in sich selbst einen heterogenen Raum variierender Perspektiven, die, ausgehend von vorliegenden Darstellungsformen des Luftkrieges, noch Kommendes und seine mögliche Gestalt in Aussicht nehmen: Literaturen vielleieht, die an der Schwelle zum neuen Jahrtausend auch angesichts des "zweiten Aufbaus" und seiner ironischen Implikationen zeitgenössisch wären. Sechzig Jahre danach sind Sebald zufolge (De-)Figurationen des Luftkrieges fortwährend zum Schreiben aufgegeben.
Literatur gilt trotz vielfältiger neuer Medienangebote als bedeutende kulturelle Praxis. Diese wurde und wird wissenschaftlich erforscht, wobei in den letzten Jahrzehnten gendertheoretischen Ansätzen wachsende Bedeutsamkeit zugemessen wurde. Gendertheoretisch orientierte Forschung kann und soll die Literaturwissenschaften unterstützen und begleiten. Sie kann zum Beispiel darüber nachdenken, wie literarische Texte funktionieren und wie geschlechtliche Identitäten in diesen konstruiert werden bzw. organisiert sind. Diese Untersuchung erfolgt theoriegeleitet, wobei Theorie und Praxis nicht als starre Oppositionen gefasst werden, sondern als in Wechselwirkung stehende verwobene dynamische Konzepte.
Ludwig Uhlands Gedicht „Der Wirtin Töchterlein“, meist nach der ersten Zeile „Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein“ zitiert, wurde im 19. Jahrhundert zu einem oft illustrierten und vertonten Volks- und Studentenlied. Es verbindet die „poetische Erfassung des Volkstümlichen“ mit einer „einfachen, höchst knappen Prägnanz der Form“, wie es in der Würdigung von Meyers Konversations-Lexikon heißt. In der Rezeption wurde das Gedicht den Rheinliedern zugeordnet und damit zu einem Bestandteil der Rheinromantik. Das Goethezeitportal publiziert den Text zusammen mit gemalten und fotographischen Postkarten, die ihn in eine Folge von Bildern umsetzen.
Jean Paul fordert […] von der Poesie, sie möge "die Wirklichkeit, die einen göttlichen Sinn haben muß, weder vernichten, noch wiederholen, sondern entziffern." […] Andere […] umschreiben die ästhetische Darstellung […] als eine Transkription, welche den Chiffrencharakter der natürlichen Erscheinungen unterstreiche und […] das Bewußtsein für deren verborgenen und verrätselten Sinn wach halte […]. Carl Gustav Carus bestimmt von hier aus das Wesen der Landschaftsmalerei. […] Indem an den Landschaftsmaler die Aufforderung ergeht, die Natur als Bedeutungsträgerin, als chiffrierten Ausdruck eines inneren Sinnes aufzufassen und darzustellen, kann Carus zum einen auf der engen Bindung der malerischen Darstellung an die natürlichen Erscheinungen insistieren, zum anderen aber die […] obsolet gewordene Idee einer bloßen Nachahmung der Natur hinter sich lassen. [...] Das Konzept von der Natur als Zeichenschrift hatte eine zentrale Rolle im Werk des […] Paracelsus gespielt […] Mikro- und Makrokosmos, menschliche und außermenschliche Welt; die verschiedenen Elemente und Lebewesen, Natur und Geschichte verweisen jeweils wechselseitig aufeinander. […] Ernst Bloch hat in seinen Leipziger Philosophie-Vorlesungen dieses Analogiedenken hervorgehoben – "Der Mensch ist die Welt im Kleinen, eine Abbreviatur des Kosmos, wie die Welt der Mensch im Großen, eine Elongatur des Menschen [...]" – und unter dem Titel "Entsprechung des Innen und des Außen" die Paracelsische Naturauffassung […] umrissen.