CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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FRAUEN.SCHREIBEN. So hieß das Thema des Symposiums, in dessen Zusammenhang dieser Text entstand. Die Frage, wie "Frau" in Texten von Schriftstellerinnen aus Österreich und China "geschrieben" wird, sollte dabei in den Blick genommen werden - Elfriede Jelinek stand dabei mit im Fokus der Analysen und ist auch meine Wahl im nachfolgenden Text. Diese Frage, nach dem "Wie-Frauen-Schreiben", die zunächst scheinbar recht simpel und unproblematisch gestellt werden kann, evoziert eine komplexe Auseinandersetzung mit Themen und Problemen, die der Literaturwissenschaft und Literaturtheorie konstitutiv zugrunde liegen - Fragen etwa nach einer potentiellen ('weiblichen') Autorschaft, einer 'weiblichen' Ästhetik, Fragen der Repräsentation 'von Frauen', hier im Besonderen 'in Texten von Frauen'.
Versetzen, Einfügen, Einwachsen – das sind die Umschreibungen der Aufpfropfung als einer Agrartechnik, mit der seit der Antike […] Pflanzen veredelt werden. Veredeln heißt dabei zum einen: Kultivieren, impliziert also eine qualitative Steigerung durch einen technischen Eingriff; zum anderen bedeutet Veredeln aber auch Konservieren: durch ein Verfahren der nicht-sexuellen, künstlichen Fortpflanzung Kopien herstellen und so das Veredelte in Kopie bewahren. Die Reproduktion fungiert mithin als eine Art ›Massenspeicher‹ des bereits Kultivierten. […] Im Folgenden möchte ich […] der Frage nachgehen, inwiefern sich Kultur als Pfropfung und Pfropfung als Kulturmodell begreifen lässt: In welcher Weise und in welchem Zusammenhang wurde und wird die Aufpfropfung als Metapher für kulturelle Prozesse, Praktiken und Produkte in Dienst genommen? Wie setzt sich der Begriff des Pfropfens gegen den momentan fast inflationär gebrauchten Begriff des Hybridisierens ab? Welchen intellektuellen Mehrwert bringt der Rekurs auf den Pfropfungsbegriff für poetologische, philosophische, interkulturelle, aber auch wissenschaftsgeschichtliche Fragestellungen? Anders gewendet: Was trägt das Aufpfropfungsmodell zum Verständnis von Kultur als Kulturprozess bei?
Seit einigen Jahren ist nicht nur eine Oszillationsbewegung zwischen Theoriekonjunktur und Theorieabgesang zu beobachten, sondern auch die stete Klage über Theoriemoden zu hören, die dazu führen, dass bestimmte Schlüsselbegriffe inflationär gebraucht – und damit gleichsam ver-braucht werden. Schlüsselbegriffe, die weniger für ein konzises Forschungsprogramm, sondern eher für ein Bündel von Herangehensweisen und Aufmerksamkeitsfokussierungen stehen: Zeichen, Diskurs, Differenz, System, Medium, Performanz, Körper, Materialität fungieren als "Travelling Concepts'', die den Prozess der Theoriebildung in Gang halten, dabei allerdings auch deutliche Verschleißspuren davontragen – so wie, um im Bild zu bleiben: der Reisekoffer. Freilich treten nicht nur Begriffe, sondern (Blumenberg lässt grüßen!) sehr häufig auch Metaphern die Reise auf den verschlungenen Wegen der Kulturforschung an. Diese Metaphern sind mehr als Vehikel, sie sind Motoren, genauer gesagt: Katalysatoren von Theoriebildungsprozessen, durch die sowohl Gegenstandsbereiche als auch Herangehensweisen (und damit verbunden: Fragestellungen) modelliert werden. Zwei dieser Metaphern möchte ich im folgenden Untersuchen: Hybridität und Aufpfropfung.
Geht man davon aus, die Aufgabe der Philologie sei eine – wie auch immer geartete – »historische Textpflege«, die auf die »Ermittlung und Wiederherstellung von Texten« abzielt, dann steht die Aufgabe der Wiederherstellung in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Lesbarmachen und der Bewahrung eines Texts: In welchem Maße darf man in einen überlieferten Text eingreifen, um ihn lesbar zu machen? In welchem Maße muss man einen Text in seiner überlieferten Form bewahren? Die Formulierung ›in welchem Maße‹ macht deutlich, dass es sich um eine Frage der Angemessenheit handelt, deren Antwort zum einen davon abhängt, mit welchen Schwierigkeiten sich die Aufgabe der Wiederherstellung des Textes konfrontiert sieht, zum anderen von der gerade vorherrschenden ›Methodenpolitik‹, die gleichsam als »stilgemäßer Denkzwang« fungiert. Konjektur und Krux markieren dabei – so haben wir einleitend erklärt – zwei komplementäre Positionen, zwischen denen die Methodenpolitiken der Editionsphilologie changieren. Die Konjektur, gefasst als »plausible Vermutungen zur Verbesserung des Textes«, ist eine inferentielle Intervention, um einen lücken- oder fehlerhaften Text wieder herzustellen mit dem Ziel, ihn lesbar und verstehbar zu machen. Die Krux, gefasst als indizierte Nicht-Intervention, bewahrt den Text in seiner Unvollständigkeit und Fehlerhaftigkeit – auch auf die Gefahr hin, dass Lesbarkeit und Verstehbarkeit darunter leiden.
Wir möchten im folgenden den Versuch unternehmen, das zu skizzieren, was wir die 'philologische Frage' nennen. Darunter verstehen wir die Frage nach dem epistemischen Status philologischer Theorie und der daraus resultierenden Praxis: Auf welche philologischen Traditionen und theoretischen Prämissen nehmen die hier versammelten Texte Bezug, in welchem Kontext stehen sie? Auf welche Ziele wird die philologische Tätigkeit hin ausgerichtet – wie wird das 'Erkenntnisinteresse' der Philologie definiert? Welches Autorschaftskonzept und welches Textverständnis werden zugrunde gelegt? Der Ausgangspunkt all dieser Fragen ist die etymologische Bedeutung des Begriffs „philologia“, gefasst als 'Liebe zum Wort'. Der Philologe ist demgemäß ein Wort-Liebhaber. Doch was heißt hier 'Liebe'? Und was ist überhaupt ein Wort?
In order to disseminate the information in newspapers, one of the instruments that increase sharing of knowledge in the globalizing world, at the international level, it is obligatory to translate texts from the source language to other languages. However, there are some criteria taken into account in order to transfer the information to a large target audience during the preparation of news. These criteria should also be taken into consideration while translating this kind of texts. Especially in the translation of news texts that are oriented towards the target audience and that address the knowledge/ interest levels of the target audience, the decisions and approaches of the translator are determining. In this study, the discussion will be based on what kind of knowledge the journalists/ translators who translate news texts should have. In this context, an analysis will be carried out regarding which factors have had a determining role in the translation of news in Turkish as source language into German to be used in a German newspaper.
This study examines the theory and practice of Kussmauls creative translating idea during the translating process of metaphors by Lakoff and Johnson. Creative translating could be functionalized for the process of literary translation. In this case it will be a vehicle for problem solving by the translation of the holistically metaphors defined by Lakoff/Johnson. These kinds of metaphors determine our live and are significant points of the language we use every day. Mostly they are very important for the receptively understanding of literary language and aims of the author and his text.
The learning outcomes of teaching translation in German departments at Moroccan universities have hardly been the subject of scientific debate among translation teachers and researchers alike. The actual translation course can only train students to pursue a career in intercultural communication and not in translation, because the teaching material and methodology don’t reflect the training objectives. The thesis of this paper is that the teaching of translation in the departments of German studies in Moroccan universities, as it stands, can have professional rather than academic goals, if the university pedagogical and technical conditions change and if the constraints projected in section 4 and the lines proposed in the same section below are followed.
Even if translation has a long tradition within the conveyance of foreign languages, there has been a vehement discussion on its role since the 1970s – at least with respect to some languages, such as English. In the context of German as a foreign language this topic has been discussed only to some extent. With this in mind, the following article aims to examine the role of translation in the field of the German as a foreign language with specific focus on the advantages and limitations associated with its conveyance and the resultant consequences.
This study concentrates on the problems of subtitling, mainly focusing on compensating strategies in the context of its restrictions with respect to time and space. With the help of a corpus analysis, what kind of information is condensed in the subtitling and whether these reductions have a role on the reception of the film will be analysed with regard to the confrontation of 1119 translating segments.
Das vorgestellte Projekt verfolgt das Ziel, die in den Bibliotheken und Archiven Rumäniens befindlichen mittelalterlichen deutschen Handschriften zu erschließen, um auf dieser Basis und in einer regional vornehmlich auf Siebenbürgen bezogenen Perspektive die Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters auf dem Gebiet des heutigen Rumänien in Form von Fallstudien zu beschreiben. Methodisch gilt es dabei […] einem ausschließlich dem Autor und Werk verpflichteten Konzept von Literaturgeschichtsschreibung eine stärker überlieferungsorientierte und regional ausgerichtete Literaturhistoriographie entgegen[zu]setzen, um auf dieser Weise den Literaturbetrieb einer bestimmten Region zu erfassen. Eine regional vornehmlich auf Siebenbürgen ausgerichtete Literaturgeschichte wird sich indes nicht nur auf die deutschsprachige Literatur beschränken, sondern sich für einen interdisziplinären Zugang öffnen und auch die ungarische und vor allem die lateinische Literaturproduktion und -rezeption im untersuchten Gebiet in ihre Überlegungen mit einbeziehen, um möglichen literarischen Interferenzen Rechnung zu tragen. Der Vorteil einer solchen, nicht einer bestimmten ‚Nationalliteratur’ verpflichteten Sicht auf die Literaturgeschichte ist, dass sie ermöglicht, Aussagen über den Literaturbetrieb einer Region (hier vor allem Siebenbürgen) als Ganzes zu treffen.
The present essay outlines a project, which aims to catalogue and tap the potential of medieval German manuscripts in the collections of both church and secular libraries and archives in Romania. The project complements current efforts to catalogue and explore medieval German manuscripts in Eastern European countries. At the same time, the project prepares the ground for a regionally oriented literary history of Transylvania. Here, too, the aim is to build on current trends in medieval German studies in particular. Instead of a concept of literary history based almost exclusively on individual authors and their work, these trends advocate a literary historiography that turns to regional factors and manuscript transmission in describing literary activity in a particular area.
Unsere Ausgangsthese ist, dass sich die unterschiedlichen methodischen Zuspitzungen und Richtungswechsel, die die Philologie seit ihrer disziplinären Ausdifferenzierung im 19. Jahrhundert erlebt hat, als Parametrisierung des Verhältnisses von Konjektur und Krux beschreiben lassen. Anders gewendet: Konjektur und Krux markieren die Grenzen eines epistemischen Bezirks, der von unterschiedlichen philologischen Methodenpolitiken konfiguriert wird. Die sich daraus ergebende "disziplinäre Matrix" an Verfahrensweisen, die den Anspruch erheben, 'Methode' zu sein, hat insofern politischen Charakter als die Entscheidung für bzw. gegen eine bestimmte Verfahrensweise implizit oder explizit ein Interesse verfolgt, das in aller Regel über das Anliegen einer bloßen Textrekonstruktion entschieden hinausreicht: Es geht darum, die Bedingungen festzulegen, unter denen eine philologische Aussage als 'wissenschaftlich qualifiziert' gelten darf.
At the end of the 18th century, German literature boasted a wide range of exemplary translations, especially from ancient literatures. When, a few decades later, translation theory began to flourish in Germany, translations like J.H. Voß’s “foreignizing” versions of Homer’s epic poems were considered as examples to be followed. Although today’s dominant translation theories – as, for instance, skopos theory – tend to advocate “domesticating” procedures, most translators of literary texts cling to the tradition established by (pre-) romantic German translators and philosophers like Voß or Schleiermacher, thus obviously meeting the expectations of the German reader.
Nazım Hikmet’s fairy tale “Cloud in Love” (Sevdalı Bulut) enjoys a world-wide popularity: It has been already translated into many languages, has been filmed and staged several times. This even confirms the thesis of the poet that the fairy tale would appeal to every nation, every age and every cultural level. This article aims to examine Hikmet’s fairy tales under the aspect of the interculturality in his intersemiotic and interlingual translations. First, Hikmet’s perception of fairy tales will be studied, from which some clues are to be gained about the translations of his work. Afterwards, examples from intersemiotic translations of this fairy tale will be indicated. Finally, the German translation of this work will be analyzed, taking into account the transmission of cultural and stylistic elements.
This article has the objective to focus on the effects of globalization on the field of activity of the translators. With a historical overview covering the period from the Antique up to the present it is aimed to reveal that the emphasis on the translational demands were connected to the specific needs of that term. This analysis will show that the need for technical translation has increased. Based on this framework the effectivity of modern technical aids, which may be used with the purpose of accomplishing the translation of technical texts, is dealt with.
The life of humans goes on through the coincidence of time and space. Every human has a different environment in life. According to Otto Friedrich Bollnow, humans can have prosperous and healthy life if they set up a balance between their lives in and outside their homes. This idea has been confirmed in the German author Herrad Schenk’s ,,Am Ende” and the Turkish author Orhan Pamuk’s ,,Die Geschichte des Prinzen” (,,Das schwarze Buch”) . It is the aim of this study to examine comparatively this balance expressed in both books.
“Translational turn” in the cultural studies and “the cultural turn” in the translation studies show that the term “culture” is very important in the literary translation. The key terms of a foreign culture play a great role in literary translation because of the intercultural dialogue. The translator must pay attention to the clash of cultural terms in the literary texts and in the translation. The literary translation helps to understand between cultures if it carefully handles the cultural terms of a foreign culture which is translated into a target culture. The cultural terms which belong to Turkish culture are to be understood by the readers of the target culture. As readers, we must read the literary texts with a “thick description” and we hope the literary texts help intercultural dialogue if they are translated into a foreign culture. The translator must see the cultural terms diachronically and synchronically.
Die Reflexion der Grenze zwischen Text und Nicht-Text findet zumeist ‚am Rahmen’, nämlich im Paratext, statt. Insbesondere die „Vorredenreflexion“ […] will bei den Lesern das „Fiktivitätsbewußtsein“ […] für den nachfolgenden Text wecken. Ich möchte im Folgenden der Frage nachgehen, wie dieses Grenzbewusstsein entsteht. Dabei gehe ich von der Prämisse aus, dass Paratexte – vor allem Vorworte – einen Zugang zum Haupttext eröffnen, indem sie sich selbst als Übergangszone in Szene setzen: als Übergangszone, in der die Grenzen zwischen all dem, was fiktiver Text ist und all dem, was nicht fiktiver Text ist, verhandelt werden. Die Rede vom Paratext als Übergangszone impliziert neben dem Gesichtspunkt der Räumlichkeit auch eine Form der Bewegung, durch die diese Übergangszone überhaupt erst konstituiert wird. Es handelt sich […] um eine „Praktik im Raum“ […] durch die der Leser – die Leserin – den Weg aus der realen Lebenswelt in die fiktionale Welt des Textes finden soll. Dieses paratextuelle travelling möchte ich im Rekurs auf Jean Paul beschreiben – ein Schriftsteller, der wie kein anderer eine Vielzahl spielerischer Praktiken im paratextuellen Raum entwickelt hat. Mitunter hat man sogar den Eindruck, dass Jean Paul mehr Wert auf seine Paratexte als auf seine Texte legt. Zugleich, und dies scheint mir für das Thema Raum und Bewegung in der Literatur interessant zu sein, fällt auf, dass Jean Paul im Rahmen seiner Paratexte ostentativ Raummetaphern bemüht.
Dilettantische Konjekturen
(2009)
»Und wer also nicht die Fähigkeit besitzt«, schreibt Max Weber in […] »Wissenschaft als Beruf«, »sich einmal sozusagen Scheuklappen anzuziehen und sich hineinzusteigern in die Vorstellung, daß das Schicksal seiner Seele davon abhängt: ob er diese, gerade diese Konjektur an dieser Stelle dieser Handschrift richtig macht, der bleibe der Wissenschaft nur ja fern.« […] Anstatt zu fragen, wann eine Erkenntnis als »wissenschaftlich qualifiziert« gelten kann […] beschreibt Weber die Einstellung […] des Wissenschaftlers […]: Ein leidenschaftliches Erkenntnisinteresse für seinen Untersuchungsgegenstand haben – ist das nicht genau die Haltung, die den Enthusiasten, den Liebhaber, den Amateur, sprich, den Dilettanten auszeichnet? […] Inwiefern kann Leidenschaft zum Beruf des Wissenschaftlers qualifizieren? […] »Nun ist es aber Tatsache: daß mit noch so viel von solcher Leidenschaft, so echt und tief sie sein mag, das Resultat sich noch lange nicht erzwingen läßt. Freilich ist sie eine Vorbedingung des Entscheidenden: der ›Eingebung‹«. […] Offenbar verwendet Weber die Formulierung ›Eingebung‹ synonym mit dem Begriff ›Einfall‹, dessen Resultat die ›Konjektur‹ ist. Im Anschluss an die beiden Zitate aus Webers Aufsatz stellt sich in meinen Augen nicht nur die Frage, welche Rolle die Leidenschaft für den berufenen Wissenschaftler spielt, sondern auch inwiefern der Umgang mit Konjekturen und Einfällen zugleich den Unterschied zwischen Fachmann und Dilettant markiert. Diese Frage steht im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen.
Maske - Verhüllung oder Offenbarung? : Einige Stichworte zur Semantik von Masken und Maskierungen
(2009)
Die Konnotationen, die an das Stichwort »Maske« geknüpft sind, stehen in Beziehung zu so komplexen Begriffen und Themen wie Identität und Rolle, Selbstentwurf und soziale Interaktion, Selbstdarstellung und Verstellung. Masken dienen geläufigen Vorstellungen zufolge unter anderem der Kommunikation mit dem Diesseits und mit der Transzendenz. Sie stehen aber auch für einen Raum zwischen Sein und Schein, Lebenswirklichkeit und ästhetischem Spiel. Sie übernehmen wichtige Funktionen in der Alltagspraxis wie auch in kultisch-rituellen Zusammenhängen. Entsprechend vielschichtig ist die Semantik von Masken und Maskierungen.
No trabalho de Bertolt Brecht relacionado com o cinema pode-se distinguir quatro fases: 1. Início dos anos vinte - argumentos, guiões para filmes publicitários e de aventura. Os únicos projectos realizados: Mysterien eines Frisiersalons de Erich Engel, 1923 (Brecht colaborou na realização). O seu argumento Robinsonade auf Assuncion escrito em conjunto com Arnolt Bronnen foi alterado para o filme SOS. Die Insel der Tränen (1923). 2. Início dos anos trinta - processo contra a companhia Nero-Film para recuperar os direitos de autor concedidos para a versão fílmica da Ópera dos três vinténs; realizada por Georg Wilhelm Pabst em 1930/31 (argumento: Laszlo Vajda, Leo Lania, Béla Balázs). Primeiro documento cinematográfico de uma peça de Brecht: Mann ist Mann (Bert Brecht, 1931); o filme ideológico (esteticamente infl. por Eisenstein): Kuhle Wampe oder wem gehört die Welt? realizado por Slatan Dudow em 1931 (argumento: Bert Brecht e Ernst Ottwalt). 3. Exílio americano – para ganhar dinheiro Brecht volta a escrever argumentos e guiões para a indústria de Hollywood. Dos ca. de 50 textos produzidos só um foi aproveitado para o filme anti-fascista Hangmen also die (Fritz Lang, 1943), no qual Brecht colaborou no argumento. È considerado uma das produções mais importantes deste género junto com Casablanca (M. Curtiz, 1943). 4. Produção pós-guerra - guiões para Mutter Courage (1952) e Herr Puntila und sein Knecht Matti (1955); realização das versões fílmicas da comedia Katzgraben (1957) de Erwin Strittmatter e da sua peça Die Mutter (1958), encenadas pelo Berliner Ensemble.
In the Christmas Eve sermon of the Érdy Codex its writer comes to the conclusion that Augustus, Emperor of Rome is a prefiguration of Jesus Christ. This interpretation shows - according to the second grade of the medieval biblical hermeneutics – the locus allegoricus typological meaning. The typological explanation is based on the method of correspondence. One pole is the type, the other pole is the anti-type: the type foretells the anti-type, and the anti-type fulfills, moreover, exceeds the type. This knowledge must be taken into account when interpreting this sermon. The writer confirms this idea with arguments and historical facts (monarchy, peace, census). So Augustus is one of those who prepared Christ´s saviour work. This paper deals with the history of the theological background of this theme and Karthauzi Névtelen´s sources.
Rückkehr des Autors? : Literatur und kulturelle Autorität in der interkulturellen Kommunikation
(2008)
Während ihrer Feldforschung in Nigeria erzählt die Ethnologin Laura Bohannan den Stammesmitgliedern der Tiv die Geschichte von Hamlet […] Ihre eigene sowie die europäische Interpretationsautorität überhaupt werden ihr von den Stammesältesten aus der Hand genommen. […] Mit ihrem kulturellen Wissen behaupten sie, den Schlüssel für die „wahre“ Bedeutung von Shakespeares „Hamlet“ zu besitzen. […] Aber auch die Tiv gehen von der kurzschlüssigen Voraussetzung aus, dass kulturelles Wissen anthropologisch zu begründen und daher universalisierbar sei. […] Dieses interkulturelle Szenarium, in dem Deutungsautoritäten aufeinanderprallen, ist aufschlussreich für die Frage der literarischen Autorität überhaupt. Muss die Darstellungs- wie Auslegungsautorität von literarischen Texten nicht gerade die Grenzen kultureller Zugehörigkeit überschreiten, um in einer entstehenden Weltgesellschaft zu einem nicht nur westlichen „Vorhaben interkultureller Repräsentation“ beitragen zu können? Diese Frage sprengt das traditionelle Dreiecksverhältnis von Autor-Text-Leser. Denn die Grenzüberschreitungen der interkulturellen Kommunikation aktivieren bewusst oder unbewusst auch die jeweiligen kulturellen Bezugsrahmen, welche die literarische Darstellung und Deutung ihrerseits erst „autorisieren“. Gerade wenn Texte zwischen verschiedenen Kulturen zirkulieren – sei es durch Mehrsprachigkeit des Autors (wie z.B. bei Joseph Conrad, Elias Canetti, Yoko Tawada usw.), durch Übersetzung oder durch interkulturelle Intertextualität –, kommt nicht mehr nur literarisch-narrative, sondern auch kulturelle Autorität unübersehbar ins Spiel.
Anrufbeantworter und Online-Chat sind zwei telekommunikative Phänomene unseres hoch-technisierten Alltags, die auf eigentümliche Weise zwischen Stimme und Schrift changieren. Der Anrufbeantworter dient – wie die Mailbox des Handys – der Aufzeichnung von gesprochenen, flüchtigen Äußerungen. Aufgrund ihrer Wiederholbarkeit gewinnen diese Äußerungen einen gewissen Schriftcharakter – sie befinden sich sozusagen im Übergang zwischen "medialer Mündlichkeit" und "konzeptioneller Schriftlichkeit". Der Online-Chat stellt das Komplementärphänomen zum Anrufbeantworter dar: Er ist eine Kommunikationsform zwischen vernetzten Computern, die schriftlich erfolgt, aber den Charakter von mündlichen Äußerungen hat, da die Kommunikation synchron verläuft. Der Online-Chat befindet sich so besehen im Übergang zwischen medialer Schriftlichkeit und konzeptioneller Mündlichkeit. Die Besonderheit von Anrufbeantworter und Online-Chat liegt aber nicht nur in der spezifischen Art, wie Mündlichkeit und Schriftlichkeit interferieren, sondern darin, daß diese Interferenz unter dem Vorzeichen der Telekommunikation steht. Wodurch zeichnet sich Telekommunikation aus? Durch den wunderbaren Moment der Verbindung. Dieser Moment wird im folgenden der Bezugspunkt meiner Überlegungen zum Verhältnis von Stimme und Schrift sein.
Queertheorie bestimmt sich über Vorläufigkeit, die sich nicht als fixiertes System versteht, sondern als eines, das lediglich ein Instrumentarium zur Verfügung stellt, um die Logik der Spezifität von Machtbeziehungen und Machtkämpfen, etwa in literarischen Texten, zu analysieren. Insofern jeder kritischen Theorie die Verpflichtung aufgegeben ist, kritisch gegen sich selbst gewendet, auch die Möglichkeit zu denken, dass sie nicht immer da sein wird, gilt es, sich nicht im eigenen Moment einzurichten. So möchte ich im Sinne einer vorläufigen und zugleich einer strategischen Kanonisierung vorschlagen: Die germanistische Literaturwissenschaft sowohl mit postkolonialen Theorien als auch mit Gender- und Queertheorien momenthaft und gleichsam verschränkt zu perspektivieren, um dadurch neue Realisationen von Texten zum Entstehen zu bringen.
Meine Überlegungen auf diesen Seiten drehen sich um ein von Walter Benjamin handbeschriebenes Blatt Papier, an dem sich die "performative" Dimension von Benjamins Poetik paradigmatisch illustrieren lässt. Das Manuskriptblatt (Benjamin-Archiv Ms 931) wurde von Gershom Scholem auf ca. 1935 datiert und gehört thematisch in den Umkreis des etwa zwei Jahre vorher verfassten sprachtheoretischen Essays "Lehre vom Ähnlichen". Dort heißt es, dass die "Einsicht in die Bereiche des 'Ähnlichen' [...] weniger im Aufweis angetroffener Ähnlichkeiten [zu gewinnen sei] als durch die Wiedergabe von Prozessen, die solche Ähnlichkeiten erzeugen" (GS II, 204). In Benjamins Beschriftung von Ms 931 wird dies in die Tat umgesetzt: wir können uns den Schreibprozess, dem sich der handschriftliche Text auf jenem Blatt verdankt, als Selbsterforschung eines solchen Prozesses denken. In dem vorliegenden Versuch scheint jedoch, neben der Erzeugung von Ähnlichkeiten, die "Überwindung des Mythos" (Ms 931) als zweiter Pol am Horizont auf. Zusammen stecken jene beiden Pole ein dialektisches Spannungsfeld ab, in welchem sich sowohl Benjamins Schreibprozess als auch der meinige bewegen, und dessen Gesetzlichkeit das eigentliche Objekt dieser Überlegungen ausmacht. ...
Wie Enzensberger […] verdeutlicht, eröffnen literarische Texte […] einen Raum, in dem unterschiedliche und kontroverse wissenschaftliche Theorien […] miteinander kollidieren, wodurch ihre Bedingtheit und Relativität erkennbar wird. Die modernistische […] Vorstellung, Literatur sei subversiv, stelle in Frage, was immer sich als absolute Wahrheit ausgebe, relativiere die Ordnungen des Wissens und insbesondere alle sich verbindlich gebenden Theorien über den Menschen und die natürliche Welt, hat an Aktualität nicht verloren. […] Philosophen und Literaturtheoretiker verschiedenster Denkrichtungen kommen […] darin überein, daß Literatur subversiv ist: Gegen falsche Sicherheiten und gegen die Illusion absoluter Wahrheit gerichtet, deutet sie auf die Vieldeutigkeit aller Dinge und die Vielzahl inkompatibler Betrachtungsperspektiven hin, indem sie selbst vieldeutige und multiple Welten erzeugt. In dieser Eigenschaft ist das literarische Schreiben durch keinen anderen Diskurs ersetzbar. Die ihr hier zugeschriebene subversive Rolle als Instanz kritischer Reflexion über Begriffe, Theoriebildungen und Wissenschaft kann die Literatur allerdings nur dann spielen, wenn sie in engem und dauerhaften Kontakt zu den Wissenschaften bleibt. Die Kritik an Wissensdiskursen setzt einen ständig zu aktualisierenden .Informationsstand voraus: über die jeweils dominanten wissenschaftlichen Paradigmen, Kernbegriffe und Moden, die Strategien wissenschaftlicher Konstruktion und Darstellung dessen, was ist.
Science in Wonderland
(2008)
Lewis Carroll's Alice, who first explores Wonderland (1865) and later on the country behind the Looking-Glass (1872), belongs to the most well-known characters in world literature. [...] The scientific reception of Carroll's stories – concerning physics as well as the humanities – has taken place on different levels. On the one hand, […] various Carrollian ideas and episodes obviously correspond to topics, subjects and models that are treated in the contexts of scientific discourses. Therefore, they can be quoted or alluded to in order to represent theories and questions […] – as […] physical models of the world […]or theoretical models of language and communication. […] On a more abstract level of observation, Carroll's stories have been used in order to explain and to discuss the pre-conditions, the procedures, and the limits . of scientific modeling as such. Above all, they make it possible to narrate on the problem of defining and observing an 'object' of research. […] According to Deleuze, the paradox structures of the world that Alice experiences give an idea of all meaning being groundless and all logic being subverted by the illogical. Finally, besides all affinities of Alice's adventures to scientific attempts to explain the world, the absolutely incomprehensible is present in Carroll's books as well. Especially the self proves to be something profoundly incomprehensible […].
Mit der Abwendung von Norm- und Regelpoetiken […] wird der Weg frei für individuell-besondere, dezidiert anti-systematische Reflexionen über Literatur. Im 20. Jahrhundert ist es für die Mehrzahl der Schriftsteller selbstverständlich, das eigene literarische Schaffen theoretisch-reflektierend zu begleiten. Oft knüpft sich die poetologische Reflexion an persönliche Geschichten über Erlebnisse und Erfahrungen des Schriftstellers, unbeschadet der sogenannten poststrukturalistischen Totsagung des Autors (vielfach allerdings in direkter oder indirekter Reaktion auf diese). Erinnert sei an Uwe Johnsons „Begleitumstände“, an Peter Härtlings „Finden und Erfinden“, an Peter Bichsels „Der Leser, Das Erzählen“, an Hermann Lenz' „Leben und Schreiben“ als einige Vorlesungsreihen aus der Folge der Frankfurter Poetikvorlesungen, die hier stellvertretend für viele andere stehen können. Erscheint vielen Autoren das eigene Œuvre als nachhaltig durch persönliche Erfahrungen geprägt, so ist es nur folgerichtig, wenn Auskünfte über dieses Œuvre sich mit Berichten über eigene Erlebnisse verbinden. […] Zwischen Autobiographie und Fiktion bestehe allenfalls eine fließende Grenze, so […] Hermann Lenz in seiner (programmatisch betitelten) Vortragsfolge „Leben und Schreiben“; entsprechend sei das Schreiben über die Genese der eigenen Fiktionen reflexive Selbstdarstellung. Die Vortragssituation wird zur Spiegelfläche, auf der das Gesicht des Schriftstellers erscheint. Aber was für ein Gesicht ist das?
Goethe wie Hugo machten gelegentlich Gebrauch von Bruchstücken der Alchemie, die bei den Adepten früherer Zeiten zur Rezeptur des Okkulten zählten. Das Interesse der beiden Schriftsteller an der Ars Magna galt weniger den Ritualen magischer Operationen, als der in alten Bildern und Schriften enthaltenen häretischen Symbolik. Verankert war diese im geozentrischen Weltbild und in einem kosmosophischen Ideenhimmel, dessen Grund eine geheimnisvolle, zu allerlei Deutungen herausfordernde Verschmelzung der Erkenntnis mit der Imagination bildete. Der wahre Alchemist sah sich daher selber gern in der Rolle des Demiurgen, der mehr als nur eine Kunst zu beherrschen wusste, um mit ihrer Hilfe eigenwillige Werke hervorzubringen, in denen – wie flüchtig auch immer – Unsichtbares sichtbar und das Trübe ins Lichte verwandelt werden sollte. Rege Geister vom Schlage Goethes und Hugos konnten sich in diesem Selbstverständnis durchaus wiedererkennen und frei nach eigenem Gutdünken Figuren wie Faust und Claude Frollo schaffen, die – auch wenn sie von einem anderen Zeitgeist beseelt waren – ihre Verwandtschaft mit den antiquarischen Masken nicht verbergen.
Der vorliegende Band versammelt eine Anzahl grundlegender Texte der Kulturwissenschaft, die Antwort auf zwei Fragen geben sollen, nämlich erstens: Was ist Kultur? und zweitens: Was ist Kulturwissenschaft? Dabei ist davon auszugehen, daß sich beide Fragen wechselseitig bedingen, mehr noch: daß es Interferenzen zwischen Kulturbegriff und Kulturwissenschaft gibt: […]. Möglicherweise muß man bereits an dieser Stelle Zweifel anmelden, ob die beiden […] Was-ist-Fragen überhaupt sinnvoll sind – implizieren sie doch einen essentialistischen Kulmrbegriff. Sollte man sie nicht ersetzen durch die Fragen: Was macht Kultur? Und: Was macht Kulturwissenschaft? Im folgenden können vermutlich weder die Was-ist-Fragen noch die Was-macht-Fragen befriedigend beantwortet werden; vielmehr möchte ich versuchen, den Raum zwischen diesen beiden Fragestellungen zu erkunden, um zu klären, um welche Art von Raum es sich dabei handelt. Aber auch, um zu klären, was Kulturwissenschaft in diesem, aus diesem »in between space« macht. Wie transformiert sie diesen »Zwischenraum« in einen »Denkraum«?
Aby War burg hat seine kulturwissenschaftliche Herangehensweise einmal als »historische Detektivarbeit« umschrieben, die dem Prozess der »Einverseelung vorgeprägter Ausdruckswerte bei der Darstellung bewegten Lebens« auf die Spur zu kommen versucht. Folgt man dieser Auffassung, dann könnte man daraus den Schluss ziehen, dass sich die Logiken und Praktiken der Kulturforschung zum großen Teil an detektivischen Denk- und Arbeitsformen orientieren. Nun ist die detektivische Spurensuche aber auch das Modell semiotischer Verfahren: ein Modell, das man im Anschluss an Carlo Ginzburgs Essay zur Spurensicherung gerne auch als »Indizien-Paradigma« bezeichnet, wobei zwei Begriffe im Zentrum stehen: der Begriff des Symptoms und der Begriff der Konjektur. […] Angesichts einer kulturwissenschaftlichen Methodenreflexion, die sich sowohl gegen die Geltungsansprüche eines auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten zielenden Wissenschaftsverständnisses als auch gegen eine Semiotik wendet, die lange Zeit als „master-theory“ auftrat, stellt sich nicht nur die Frage, wie sich die kulturwissenschaftliche Detektivarbeit von der semiotischen Spurensicherung unterscheidet, sondern auch, wie sich die semiotischen Einsichten über verschiedene Formen von symptomatischer Bedeutsamkeit für die kulturwissenschaftliche Detektivarbeit respektive eine ‚Logik der Kulturforschung‘ nutzbar machen lassen. Der Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist eine Merkwürdigkeit, nämlich dass sich – so hat es zumindest den Anschein – die Kulturwissenschaft gerade da programmatisch vom semiotischen Indizien-Paradigma abzugrenzen sucht, wo die größte Übereinstimmung herrscht, nämlich da, wo es um Zeichen und um die Deutung dieser Zeichen im Rahmen eines kulturellen Systems »auslegbarer Zeichen « geht.
A wall-sized canvas by Twombly hanging in a purpose-built pavilion by Renzo Piano, commissioned by the Menil Collection in Houston, bears the scrawled inscription »Anatomy of Melancholy.« Untitled (Say Goodbye Catullus, to the Shores of Asia Minor) is the culminating statement of the artist’s maturity: begun in 1972, it was first exhibited in 1994. In this monumental cenotaph, Twombly’s painting displays phrases from Archilochos, Catullus, Keats and Rilke, as well as the title of Burton’s famous tome, worked into the fabric of the composition, integral to the iconic content. It is the aching heart of the select permanent exhibition of his oeuvre at the pavilion, known as the Twombly Gallery (www.menil.org/twombly.html). The austerity of Piano’s architectural setting, as well as the cunningly filtered Texas sunlight, makes this a site of cult, like the chapel containing the dark, final canvases of Mark Rothko, situated around the corner in the same urban grove of old oak. The setting is a modern Dodona, remote seat of the oaken oracle of Zeus, and it makes an evocative home for Twombly’s enigmatic constructions. These disarm conventional vocabularies of aesthetic response, drawing attention to words and snatches of verse as points of association and recognition. Looking at them involves siting a phrase such as »Anatomy of Melancholy« in other dimensions – in lines, patches, figures, colors.
»Medium«, so lesen wir im Vorwort des ‚Kursbuchs Medienkultur’, »heißt Mitte und Mittler, Vermittlung und Vermittler und appelliert an die Frage, wie die Rolle, die Tätigkeit und das Material dieses Dazwischen genauer beschaffen sei«. Damit ist die Frage »Was istein Medium?« offensichtlich an die Frage »Wie ist ein Medium?« gekoppelt. Was macht ein Medium in diesem Dazwischen? Wenn man der Ansicht zustimmt, dass es Medien in einem »substantiell und historisch stabilen Sinn« nicht gibt, da »[w]eder materielle Träger noch Symbolsysteme oder Techniken der Distribution« hinreichen, um den Begriff des Mediums zu explizieren, dann tritt an die Stelle einer substantiellen Antwort auf die Was-ist-ein-Medium-Frage eine Das-macht-das-Medium-These: die These nämlich, dass Medien das, was sie vermitteln, verarbeiten oder speichern, »unter Bedingungen stellen, die sie selbst schaffen und sind«. Medien sind, mit anderen Worten, Rahmenbedingungen, die konstitutiv auf das, was sie vermitteln, einwirken. Diese eigentümliche Dynamik der medialen Rahmung fasst die Mediologie im Ausgang von Regis Debrayals System Dispositiv – Träger – Prozeß: ein System, das die Verfahren der Übertragung determiniert; in die gleiche Richtung zielt Sybille Krämer, wenn sie feststellt, dass Medien »im Akt der Übertragung dasjenige, was sie übertragen, zugleich mitbedingen und prägen«.
Semiotisch-strukturalistische Untersuchungen zum histoire-Aspekt erzählender Texte reduzieren bekanntlich die diversen Erscheinungsformen von Geschichten auf sehr einfache Schemata. […] Bei aller Verschiedenheit ist diesen Ansätzen die Annahme gemein, jede Geschichte enthalte einen abstrakten Bedeutungskern, der als invariante Tiefenstruktur der Vielfalt der Erzählungen zugrunde liege. […] Im Vergleich […] wird Jolles’ Theorie dem Erzählen als kulturellem Phänomen besser gerecht, weil sie historische Kontexte und lebensweltliche Funktionen des Erzählens berücksichtigt […]. Die neun Grundformen, die Jolles unterscheidet (Legende, Sage, Mythe, Rätsel, Spruch, Kasus, Memorabile, Märchen, Witz), kombinieren extratextuelle und textuelle Eigenschaften. […] Der Systemcharakter der Einfachen Formen ist häufig und zu Recht kritisiert worden. Obwohl Jolles selbst vom »geschlossenen System unsrer Einfachen Formen« spricht, begründet er nirgendwo die unterstellte Vollständigkeit seiner Typologie. Unabhängig von diesem Problem lässt sich aber fragen, ob nicht zumindest einzelne Grundformen aus Jolles’ Typologie textanalytisch nützlich sein könnten. Das soll hier in einer kleinen komparatistisch-narratologischen Studie geprüft werden, die einen Bezug zwischen spanischem Barock und deutscher Romantik anhand von Pedro Calderón de la Barcas comedia „la devoción de la cruz“ (Die Andacht zum Kreuze,1622/23) und Zacharias Werners Schicksalsdrama „Der vierundzwanzigste Februar“ (1809/10) herstellt.
The Book as a landscape
(2007)
There is a long tradition of regarding landscapes as texts and texts as landscapes. Characterizing visually experienced nature as a text implies stressing its meaningfulness, its character as a message or an expression. According to an old metaphor that was highly esteemed in medieval Christian culture as well as in early modem science, nature itself is a divine message addressed to mankind, analogously to the holy scriptures, revealing the will of God as the superior "author" to those who are able to decipher the signs. As a consequence of the process of secularization, art gains authority over the signs of nature, and it is the artist who creates messages by composing the elements of the visual world. The idea of interpreting texts as landscapes seems less evident at the first moment; it implies the notion of texts and landscapes as artificial products which depend on an individual human subject's intentions.
Jean Paul fordert […] von der Poesie, sie möge "die Wirklichkeit, die einen göttlichen Sinn haben muß, weder vernichten, noch wiederholen, sondern entziffern." […] Andere […] umschreiben die ästhetische Darstellung […] als eine Transkription, welche den Chiffrencharakter der natürlichen Erscheinungen unterstreiche und […] das Bewußtsein für deren verborgenen und verrätselten Sinn wach halte […]. Carl Gustav Carus bestimmt von hier aus das Wesen der Landschaftsmalerei. […] Indem an den Landschaftsmaler die Aufforderung ergeht, die Natur als Bedeutungsträgerin, als chiffrierten Ausdruck eines inneren Sinnes aufzufassen und darzustellen, kann Carus zum einen auf der engen Bindung der malerischen Darstellung an die natürlichen Erscheinungen insistieren, zum anderen aber die […] obsolet gewordene Idee einer bloßen Nachahmung der Natur hinter sich lassen. [...] Das Konzept von der Natur als Zeichenschrift hatte eine zentrale Rolle im Werk des […] Paracelsus gespielt […] Mikro- und Makrokosmos, menschliche und außermenschliche Welt; die verschiedenen Elemente und Lebewesen, Natur und Geschichte verweisen jeweils wechselseitig aufeinander. […] Ernst Bloch hat in seinen Leipziger Philosophie-Vorlesungen dieses Analogiedenken hervorgehoben – "Der Mensch ist die Welt im Kleinen, eine Abbreviatur des Kosmos, wie die Welt der Mensch im Großen, eine Elongatur des Menschen [...]" – und unter dem Titel "Entsprechung des Innen und des Außen" die Paracelsische Naturauffassung […] umrissen.
Innerhalb der Beschreibungen, insbesondere auch der Selbstbeschreibungen der Avantgarden kommt dem Wortfeld um »Fremde« eine Schlüsselstellung zu. Das Konzept der »Verfremdung« ist unter den ästhetisch relevanten Derivaten des Wortes »Fremde« zweifellos das prominenteste. Der Terminus »Verfremdung« kann sich sowohl auf das Medium der ästhetischen Gestaltung als auch auf die Gegenstände der Repräsentation beziehen; oft bezieht er sich auf beides zugleich, um anzuzeigen, dass Konventionsbrüche auf der Ebene der Darstellung als solcher eine unkonventionelle Auffassung des Dargestellten selbst erzeugen bzw. auf der Seite des Künstlers bezeugen. Verfremdung, so eine Leitidee, findet statt, um etwas bislang Unentdecktes zu zeigen, sei es am verwendeten Zeichensystem, dem neue Gestaltungsmöglichkeiten abgewonnen werden, sei es auch an der historisch-sozialen Wirklichkeit, auf die sich das ästhetische Gebilde bezieht – vor allem, um sie neu und anders wahrnehmbar werden zu lassen. Übersehenes sichtbar zu machen und »anders« zu sehen, impliziert Kritik an den Konventionen der Wahrnehmung, oft aber auch Kritik am Wahrgenommenen selbst, insofern sich dieses dem gewohnten Blick allzu unauffällig und harmlos darstellen mag.
Im Anschluss an Foucault könnte man sagen, dass die Funktion 'Herausgeber' darin besteht, erster Leser und zweiter Autor eines Texts zu sein, dadurch Kohärenz zu stiften und dem Text einen Rahmen zu geben. Dies geschieht durch eine Reihe editorialer Tätigkeiten: erstens das sammelnde Zusammenlesen von Manuskripten, zweitens das arrangierende Zusammenstellen der Textteile (ein Vorgang, den man auch als Zusammenschreiben bezeichnen könnte); drittens das kommentierende Dazuschreiben, das sich auf den Text als ein Gewebe von Spuren bezieht. Mit dieser kommentierenden Bezugnahme auf den Text findet eine diskursive Rahmung statt, die sich häufig als Paratext manifestiert: als Fußnote, als Überschrift, als Marginalie, als Inhaltsverzeichnis oder als Index der erwähnten Namen und behandelten Themen. Dergestalt etabliert das kommentierende Dazuschreiben des Herausgebers – und zwar gleichgültig, ob es sich um einen fiktionalen oder einen faktualen Herausgeber handelt – ein zweites Netz editorialer Indices, die vom Rande her wie mit Zeigefingern auf den Text verweisen.
Mitte als Mittelpunkt oder mittlerer Bereich: Topologische Bedeutung – Mitte als zentraler Moment oder Zeitraum: Chronologische Bedeutung – Mitte als Mittelwert: ›Metrische‹ (quantitative) Bedeutung – Mitte als Balance oder Mittelweg: Qualitative, insbesondere ethische Bedeutung bezogen auf Haltungen, Verhaltensweisen und Prozesse – Mitte als Zentrum eines symbolischen Feldes, als Machtzentrum, als Zentrum des Geschehens: Politisch-soziologische Bedeutung – Mitte als ›Medium‹: Mediologische Bedeutung – Mittelwesen, Mittelzustände, Mischungen: Qualitative Bedeutung bezogen auf Beschaffenheiten und Verfassungen – Metaphorologie der Mitte: Zur Ununterscheidbarkeit von konkreter und symbolischer ›Mitte‹ – Die Mitte und die Philosophie – Ästhetische Konzepte der Mitte
Ähnlich wie Robert Musils Kakanien sollte auch das postkoloniale Indien als ein Land des »Sowohl als auch u(nd) des Weder noch« gedacht werden. Statt der aristotelischen Logik des »Entweder-oder« sollte eine Art dialektischer Logik helfen, der Komplexität der geschichtlichen Entwicklung Indiens gerecht zu werden. Auf dem günstigen Boden eines säkularen Staats sollten die Traditionen von kultureller Toleranz, kommunikativer Mehrsprachigkeit und religiösem Synkretismus wieder ihren gerechten Platz bekommen, nachdem die Epistemologie des Kolonialismus die Komplexität Indiens als Chaos begriffen hatte und durch Grenzziehungen in allen lebensweltlichen Bereichen ›Homogenisierung‹ als identitätsstiftenden Wert erfunden und als handlungsbestimmend installiert hatte. Das säkulare Projekt war, wie wir wissen, eine Utopie, deren Charme durch den Angriff auf sie eher erhöht als vermindert wird. Sie lebt im fundamentalistisch geprägten Indien im ironischen Modus zwar weiter, aber der konzentrierte Angriff von Hindu-Fundamentalisten auf Monumente aus der Zeit der islamischen Herrschaft unterstreicht ja nur die Fragilität utopischer Projekte in Indien. Es geht um Moscheen, die angeblich auf dem Fundament (!) von zerstörten Tempeln gebaut wurden. Sie sind juristische und wissenschaftliche Streitobjekte; Orte eines neuen, religiös geprägten Gedächtnisses, das im triumphalen politischen Aufstieg historische Wiedergutmachung durch Zerstörung der Symbole der nationalen Schmach erlangen will. Es geht also nicht um die historisch behutsame Pflege von alten Monumenten oder um Restaurierung, sondern schlicht um Zerstörung und um Auslöschung des historischen Gedächtnisses.
Historische Adelsbibliotheken sind unschätzbare Geschichtsquellen. Überliefern die erhaltenen Adelsarchive überwiegend Dokumente, die sich einerseits auf Herrschaftsverhältnisse und Grundbesitz und andererseits auf "Familiensachen" beziehen, aus denen die verwandtschaftliche Verflechtung der adligen Häuser hervorgeht, so werfen die Adelsbibliotheken in ganz besonderer Weise Licht auf die Kultur-, Bildungs- und Sozialgeschichte des Adels seit dem ausgehenden Mittelalter.
Erst ausgehend von ihrer Erfindung in der bildenden Kunst hielt die Landschaft Einzug in die Literatur; literarische Landschaftsdarstellungen im engeren Sinn finden sich gegenüber malerischen Landschaftsdarstellungen erst mit deutlicher Verzögerung, wenngleich sie auch literarische Vorläufer haben. Was man unter Landschaften in der Literatur alles verstehen sollte, mag umstritten sein. In jedem Fall liegt es nahe, literarische Landschafts-Texte mit bildkünstlerischen Darstellungen zu vergleichen.
Wie Schrift und Bild im Verhältnis zur Imaginatio stehen, will ich untersuchen. Dabei kommt ein weiteres Verhältnis ins Spiel, nämlich das zum Körper. "Bilder denken" im Sinne von imagines agentes heißt nicht, bloße Vorstellungen von etwas ohne Gegenwart eines Gegenstandes im Kopf haben, wie Kant die Einbildungskraft im Unterschied zur Anschauung definiert. Agent, also aktiv, ergreifend, handlungsauslösend zu sein –: dies heißt mehr, nämlich daß Bilder inkorporiert werden und körperliche Erregungen, Veränderungen oder Handlungen auslösen. Das ist die Performanz der Bilder. Diese körperliche Spur der Bilder, ja, das Einspuren des Körpers durch Bilder ist die energischste Form, in der Erinnerungen inskribiert werden, und die energischste Form, in der Bilder zur Resonanz von Körpern und Körper zur Resonanz von Bildern werden können.
Wissenschaft, so heißt es, sei ein Projekt, das auf Erkenntnis zielt. Damit verbunden ist die Vorstellung, daß wir heute mehr wissen als gestern und morgen mehr wissen werden als heute. Die Frage ist nur, ob sich das zu Erkennende auch in diese Gedankenfigur fügt. Wie müßten wir vorgehen, wenn jene weißen Flecken auf der Landkarte des Wissens, welche zu besetzen und zu füllen ein konsti-tutiver Bestandteil wissenschaftlichen Selbstverständnisses ist, eo ipso als Wirklichkeiten anzuerkennen sind, die unerkannte Möglichkeiten in sich bergen? Wie können wir diesen virtuellen Realitäten (im emphatischen Sinne der Prägung, nicht dem geläufigen, der auf einem technizistischen Mißverständnis beruht) gerecht werden, ohne sie durch den fixierenden Zugriff, das Aussagen und Ausmalen, Aufschreiben und Aufzeichnen ihrer Virtualität zu berauben? ...
Spätestens seit den gesellschaftlichen Modernisierungsschüben in den sechziger Jahren identifiziert auch die Germanistik Erkenntnis- und Wissenszuwachs, ja allgemeiner den "Fortschritt" ihres Fachs, mit Komplexitätserhöhung. Vor diesem Hintergrund erscheint es mir wenig plausibel, die seitdem erfolgten inneren Ausdifferenzierungen und interdisziplinären Grenzüberschreitungen als durch Identitätsverlust, Zerstreuung und Desintegration gekennzeichnete Niedergangsszenarien zu beschreiben. Die Veränderungen gehorchen der immanenten Logik germanistischer Forschung, einer "disziplinierten", auf Leistung ausgerichteten, an kooperativen Großforschungsvorhaben partizipierenden Wissensproduktion.
Vorbemerkung
(2004)
Es gibt verschiedenste Engelstypen. Trotz intensiver scholastischer Bemühungen entziehen sie sich wohl der endgültigen Klassifikation. Entsprechende Rätsel gibt das Interesse an ihren Funktionen und ihrer Physiologie auf – eine Frage, die sich überhaupt nur angehen läßt, wenn man die Zeugnisse, welche von ihren sinnlichen Manifestationen sprechen […] und die Bilder, welche Engelserscheinungen darstellen, wie Dokumente behandelt, deren Informationsgehalt gleichrangig neben dem konventioneller historischer Quellen steht. Was spricht auch dagegen, ein tradiertes kulturelles Wissen, das in visueller und verbaler Form gespeichert ist, hinter eine mit den Mitteln der wissenschaftlichen Empirie erstellte Datensammlung zurückzustellen, wenn es um ein Grenzgebiet zwischen Sinnlichem und Transsinnlichem geht, angesichts dessen der Anspruch der Empirie, Verifizierbarkeit zu begründen, ohnehin mehr als fragwürdig erscheint? Phänomenologische Deskriptionen der Engel […] sind hinsichtlich ihrer methodologischen Prämissen mit der Geisterphotographie vergleichbar (und vielleicht, die ketzerische Spekulation sei gewagt, auch der Psychoanalyse); sie operieren mit den Mitteln wissenschaftlicher Datenerhebung auf prinzipiell ungesichertem, weil an sich unsichtbarem Territorium. Wenn sie denn auch kein gesichertes Wissen über Engel begründen mögen, so provozieren sie doch vielleicht zur Reflexion über das, was Wissen überhaupt ist, nach seinen Implikationen, Ansprüchen und Grenzen.
The revival of Carl Schmitt’s partisan theory on both sides of the Atlantic confirms the return of one of the most contentious political thinkers of the last century. His Theorie des Partisanen (1963) is only now appearing in English, its prophetic voice recalled by the aftermath of 11 September 2001.
Allwissendes Erzählen
(2004)
›Allwissendes Erzählen‹ und ›allwissender Erzähler‹ gehören zu den literaturwissenschaftlichen Begriffen, die viel gebraucht, aber selten definiert werden. Wer in den einschlägigen erzähltheoretischen Hand- und Einführungsbüchern nach diesen Stichworten sucht, tut es häufig vergebens. [...] Einerseits wird der Begriff des allwissenden Erzählens im literaturwissenschaftlichen Sprachgebrauch offenbar in einem erkenntnistheoretischen Sinne verwendet – es geht um ein durch keine empirischen Bedingungen begrenztes Wissen. Wenn allwissendes Erzählen aber in systematischer Verknüpfung (oder gar synonym) mit auktorialem Erzählen gebraucht wird, dann steht in der Regel ein anderer Aspekt im Vordergrund […]. Der Ausdruck ›auktorialer Erzähler‹ bezeichnet seit Stanzel einen persönlichen heterodiegetischen Erzähler, d.h. 'einen Erzähler, der zwar nicht der erzählten Welt angehört, aber eine individuelle Einschätzung und Bewertung des Erzählten zum Ausdruck bringt und dadurch ein bestimmtes ideologisches oder moralisches Profil gewinnt.' […] Trotz [einer] zeitweisen historischen Koppelung von allwissendem und auktorialem Erzählen handelt es sich jedoch um zwei systematisch voneinander unabhängige Aspekte, die in der Literaturgeschichte keineswegs immer gemeinsam auftreten. Im folgenden gehe ich nicht auf die moralischen Aspekte auktorialer Erzählerfiguren ein, sondern beschränke mich auf die erkenntnistheoretischen Besonderheiten allwissenden Erzählens.
[E]in genauerer Blick auf 'Schindler's List' [kann] den skizzierten Tenor der deutschen Rezeption, es handele sich um einen ,,zutiefst unideologischen Film" […] von quasi-dokumentarischer Authentizität, nicht bestätigen […]. Weder ähnelt der Film in seiner Gestaltung einem dokumentarischen Darstellungsstil, noch ist er historisch getreu. Vielmehr versucht Spielberg das Dilemma einer künstlerischen Gestaltung des Holocaust zu lösen, indem er das historische Material […] zu schematisierten Formen von Erfahrung [bündelt], deren stereotype Prägnanz und kalkulierte Wirkungskraft zu einer gewissen Enthistorisierung des dargestellten Geschehens führen. [Dies] zielt auf eine kathartische Teilnahme am Schicksal der Protagonisten, auf identifikatorischen Jammer und anteilnehmenden Schauder […], eine besondere, ästhetische Form der Lust. […] Einige Kritiker des Films haben ihn deswegen als "seelische Schnell-Reinigung, als Instant-Absolution, als Gefühls-Quickie" kritisiert […], andere sahen darin gerade den "Geniestreich" Spielbergs, weil so "das von Schindler Vorgelebte und im Film Vorgeführte zum Vorbild wird". […]. Man kann diesen Konflikt […] als Ausdruck einer allgemeineren kulturellen Situation beschreiben: Der weltweite Erfolg der Authentizitätsfiktion von 'Schindler's List' wäre dann Folge einer distanzierteren kulturellen Haltung gegenüber dem Holocaust, die nicht den Authentizitätskriterien solcher Zuschauer genügt, die persönliche Erfahrungen mit dem Holocaust verbinden.
Schon bei seiner Einführung in die wissenschaftliche Literatur meinte der Begriff Déjà vu anderes als er besagt. Die beiden Primärquellen, auf die sich Ludovic Dugas in seinem terminologisch grundlegenden Artikel von 1894 bezog, verwenden bezeichnenderweise auch gar nicht diesen Ausdruck, sondern einen allgemeineren ...
Machen wir uns nichts vor. Auch wenn "Event" zum "PR-Wort der letzten Jahre" gekürt worden ist, wenn "Events auf die Besucher wie eine moderne Konsumdroge" wirken, wenn gar vom "Trend zum Event" gesprochen wird, von dem alle Bereiche der Gesellschaft längst so stark erfaßt sind, daß sich ihm nichts und niemand mehr entziehen kann – es bleibt dabei: Wann auch immer davon in Verbindung mit Kultur die Rede ist, da hat man es mit einem bösen Kampfbegriff zu tun. Mit "Eventisierung der Kultur" ist ihr steter Verfall gemeint. Und das Label "Eventkultur" gibt den Zustandsbegriff für eine Gesellschaft, die antrat, mit Kunst und Literatur die höchsten Höhen des Menschenmöglichen zu erreichen, und die nun ihr Bestes, Schönstes und Wahrstes bei einem Schaustellerwettbewerb auf dem Jahrmarkt verhökert. Event, das ist das "zur Sensation hoch inszenierte Nichtereignis, und die größte Kunst im Medienspiel ist das lauteste Krähen". Hier wird, so scheint es, "die Kunst zum bloßen Anlaß für den Konsum (...), zum Alibi", weil sie "in sonderbarer Perversion der alten Horazischen Ästhetik des 'utile cum dulci' und des 'prodesse et delectare', Zucker auf eine Sache streut, die sonst keinem mehr schmeckt." Und das passiert en masse: "Anschwellende Programmhefte, ausufernde Veranstaltungskalender, zunehmender Festivaltourismus, Boom der Multiplex-Kinos, Expo, Millenium Dome – was ist", so fragt sich da der kritische Betrachter mit Blick aufs Literarische, "was ist aus dem Erzählen geworden?" ...
Pfeilzeichen sind im Alltag des postmodernen Menschen mindestens ebenso präsent, wie es die Pfeile im Leben unserer jagenden Vorfahren gewesen sein dürften. Sie übernehmen wichtige Funktionen bei der Orientierung im Raum, bei der Bedienung von Geräten und bei der Tradierung von Wissen. Pfeilzeichen finden sich draußen wie drinnen, in gedruckten wie in digitalen Medien, sie sind Bestandteile von Bildern, Texten und mathematischen Formeln und vermitteln in vielfältiger Weise zwischen Text, Bild und Zahl. Im Laufe der Zeit hat sich das Pfeilzeichen zu einer hochflexiblen Zeichenfamilie mit einem breiten Spektrum an Formen, Bedeutungen und Funktionen entwickelt. Diese "semiotische Karriere" des Pfeilzeichens möchten wir im folgenden Abschnitt an ausgewählten Beispielen aus Kunst, Literatur und Alltag nachzeichnen, um uns anschließend der erneuten Ausdifferenzierung des semiotischen Potenzials in den neuen Medien zuzuwenden. Die Pfeilzeichen dienen uns dabei als Beispiel, um drei Thesen über Prozesse semiotischen Wandels zu belegen: 1. Neue Zeichenfunktionen und -bedeutungen bilden sich stets auf der Basis bereits vorhandener Funktionen und Bedeutungen heraus. Dabei werden alte Bedeutungen in den seltensten Fällen ersetzt; vielmehr handelt es sich um Prozesse semiotischer Ausdifferenzierung, bei der "ältere" Funktionen und Bedeutungen mit verändertem Stellenwert erhalten bleiben. 2. Die Ausdifferenzierung erhöht die potenzielle Ambiguität von Zeichen und Zeichenkomplexen, sodass deren Interpretation den Zeichenbenutzern immer mehr abverlangt. Gerade am Beispiel der Pfeilzeichen lässt sich sehr gut zeigen, dass deren Funktion und Bedeutung in hohem Maße kontext- und mediengebunden ist und in neuen Medien oft neu erlernt werden muss. 3. Grundlegend für die semiotische Ausdifferenzierung des Pfeilzeichens ist der Stellenwert des Pfeils in einem komplexen Handlungsrahmen, auf den wir mit dem Ausdruck "Pfeil-Szenario" Bezug nehmen. Darin dient der Pfeil als Geschoss einer Waffe, z. B. eines Pfeil-Bogens, seltener auch einer Armbrust oder eines Blasrohrs. Der Pfeil ist ein Element der gesamten Waffe, die sich aus Pfeilspitze, Schaft, Federn (und Ritze) zusammensetzt.
Subjekt und Sprache
(2003)
Kritiker der Subjektkonzeption im 20. Jahrhundert argumentieren vorzugsweise zeichen- und sprachtheoretisch. Entsprechend setzen Versuche zur Rehabilitation der Subjektkonzeption vorzugsweise bei Sprachlichem an. Zugleich mit der Frage nach dem Subjekt wird also mittelbar auch die nach der Sprache verhandelt. Die Krise des Subjekts ist zudem selbst ein sprachliches Ereignis. Denn ebenso wie die Selbst(er)findung des Subjekts als ein sprachliches Sich-Entwerfen zu denken ist, vollzieht sich die vermeintliche oder tatsächliche Demontage des Subjektiven im Medium des Wortes. Beide Vorgänge wirken sich auf die Sprache und ihre Benutzer – genauer: auf deren Einstellung zur Sprache – aus; Entwurf und Kritik von Subjektivität haben als sprachliche Ereignisse demnach performativen Charakter. Zwischen der Reflexion über das Subjekt und der über Sprache besteht zudem insofern eine Analogie, als es bezogen auf beide keine Möglichkeit zur Objektivierung und Distanzierung des Reflexionsobjekts gibt.
Wer das Wort ›Anfang‹ verwendet, dem das Grimmsche Wörterbuch schon in der Phase der kürzeren Artikel drei Spalten widmet, sollte mindestens in zweierlei Hinsicht differenzieren: Zum einen hinsichtlich der Frage, ob es um einen räumlichen oder einen zeitlichen Anfang geht, und zum anderen hinsichtlich des semantischen Unterschieds zwischen ›initium‹ und ›principium‹. Den Strukturen unseres Denkens gemäß suchen wir die ›Prinzipien‹ bei den zeitlichen ›Anfängen‹. Daher ist es schwer, beides zu entkoppeln, daher verbirgt sich hinter der Rede von zeitlichen Anfängen vielfach die von Gründen. »Im Anfang war das Wort«: Damit fängt nicht nur das Johannesevangelium an, sondern auch das Grimmsche Wörterbuch. Der Satz in Joh. 1,1 spricht über den Grund aller Gründe, nicht ›nur‹ über die Urgeschichte; bei den Brüdern Grimm ist er mehrdeutig: ein Zitat aus der logozentrischen Tradition und eine Devise für Philologen, bei der es allerdings ebenfalls um das Wort als ›Grund‹ geht, als Grundlage lexikographischer Arbeit nämlich – aber in dieser Eigenschaft ist kein absoluter Grund. Mit der Rede vom ›Anfangen‹ geht es oft um die Denkbarkeit absoluter Anfänge.
Deutschland 1932: die Erfahrungen des Amerikanismus und des Fordismus waren gerade verarbeitet; man hatte die neuen Geschwindigkeiten und die Vermassung der Millionenstädte ebenso studiert wie das Industrieproletariat und die frischen Angestelltenschichten; der Funktionalismus hatte in allen Bereichen der Moderne, auch im Design und in der Architektur, seinen Siegesszug angetreten; man hatte an der Metropole Berlin erstmals auch die Wahrnehmungs-Modalitäten von Big Cities ästhetisch durchbuchstabiert; man hatte indes auch mit dem schwarzen Freitag die Konsequenzen globalisierter Wirtschafts- und Börsenverflechtungen erlitten – in diesem Jahr 1932 also bildet der österreichische Schriftsteller und Naturwissenschaftler Robert Musil in seinem "Mann ohne Eigenschaften" die "soziale Zwangsvorstellung" einer "überamerikanischen Stadt", "wo alles mit der Stopuhr in der Hand eilt oder stillsteht. Luft und Erde bilden einen Ameisenbau, von den Stockwerken der Verkehrsstraßen durchzogen. Luftzüge, Erdzüge, Untererdzüge, Rohrpostmenschensendungen, Kraftwerkketten rasen horizontal, Schnellaufzüge pumpen vertikal Menschenmassen von einer Verkehrsebene in die andre; man springt an den Knotenpunkten von einem Bewegungsapparat in den andern, wird von deren Rhythmus, der zwischen zwei losdonnernden Geschwindigkeiten eine Synkope, eine Pause, eine kleine Kluft von zwanzig Sekunden macht, ohne Überlegung angesaugt und hineingerissen, spricht hastig in den Intervallen dieses allegemeinen Rhythmus mit einander ein paar Worte. ...
Im Jahr 1837 schreibt Gustave Flaubert – er ist sechzehn Jahre alt – die Erzählung Quidquid volueris, eine nahezu perfekte Schauergeschichte im Stil der gothic novel, ein goyaesker Alp "schlafloser Nächte", worin der Erzähler eingangs die Teufel seiner Einbildungskraft, die "Kinder meines Hirns" anruft wie Musen der Inspiration. Virtuos setzt der adoleszente Autor alle Stilmittel des langsam sich aufbauenden Grauens ein, das sich am Ende in einer entsetzlichen Tat entlädt. ...
Hegel hat endlos vielen Interpretationen von Tragödien, und so auch solchen der "Antigone" das Schema vorgegeben, wenn er den tragischen Konflikt als die Kollision zweier sittlicher Ansprüche bezeichnete, die beide in sich selbst gerechtfertigt sind. Für die "Antigone" hieß dies, daß die Sittlichkeit der Familie, durch Antigone repräsentiert wie erlitten, auf die Sittlichkeit des Staates stoße, die in Kreon resümiert ist. Und da beide Sittlichkeiten in sich notwendig seien, müsse die Kollision einen tragischen Terminus finden. Dies umso mehr, als zur tragischen Kollision gehöre, daß beide Positionen jeweils Momente der Gegenposition enthielten, die aber jeweils implizit und unausgedrückt blieben, so daß weder Antigone noch Kreon die Berechtigung der jeweils anderen Auffassung auch nur ansatzweise teilen könne. Unversöhnlich prallen beide Positionen aufeinander, weil die Protagonisten innere Ambivalenzen nicht zuließen. ...
Spartacus mußte, als bis dahin teuerste Filmproduktion überhaupt, ein kommerzieller Erfolg werden – was auch gelang. Den weiteren historischen Rahmen des Films bildet das gereizte antikommunistische Klima, das die Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg beherrschte und in dem man sehr schnell auch gegen Künstler mißtrauisch geworden war. Dalton Trumbo, einer der gefragtesten Drehbuchautoren seiner Zeit, gehörte zu den „Hollywood Ten“, die 1947 vor dem House Un-American Activities Committee die geforderten Denunziationen vermeintlicher Kommunisten verweigert hatten. Folge für sie waren Gefängnisstrafen und Beschäftigungsverbote: die schwarzen Listen. Diese waren 1958, bei Beginn der Arbeiten zu Spartacus, nach wie vor intakt. Viele Drehbuchautoren arbeiteten aber doch für die Produktionsfirmen: unter falschem Namen und größter Geheimhaltung – so auch Trumbo für Spartacus. Während der Dreharbeiten erschien Douglas irgendwann das Risiko tragbar, Trumbo nach 1947 zum ersten Mal namentlichen screen credit zu geben: eines der Ereignisse, die zur Auflösung der blacklist führten. Daß Spartacus offen mit Trumbo und auch Howard Fast, dem kommunistischen Autor der Vorlage, firmieren konnte, ist zunächst erstaunlich. Gibt es doch kaum ein antikes Thema, das kommunismusaffiner erschiene als der Aufstand der Sklaven gegen ihre römischen Unterdrücker, kaum einen Helden, der subversiver zur Identifikation mit dem gefürchteten politischen Gespenst verführen könnte. Zwei Aspekte sollen die folgenden Ausführungen beleuchten: Wie sieht der Held aus, der den Amerikanern seinen Aufstand vorführen darf? Und: Wohin zielt diese Rebellion, die von vornherein auch im Kassenhäuschen der Kinos Epoche machen wollte?
Die poetische Evokation von Strömen und Flüssen, die als Verkehrswege verschiedene Länder und Sprachgemeinschaften untereinander verbinden, erinnert an die poetische Utopie grenzüberschreitend-universaler Kommunikation. Dem Bildfeld um Wasserläufe und Wasserwege affin ist das Bild der Quelle, die zudem für Ursprünglichkeit, Lebendigkeit, Erneuerung steht. Insofern enthält bereits der Titel des (im folgenden vorzustellenden) poetischen Projekts, mit dem Schuldt und Robert Kelly an Hölderlin anknüpfen, in nuce ein poetisch-utopisches Programm. Zudem fällt der Name eines Flusses, der einem Vielvölkerstaat seinen Namen gab: "Am Quell der Donau / Unquell the dawn now" […]. Mit dem zweiten Teil des Titels, der sich als klang-analoge, wenngleich semantisch inäquivalente Übersetzung des ersten versteht ("Unquell the dawn now"), kommt zugleich die nicht minder symbolträchtige Übergangszeit der Dämmerung ins Spiel – einer von vielen merkwürdigen sprachklanglich bedingten Zufällen, deren Erkundung sich dieses Projekt verschreibt. Schon der bilinguale Titel vollzieht eine Grenzüberschreitung – nicht nur zwischen der deutschen und der englischen Sprache, sondern auch zwischen 'Eigenem' und 'Fremdem'. Denn der erste (deutsche) Teil ist Zitat. Friedrich Hölderlin, der in seinem lyrischen Werk die Ströme Europas besungen und dabei eine komplexe symbolische Topographie entfaltet hat […], liefert die "Quelle", von der aus der bilinguale Sprach-Fluß seinen Ausgang nimmt.
Die Moderne ist durch die Intensität ihrer Auseinandersetzung mit dem Schweigen charakterisiert. Aber auch frühere Zeiten interessierten sich für das Schweigen, man sprach und erzählte von ihm, setzte es rhetorisch ein, verstand es (oder meinte es zu verstehen), kommentierte es, bediente sich sogar einer elaborierten Topik des Schweigens […].Doch mit der Moderne kommt es zu tiefgreifenden Verschiebungen in der Konstellation von Sprache und Schweigen. […] Zum einen gewinnt das Schweigen selbst neue Bedeutungsdimensionen, […] vor allem in seiner Eigenschaft als Hinweis auf all das, was jenseits der Grenzen der Wörter und des Sagbaren liegt. Zum anderen modifizieren und erweitern sich die Formen, in denen das Schweigen in die literarischen Werke einbezogen wird. Neben vielfältigen Thematisierungen, expliziten Beschreibungen und Interpretationen des Schweigens stehen Formen der Evokation und der Inszenierung des Schweigens durch die Strukturen der Texte selbst - Experimente, welche es darauf anlegen, das Schweigen gleichsam gestisch in literarische Prozesse einzubeziehen und durch Strategien der Textgestaltung zu konkretisieren. Auf dem weiten Feld solcher Experimente mit ästhetischen Manifestationsmöglichkeiten der Stille, der Lautlosigkeit, der Nicht-Artikulation berühren sich die Interessen moderner Literatur und Musik. Aber auch die bildende Kunst beteiligt sich am Großprojekt einer Evokation, Reflexion und Semantisierung des Schweigens.
Im folgenden soll es darum gehen, das Spannungsverhältnis zu thematisieren, das »am Rahmen« von Texten bzw. Hypertexten zwischen Sprechakten (Performatives) und inszenierten Sprechakten (Performances) besteht. Zu klären ist dabei, wieso bestimmte Sprechakte »am Rahmen« von literarischen Werken keineswegs »entkräftet« sind, sondern im Gegenteil äußerst kraftvoll zu einer performativen Rahmung beitragen. Dies betrifft die literaturwissenschaftliche Fragestellung nach den peri- und paratextuellen Rahmungsstrategien ebenso wie die medientheoretische Problemstellung, inwieweit Performatives im Rahmen von Hypertexten als Programmbefehle wirksam sind. […] [I]ch [möchte] hier aber auch die literatur- und mediengeschichtlich relevante Frage aufwerfen, wie die Idee des Hypertextes im Rahmen der Literatur verkörpert wurde, bevor es die Hypertexte »in electronic form« gab. Dies erfordert eine Untersuchung der Rahmungsstrategien der Quasi-Hypertexte von einst im Horizont heutiger, elektronischer Hypertextualität.
Warum Fußball?
(2002)
Jeder Fußballfreund kennt die unbequeme Frage verständnisloser Mitmenschen, was denn so spannend daran sei, daß 22 Erwachsene 90 Minuten lang hinter einem Ball herlaufen. Ist es nicht völlig belanglos, ob ein Ball in dem einen oder dem anderen Netz landet, ob diese oder jene Mannschaft als Sieger vom Platz geht? […] Dennoch haben Siege und Niederlagen in den Stadien der Welt für Millionen von Zuschauern eine viel größere Tragweite, als ein lapidares Protokoll der Körper- und Ballbewegungen auf dem Rasen erahnen ließe. Warum? […] Theorien, die dem Fußball eine geheime, vom Selbstverständnis der Beteiligten abweichende Bedeutung zuweisen, sind nach wie vor beliebt. […] Sie sind schwer zu widerlegen, aber auch schwer zu beweisen. […] Sie heben einige Eigenschaften des Fußballs heraus, aber vernachlässigen andere. Erfindungsreichtum und Suggestivität übersteigen hier oft Plausibilität und Erklärungskraft. […] Wie immer man die Überzeugungskraft solcher Ansätze, die nach dem geheimen Wesen des Fußballs suchen, im Einzelnen einschätzen mag: Den Fußball als kulturelles Phänomen und insbesondere seine Faszinationskraft erklären sie jedenfalls ebensowenig wie die Frankfurter Schule mit ihrem Vorwurf der Komplizenschaft mit dem Kapitalismus oder die Vertreter einer Verfallstheorie mit ihrem nostalgischen Blick auf vermeintlich paradiesische Urzeiten des wahren Fußballs.
Humboldt hat von früh an in unmißverständlicher Klarheit gesagt, was er wollte. Nämlich die Mannigfaltigkeit, die unabsehbaren Ketten, die ungeheure Verstreutheit, die überwältigende Heterogenität der Naturerscheinungen zu einer qualitativen Totalität, zu einer Idee und zu einem Ganzen zusammenzufassen, das auch noch anschaulich sein soll. Dieses Konzept liegt schon den "Ansichten der Natur" von 1808 zugrunde, ist aber viel älter und geht auf die 90er Jahre zurück. Es hat sich auch im letzten Werk, dem "Kosmos", nicht geändert. Im Konzeptuellen herrscht bei Humboldt eine eigentümliche Entwicklungslosigkeit. Dieser 'Wille zum Ganzen' ist das nunc stans in dem sonst so überaus bewegten Leben Humboldts, in dessen Verlauf er häufig genug die realen Ziele zu ändern gezwungen war, ohne doch seine Grund-Idee aus dem Auge zu verlieren. ...
Raymond Radiguet starb 1923 an Typhus, gerade zwanzigjährig. Er hinterließ zwei furiose Romane, "Le Diable au corps" und "Le bal du Comte d'Orgel", und ein paar Dutzend Gedichte. Jean Cocteau, selbst jugendverliebt und älter werdend, schreibt später im Nachwort zum ersten Roman: "Radiguet verabscheute die Oscar Wildesche Vorstellung von der Jugend. Er wäre so gern alt geworden. Heute wäre er fünfzig. Doch mit seinen unerbittlichen Händen hat der Tod ihn in der Gestalt eines Zwanzigjährigen festgebannt, ein für allemal." ...
Martin Heidegger
(2001)
Wenn wir im folgenden die problematische Persönlichkeitsstruktur Heideggers und deren Äußerung im Werk psychographisch untersuchen, so soll genauso wenig wie bei C. G. Jung und im späteren Beitrag über Axel Springer das Werk pathologisiert werden. Wohl aber soll, wie schon bei Jung, gefragt werden, welche Anteile die Persönlichkeitsstruktur am Werk hat. Das Geniale der Schöpfungen beider ist nicht ohne Hinzuziehung biographischer Faktoren zu erklären.
Erotische Anatomie : Fragmentierung des Körpers als ästhetisches Verfahren in Renaissance und Barock
(2001)
1536 erscheinen die danach vielfach neuaufgelegten und erweiterten "Blasons anatomiques du corps féminin", eine Sammlung von Preisgedichten jeweils auf einzelne "Körperteile". Die Blasons sind zunächst im Anhang zur "Hécatomphile" des LéonBattista Alberti versteckt, bevor sie 1543 auch seperat gedruckt werden. Der Dichterfürst Clément Marot (1496-1541) hatte mit dem Gedicht "Le beau tétin" (Das schöne Brüstchen) das Modell vorgegeben und seine Poetenkollegen brieflich eingeladen, über schöne, sprich: reizende Teile zu schreiben – weibliche, versteht sich. Wir sind mitten im Thema. ...
Wer nach Paris kommt, sollte nicht versäumen, die Stiegen auf das Dach der Kathedrale Notre-Dame zu klettern und dort die steinernen Monstren, Fabeltiere und Dämonen zu besichtigen, durchaus Meisterwerke gotischer Steinmetz-Kunst. Noch immer kann man die Blicke imitieren, die Mitte des 19. Jahrhunderts den Künstler Charles Meryon (1821-1868) zu seinen Radierungen inspirierte: mit ihnen versetzte er die "Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts" (Walter Benjamin) unter die Zeichen eines fremdartigen und unheimlichen Tierkreises, der nicht die Ordnung des Himmels, sondern das nächtliche Gewimmel einer dämonischen Gegenwelt wiedergab. Seltsam genug ragten seit Jahrhunderten die Lamien und Empusen, die Keren und Chimären, die Teufelsfratzen und Basilisken, Drachenköpfe und Kynokephalen über das Häusermeer der Metropole, die sich gerade anschickte, zum Labor der urbanindustriellen Moderne zu werden. Die steinernen Monstren, die oft auch die Westportale besetzt hielten, weil von dort der Angriff der Dämonen zu erwarten war, dienten im Mittelalter als Wächterfiguren, welche den heiligen Raum des Kirchenbaus vor dem Eindringen der satanischen Rotten zu behüten hatten. ...
Zur Einführung
(2001)
Dichter lügen. Das hat Platon gesagt, allerdings hat er es erstens nicht ganz so gesagt, und zweitens gibt seine eigene Vorliebe für Gleichnisse und fingierte Fallbeispiele ebenso zu denken wie seine gelegentlichen Rekurse auf Mythen, ganz zu schweigen von der Einkleidung seiner philosophischen Reflexionen in Dialoge, denen man heute ohne Bedenken das Prädikat »literarisch« beilegen würde. Aber er ist in die Geschichte der Poetik eingegangen als der, der gesagt haben soll, daß die Dichter lügen. Hans Blumenberg ist in die Geschichte der Poetik eingegangen als der, der gesagt hat, die gesamte Geschichte des Nachdenkens über Dichtung sei eine Auseinandersetzung mit dem Platonischen Vorwurf, daß die Dichter lögen. Das mag eine Vereinfachung sein, falsch ist es nicht. Der Lügen-Vorwurf sowie die Reaktionen, die Bekräftigungen, Richtigstellungen, Modifikationen und Nichtigkeitserklärungen, die er seit der Antike provoziert hat, waren seitdem Anstoß zum Nachdenken über das, was Literatur ist, und über ihre Beziehung zu dem, was als Wirklichkeit gilt. Die Ausgangsthese und die von ihr provozierten Reaktionen ergeben zusammen ein interessantes Feld von Behauptungen, die einander teilweise widersprechen.
Als im Jahr 1480 eine stattliche Anzahl von überwiegend bäuerlichen Zeugen zu den Rechtsverhältnissen der Schafweide zu Lautern östlich von Schwäbisch Gmünd befragt wurde, wußten etliche nicht ihr genaues Alter anzugeben. Wann ihr Erinnerungsvermögen einsetzte, datierten sie mit der Nennung allgemein bekannter Ereignisse, die im kollektiven Gedächtnis ihrer Zeitgenossen besonders verankert gewesen sein müssen. Ein Bauer aus Lauterburg gedachte "der vinsternuß und dess grossen sterbens". Ein anderer aus Unterkochen verwies auf den Armagnakeneinfall im Elsaß. Ein Schafknecht erinnerte sich an einen Blitzschlag in den Turm der Schwäbisch Gmünder Johanniskirche. Der alte Bantz von Mögglingen sagte aus, "er sye ee elter dann das mann vor Hochenzollern gelegen sy", und auch Lienhard Protolf bestimmte sein Alter nach diesem Ereignis, der Belagerung der Burg Hohenzollern durch ein Aufgebot der Reichsstädte und Württembergs 1422/1423. An erster Stelle aber steht der etwa dreißig Jahre zurückliegende Städtekrieg von 1449/50, der in den Aussagen von nicht weniger als acht Zeugen erwähnt wird.
Mediale Praktiken
(2000)
Der Begriff "Medium" wird heute meist nachrichtentechnisch aufgefaßt. Eine typische Definition im Konversationslexikon etwa lautet: "Mittel und Verfahren zur Verbreitung von Informationen" (Meyer 1987). Historisch gesehen ist dies ein reduzierter Sprachgebrauch, der ein urspünglich magisches und kultisches Erbe verdrängt hat: "Medien" sind im herkömmlichen Sinn nicht einfach Übermittler von Botschaften, sondern Vermittler von spirituellen Kräften. Sie dienten nicht nur der Distribution von kulturellem Wissen zwischen Sendern und Empfängern, sondern führten zum Erlebnis einer Transformation der Beteiligten im Vollzug kultureller Praktiken – mit allen Vorzügen und Risiken der Selbstpreisgabe.
Auch wenn das Stichwort Globalisierung zunächst am ehesten die Assoziationsfelder Weltwirtschaft und Weltpolitik, Ökologie und Kommunikationstechnologie aufruft, so provozieren doch einige der fundamentalen Beschreibungskategorien dessen, was unter dem Begriff Globalisierung zusammengefaßt wird, zur Frage nach ihrer Anschlußfähigkeit an den literaturwissenschaftlichen Diskurs. Dies gilt vor allem für die Kategorien der Entgrenzung und Virtualisierung, ferner für die Interpretation von Globalisierungsprozessen als Prozesse der Dehierarchisierung, der umfassenden Vernetzung, der Entwicklung eines neuen und flexiblen, in unablässiger Transformation begriffenen Raumbewußtseins, […] sowie insbesondere für die Stichworte Internationalität und Interkulturalität.
Die Wüste ist seit der Antike mit vielerlei Konnotationen besetzt. Bis in die Gegenwart hinein macht sich die Literatur dies zunutze, aktualisiert und transformiert konnotative und metaphorische Potentiale dieses zugleich beklemmenden und faszinierenden Geländes. […] [Es] läßt sich […] der Befund erheben, daß die Wüste ein grundsätzlich ambivalenter Ort ist – was förmlich zu der These herausfordert, daß ihre Bedeutung für die poetische Autoreflexion nicht zuletzt auf solcher Ambivalenz beruht. Die Ambivalenz betrifft erstens die Situation dessen, der sich als Reisender in die Wüste begibt, und der einerseits die Erfahrung des Ausgesetztseins, andererseits aber auch die einer nahezu unerschöpflichen Freiheit machen mag, dem einerseits der Tod droht, der andererseits für die Entbehrungen seiner Reise aber mit Visionen entschädigt wird, welche in der Alltagswelt nicht denkbar gewesen wären. Sie betrifft zweitens die Einschätzung dessen, der selbst zum dauerhaften Wüstenbewohner geworden ist und einerseits als Wahnsinniger, andererseits als Visionär erscheint. Drittens dann sind auch, die Wesen und Erscheinungen, denen der Mensch – sei er ein […] Reisender, sei er ein hier lebender Eremit – in der Einöde begegnet, von tiefer Zweideutigkeit: Die Wüste als der Ort, wo Gottes Wort vernehmlich werden mag, ist zugleich Tummelplatz der Dämonen. Schließlich kann die Wüste sowohl als Ort des Ursprungs wie auch als Endprodukt eines ruinösen Geschichtsverlaufs ausgelegt werden.
Zur Einleitung
(2000)
Das »Labyrinth« […] ist von hochgradiger Aktualität für Prozesse der Selbstbeschreibung des Menschen als handelndes, produzierendes und denkendes Wesen. Es bedarf jedoch, wenn Unklarheiten vermieden werden sollen, bei der Rede von Labyrinthen der Verständigung darüber, welcher Strukturtypus damit gemeint ist. Es bedarf ferner einer zumindest groben Verständigung über die Perspektive, aus der das »Labyrinth« betrachtet, erlebt, erfahren wird (Dädalus, Theseus, Minotaurus), oder über die Kombination von Perspektiven. Einer nicht weiter begründbaren Vorentscheidung unterliegt die Beantwortung der Frage, ob man zu jedem Labyrinth einen Dädalus als Konstrukteur hinzudenken muß. Offen ist auch die Frage, ob man es zulassen oder gar fordern soll, ein »Außen« des Labyrinths zu denken. Der Denkansatz, demzufolge alle Labyrinthe zumindest prinzipiell durchschaubare und gedanklich rekonstruierbare Strukturen sind, ist grundlegend verschieden von einem Denken, das den Menschen ausschließlich innerhalb des Labyrinths verortet und ihm die Möglichkeit eines Heraustretens abspricht, weil es kein Außen gibt.
Über die Diskussionen zum Autor lässt sich ein Überblick gewinnen, wenn man das Problemfeld danach einteilt, wie Autor, Text und Leser zueinander in Beziehung gesetzt werden. Wir gehen im Folgenden zunächst auf solche Positionen ein, die den empirischen Autor in die Interpretation literarischer Texte einbeziehen. Dann stellen wir Positionen vor, die den empirischen Autor aus dem Umgang mit Literatur ausschließen und sich lediglich auf Aspekte des Textes stützen wollen. Von diesen sind noch einmal jene Positionen abzusetzen, die ebenfalls auf den empirischen Autor für Zwecke der Interpretation literarischer Texte verzichten, nun aber nicht den Text, sondern die Position des Lesers in den Vordergrund stellen. Der Akzent liegt also entweder auf dem Autor, auf dem Text oder auf dem Leser.
„Was bedeutet es, einen Anruf zu beantworten?“ Diese, von Avital Ronell zu Beginn ihres ‚Telephone Book’ aufgeworfene Frage nach dem Telefon muß im folgenden als Frage nach dem Anrufbeantworter radikalisiert werden. Während das „Annehmen eines Anrufs“ eine Situation heraufbeschwört, „deren gestische Syntax ‚ja’ bedeutet, selbst wenn der Affirmation ein Fragezeichen folgen sollte: Ja?“ (Ronell 1989, S. 5), führt das Anschalten des Anrufbeantworters geradewegs in ein Paradox, denn der Anrufbeantworter sagt weder „Ja?“ noch „Nein!“. Das Paradox des Anrufbeantworters gründet in seiner widersprüchlichen Aufgabenstellung: Er soll einerseits der Aufrechterhaltung der Telekommunikation dienen und wird zugleich als ein „Kommunikationshemmnis“ empfunden. Deshalb kann er, so Knirsch, seine „eigentliche Funktion nicht uneingeschränkt erfüllen“ (Knirsch I998, S. 1). Doch was ist die „eigentliche Funktion“ eines Anrufbeantworters? „In dem Maße, in dem du das wurdest, was du bist“, schreibt Ronell mit Blick auf das „transzendentale Dilemma“ des Angerufenwerdens, „nämlich, zum Teil, ein automatischer Anrufbeantworter, wird es notwendig, Fragen zu stellen“. (Ronell 1989, S. 5). Fragen wir. Was bedeutet es, im metaphorischen oder gar im wörtlichen Sinn, „answering machine“ einer transzendentalen Telekommunikationsgemeinschaft zu sein, die nur auf eines zu warten scheint: den wunderbaren Moment der Verbindung?
Wasser, Wolken und Steine formieren das Landschaftserleben nicht nur der europäischen Kulturen. Zwar bestimmen einzelne Steine, Findlinge oder Basaltsäulen, nur gelegentlich das Bild der Landschaft. Doch immer sind es steinerne Formationen, welche der Landschaft Halt und Gestalt verleihen – als ragende Gebirgszüge, wellige Hügel, in die Ferne ziehende Täler, dunkle Schluchten und Gründe, strebende Gipfel oder auch als schroffe Felsküsten, die sich dem Meer entgegenstemmen, das aufschäumend sich an ihnen bricht. Das Steinerne ist, vom Typus der Hochgebirgs-Malerei abgesehen, zumeist verhüllt vom Mantel der Pflanzen, der Felder und Wiesen, der Wälder und Büsche. Leonardo nannte, noch ganz im Bann der leibmetaphorischen Deutung der Terra, die Felsen das Skelett der Erde, das vom Gewebe des Erd- und Pflanzenreichs bedeckt wird, doch diesem erst die morphologische Stabilität verleiht. Die Flüsse und Bäche, ober- wie unterirdisch dahinströmend, sind die Adern des Erdleibs, ein ewiger Kreislauf des Wassers. Und mächtig atmet in Ebbe und Flut die Lunge der Erde, die auch die Zirkulation der Ströme und Rinnsale antreibt. So werden für Leonardo Landschaften zu beredten Zeugnisse des lebendigen Organismus der Erde – und seiner Geschichte. Auf dieser Linie ist Landschaftsmalerei ist immer auch Bio-Graphie des Erdkörpers. Und vielleicht gilt von aller Landschaftskunst, daß sie sich mit der Geschichte der objektiven Natur verwebt – auch wenn sich gerade in ihr die subjektiven Stimmungen des Betrachters oder Malers verkörpern. ...
Popular culture is always in process; its meanings can never be identified in a text, for texts are activated, or made meaningful, only in social relations and in intertextual relations. This activation of the meaning potential of a text can occur only in the social and cultural relationship into which it enters. (Fiske, 1991a: 3)
Die […] Umdeutung der Beziehung zwischen Subjekt und "Wirklichkeit" […] konvergiert mit zentralen Anliegen der Ästhetik und Poetik. Eine zentrale Rolle spielen in diesem Kontext die theoretischen Konzepte von Einbildungskraft […]; diese wird im Lauf des 18. Jahrhunderts in ihrer Bedeutung stark aufgewertet, wird nicht allein zum zentralen poetischen Vermögen, sondern […] zum Organon der Erfassung und Deutung von Wirklichkeit. […] Der Prozeß dieser Wandlung soll […] an Beispielen literarischer Auseinandersetzung mit malerischer Darstellung von Landschaft illustriert werden. Leitend wird dabei die Hypothese sein, daß die Literatur, wo sie über die malerische Realisation spricht und den […] Anspruch des Mediums Malerei ernst nimmt, zugleich über sich selbst spricht […]. Landschaft ist ein Sujet, an dem die transzendentale Dimension ästhetischer Darstellung besonders nachdrücklich erörtern läßt. Landschaft "gibt" es nicht einfach; sie ist vielmehr seit jeher eine Funktion ihrer Darstellungen […]. Wenn Landschafts-Darstellung in der Malerei als ein Etwas-als-etwas-Sehenlassen charakterisiert werden kann, so reflektieren literarische Texte über malerische Landschaftsdarstellungen diesen Prozeß. Ihr Thema ist das Sehenlassen-als. (Dabei ist es zweitrangig […] ob es sich um die literarische Thematisierung realer oder imaginärer Gemälde handelt. Texte über Landschaftsdarstellungen sind also – insofern sie sich der "transzendentalen" Thematik zuwenden – zugleich autoreflexiv.)
Der Versuch, die Beziehung, oder vielmehr die vielfältigen Beziehungen zwischen der Welt der Texte und der Welt der Bilder zu erhellen, führt bald auf Fragen grundsätzlicher Natur, respektive […] zu antagonistischen Auffassungen: Besteht zwischen Texten und Bildern eine innere Analogie, eine wie auch immer geartete Entsprechung – oder kann eine solche zumindest bestehen? Existiert so etwas wie eine verbindende Tiefengrammatik von Text- und Bildphänomenen? Gibt es Gesetze oder doch Spielregeln der Repräsentation, welche beide "Welten" […] miteinander verbinden? Oder sind Texte und Bilder einander stattdessen unwiderruflich fremd? Haben sie sich womöglich […] als Konsequenz der Abkehr von logozentrischen Modellen der Weltauslegung voneinander entfremdet? Stehen sie einander auch dort, wo sie scheinbar und vordergründig ein gemeinsamer Gegenstand oder ein gemeinsames Thema verbindet, ja sogar dort, wo Texte sich ausdrücklich auf Bilder beziehen und Bilder sich Texten anlagern, unvermittelt und unvermittelbar gegenüber? Es ist keineswegs sicher, daß ein Text je sagen kann, was ein Bild zeigt, daß Worte Bilder und deren Gegenstände angemessen erklären, daß sie dazu beitragen können, uns Bilder besser verstehen oder gar besser sehen zu lassen. Umgekehrt darf und muß kritisch gefragt werden, inwiefern und unter welchen Bedingungen Bilder dabei helfen können, Worte und Texte zu verstehen.
In welchem Sinn haben Texte […] eine räumliche Dimension - in welchem Sinn können Texte Räume sein oder die »Durchsehung« (Dürer) in ein Dahinter erschließen? […] Die Frage, was die Rede von einer Räumlichkeit der Texte bedeuten könnte, scheint sinnvoller gestellt, wo und insofern es um das geht, wovon Texte sprechen, was sie »darstellen«, wovon sie »erzählen«, »berichten«, »handeln«, also in Bezug auf die (vom Leser imaginativ zu rekonstruierende) »Referenz« des Textes. Literarische Texte sprechen oft und ausführlich von Räumen. Vielfach handeln sie von deren Erkundung und Erschließung; vielfach beschreiben sie Räumliches. Die Eroberung von Räumen ist ein klassisches literarisches Thema. Manche Texte konzentrieren sich - zumindest streckenweise - sogar auf die Schilderung von Räumlichkeiten, von Interieurs, von Landschaftlichem, von städtischen oder ländlichen Topographien, von besonderen Orten und Schau-Plätzen. Die Protagonisten durchschreiten Gebäude, durchstreifen Landschaften, treiben sich in Räumlichkeiten aller Art herum - bis hinein in den Weltraum. Mit dem Befund, daß Räume in Texten »vorkommen«, ist allerdings die Frage nach der Räumlichkeit von Texten keineswegs schon abschließend beantwortet.
Die Auffassung, der Autor sei für die Erklärung der Bedeutung seiner Texte relevant, wurde in den letzten Jahrzehnten aus ganz unterschiedlichen theoretischen Haltungen heraus in Zweifel gezogen. […] Vor dem Hintergrund dieser Positionen und ihrer aktuellen Fortführungen ist die Verwendung des Autorbegriffs bei der Interpretation literarischer Texte heute dem Vorwurf theoretischer Naivität ausgesetzt. Gleichzeitig ist der Autor in der Interpretationspraxis der Literaturwissenschaft weiterhin von großer Bedeutung. […] Diese Diskrepanz mag hie und da in einer Ignoranz gegenüber vergangenen und aktuellen Theoriedebatten begründet sein oder in einer mangelnden Konsequenz, als richtig akzeptierte Theoriepostulate auch de facto für die eigenen Textlektüren zu berücksichtigen. Aber solche Erklärungen reichen nicht aus. Der Verdacht drängt sich auf, daß die theoretische Reflexion über den Autor zentralen Formen des wissenschaftlichen Umgangs mit literarischen Texten nicht gerecht wird. Die Praxis der Interpretation(en) literarischer Texte demonstrieren vielmehr legitime, ja notwendige Verwendungsweisen des Autorbegriffs. die von der Theoriediskussion nicht angemessen wahrgenommen werden. Diese Verwendungsweisen lassen sich nicht nur historisch rekonstruieren. Sie können und sollten, so meinen wir, auch systematisch gerechtfertigt werden.
Ich möchte in meinem Beitrag zeigen, daß der Verzicht auf den Autor […] sachlich unhaltbar ist. Auf der Grundlage intertextualitätstheoretischer Argumente läßt sich der Autor aus der Textinterpretation nicht verabschieden. Vielmehr bleibt er selbst in Fällen von extremer Intertextualität ein notwendiger (wenngleich nicht hinreichender) Bezugspunkt der Interpretation. Eine Intertextualitätstheorie, die elementare Voraussetzungen ästhetischer Sinnbildung erfassen will, muß am Autorbegriff festhalten. Um zu verdeutlichen, daß meine Kritik am Autorkonzept der poststrukturalistischen Intertextualitätstheorie über das Feld der Literatur hinausreicht, beziehe ich mich im folgenden auf Beispiele aus verschiedenen Künsten, nämlich auf die Skulptur „String of Puppies“ (1988) des amerikanischen Künstlers Jeff Koons und auf Peter Handkes Text „Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg am 27.1.1968“ (1969). Unbeschadet aller medialen und ästhetischen Unterschiede haben diese beiden Werke Eines gemeinsam: Aufgrund ihres hochgradig imitativen Charakters scheint das Konzept des Autors für die Erfassung ihrer Bedeutung keine Rolle zu spielen – jedenfalls nach Ansicht einiger Interpreten. Deshalb wirken sie auf den ersten Blick wie besonders überzeugende Belege für die poststrukturalistische These vom Tod des Autors.
"Die Traumspiele der Weltliteratur sind Gedankenspiele" schreibt Arno Schmidt in seinen Berechnungen. Und er fährt fort: "Was man nämlich im allgemeinen einen 'Träumer' schilt ist in Wahrheit weiter nichts, als ein süchtig-fauler Gedankenspieler". Bereits Freud weist in seinem Aufsatz über den "Dichter und das Phantasieren" darauf hin, daß der Dichter ein "Träumer am hellichten Tag" sei und seine schöpferische Phantasie "Tagtraum".
Ich möchte im folgenden der Frage nachgehen, inwiefern Traum und Gedankenspiel nicht nur als Verfahren auktorialer Text-Konstruktion, sondern auch als Prozeß lesender Text-Rezeption gefaßt werden können. Mit Bezug auf den amerikanischen Philosophen und Semiotiker Charles Sanders Peirce möchte ich überlegen, inwiefern das Gedankenspiel der Logik des Lesens zugrunde liegt – und inwiefern sich Schmidts Überlegungen zum "Längeren Gedankenspiel" nicht nur als Konzept für "neue Prosaformen" deuten lassen, sondern auch als Konzept neuer Lektüreformen.
Leitende Hypothese meiner Untersuchung ist, daß die Kanonisierung der „Commedia“, die in einer komplexen Situation am Ursprung des neuzeitlichen Literaturbegriffs entstand, nicht einfach als aemulatio literarischer Vorbilder erfolgen konnte, sondern sich auch auf andere, nichtliterarische Begründungen stützen mußte. Die Schwellenposition des Werkes läßt sich gerade an den heterogenen und widersprüchlichen Strategien seiner Kanonisierung ablesen, die es als sakralen, philosophischen, wissenschaftlichen, moralisch-didaktischen oder politischen Text zu legitimieren versuchen. Als Ausgangspunkt wähle ich Harold Blooms Interpretation […] in „The Western Canon“ […]. Ich möchte zeigen, daß Blooms Interpretation der „Commedia“ als "misreading" von Vorbildautoren selbst ein "misreading" darstellt, weil er die „Commedia“ zu einem rein literarischen Text verkürzt. Andererseits ermöglicht Blooms Einseitigkeit es aber auch, entgegengesetzte Tendenzen der Dante-Forschung einzuschränken, welche die „Commedia“ allzu glatt in die theologische Tradition einordnen. [Ich] möchte […] diese These insbesondere am Beispiel der berühmten Passage über Odysseus' letzte Fahrt aus dem 26. Gesang des Inferno plausibel machen, indem ich Blooms Interpretation der Odysseusfigur mit entsprechenden Ausführungen der ersten Kommentatoren der „Commedia“ aus dem 14. Jahrhundert vergleiche. Nach dieser Beispielanalyse gehe ich auf Dantes eigene Strategien ein, die „Commedia“ als Werk von kanonischer Geltung zu inszenieren.
There is a caricature of Marcel Proust in which the despairing writer is consoled by a friend saying, 'Aber, aber, mon cher Marcel, nun versuchen Sie sich doch zu erinnern, wo Sie die Zeit verloren haben.'
Literature in general, not only A La Recherche du Temps Perdu, deals with a different form of memory than that of mnemonics, in which the hints of places lead to a retrieval of what has been stored there before. Nevertheless it is difficult to pinpoint the criteria that make this difference. How does literature transcend the technologically limited sense of memory in terms of a storage and retrieval system? ...
Die vier Elemente im Zusammenhang der Anthropologie zu behandeln, ist heute keineswegs selbstverständlich. Die naturphilosophische Lehre von den Elementen fand ihre erste Ausprägung bei Empedokles. Ihre Ausarbeitung bei Platon und Aristoteles war für die Philosophie der Natur bis etwa 1800 paradigmatisch. Mit Antoine Laurent Lavoisier, Joseph Priestley und Sadi Carnot, denen der Nachweis der chemischen Zusammengesetztheit von Wasser, Luft und Feuer experimentell gelang und die damit den Grund für das periodische System der chemischen Elemente lieferten (schon zu Lavoisiers Lebzeiten zählte man über dreißig), war die Elementenlehre als Theorie der Natur wenigstens wissenschaftlich an ihr Ende gekommen. In diesen 2300 Jahren, in denen die vier Elemente die Pfeiler einer jeden Naturphilosophie bildete, hat es eine Reihe wesentlicher Korrespondenzen zwischen Elementenlehre und Anthropologie gegeben. Am wichtigsten ist die überragende Bedeutung, welche die Elemente in der hippokratisch-galenischen Medizin einnahmen, die ihrerseits bis ins 16., wenn nicht bis ins 18. Jahrhundert den Rahmen aller Krankheitslehren abgab. Allerdings kommt die Anthropologie selbst, von einigen Vorläufern abgesehen, erst im 18. Jahrhundert auf den Weg, in einer Zeit also, wo die Elementenlehre durch die moderne Chemie und die antike Humoralpathologie durch die anatomische und neurophysiologische Medizin abgelöst wurde. Auf die junge Anthropologie hat die Elementenlehre also keinen Einfluß mehr ausgeübt. ...
1. Dialogizität 1.1 Sprachtheoretische Voraussetzungen 1.2 Stilisierung und Hybridisierung 1.3 Karnevalisierung 1.4 Polyphonie 1.5 Chronotopos 1.6 Probleme der Dialogizitätstheorie 2.Intertextualität 2.1 Julia Kristeva und poststrukturalistische Intertextualitätskonzepte 2.2 Hermeneutische und strukturalistische Intertextualitätskonzepte 2.3 Harold Bloom 3. Gedächtnis
Den Romanen des "philosophischen Schriftstellers" Italo Calvino lassen sich grundlegende Fragen der zeitgenössischen Ästhetik entnehmen. Sie eröffnen einen Horizont, innerhalb dessen sich auch das theoretische und literarische CEuvre des "Roman-schreibenden Philosophen" Umberto Eco bewegt, ja es scheint fast, als befänden sich die Werke beider in einem Dialog. Jedes lebendige Kunstwerk ist, wie Eco betont, ein Kunstwerk in Bewegung, offen für neue interpretative und kommunikative Möglichkeiten sowie für neue Möglichkeiten des ästhetischen Genusses. Der Interpretationsprozeß gleicht einer Pendelbewegung zwischen der "Offenheit" der Rezeptionsmöglichkeiten und der "Geschlossenheit" bzw. Bestimmtheit des Werkes durch seine Struktur. Der Interpret steht demnach innerhalb einer nicht stillzustellenden Bewegung. in deren – immer erneut notwendigen – Nachvollzug er sowohl Erkenntnisse über die "kombinatorischen Möglichkeiten des Codes" gewinnt, als auch über "die Codes (...) einer bestimmten Periode der Kunstgeschichte." Daher ist es die Aufgabe der semiotischen Interpretation eines ästhetischen Textes, "das strukturierte Modell für einen unstrukturierten Prozeß eines kommunikativen Wechselspiels" zu liefern. Für Eco ist die Interpretation ein pragmatisch-hermeneutischer Prozeß, der im "Taumel der Möglichkeiten" bestimmte Bedeutungsmöglichkeiten ausschließt und andere privilegiert. Ein "epochales" Kunstwerk ist nach Eco eine "epistemologische Metapher", es repräsentiert ein "diffuses theoretisches Bewußtsein", das von den wissenschaftlichen und ästhetischen Theorien seiner Zeit gespeist wird. Dies gilt in besonderem Maße für die Romane Calvinos und Ecos: Der "Held" ihrer Romane ist der Interpretationsprozeß im Spannungsfeld zwischen Autor, Text und Leser. Dabei geht es um die Frage: Wie wird sich der Interpret im Verlauf der Interpretation seiner Rolle als Interpret bewußt? Die Absicht Ecos und Calvinos ist eine aufklärerische: Sie wollen einen "neuen Leser" schaffen, der sich seiner Rolle als Leser bewußt ist und der die Verantwortung für seine Lektürekonzeption übernimmt. "Ein Text will für seinen Leser zu einem Erlebnis der Selbstveränderung werden".
Glenn Gould
(1993)
Das Konstrukt vom öffentlich-privaten Doppelcharakter des Selbst, das in der vorherigen Arbeit eingeführt wurde, hat Konsequenzen für die Interpretation der Lebensgeschichte. Im folgenden wollen wir an drei Modellffällen die Fruchtbar-keit dieses theoretischen Konstrukts demonstrieren. Sie besteht vor allem darin, daß Man keine opulente Biographik benötigt, um Pathologisches zu verstehen. Bisweilen genügen schon einige Eckdaten, um beispielsweise auf depressive oder schizophrene Strukturen schließen zu können. Aber woran erkennt Man solche Eckdaten? Der Tod einer Mutter, die Atmosphäre im Elternhaus, die Anzahl der Geschwister, Leistungen in der Schule, Erfolg bzw. Probleme im Berufs- und Eheleben und dergleichen sind psychodynamisch vieldeutig, sowohl hinsichtlich der Entstehung wie auch der Folgen. Ohne die Zuhilfenahme einer angemessenen Theorie sind derartige Befunde nicht zu validieren, erst sie vermag Vieldeutigkeit in Eindeutigkeit zu verwandeln.
Unter den Formeln, die das Wesen des Menschen pointieren sollen – zoon legon echon, animal rationale usw. – gibt es die etwas humoreske Gleichung: homo est animal quaerens cur, der Mensch ist das Tier, das nach dem Warum? fragt. Wir werden noch sehen: wenn der Mensch sich vom Tier abzuheben sucht, wird er gefährlich. Die Gefährlichkeit des Fragens wird in den Wissenschaften weitgehend geleugnet. ...
Schlachtengedenken im Spätmittelalter : Riten und Medien der Präsentation kollektiver Identität
(1991)
Ein Eintrag in dem 1432 angelegten "Liber statutorum opidi Dursten" im kölnischen Vest Recklingshausen galt der Abhaltung des sogenannten Streitfeiertags. Der Stadtbucheintrag beginnt mit lateinischen Gedenkversen, die von der Verjagung der Herren von Merveldt durch das Dorstener Schwert zwei Tage nach Thomas 1382 berichten. Es folgt der Beschluß von Bürgermeister, Schöffen und Rentmeister der Stadt Dorsten: Alljährlich soll man am Montag vor dem Mittwinterabend, also am "strytvyrdages avent", am Abend feiertäglich läuten und Vesper und Vigilien begehen. Dabei soll der acht Männer gedacht werden, die in diesem Streit tot geblieben sind, sowie all jener, die um der Stadt willen gestorben sind oder noch sterben werden. Der Stadtbote hat Bürgermeister, Schöffen und Rentmeister bei Strafe von zwei Quarten Weins aufzufordern, an Vesper und Vigilien teilzunehmen und danach zu den Gräbern zu gehen, zunächst zum Friedhof vor St. Nikolaus-Feld und danach zum Kirchhof.
Es gehört zur Dialektik der Aufklärung bereits im 18. Jahrhundert, daß [die] Rationalisierungen des Leibes eine Fülle von sowohl ästhetischen wie medizinischen Kritiken und Alternativen hervortrieb, von denen hier ein Strang näher charakterisiert werden soll, nämlich die Leibkonzepte, die auf vormoderne Semiotiken des Körpers zurückgehen, auf hermetische medizinische Traditionen zumal. Kann man die mechanistische Medizin und moralische Disziplin als Strategien der "Entsemiotisierung" verstehen, so zeigen sich am Ende des Jahrhunderts und dann in der Romantik Spuren einer "Resemiotisierung" des Leibes. In heutiger Perspektive interessiert sie darum, weil, wie Thure von Uexküll vermutet, wir an die Grenze des naturwissenschaftlichen Paradigmas der Medizin gestoßen sind und uns in der Phase der Vorbereitung eines neuen, nämlich semiotischen Paradigmas befinden.
In der sehr alten Deutungsgeschichte der Melancholie gibt es um 1475 eine dramatische Szene, von der Panofsky/Saxl in ihren bahnbrechenden Forschungen zur "Melencolia" von Albrecht Dürer berichten: der hermetische Neuplatoniker Marsilio Ficino klagt in einem Brief seinem Freund Giovanni Calvacanti, daß er nicht ein noch aus wisse und verzweifelt sei; dies ginge auf die mächtigen und düsteren Einflüsse des Saturns auf seinen Geist und sein Gefühl zurück. Saturn - das ist hier der maligne Stern, der fernste des Planetensystems, der Gott des Dunklen, Kalten und Schweren; rätselhafte, schwer entzifferbare Gottheit der Zeit; uralter Flurgott oder auch der gestürzte und kastrierte Uranide. Viele, auch widersprüchliche Traditionen fließen in der Semantik des Saturns zusammen. Innerhalb der Astralmedizin ist der Saturn der Regent der schwarzen Galle, der Milz, der kalten, trockenen Erde. Diese Komplexion aus Astrologie, Elementenlehre, Anatomie und Humoralpathologie bildet den Typus des melancholischen Temperaments. ...
Aus den Elementen schuf die Göttin der Liebe, Aphrodite, unsere "unermüdlichen Augen", lehrt Empedokles. Und "das das Herz umströmende Blut ist dem Menschen die Denkkraft". Wie der Körper beschaffen ist, so wächst dem Menschen das Denken. Aristoteles berichtet, daß die alten Philosophen, ausdrücklich Empedokles, Denken und Wahrnehmen für dasselbe gehalten hätten. Aus Elementen sind wir gemischt wie die Dinge, und so nehmen wir die Dinge wahr im Maß, wie sie auf Verwandtes in uns treffen. Im Inneren des Auges ist Feuer, umgeben von Wasser, Erde, Luft. Aus dem Auge wird das Feuer als Sehstrahl auf die Dinge entsandt, und so entsteht das Sehen. Umgekehrt fließen von den Dingen feine Abdrücke ab: wenn sie auf die Poren der Sinnesorgane passen, so werden sie wahrgenommen; passen sie nicht, wird nichts wahrgenommen. So fließt zwischen Leib und Dingen nach der Passung der Poren ein ständiger Strom des Gleichen zum Gleichen. "Denn mit der Erde (in uns) sehen wir die Erde, mit dem Wasser das Wasser, mit der Luft die göttliche Luft, aber mit dem Feuer das vernichtende Feuer, mit der Liebe die Liebe, den Streit mit dem traurigen Streite." (Capelle, 236) Einem solchen Denken ist Personalität, Identität des Subjekts fremd. Zwischen Natur und Mensch besteht kein Bruch, sondern ein Strömen des Gleichen und Verwandten. Kein qualitativer Sprung zwischen Leib und Geist. "Denn wisse nur: alles hat Vernunft und Anteil am Denken" (Capelle, 239) - denn zwischen Göttern, Menschen und den "vernunftlosen" Tieren besteht eine "Gemeinschaft des Lebens und der gleichen Elemente", Verwandtschaft folglich durch jenen umfassend einzigen "Lebenshauch, der die ganze Welt durchdringe". ...