CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Im folgenden soll es darum gehen, das Spannungsverhältnis zu thematisieren, das »am Rahmen« von Texten bzw. Hypertexten zwischen Sprechakten (Performatives) und inszenierten Sprechakten (Performances) besteht. Zu klären ist dabei, wieso bestimmte Sprechakte »am Rahmen« von literarischen Werken keineswegs »entkräftet« sind, sondern im Gegenteil äußerst kraftvoll zu einer performativen Rahmung beitragen. Dies betrifft die literaturwissenschaftliche Fragestellung nach den peri- und paratextuellen Rahmungsstrategien ebenso wie die medientheoretische Problemstellung, inwieweit Performatives im Rahmen von Hypertexten als Programmbefehle wirksam sind. […] [I]ch [möchte] hier aber auch die literatur- und mediengeschichtlich relevante Frage aufwerfen, wie die Idee des Hypertextes im Rahmen der Literatur verkörpert wurde, bevor es die Hypertexte »in electronic form« gab. Dies erfordert eine Untersuchung der Rahmungsstrategien der Quasi-Hypertexte von einst im Horizont heutiger, elektronischer Hypertextualität.
Im Anschluss an Foucault könnte man sagen, dass die Funktion 'Herausgeber' darin besteht, erster Leser und zweiter Autor eines Texts zu sein, dadurch Kohärenz zu stiften und dem Text einen Rahmen zu geben. Dies geschieht durch eine Reihe editorialer Tätigkeiten: erstens das sammelnde Zusammenlesen von Manuskripten, zweitens das arrangierende Zusammenstellen der Textteile (ein Vorgang, den man auch als Zusammenschreiben bezeichnen könnte); drittens das kommentierende Dazuschreiben, das sich auf den Text als ein Gewebe von Spuren bezieht. Mit dieser kommentierenden Bezugnahme auf den Text findet eine diskursive Rahmung statt, die sich häufig als Paratext manifestiert: als Fußnote, als Überschrift, als Marginalie, als Inhaltsverzeichnis oder als Index der erwähnten Namen und behandelten Themen. Dergestalt etabliert das kommentierende Dazuschreiben des Herausgebers – und zwar gleichgültig, ob es sich um einen fiktionalen oder einen faktualen Herausgeber handelt – ein zweites Netz editorialer Indices, die vom Rande her wie mit Zeigefingern auf den Text verweisen.
Suchen Sie auch den Schlüssel zum besseren Verständnis von Mythologie, Kunst und Literatur? Dann sollten Sie das Weltbild des Impurismus studieren. Es wird Ihnen die Augen öffnen für bislang hermetische Zusammenhänge, und Sie werden erkennen, was der Chorus mysticus (Faust II Ende) meint, wenn er sagt: "Alles Vergängliche Ist nur ein Gleichnis." Erde und Himmel, alles Materielle und alle Geistgebilde, der Kosmos und alle Lebewesen --- ein Gleichnis wofür? Wenn Sie die Antwort finden, werden Sie verstehen, warum die Wissenden unsere Kulturszene dominieren. Sie brauchen keine Forschungsnische zu suchen, wenn Sie das weite Feld des Impurismus mit Literatur- und Sprachwissenschaft beackern; denn "Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts" (Hamann: Aestetica in nuce).
Impurismus ist eine uralte Weltanschauung und eine alte Poetik. Beides habe ich in meinem Buch von 2007 Illustrierte Poetik des Impurismus ausführlich dargestellt. Da ich mich nicht wiederholen will, kann ich die umfangreichen Funde zum Thema hier nicht erneut vortragen. Andererseits soll der Leser dieser Fortsetzung nicht ganz unvorbereitet in die Materie einsteigen. Deshalb will ich einige nackte Fakten als Erinnerung hier zusammenstellen, muß aber doch dringend auf die anschaulichen Grundlagen in dem genannten Buch verweisen, sonst verschreckt die in aller Kürze vorgetragene Ungeheuerlichkeit der ganzen Entdeckung manchen willigen Leser. ...
Das Spiel ist aus
(2007)
Dieser bekannte Titel (ein Drama von Sartre / ein Gedicht von Bachmann) soll hier mit neuem Inhalt gefüllt werden, zunächst mit "Impurismus" als einer spielerischen Verschlüsselung von Literatur, dann mit Hinweisen auf das planmäßige Verdummungsspiel, das die Eingeweihten mit ihren an Kunst interessierten Mitbürgern treiben.
Der Impurismus ist eine literarische Strömung, die durch Jahrtausende geht, ein geistreiches, planvolles Spiel zur Produktion von hermetischer Literatur über ein tabuisiertes Thema (Sex). Zu dieser "littérature impure" gehört ein Geheimnis aus dem Urwissen der ältesten Kulturen, aus einer Zeit, in der Philosophie, Theologie und Kosmologie noch eins waren. Das alte Wissen wurde in den Bereichen konserviert, die bis heute von der konventionellen Wissenschaft als "esoterisch" ausgegrenzt werden (Astrologie, Kabbala, Tarot). Viele Autoren aber verschlüsseln ihre Texte mit der alten Lehre und verstecken sie hinter einer religiösen, spielerisch-humoristischen oder sozialkritisch engagierten Maske. Deshalb bleiben viele Texte trotz Interpretation hermetisch, besonders solche in der "Weltsprache der modernen Poesie" (Enzensberger). Eine neue Methode der literarischen Analyse (mit 57 Varianten der planvollen Verfremdung von Wörtern) kann die impuristische Literatur dekodieren. Dazu gehört als Raumordnung das alte "Weltbild der Windmühle". Dieses Literaturspiel wird als sublime Kulturtätigkeit aufgedeckt. Die Einzelseiten dieser Homepage können nur einige Einblicke in schwierige Zusammenhänge geben, die im langsamen Vortrag des Buches leichter zu verstehen sind. Auf beiden Wegen muß man sich Zeit nehmen und am besten einen philosophischen Wissenshunger mitbringen.
Der Workshop "Nationale Spezifika und internationale Aspekte in der Wissenschaftsentwicklung – unter besonderer Berücksichtigung der Narratologie" soll, so die Organisatoren in ihrer Einladung – "Gelegenheit bieten, Bedingungen und Möglichkeiten integrativer Ansätze zur Untersuchung von Wissenschaftsprozessen zu diskutieren und wichtige Faktoren der Wissenschaftsentwicklung zu benennen und kritisch zu beleuchten." Die Produktion, Distribution und Rezeption von Wissenssystemen vollziehe sich, schreiben die Organisatoren, "in unterschiedlichen nationalen und internationalen sozialen Räumen, die sowohl die Form als auch den kognitiven Gehalt von Theorien mitunter stark mitstrukturieren, ihre Durchsetzung begünstigen oder behindern. Das wird besonders deutlich, wenn man Transferprozesse von Theorien verfolgt." Den Begriff des Wissenstransfers, der hier in Anschlag gebracht wird, möchte ich in meinem Beitrag einer terminologischen Klärung zuführen. Dazu möchte ich zunächst einige terminologische Überlegungen über den Status der Teilbegriffe anstellen, aus denen der Begriff zusammengesetzt ist (I.), dann die Verwendung des Begriffs in verschiedenen disziplinären Kontexten beobachten (II.) und schließlich einen Vorschlag für eine differenzierte Verwendung des Begriffs als Analysekategorie der Wissenschaftsentwicklung machen (III).
Aus dem Leben das Werk und aus dem Werk das Leben zu verstehen, lautet die Devise. Das Leben lässt sich deshalb aus dem Werk verstehen, weil auch und gerade das Werk, wie Peter Szondi Schleiermacher referiert, „aktive, aktuelle Äußerung des Lebens“ ist. Gerade dort, wo es Werk wurde, war das Leben wirklich Leben im Sinne Schleiermachers „hervorbrechendem Lebensmoment“ […], also bezeichnend für den Autor als Individuum und nicht gleichgültig allgemein. Aus der Menge der Erlebnisse eines Lebens gelten also nur die als wichtig, die es wert sind, in die Welt der Dichtung einzugehen. So kann der Interpret bei seiner Arbeit gar nicht fehlgehen, da am Leben des Autors nur das von ‘bleibender Bedeutung’ ist, was vom Werk ‘abgespiegelt’ wird. Im Zirkel zwischen Leben und Werk, Wahrheit und Dichtung bleibt dann nichts mehr übrig, das zum wechselseitigen Verstehen nichts beitrüge – alles andere wird aus der hermeneutischen Lektüre ausgeschlossen. Ich möchte nun diesem hermeneutischen Zirkel bei der Arbeit zusehen, um seine ungeheure Produktivität und seine Grenzen zu erkunden. Dazu greife ich aus der deutsche Literaturgeschichte einen Fall heraus, der besonders geeignet ist, die selbstverständliche Annahme eines Zusammenhang von Leben und Werk bei der Produktion wie der Rezeption von Texten vorzuführen und zu irritieren[:] Der Fall George Forestier.
Wenn es Aufgabe der Literaturwissenschaft ist zu erforschen, „in welchem Maße Literaturen an den Kämpfen um kulturelle Hegemonie beteiligt sind“ (Kirsch), so gilt das besonders für historische Romane, die nationale oder regionale Geschichte rekonstruieren. Solche Romane schreiben entweder die Opposition von Siegern und Besiegten fest oder stellen Geschichte als shared history der beteiligten Akteure dar. Auch innerhalb Europas gibt es Kultur- und Sprachräume, die die letzten Jahrhunderte im Status kolonialer Abhängigkeit verbracht haben und über diese langen Zeiträume hinweg kulturellen Hybridisierungsprozessen ausgesetzt waren. Eine solche Erfahrung hat die Mittelmeerinsel Sardinien zutiefst geprägt; Sardinien ist „eine der ältesten und dauerhaftesten Kolonien der Welt“ (Day). Die heutige sardische Literatur trägt daher alle Züge einer postkolonialen Literatur. Sie präsentiert sich als kulturelles und sprachliches patchwork, als individuelle und kollektive Suche nach dem, was sardische Identität nach dem Durchgang durch den Kolonisationsprozeß ist und sein kann, als Basteln einer imagined community im Zeitalter von Massentourismus und Globalisierung. Mit Sergio Atzeni ist ein Autor angesprochen, der es bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1995 als seine Aufgabe angesehen hat, Sardiniens Geschichte(n) Schriftform zu geben.
Ein Vordenker, der in der internationalen Diskussion um « cultural translation » so gut wie nie diskutiert wird, ist Antonio Gramsci. Der Philosoph aus Sardinien, von Kindes Tagen an in Zweisprachigkeit (Sardisch-Italienisch) geübt, hat ein feines Sensorium für kulturelle Differenzen ausgebildet. In seinen Gefängnisjahren übersetzt er – als intellektuelles Training – aus dem Russischen und dem Deutschen ins Italienische, und in den Gefängnisheften setzt er sich wiederholt mit dem Begriff der traducibilità (Übersetzbarkeit) auseinander: Übersetzbarkeit von Sprachen, aber auch von Kulturen. Der Artikel geht den Linien nach, die von Gramscis Überlegungen zu der aktuellen Diskussion gezogen werden können, und diskutiert am Ende vergleichend die Positionen Homi K. Bhabhas und Gayatri Spivaks.
Bisherige Untersuchungen über die Religiosität des Dichters Rainer Maria Rilke zeigen zwei stark divergierende Ergebnisse: Während der Religionspädagoge Anton Bucher auf der Basis einer strukturgenetischen Analyse Rilkescher Schriften zu dem Schluss kommt, Rilke sei eine sehr reife religiöse Persönlichkeit gewesen, sieht der Literaturwissenschaftler Eudo C. Mason, der mit psychodynamischen Kriterien arbeitet, in Rilke einen reinen Narzissten und Atheisten. Die folgende Untersuchung vergleicht diese beiden Zugänge und versucht, eine Brücke zu schlagen zwischen dem "religiös reifen Rilke" und dem "atheistisch-narzisstischen Rilke".
This article has the objective to focus on the effects of globalization on the field of activity of the translators. With a historical overview covering the period from the Antique up to the present it is aimed to reveal that the emphasis on the translational demands were connected to the specific needs of that term. This analysis will show that the need for technical translation has increased. Based on this framework the effectivity of modern technical aids, which may be used with the purpose of accomplishing the translation of technical texts, is dealt with.
An keinem anderen fallenden Objekt der Natur scheint sich die Literatur so ausgelassen zu haben wie am Wasserfall. Die Reisenden des 18. Jahrhunderts waren vom fallenden Wasser so beeindruckt, dass sie in quasi-religiöser Ehrfurcht erstarrten. Der Fall der Twin Towers am 11. September 2001 hat die Welt in seiner Apokalyptik so stark erschüttert wie schon lange nichts mehr. Das Ereignis hat tausende von Menschen an die Bildschirme gefesselt und die Zuschauer versteinert. Meines Erachtens ist es der Fall an sich, der die Naturbetrachtung um 1800 und die Ereignisse vom 11. September verbindet. Denn in diesem Fall kreuzen sich auf merkwürdige Weise der ästhetische und der politische Diskurs. Die beiden Fälle als Zentrum des Diskurses verhindern nicht nur durch die strukturelle Gewalt, die von ihnen ausgeht, sondern auch durch ihre prinzipielle Unrepräsentierbarkeit jede ästhetische wie poetische Erkenntnis.
Unendlichkeit
(2001)
Es ist der Begriff der Kraft, durch den die Begriffe Oberfläche und Unendlichkeit eine erste gemeinsame Dimension gewinnen. Folgt man der Dialektik der Kraft in Hegels "Phänomenologie des Geistes", so ist jede Kraft mehr als ihre Äußerung, da jede Kraft ein innerer Überschuß über die zur Ursache gehörenden Wirkung ist. […] Vom Glauben an die Gegebenheit und Abgeschlossenheit von Dingen und Personen, von der Beruhigung an Form und Fassade des Gegenständlichen bleibt nichts mehr übrig, sobald deren Oberfläche als Schauseite der sie bevölkernden Kräfte erkannt wird. Weil die dingkonstitiuerenden und räumlichen Momente, obzwar in der Anschauung untrennbar, dennoch nicht identisch sind, dringt in das Verhältnis des Körpers zu seiner Grenze etwas zweifach Unbegrenztes ein, das sämtliche Eigenschaften (Oberflächenbeschaffenheit, Härtegrad, Gewicht, Farbe, Klanglichkeit) in seine permanente Veränderlichkeit hineinzieht. Einmal, insofern die Grenze die äußere Umschlagszone bildet, an der sich alle möglichen Austauschprozesse des Körpers mit seiner Umgebung vollziehen, zum zweiten als infiniter, indefiniter Zustand des Körpers selbst, was seiner Präsenz den Charakter bloßer Vorhandenheit nimmt und ihm seine Unendlichkeit zurückgibt. [...] Die nachfolgenden Ausführungen zum Begriff der Unendlichkeit summieren sich nicht. Als geregelte Variationen, als freie Fügungen einer ausgegliederten Mitte unterstehen sie keiner Einheit, die ihre Zusammenfassung bereits vorgängig leitet, so wenig wie sie Resultate zu bieten haben. Nur eine Spielregel: Um den ‚Grand ouvert‘ der Oberfläche zu gewinnen, ist der höchste Trumpf schnell aus der Hand zu geben.
Even if translation has a long tradition within the conveyance of foreign languages, there has been a vehement discussion on its role since the 1970s – at least with respect to some languages, such as English. In the context of German as a foreign language this topic has been discussed only to some extent. With this in mind, the following article aims to examine the role of translation in the field of the German as a foreign language with specific focus on the advantages and limitations associated with its conveyance and the resultant consequences.
This study concentrates on the problems of subtitling, mainly focusing on compensating strategies in the context of its restrictions with respect to time and space. With the help of a corpus analysis, what kind of information is condensed in the subtitling and whether these reductions have a role on the reception of the film will be analysed with regard to the confrontation of 1119 translating segments.
This study examines the theory and practice of Kussmauls creative translating idea during the translating process of metaphors by Lakoff and Johnson. Creative translating could be functionalized for the process of literary translation. In this case it will be a vehicle for problem solving by the translation of the holistically metaphors defined by Lakoff/Johnson. These kinds of metaphors determine our live and are significant points of the language we use every day. Mostly they are very important for the receptively understanding of literary language and aims of the author and his text.
Der folgende Text wählt sich ein Motto, das er methodisch nicht zu erfüllen scheint: Er sieht es ganz offensichtlich auf die Oberfläche ab; er versucht ihre Beschreibung. Doch indem er sich (im)materiell beschriebenen Oberflächen widmet, kehrt er – sich über seinen Gegenstand entfernend – wieder zur Maxime zurück. Im Nachvollzug dessen, was passiert, wenn Oberflächen be-schrieben werden und graphische Qualität gewinnen, will der Text auf die […] Phänomene des Nicht-Hinsehens, des Kommen-Lassens aufmerksam machen, bei denen man von Absichtslosigkeit sprechen könnte. Angesprochen sind damit Fragen sowohl nach dem Status von Oberflächen als nachgiebigem Untergrund, osmotischer Grenz- und stabiler Trägerfläche oder aber beschichtender Auflage als auch nach der Materialität und Dimensionalität der Schrift und ihrer Fläche. Mit beschriebenen Oberflächen sind sowohl solche des Schriftauftrags gemeint als auch – und diese sind hier besonders relevant – Schriftflächen, die ihre Literalität aus sich selbst heraus zu generieren scheinen. Der Begriff »Schriftflächen« fokussiert eine Überschneidung – das Flächigwerden der Schrift in der Verschriftlichung der Oberfläche, das Hervorbringen der Fläche aus der Schrift und der Schrift aus der Fläche. Während die materielle Spezifik des »Grundes« die Gestalt der Graphie wesentlich beeinflußt und sie sogar hervorbringt, konstituiert Schrift in ihrem jeweiligen Auftrag erst die Schriftfläche als Oberfläche, und zwar über ihre Funktion als graphematischer Bewegungsträger.
Pfeilzeichen sind im Alltag des postmodernen Menschen mindestens ebenso präsent, wie es die Pfeile im Leben unserer jagenden Vorfahren gewesen sein dürften. Sie übernehmen wichtige Funktionen bei der Orientierung im Raum, bei der Bedienung von Geräten und bei der Tradierung von Wissen. Pfeilzeichen finden sich draußen wie drinnen, in gedruckten wie in digitalen Medien, sie sind Bestandteile von Bildern, Texten und mathematischen Formeln und vermitteln in vielfältiger Weise zwischen Text, Bild und Zahl. Im Laufe der Zeit hat sich das Pfeilzeichen zu einer hochflexiblen Zeichenfamilie mit einem breiten Spektrum an Formen, Bedeutungen und Funktionen entwickelt. Diese "semiotische Karriere" des Pfeilzeichens möchten wir im folgenden Abschnitt an ausgewählten Beispielen aus Kunst, Literatur und Alltag nachzeichnen, um uns anschließend der erneuten Ausdifferenzierung des semiotischen Potenzials in den neuen Medien zuzuwenden. Die Pfeilzeichen dienen uns dabei als Beispiel, um drei Thesen über Prozesse semiotischen Wandels zu belegen: 1. Neue Zeichenfunktionen und -bedeutungen bilden sich stets auf der Basis bereits vorhandener Funktionen und Bedeutungen heraus. Dabei werden alte Bedeutungen in den seltensten Fällen ersetzt; vielmehr handelt es sich um Prozesse semiotischer Ausdifferenzierung, bei der "ältere" Funktionen und Bedeutungen mit verändertem Stellenwert erhalten bleiben. 2. Die Ausdifferenzierung erhöht die potenzielle Ambiguität von Zeichen und Zeichenkomplexen, sodass deren Interpretation den Zeichenbenutzern immer mehr abverlangt. Gerade am Beispiel der Pfeilzeichen lässt sich sehr gut zeigen, dass deren Funktion und Bedeutung in hohem Maße kontext- und mediengebunden ist und in neuen Medien oft neu erlernt werden muss. 3. Grundlegend für die semiotische Ausdifferenzierung des Pfeilzeichens ist der Stellenwert des Pfeils in einem komplexen Handlungsrahmen, auf den wir mit dem Ausdruck "Pfeil-Szenario" Bezug nehmen. Darin dient der Pfeil als Geschoss einer Waffe, z. B. eines Pfeil-Bogens, seltener auch einer Armbrust oder eines Blasrohrs. Der Pfeil ist ein Element der gesamten Waffe, die sich aus Pfeilspitze, Schaft, Federn (und Ritze) zusammensetzt.
"Sprachgitter" ist eines der Gedichte Paul Celans, das in der Philologie der letzten fünfzig Jahre am extensivsten diskutiert, kommentiert und interpretiert wurde. Dabei wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass das Wort 'Sprachgitter' (wie auch das Gedicht dieses Titels) für Celan eine wesentliche poetologische Dimension habe […]. Celan räumt […] ein, dass der Titel "zweifellos ambi-; ja polyvalent" sei und außerdem "etwas verdammt 'Poetisches'" habe […]. "Ich sage mir aber gleichzeitig, daß mir in 'Sprachgitter' auch das Existenzielle, die Schwierigkeit alles (Zueinander-)Sprechens und zugleich dessen Struktur mitspricht (vgl. 'Raumgitter'), damit ist das zunächst amphibisch anmutende wieder zurück gedrängt". Die Doppelbödigkeit dieses Satzes betont die Radikalisierung des Begriffs von Sprache, der mit dem Wort 'Sprachgitter' verbunden ist; so lässt sich der Satz zum einen in drei konsekutiven Elementen konstruieren, zum anderen aber kann "die Schwierigkeit alles (Zueinander-) Sprechens" als Umschreibung für "das Existenzielle" schlechthin gedeutet werden, womit dieses 'Existenzielle' nicht allein als sprachlich verfasstes charakterisiert, sondern zugleich wesentlich mit dem Problem der Begegnung, der Trennung und der Grenze zusammengedacht wäre. An dieser poetologischen Bemerkung wird zudem deutlich, dass sie nicht allein nach einer 'literarischen Form' – dem 'Gedicht' – fragt noch lediglich nach dem 'Einzelfall' eines Gedichts mit dem Titel "Sprachgitter", sondern sich – ausgehend vom Gedicht – auch der Frage nach der Sprache überhaupt zuwendet.
Since the late 1950's Paul Celan has been deeply interested in scientific questions in regard to history and society as well as in the terminology of scientific language. Therefore, since the publication of “Sprachgitter” up to “Schneepart”, many of his poems include terms out of texts that deal with topics as different as geology, biology, astronomy, nuclear physics, and medicine. This essay addresses the problem of this form of adaptation by a close reading of Celan's poem »In der Blasenkammer« (published in 1970). Celan's poems turn against any notion of ›communicative functionality‹ of language; especially the languages of the sciences are here a prominent challenge because of their claim to be semantically objective. So the mentioned adaptation is a serious problem indeed, because the turning of scientific terms into words of poetry does not imply that these terms are simply transferred from one determined semantic context into another. It is rather the question of semantics itself that is at stake. So it has to be stressed that Celan does neither intend to equip scientific terms with ›poetical connotations‹ nor does he turn them into simple metaphors nor poetic or metapoetic concepts. His poems rather deal with the dispensation of semantics and metaphoricity – the language of these poems is a language of abundance and privation at the same time.
Wie im Vorwort zur Plurale-Ausgabe # 1 angemerkt, scheint die „Bewegung des Falls […] prototypisch für Phänomene des Kontrollverlustes, des ungeregelten Heraustretens aus realen und symbolischen Ordnungen zu stehen.“ Diese Einschätzung möchte ich am Beispiel einiger netzkünstlerischer Werke hinterfragen. Wie das angeführte Zitat nahe legt, wird die Bewegung des Falls wesentlich durch das Moment des „ungeregelten Heraustretens“ aus einer Ordnung bestimmt. Daher kommt es mir vor allem darauf an, nach den Bedingungen der Möglichkeit einer Zuschreibung von Ordnung bzw. Unordnung zu fragen. […] Die folgenden Ausführungen greifen auf Arbeiten zur Ästhetik der Netzkunst zurück. Ihre Werke zeichnen sich durch eine spezifischen Oberflächlichkeit aus, die mit ihren technischen und technologischen Bedingungen zusammenhängt. Aufgrund dieser Kontextualisierung spielt in der Netzkunst die Frage nach der ästhetischen Qualität von Störungen eine wesentliche Rolle. Die Dysfunktionalität von Software wird häufig zum Thema künstlerischen Schaffens gewählt. Netzkunstwerke stehen als Produkte eines auf Geordnetheit ausgerichteten Verlaufs – den formatierten bzw. programmierten Web-Seiten – mit der Relationalität von Ordnung und Nicht-Ordnung in Verbindung. Aus diesem Grunde bieten sich Netzkunstwerke für eine Analyse der Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit einer Zuschreibung von Ordnung bzw. Unordnung an. In besonderer Weise laden einige Werke der Gruppen Jodi und 0100101110101101.org dazu ein, sich gemäß dem formulierten Erkenntnisinteresse mit ihnen auseinanderzusetzen.
Dem Namen kommt in der menschlichen und gesellschaftlichen Rede eine grundlegende, konstitutive Bedeutung zu: Es ist der Name, der sowohl die je spezifische Eigenheit seines Trägers indiziert als auch seine Stellung und seine Beziehungen zu anderen im Bereich des Sozialen allererst definiert. Diese in doppelter Hinsicht begründende Rolle des Namens haben, aus einer philosophischen bzw. kulturwissenschaftlichen Sicht, in neuerer Zeit vor allem die Untersuchungen von Tilman Borsche und Matthias Waltz dargelegt. Während Borsche aus philosophischer Sicht die erzeugende, die Gegenstände des Erkennens, Denkens und Sprechens hervorbringende und bestimmende Kraft des Namens betont, gilt Waltz’ Augenmerk demgegenüber stärker der gesellschaftlichen und institutionellen Wirkungsweise des Namens: Dabei hält er die Rolle der Namen für so grundlegend, dass sie – über eine bloß nachträgliche Beschreibung des Gegebenen weit hinaus gehend – Kategorisierungen hervorbringen, die die Formen unseres gesellschaftlichen Sprechens und Handelns weitreichend bestimmen. [...] Eigennamen erweisen sich als Kristallisationspunkte sui generis in Prozessen kultureller Bedeutungsstiftung und fungieren als Möglichkeit der Selbstverortung, Selbstreflexion sowie Fremdwahrnehmung. Die ausgewählten literarischen Textbeispiele reflektieren eindringlich die kulturelle Relevanz der Eigennamen und verdeutlichen zugleich ihre Bedeutung als Gegenstände kulturwissenschaftlicher Forschungen.
Als Hartmann von Aue vor gut 800 Jahren seine Version der Gregoriuslegende niederschrieb, mag ihm der Ödipusmythos bekannt gewesen sein, aus der Perspektive eines mittelalterlichen Gelehrten war dieser jedoch ein Überbleibsel aus einer vorchristlichen und damit gottesfernen Zeit und eher über den Umweg der christlichen Allegorese interessant. Wahrscheinlicher ist es hingegen, dass für ihn die Legende vom heiligen Papst eine historisch wahre, die Allmacht Gottes unter Beweis stellende Geschichte war. Thomas Mann versteht Hartmanns Gregorius hingegen in Folge seiner Beschäftigung mit den mythologischen Ursprüngen der europäischen Kultur als Variante des Ödipusdramas Sophokles’ und versucht in dem Erwählten die antiken Quellen zum einen auf einer literaturhistorischen Ebene freizulegen, zum anderen jedoch auch im Rahmen der psychoanalytischen Theorie zu interpretieren. Im Folgenden wird diesem Interpretationsansatz anhand der Differenzen der Textfassungen nachgegangen, um die Frage zu erörtern, welche Elemente des Ödipusmythos Thomas Mann aus der Gregoriuslegende herausgearbeitet hat. ...
Sprachen, Epochen und Gattungen stellt die Literaturwissenschaften immer wieder vor die Frage, wie sie diese Entwicklung mitgestalten und zu ihrem Vorteil nutzen können. Dabei ist digital nicht gleich digital, sondern es existiert eine Vielzahl sehr unterschiedlicher, digitaler Repräsentationsformen von Text. Nur wenige dieser Repräsentationsformen werden literaturwissenschaftlichen Anforderungen tatsächlich gerecht, darunter diejenige, die den Richtlinien der Text Encoding Initiative folgt. Der vorliegende Beitrag vergleicht zunächst einige derzeit gängige digitale Repräsentationsformen von Text. Für literaturwissenschaftliche Forschung besonders geeignet erweist sich hierbei eine Repräsentationsform, die den Richtlinien der Text Encoding Initiative folgt. Daher informiert der Beitrag anschließend über deren Nutzen für die literaturwissenschaftliche Arbeit, sowohl im Bereich der wissenschaftlichen Textedition als auch im Bereich der Analyse und Interpretation von Texten. Nur wenn die Literaturwissenschaften in ihrer Breite den Nutzen von offenen, expressiven, flexiblen und standardisierten, langfristig nutzbaren Formaten für die Forschung erkennen, können sie sich mit dem erforderlichen Nachdruck für deren Verbreitung einsetzen und durch die zunehmende Verfügbarkeit von Texten in solchen Formaten für die eigene Forschung und Lehre davon profitieren.
Aus postkolonialer Perspektive gilt der Exotismus im Anschluss an Edward Said als die spezifische Ästhetik des Imperialismus, als Projektion westlicher Wunschphantasien, als ästhetische Ausbeutung des Fremden im Imperium der westlichen Kulturproduktion. Von einem „Ausstieg aus dem kolonialen Syndrom“, mithin von Postkolonialismus, könne man erst sprechen, wenn die diskursive Strategie des Exotismus nicht mehr funktioniere. Die einschlägigen literaturwissenschaftlichen Nachschlagewerke erklären, dass der Begriff Exotismus als Entlehnung aus dem Französischen zu Beginn des 20. ahrhunderts Eingang in die deutsche Sprache gefunden habe. Gerhart Pickerodt verweist im Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft auf „früheste bekannte Belege“ bei dem österreichischen Expressionisten Robert Müller aus dem Jahr 1914.
[D]ieser Veranstaltungstyp [wurde] 1996 etabliert […] und die komparatistisch angelegte Konferenz der Abteilung 2012 [wird] nunmehr zum 17. Mal in Folge ausgerichtet […]. Über den Kreis der 15 Referenten hinaus war sie mit etwa 120 aktiv mitdiskutierenden Teilnehmern gut besucht. Thematisch orientiert sich die Konferenz jeweils an einem Semesterkurs, den die Studierenden der am Department angebotenen Master‐Studiengänge (Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch) durchlaufen.
Around 1800, aesthetic debate suddenly places music at the very top in the hierarchy of the arts, even superseding poetry: This has become a commonplace not only in scholarly discourse. The protagonists of this re-arrangement of the artistic disciplines are Wilhelm Heinrich Wackenroder, E.T.A. Hoffmann and Ludwig Tieck. In their programmatic texts, they state that music is to be free and absolute and stress its metaphysical quality and its close relation to the supernatural. Furthermore, music is supposed to be no longer dependent on the other arts, and music releases the listener or the musician from prosaic everyday life. As Wackenroder writes in Die Wunder der Tonkunst, […] [a]ll sickening thoughts which, according to Wackenroder, are the illness of mankind vanish with a piece of music, making our mind sane again. Literary romanticism here recurs to a long tradition that reaches back to the classical ages in Greece and Arabia: Music is used as a remedy for curing illnesses of various kinds. In classical antiquity, Apollo is the god of music, poetry and dancing as well as the god of healing. He was also named “Iatros” (physician) or Apollo Medicus. […] Orpheus as a bard and demigod was also said to be capable of curing diseases by means of his music. […] Thus, music in history is part of treating physical illness on the one hand, but on the other hand is more and more considered to provide a remedy especially for mental deficiencies. Music is meant to improve nervous disorders and sometimes it is even prescribed as a regular medicine. As we will see in Hoffmann’s text Die Genesung, there is a connection between the ritual healing processes in the temples of Aesculapius and the setting of the forest in which the old man regains his health.
In seiner Vorlesungsreihe zu den Anormalen rekonstruiert Foucault die Genealogie des Anormalen-Diskurses, wie er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts emergierte. Damals formierte sich „die unbestimmte und verworrene große Familie der ‚Anormalen‘“ (421); eine Familie, deren Stammbaum nach drei Stämmen aufgeteilt werden kann: nach den Genealogien des Monsters, des Korrektionsbedürftigen und des Onanisten. Unser Vorlesungsausschnitt (124-142) nun gehört zum Versuch der historischen Rekonstruktion des Monsterdiskurses.
Die poetische Evokation von Strömen und Flüssen, die als Verkehrswege verschiedene Länder und Sprachgemeinschaften untereinander verbinden, erinnert an die poetische Utopie grenzüberschreitend-universaler Kommunikation. Dem Bildfeld um Wasserläufe und Wasserwege affin ist das Bild der Quelle, die zudem für Ursprünglichkeit, Lebendigkeit, Erneuerung steht. Insofern enthält bereits der Titel des (im folgenden vorzustellenden) poetischen Projekts, mit dem Schuldt und Robert Kelly an Hölderlin anknüpfen, in nuce ein poetisch-utopisches Programm. Zudem fällt der Name eines Flusses, der einem Vielvölkerstaat seinen Namen gab: "Am Quell der Donau / Unquell the dawn now" […]. Mit dem zweiten Teil des Titels, der sich als klang-analoge, wenngleich semantisch inäquivalente Übersetzung des ersten versteht ("Unquell the dawn now"), kommt zugleich die nicht minder symbolträchtige Übergangszeit der Dämmerung ins Spiel – einer von vielen merkwürdigen sprachklanglich bedingten Zufällen, deren Erkundung sich dieses Projekt verschreibt. Schon der bilinguale Titel vollzieht eine Grenzüberschreitung – nicht nur zwischen der deutschen und der englischen Sprache, sondern auch zwischen 'Eigenem' und 'Fremdem'. Denn der erste (deutsche) Teil ist Zitat. Friedrich Hölderlin, der in seinem lyrischen Werk die Ströme Europas besungen und dabei eine komplexe symbolische Topographie entfaltet hat […], liefert die "Quelle", von der aus der bilinguale Sprach-Fluß seinen Ausgang nimmt.
The Book as a landscape
(2007)
There is a long tradition of regarding landscapes as texts and texts as landscapes. Characterizing visually experienced nature as a text implies stressing its meaningfulness, its character as a message or an expression. According to an old metaphor that was highly esteemed in medieval Christian culture as well as in early modem science, nature itself is a divine message addressed to mankind, analogously to the holy scriptures, revealing the will of God as the superior "author" to those who are able to decipher the signs. As a consequence of the process of secularization, art gains authority over the signs of nature, and it is the artist who creates messages by composing the elements of the visual world. The idea of interpreting texts as landscapes seems less evident at the first moment; it implies the notion of texts and landscapes as artificial products which depend on an individual human subject's intentions.
Die Moderne ist durch die Intensität ihrer Auseinandersetzung mit dem Schweigen charakterisiert. Aber auch frühere Zeiten interessierten sich für das Schweigen, man sprach und erzählte von ihm, setzte es rhetorisch ein, verstand es (oder meinte es zu verstehen), kommentierte es, bediente sich sogar einer elaborierten Topik des Schweigens […].Doch mit der Moderne kommt es zu tiefgreifenden Verschiebungen in der Konstellation von Sprache und Schweigen. […] Zum einen gewinnt das Schweigen selbst neue Bedeutungsdimensionen, […] vor allem in seiner Eigenschaft als Hinweis auf all das, was jenseits der Grenzen der Wörter und des Sagbaren liegt. Zum anderen modifizieren und erweitern sich die Formen, in denen das Schweigen in die literarischen Werke einbezogen wird. Neben vielfältigen Thematisierungen, expliziten Beschreibungen und Interpretationen des Schweigens stehen Formen der Evokation und der Inszenierung des Schweigens durch die Strukturen der Texte selbst - Experimente, welche es darauf anlegen, das Schweigen gleichsam gestisch in literarische Prozesse einzubeziehen und durch Strategien der Textgestaltung zu konkretisieren. Auf dem weiten Feld solcher Experimente mit ästhetischen Manifestationsmöglichkeiten der Stille, der Lautlosigkeit, der Nicht-Artikulation berühren sich die Interessen moderner Literatur und Musik. Aber auch die bildende Kunst beteiligt sich am Großprojekt einer Evokation, Reflexion und Semantisierung des Schweigens.
Auch wenn das Stichwort Globalisierung zunächst am ehesten die Assoziationsfelder Weltwirtschaft und Weltpolitik, Ökologie und Kommunikationstechnologie aufruft, so provozieren doch einige der fundamentalen Beschreibungskategorien dessen, was unter dem Begriff Globalisierung zusammengefaßt wird, zur Frage nach ihrer Anschlußfähigkeit an den literaturwissenschaftlichen Diskurs. Dies gilt vor allem für die Kategorien der Entgrenzung und Virtualisierung, ferner für die Interpretation von Globalisierungsprozessen als Prozesse der Dehierarchisierung, der umfassenden Vernetzung, der Entwicklung eines neuen und flexiblen, in unablässiger Transformation begriffenen Raumbewußtseins, […] sowie insbesondere für die Stichworte Internationalität und Interkulturalität.
Die Wüste ist seit der Antike mit vielerlei Konnotationen besetzt. Bis in die Gegenwart hinein macht sich die Literatur dies zunutze, aktualisiert und transformiert konnotative und metaphorische Potentiale dieses zugleich beklemmenden und faszinierenden Geländes. […] [Es] läßt sich […] der Befund erheben, daß die Wüste ein grundsätzlich ambivalenter Ort ist – was förmlich zu der These herausfordert, daß ihre Bedeutung für die poetische Autoreflexion nicht zuletzt auf solcher Ambivalenz beruht. Die Ambivalenz betrifft erstens die Situation dessen, der sich als Reisender in die Wüste begibt, und der einerseits die Erfahrung des Ausgesetztseins, andererseits aber auch die einer nahezu unerschöpflichen Freiheit machen mag, dem einerseits der Tod droht, der andererseits für die Entbehrungen seiner Reise aber mit Visionen entschädigt wird, welche in der Alltagswelt nicht denkbar gewesen wären. Sie betrifft zweitens die Einschätzung dessen, der selbst zum dauerhaften Wüstenbewohner geworden ist und einerseits als Wahnsinniger, andererseits als Visionär erscheint. Drittens dann sind auch, die Wesen und Erscheinungen, denen der Mensch – sei er ein […] Reisender, sei er ein hier lebender Eremit – in der Einöde begegnet, von tiefer Zweideutigkeit: Die Wüste als der Ort, wo Gottes Wort vernehmlich werden mag, ist zugleich Tummelplatz der Dämonen. Schließlich kann die Wüste sowohl als Ort des Ursprungs wie auch als Endprodukt eines ruinösen Geschichtsverlaufs ausgelegt werden.
Zur Einleitung
(2000)
Das »Labyrinth« […] ist von hochgradiger Aktualität für Prozesse der Selbstbeschreibung des Menschen als handelndes, produzierendes und denkendes Wesen. Es bedarf jedoch, wenn Unklarheiten vermieden werden sollen, bei der Rede von Labyrinthen der Verständigung darüber, welcher Strukturtypus damit gemeint ist. Es bedarf ferner einer zumindest groben Verständigung über die Perspektive, aus der das »Labyrinth« betrachtet, erlebt, erfahren wird (Dädalus, Theseus, Minotaurus), oder über die Kombination von Perspektiven. Einer nicht weiter begründbaren Vorentscheidung unterliegt die Beantwortung der Frage, ob man zu jedem Labyrinth einen Dädalus als Konstrukteur hinzudenken muß. Offen ist auch die Frage, ob man es zulassen oder gar fordern soll, ein »Außen« des Labyrinths zu denken. Der Denkansatz, demzufolge alle Labyrinthe zumindest prinzipiell durchschaubare und gedanklich rekonstruierbare Strukturen sind, ist grundlegend verschieden von einem Denken, das den Menschen ausschließlich innerhalb des Labyrinths verortet und ihm die Möglichkeit eines Heraustretens abspricht, weil es kein Außen gibt.
Die […] Umdeutung der Beziehung zwischen Subjekt und "Wirklichkeit" […] konvergiert mit zentralen Anliegen der Ästhetik und Poetik. Eine zentrale Rolle spielen in diesem Kontext die theoretischen Konzepte von Einbildungskraft […]; diese wird im Lauf des 18. Jahrhunderts in ihrer Bedeutung stark aufgewertet, wird nicht allein zum zentralen poetischen Vermögen, sondern […] zum Organon der Erfassung und Deutung von Wirklichkeit. […] Der Prozeß dieser Wandlung soll […] an Beispielen literarischer Auseinandersetzung mit malerischer Darstellung von Landschaft illustriert werden. Leitend wird dabei die Hypothese sein, daß die Literatur, wo sie über die malerische Realisation spricht und den […] Anspruch des Mediums Malerei ernst nimmt, zugleich über sich selbst spricht […]. Landschaft ist ein Sujet, an dem die transzendentale Dimension ästhetischer Darstellung besonders nachdrücklich erörtern läßt. Landschaft "gibt" es nicht einfach; sie ist vielmehr seit jeher eine Funktion ihrer Darstellungen […]. Wenn Landschafts-Darstellung in der Malerei als ein Etwas-als-etwas-Sehenlassen charakterisiert werden kann, so reflektieren literarische Texte über malerische Landschaftsdarstellungen diesen Prozeß. Ihr Thema ist das Sehenlassen-als. (Dabei ist es zweitrangig […] ob es sich um die literarische Thematisierung realer oder imaginärer Gemälde handelt. Texte über Landschaftsdarstellungen sind also – insofern sie sich der "transzendentalen" Thematik zuwenden – zugleich autoreflexiv.)
Der Versuch, die Beziehung, oder vielmehr die vielfältigen Beziehungen zwischen der Welt der Texte und der Welt der Bilder zu erhellen, führt bald auf Fragen grundsätzlicher Natur, respektive […] zu antagonistischen Auffassungen: Besteht zwischen Texten und Bildern eine innere Analogie, eine wie auch immer geartete Entsprechung – oder kann eine solche zumindest bestehen? Existiert so etwas wie eine verbindende Tiefengrammatik von Text- und Bildphänomenen? Gibt es Gesetze oder doch Spielregeln der Repräsentation, welche beide "Welten" […] miteinander verbinden? Oder sind Texte und Bilder einander stattdessen unwiderruflich fremd? Haben sie sich womöglich […] als Konsequenz der Abkehr von logozentrischen Modellen der Weltauslegung voneinander entfremdet? Stehen sie einander auch dort, wo sie scheinbar und vordergründig ein gemeinsamer Gegenstand oder ein gemeinsames Thema verbindet, ja sogar dort, wo Texte sich ausdrücklich auf Bilder beziehen und Bilder sich Texten anlagern, unvermittelt und unvermittelbar gegenüber? Es ist keineswegs sicher, daß ein Text je sagen kann, was ein Bild zeigt, daß Worte Bilder und deren Gegenstände angemessen erklären, daß sie dazu beitragen können, uns Bilder besser verstehen oder gar besser sehen zu lassen. Umgekehrt darf und muß kritisch gefragt werden, inwiefern und unter welchen Bedingungen Bilder dabei helfen können, Worte und Texte zu verstehen.
In welchem Sinn haben Texte […] eine räumliche Dimension - in welchem Sinn können Texte Räume sein oder die »Durchsehung« (Dürer) in ein Dahinter erschließen? […] Die Frage, was die Rede von einer Räumlichkeit der Texte bedeuten könnte, scheint sinnvoller gestellt, wo und insofern es um das geht, wovon Texte sprechen, was sie »darstellen«, wovon sie »erzählen«, »berichten«, »handeln«, also in Bezug auf die (vom Leser imaginativ zu rekonstruierende) »Referenz« des Textes. Literarische Texte sprechen oft und ausführlich von Räumen. Vielfach handeln sie von deren Erkundung und Erschließung; vielfach beschreiben sie Räumliches. Die Eroberung von Räumen ist ein klassisches literarisches Thema. Manche Texte konzentrieren sich - zumindest streckenweise - sogar auf die Schilderung von Räumlichkeiten, von Interieurs, von Landschaftlichem, von städtischen oder ländlichen Topographien, von besonderen Orten und Schau-Plätzen. Die Protagonisten durchschreiten Gebäude, durchstreifen Landschaften, treiben sich in Räumlichkeiten aller Art herum - bis hinein in den Weltraum. Mit dem Befund, daß Räume in Texten »vorkommen«, ist allerdings die Frage nach der Räumlichkeit von Texten keineswegs schon abschließend beantwortet.
Subjekt und Sprache
(2003)
Kritiker der Subjektkonzeption im 20. Jahrhundert argumentieren vorzugsweise zeichen- und sprachtheoretisch. Entsprechend setzen Versuche zur Rehabilitation der Subjektkonzeption vorzugsweise bei Sprachlichem an. Zugleich mit der Frage nach dem Subjekt wird also mittelbar auch die nach der Sprache verhandelt. Die Krise des Subjekts ist zudem selbst ein sprachliches Ereignis. Denn ebenso wie die Selbst(er)findung des Subjekts als ein sprachliches Sich-Entwerfen zu denken ist, vollzieht sich die vermeintliche oder tatsächliche Demontage des Subjektiven im Medium des Wortes. Beide Vorgänge wirken sich auf die Sprache und ihre Benutzer – genauer: auf deren Einstellung zur Sprache – aus; Entwurf und Kritik von Subjektivität haben als sprachliche Ereignisse demnach performativen Charakter. Zwischen der Reflexion über das Subjekt und der über Sprache besteht zudem insofern eine Analogie, als es bezogen auf beide keine Möglichkeit zur Objektivierung und Distanzierung des Reflexionsobjekts gibt.
Jean Paul fordert […] von der Poesie, sie möge "die Wirklichkeit, die einen göttlichen Sinn haben muß, weder vernichten, noch wiederholen, sondern entziffern." […] Andere […] umschreiben die ästhetische Darstellung […] als eine Transkription, welche den Chiffrencharakter der natürlichen Erscheinungen unterstreiche und […] das Bewußtsein für deren verborgenen und verrätselten Sinn wach halte […]. Carl Gustav Carus bestimmt von hier aus das Wesen der Landschaftsmalerei. […] Indem an den Landschaftsmaler die Aufforderung ergeht, die Natur als Bedeutungsträgerin, als chiffrierten Ausdruck eines inneren Sinnes aufzufassen und darzustellen, kann Carus zum einen auf der engen Bindung der malerischen Darstellung an die natürlichen Erscheinungen insistieren, zum anderen aber die […] obsolet gewordene Idee einer bloßen Nachahmung der Natur hinter sich lassen. [...] Das Konzept von der Natur als Zeichenschrift hatte eine zentrale Rolle im Werk des […] Paracelsus gespielt […] Mikro- und Makrokosmos, menschliche und außermenschliche Welt; die verschiedenen Elemente und Lebewesen, Natur und Geschichte verweisen jeweils wechselseitig aufeinander. […] Ernst Bloch hat in seinen Leipziger Philosophie-Vorlesungen dieses Analogiedenken hervorgehoben – "Der Mensch ist die Welt im Kleinen, eine Abbreviatur des Kosmos, wie die Welt der Mensch im Großen, eine Elongatur des Menschen [...]" – und unter dem Titel "Entsprechung des Innen und des Außen" die Paracelsische Naturauffassung […] umrissen.
Maske - Verhüllung oder Offenbarung? : Einige Stichworte zur Semantik von Masken und Maskierungen
(2009)
Die Konnotationen, die an das Stichwort »Maske« geknüpft sind, stehen in Beziehung zu so komplexen Begriffen und Themen wie Identität und Rolle, Selbstentwurf und soziale Interaktion, Selbstdarstellung und Verstellung. Masken dienen geläufigen Vorstellungen zufolge unter anderem der Kommunikation mit dem Diesseits und mit der Transzendenz. Sie stehen aber auch für einen Raum zwischen Sein und Schein, Lebenswirklichkeit und ästhetischem Spiel. Sie übernehmen wichtige Funktionen in der Alltagspraxis wie auch in kultisch-rituellen Zusammenhängen. Entsprechend vielschichtig ist die Semantik von Masken und Maskierungen.
Innerhalb der Beschreibungen, insbesondere auch der Selbstbeschreibungen der Avantgarden kommt dem Wortfeld um »Fremde« eine Schlüsselstellung zu. Das Konzept der »Verfremdung« ist unter den ästhetisch relevanten Derivaten des Wortes »Fremde« zweifellos das prominenteste. Der Terminus »Verfremdung« kann sich sowohl auf das Medium der ästhetischen Gestaltung als auch auf die Gegenstände der Repräsentation beziehen; oft bezieht er sich auf beides zugleich, um anzuzeigen, dass Konventionsbrüche auf der Ebene der Darstellung als solcher eine unkonventionelle Auffassung des Dargestellten selbst erzeugen bzw. auf der Seite des Künstlers bezeugen. Verfremdung, so eine Leitidee, findet statt, um etwas bislang Unentdecktes zu zeigen, sei es am verwendeten Zeichensystem, dem neue Gestaltungsmöglichkeiten abgewonnen werden, sei es auch an der historisch-sozialen Wirklichkeit, auf die sich das ästhetische Gebilde bezieht – vor allem, um sie neu und anders wahrnehmbar werden zu lassen. Übersehenes sichtbar zu machen und »anders« zu sehen, impliziert Kritik an den Konventionen der Wahrnehmung, oft aber auch Kritik am Wahrgenommenen selbst, insofern sich dieses dem gewohnten Blick allzu unauffällig und harmlos darstellen mag.
Erst ausgehend von ihrer Erfindung in der bildenden Kunst hielt die Landschaft Einzug in die Literatur; literarische Landschaftsdarstellungen im engeren Sinn finden sich gegenüber malerischen Landschaftsdarstellungen erst mit deutlicher Verzögerung, wenngleich sie auch literarische Vorläufer haben. Was man unter Landschaften in der Literatur alles verstehen sollte, mag umstritten sein. In jedem Fall liegt es nahe, literarische Landschafts-Texte mit bildkünstlerischen Darstellungen zu vergleichen.
Wer das Wort ›Anfang‹ verwendet, dem das Grimmsche Wörterbuch schon in der Phase der kürzeren Artikel drei Spalten widmet, sollte mindestens in zweierlei Hinsicht differenzieren: Zum einen hinsichtlich der Frage, ob es um einen räumlichen oder einen zeitlichen Anfang geht, und zum anderen hinsichtlich des semantischen Unterschieds zwischen ›initium‹ und ›principium‹. Den Strukturen unseres Denkens gemäß suchen wir die ›Prinzipien‹ bei den zeitlichen ›Anfängen‹. Daher ist es schwer, beides zu entkoppeln, daher verbirgt sich hinter der Rede von zeitlichen Anfängen vielfach die von Gründen. »Im Anfang war das Wort«: Damit fängt nicht nur das Johannesevangelium an, sondern auch das Grimmsche Wörterbuch. Der Satz in Joh. 1,1 spricht über den Grund aller Gründe, nicht ›nur‹ über die Urgeschichte; bei den Brüdern Grimm ist er mehrdeutig: ein Zitat aus der logozentrischen Tradition und eine Devise für Philologen, bei der es allerdings ebenfalls um das Wort als ›Grund‹ geht, als Grundlage lexikographischer Arbeit nämlich – aber in dieser Eigenschaft ist kein absoluter Grund. Mit der Rede vom ›Anfangen‹ geht es oft um die Denkbarkeit absoluter Anfänge.
Mitte als Mittelpunkt oder mittlerer Bereich: Topologische Bedeutung – Mitte als zentraler Moment oder Zeitraum: Chronologische Bedeutung – Mitte als Mittelwert: ›Metrische‹ (quantitative) Bedeutung – Mitte als Balance oder Mittelweg: Qualitative, insbesondere ethische Bedeutung bezogen auf Haltungen, Verhaltensweisen und Prozesse – Mitte als Zentrum eines symbolischen Feldes, als Machtzentrum, als Zentrum des Geschehens: Politisch-soziologische Bedeutung – Mitte als ›Medium‹: Mediologische Bedeutung – Mittelwesen, Mittelzustände, Mischungen: Qualitative Bedeutung bezogen auf Beschaffenheiten und Verfassungen – Metaphorologie der Mitte: Zur Ununterscheidbarkeit von konkreter und symbolischer ›Mitte‹ – Die Mitte und die Philosophie – Ästhetische Konzepte der Mitte
Zur Einführung
(2001)
Dichter lügen. Das hat Platon gesagt, allerdings hat er es erstens nicht ganz so gesagt, und zweitens gibt seine eigene Vorliebe für Gleichnisse und fingierte Fallbeispiele ebenso zu denken wie seine gelegentlichen Rekurse auf Mythen, ganz zu schweigen von der Einkleidung seiner philosophischen Reflexionen in Dialoge, denen man heute ohne Bedenken das Prädikat »literarisch« beilegen würde. Aber er ist in die Geschichte der Poetik eingegangen als der, der gesagt haben soll, daß die Dichter lügen. Hans Blumenberg ist in die Geschichte der Poetik eingegangen als der, der gesagt hat, die gesamte Geschichte des Nachdenkens über Dichtung sei eine Auseinandersetzung mit dem Platonischen Vorwurf, daß die Dichter lögen. Das mag eine Vereinfachung sein, falsch ist es nicht. Der Lügen-Vorwurf sowie die Reaktionen, die Bekräftigungen, Richtigstellungen, Modifikationen und Nichtigkeitserklärungen, die er seit der Antike provoziert hat, waren seitdem Anstoß zum Nachdenken über das, was Literatur ist, und über ihre Beziehung zu dem, was als Wirklichkeit gilt. Die Ausgangsthese und die von ihr provozierten Reaktionen ergeben zusammen ein interessantes Feld von Behauptungen, die einander teilweise widersprechen.
Vorbemerkung
(2004)
Es gibt verschiedenste Engelstypen. Trotz intensiver scholastischer Bemühungen entziehen sie sich wohl der endgültigen Klassifikation. Entsprechende Rätsel gibt das Interesse an ihren Funktionen und ihrer Physiologie auf – eine Frage, die sich überhaupt nur angehen läßt, wenn man die Zeugnisse, welche von ihren sinnlichen Manifestationen sprechen […] und die Bilder, welche Engelserscheinungen darstellen, wie Dokumente behandelt, deren Informationsgehalt gleichrangig neben dem konventioneller historischer Quellen steht. Was spricht auch dagegen, ein tradiertes kulturelles Wissen, das in visueller und verbaler Form gespeichert ist, hinter eine mit den Mitteln der wissenschaftlichen Empirie erstellte Datensammlung zurückzustellen, wenn es um ein Grenzgebiet zwischen Sinnlichem und Transsinnlichem geht, angesichts dessen der Anspruch der Empirie, Verifizierbarkeit zu begründen, ohnehin mehr als fragwürdig erscheint? Phänomenologische Deskriptionen der Engel […] sind hinsichtlich ihrer methodologischen Prämissen mit der Geisterphotographie vergleichbar (und vielleicht, die ketzerische Spekulation sei gewagt, auch der Psychoanalyse); sie operieren mit den Mitteln wissenschaftlicher Datenerhebung auf prinzipiell ungesichertem, weil an sich unsichtbarem Territorium. Wenn sie denn auch kein gesichertes Wissen über Engel begründen mögen, so provozieren sie doch vielleicht zur Reflexion über das, was Wissen überhaupt ist, nach seinen Implikationen, Ansprüchen und Grenzen.
Mehrere Werke Christian Boltanskis zitieren das Arrangement der Photowand mit den Bildern von Familienangehörigen. Ein Beispiel dafür ist die Installation "Album de photos de la famille D. entre 1939 et 1964" (1971): Rund 180 Schwarzweiß-Familienaufnahmen aus dem Besitz von Boltanskis Freund Marcel Durand wurden abphotographiert, geordnet und ohne Kommentar aufgehängt. Doch wer diese Installation betrachtet, kennt – anders als die korsischen Trauernden in der Gesellschaft ihrer photographierten Ahnen-Gespenster – die dargestellten Personen nicht. Sie haben für uns keine Namen, keinen Status, keine Geschichten. Die Installation steht metaphorisch für ein beliebiges Familien-Gedächtnis, hat eben darum aber keine memoriale Kraft. In einem Selbstkommentar bekräftigt der Künstler, dass es ihm nicht darum ging, einer bestimmten Familie ein Denkmal zu errichten, die Gesichter bestimmter Personen aus der Vergangenheit in die Gegenwart ›blicken‹ zu lassen. Im Gegenteil stehe hier eine Familienphotosammlung für alle möglichen anderen, und Voraussetzung dafür sei die Unbestimmtheit der Abgebildeten: »Warum es gerade dieses Album sein musste? Durand ist ein echter Franzose, trägt den geläufigsten Namen Frankreichs und hat eine total normale Kindheit erlebt – anscheinend. Natürlich hätte ich auch mein eigenes Fotoalbum nehmen können. Aber das wäre viel zu speziell gewesen. Deshalb habe ich ein völlig austauschbares Album ausgewählt.«
Wie Enzensberger […] verdeutlicht, eröffnen literarische Texte […] einen Raum, in dem unterschiedliche und kontroverse wissenschaftliche Theorien […] miteinander kollidieren, wodurch ihre Bedingtheit und Relativität erkennbar wird. Die modernistische […] Vorstellung, Literatur sei subversiv, stelle in Frage, was immer sich als absolute Wahrheit ausgebe, relativiere die Ordnungen des Wissens und insbesondere alle sich verbindlich gebenden Theorien über den Menschen und die natürliche Welt, hat an Aktualität nicht verloren. […] Philosophen und Literaturtheoretiker verschiedenster Denkrichtungen kommen […] darin überein, daß Literatur subversiv ist: Gegen falsche Sicherheiten und gegen die Illusion absoluter Wahrheit gerichtet, deutet sie auf die Vieldeutigkeit aller Dinge und die Vielzahl inkompatibler Betrachtungsperspektiven hin, indem sie selbst vieldeutige und multiple Welten erzeugt. In dieser Eigenschaft ist das literarische Schreiben durch keinen anderen Diskurs ersetzbar. Die ihr hier zugeschriebene subversive Rolle als Instanz kritischer Reflexion über Begriffe, Theoriebildungen und Wissenschaft kann die Literatur allerdings nur dann spielen, wenn sie in engem und dauerhaften Kontakt zu den Wissenschaften bleibt. Die Kritik an Wissensdiskursen setzt einen ständig zu aktualisierenden .Informationsstand voraus: über die jeweils dominanten wissenschaftlichen Paradigmen, Kernbegriffe und Moden, die Strategien wissenschaftlicher Konstruktion und Darstellung dessen, was ist.
Science in Wonderland
(2008)
Lewis Carroll's Alice, who first explores Wonderland (1865) and later on the country behind the Looking-Glass (1872), belongs to the most well-known characters in world literature. [...] The scientific reception of Carroll's stories – concerning physics as well as the humanities – has taken place on different levels. On the one hand, […] various Carrollian ideas and episodes obviously correspond to topics, subjects and models that are treated in the contexts of scientific discourses. Therefore, they can be quoted or alluded to in order to represent theories and questions […] – as […] physical models of the world […]or theoretical models of language and communication. […] On a more abstract level of observation, Carroll's stories have been used in order to explain and to discuss the pre-conditions, the procedures, and the limits . of scientific modeling as such. Above all, they make it possible to narrate on the problem of defining and observing an 'object' of research. […] According to Deleuze, the paradox structures of the world that Alice experiences give an idea of all meaning being groundless and all logic being subverted by the illogical. Finally, besides all affinities of Alice's adventures to scientific attempts to explain the world, the absolutely incomprehensible is present in Carroll's books as well. Especially the self proves to be something profoundly incomprehensible […].
Mit der Abwendung von Norm- und Regelpoetiken […] wird der Weg frei für individuell-besondere, dezidiert anti-systematische Reflexionen über Literatur. Im 20. Jahrhundert ist es für die Mehrzahl der Schriftsteller selbstverständlich, das eigene literarische Schaffen theoretisch-reflektierend zu begleiten. Oft knüpft sich die poetologische Reflexion an persönliche Geschichten über Erlebnisse und Erfahrungen des Schriftstellers, unbeschadet der sogenannten poststrukturalistischen Totsagung des Autors (vielfach allerdings in direkter oder indirekter Reaktion auf diese). Erinnert sei an Uwe Johnsons „Begleitumstände“, an Peter Härtlings „Finden und Erfinden“, an Peter Bichsels „Der Leser, Das Erzählen“, an Hermann Lenz' „Leben und Schreiben“ als einige Vorlesungsreihen aus der Folge der Frankfurter Poetikvorlesungen, die hier stellvertretend für viele andere stehen können. Erscheint vielen Autoren das eigene Œuvre als nachhaltig durch persönliche Erfahrungen geprägt, so ist es nur folgerichtig, wenn Auskünfte über dieses Œuvre sich mit Berichten über eigene Erlebnisse verbinden. […] Zwischen Autobiographie und Fiktion bestehe allenfalls eine fließende Grenze, so […] Hermann Lenz in seiner (programmatisch betitelten) Vortragsfolge „Leben und Schreiben“; entsprechend sei das Schreiben über die Genese der eigenen Fiktionen reflexive Selbstdarstellung. Die Vortragssituation wird zur Spiegelfläche, auf der das Gesicht des Schriftstellers erscheint. Aber was für ein Gesicht ist das?
At the end of the 18th century, German literature boasted a wide range of exemplary translations, especially from ancient literatures. When, a few decades later, translation theory began to flourish in Germany, translations like J.H. Voß’s “foreignizing” versions of Homer’s epic poems were considered as examples to be followed. Although today’s dominant translation theories – as, for instance, skopos theory – tend to advocate “domesticating” procedures, most translators of literary texts cling to the tradition established by (pre-) romantic German translators and philosophers like Voß or Schleiermacher, thus obviously meeting the expectations of the German reader.
Hans Henny Jahnns „Fluss ohne Ufer“ ist vor allem als Text martialischer sexueller Gewaltakte in die Literaturgeschichte eingegangen. Eine Perspektive, die ich aufbrechen oder verschieben möchte, indem ich sie in eine poetologische Fragestellung überführe. Die obsessive Beschäftigung mit dem Tod im Text soll also nicht, wie dies in der bisherigen Forschung häufig der Fall ist, als Deckdiskurs eines nekrophilen homosexuellen Autors verstanden werden. Meine These ist, dass sie auf eine poetologische Konzeption des Textes selbst verweist, der an der Selbstzerstörung des Protagonisten aufzeigt, dass es kein Ohneeinander von Schreiben, Schrift und Tod gibt. Oder: dass die Obsession, die Nekrophilie, schon im Schreiben liegt und nicht etwa bloß beschrieben wird. Eine wesentliche Funktion kommt in diesem Zusammenhang der Setzung von Eigennamen unter Schriftstücke, der Signatur, sowie feierlichen Akten der Umbenennung zu. Wer wann welchen Namen tragen kann und unter welchen Bedingungen dieser Name etwas bezeugt – dies ist das zentrale Thema vor allem des zweiten Teils der Romantrilogie „Die Niederschrift des Gustav Anias Horn, nachdem er 49 Jahre alt geworden war.“
Machen wir uns nichts vor. Auch wenn "Event" zum "PR-Wort der letzten Jahre" gekürt worden ist, wenn "Events auf die Besucher wie eine moderne Konsumdroge" wirken, wenn gar vom "Trend zum Event" gesprochen wird, von dem alle Bereiche der Gesellschaft längst so stark erfaßt sind, daß sich ihm nichts und niemand mehr entziehen kann – es bleibt dabei: Wann auch immer davon in Verbindung mit Kultur die Rede ist, da hat man es mit einem bösen Kampfbegriff zu tun. Mit "Eventisierung der Kultur" ist ihr steter Verfall gemeint. Und das Label "Eventkultur" gibt den Zustandsbegriff für eine Gesellschaft, die antrat, mit Kunst und Literatur die höchsten Höhen des Menschenmöglichen zu erreichen, und die nun ihr Bestes, Schönstes und Wahrstes bei einem Schaustellerwettbewerb auf dem Jahrmarkt verhökert. Event, das ist das "zur Sensation hoch inszenierte Nichtereignis, und die größte Kunst im Medienspiel ist das lauteste Krähen". Hier wird, so scheint es, "die Kunst zum bloßen Anlaß für den Konsum (...), zum Alibi", weil sie "in sonderbarer Perversion der alten Horazischen Ästhetik des 'utile cum dulci' und des 'prodesse et delectare', Zucker auf eine Sache streut, die sonst keinem mehr schmeckt." Und das passiert en masse: "Anschwellende Programmhefte, ausufernde Veranstaltungskalender, zunehmender Festivaltourismus, Boom der Multiplex-Kinos, Expo, Millenium Dome – was ist", so fragt sich da der kritische Betrachter mit Blick aufs Literarische, "was ist aus dem Erzählen geworden?" ...
[D]ie Kulturgeschichte der Allergie. Sie zeigt, so meine Behauptung, dass die Allergie – die erfolgreichste chronische Krankheit der Gegenwart – ein Symptom der Trocken- und Stilllegung des Leibes ist, ein Symptom einer ausgebliebenen Krankheit, eines Mangels an Motilität, die zur Genesung führt. Wir wehren uns dagegen, stehen zu müssen. Und wir besitzen zunehmend hypertrophe Abwehrreaktionen, die uns mit den gesündesten Absichten elend machen. Wo die Allergie erscheint, diagnostiziert sie die Pathogenese der Zivilisation, die an einer Reinheitsneurose leidet. Ob und wie eine Kulturgeschichte der Allergie der Literaturwissenschaft dienlich sein kann, lasse ich zunächst dahingestellt. Wir müssen uns dem medizinischen Befund erst annähern.
Die Bezeichnung »Philosophie des Beobachtens« – auch jetzt noch spüre ich seine Eigenartigkeit – hat eine eigene kleine Geschichte. Im Jahre 1969 begannen David Beniaminovič Zil‘berman (der in Moskauer philosophischen Kreisen dieser Zeit durchweg als Ėdik auftrat) und ich, über ein philosophisches Thema nachzudenken, das wir mit der Wortneuschöpfung »Psychologie des Beobachtens« bezeichneten. Im Rahmen eines Vortrags legten wir 1971 einige Prämissen einer Psychologie des Beobachtens in einem Seminar Jurij Aleksandrovič Levadas vor. […] Abgesehen von einem kurzen Artikel, den ich über Zil’berman nach seinem Tod im Jahre 1979 schrieb, wendete ich mich mindestens 20 Jahre nicht mehr dem Thema des philosophischen Beobachtens zu. Ich kehrte zu diesem zurück angelegentlich heutiger historiosophischer Versuche der Bewusstwerdung über »unsere« Zeit, denen zufolge »unsere« Zeit über eigentümliche Charakteristika verfüge, welche dem konzeptualisierenden Denken gegenüber unabhängig seien. Diese Versuche der Theoretiker der Postmoderne – in ihrer Sinnlosigkeit höchstens denen ihrer Opponenten ebenbürtig (welche darauf beharren, dass die Geschichte dem Menschen »naturgegeben« sei) – gaben mir den Anlass, einige grundlegende Ideen philosophischen Beobachtens zu überdenken, und zwar ganz ohne sie an die Psychologie anzuschließen. Ich begann zu denken, dass gerade der Zugang über die Beobachtung beim Erfassen einiger theoretischer und lebensweltlicher Situationen hilfreich sein kann, in denen es vom Standpunkt der Metatheorie der Erkenntnis oder von dem der Phänomenologie aus schwer wäre, sich zurechtzufinden (wenngleich die Philosophie des Beobachtens sowohl mit dieser als auch mit jener vieles gemein hat). Einige allgemeine Überlegungen zum philosophischen Beobachten legte ich 1994 in den ersten vier Vorlesungen über die Phänomenologie der Religion, gehalten vor Studenten der Schule für Orientstudien an der Londoner Universität (SOAS), dar. Diese allgemeinen Überlegungen bildeten auch die Grundlage der vorliegenden Arbeit. [Aus dem Vorwort]
Wenn ich mir meine Erfahrungen mit aktuellen deutschen Filmproduktionen […] vergegenwärtige, so sehe ich drei unterschiedliche Ansätze. Erstens die Filme von Thomas Arslan (Der schöne Tag, D 2001) und Angela Schanelec (Mein langsames Leben, D 2001). Beide erzählen von Personen und Orten unserer Gegenwart. […] Das Geworden-sein von Personen und Konstellationen läßt sich anhand dieser Zeitschnitte begreifen, während andere Zeitschichten im Film ausgeblendet bleiben.
Zweitens denke ich an die Filme von Andres Veiel (Black Box BRD, D 2001) und Christian Petzold (Die Innere Sicherheit, D 2000). In diesen Filmen wird auf unterschiedliche Weise die Gegenwart mit der Vergangenheit konfrontiert. Diese Zeitbilder beschreiben gleichsam innere Räume, deren Konstellationen für den Zuschauer weniger sichtbar und erklärbar werden, als dass man sie erfühlen und ertasten kann. Schließlich nenne ich die Filme von Tom Tykwer mit der Hauptdarstellerin Franka Potente (Lola rennt, D 1998 und Der Krieger und die Kaiserin, D 2000). Diese Filme haben auf den ersten Blick gar nichts mit der Erfahrung von Geschichte oder Zeitgeschehen zu tun. Um mit Kracauer zu sprechen, könnte man sie als »ausgezeichnet gemachte Sachen« bezeichnen, die gleichzeitig nichts als »Staffage« und »leeres Schaugepränge« sind. Es handelt sich im Vergleich zu den obengenannten Zeitschnitten und Zeitbildern um leere Bilder, um reine Oberflächen, in denen die Projektionen zweier deutscher (Film-) Mythen auf spezifische Weise gebrochen werden. Tykwers (und Potentes) Arbeit am Mythos funktioniert anders als jene, die Kracauer bei Josef von Sternberg (Der Blaue Engel, D 1930) kritisierte. Der Romanvorlage Heinrich Manns wurde in „Der Blaue Engel“ die Kritik der bürgerlichen Gesellschaft entzogen und damit ihr historischer Bezug, was ihn in eine mythische Filmerzählung verwandelte. Tykwers Filme erscheinen dagegen als synthetische Produkte, die sich punktuell auf Mythen deutscher Filmgeschichte konzentrieren. Nur in diesem Sinne ist in ihnen historische Erfahrung enthalten, die als Spur über die Namen der weiblichen Hauptfiguren – Lola und Sissi – in die Filme eingeschrieben ist. Man kann sich also fragen, ob Tykwer mit seinen künstlichen Mythen nicht gerade deutsche Geschichte sichtbar macht – und damit eine Strategie verfolgt, die auch Roland Barthes vorschlägt, um einen Mythos zu dekonstruieren, – oder ob zumindest eine solche Lektüre für die Zuschauer seiner Filme offen steht.
Ebenen : eine Skizze
(2001)
Ohne dass es tatsächlich notwendig wäre, kann die Frage gestellt werden, warum man es macht: Warum man wissenschaftlich tut – schreibt, spricht, arbeitet. Keine oder nicht nur Romane, Gedichte oder Theaterstücke schreibt, Berichte, Kritiken, feuilletonistische Essays verfasst. Nicht oder nicht nur moderiert, unterhält, Witze erzählt, lügt und verkauft. Nicht oder nicht nur einer geregelten Arbeit nachgeht mit geregelten Arbeitszeiten. Mit klaren Grenzen zwischen Arbeits- und Frei-Zeit. Warum man es sich antut, die gesamte Zeit damit zu verbringen, auch wenn man einen Großteil dieser Zeit nichts oder etwas anderes tut, wenn ein großer Teil dieser Zeit immer wieder, im Sinne eines nachweisbaren oder vorzeigbaren Ergebnisses, ergebnislos vergeht. Warum man mitunter am intensivsten daran arbeitet, die wesentliche Kontinuität des wissenschaftlichen Lebens als jene des Nichts-Tuns zu begreifen, mit dem Nicht-Tun-Können oder -Wollen zurecht zu kommen. Mit der fixen Idee, man sei damit allein, die Ausnahme der Regel, die uns im Kantschen Ideal vom metronomisch Arbeitenden als Vorbild vorgegeben ist. Nie, als impliziter Aspekt des kontinuierlichen Nichts-Tuns, werden die Dinge ohne Gewaltakt fertig. Was nicht heißt, dass es sie nicht gäbe, die Pünktlichen, Korrekten, Disziplinierten, die immer schon (vorzeitig) Fertigen.
During the 1930s through the 1940s and into the 1950s, Spanish and German presentations in opposition to ardent nationalism share strikingly common aesthetic and ideological strategies supporting claims to a transnational, international space. Specific examples of common geography, identity and language in German and Spanish presentations (theater, short stories, reports, essays, speeches and poetry) in Spain and Latin America by German (Regler, Renn, Uhse), Spanish (J. Bergamin, R. Alberti, M. Aub) and Latin American (D. Rivera, P. Neruda, C. Vallejo) intellectuals, artists and activists during the 1930s through the 1950s will be explored. For example, German-speaking audiences and artists in Spain and Mexico shared a common lived and aesthetic space as Spanish-speaking audiences and artists. Further, many German presentations were translated into Spanish and visa versa. Here, presentations in “Das Wort” and “El Mono Azul” in Spain as well as “Freies Deutschland/Alemania libre” in Mexico will be referenced in developing a sense of re-definition of the concept of ‘foreign’ and ‘commonness’ beyond simply nationality (tradition, history and geography) and language. The impetus for an alternative, international and even revolutionary ‘space’ (as defined by Henri Lefebvre in The Production of Space) was produced in and through common Spanish and German strategies and realizations in their presentations. This Spanish-German example from the early/mid-part of the 20th century is a significant contribution to contemporary interdisciplinary discussions in the 21st century.
Eine der primären Aufgaben nicht nur der Komparatistik, sondern der Literaturwissenschaft im Allgemeinen sollte es sein, Literatur als ein globales Phänomen zu erfassen und zu beschreiben. Manifestiert sich der globale Charakter von Literatur auch am augenscheinlichsten im Rahmen einer Poetik der imitatio in motivischer, thematischer und gattungsgeschichtlicher Hinsicht, so besteht er dennoch auch dann, wenn bestimmte Techniken eine internationale Präsenz besitzen. Dies gilt beispielsweise für die Konkrete Poesie, deren Funktion als einer der Katalysatoren der Globalität von Literatur im Folgenden erläutert wird.
Konkrete Poesie ist per se ein internationales Phänomen, oder wie Eugen Gomringer es formuliert hat: „die konkrete poesie […] ist einer der konsequentesten versuche, poesie inter- und übernational zu begründen.“ Zunächst müssen wir – im Sinne wissenschaftlicher Eindeutigkeit – zwischen einem engeren und einem weiteren Begriff der Konkreten Poesie unterscheiden. Die Konkrete Poesie im engeren Sinne meint eine seit den 1970er Jahren historisch gewordene Dichtung. Ihre ‘Geburtsstunde’ lässt sich zu Recht als „transatlantic baptism“ , nämlich durch Eugen Gomringer und Décio Pignatari in der Hochschule für Gestaltung im Jahre 1955 in Ulm, bezeichnen. In den frühen 1950er Jahren sowohl in Deutschland als auch Brasilien entstanden, findet sie Aufnahme in fast allen europäischen Ländern, Nordamerika und Japan. Im Folgenden soll der Begriff der Konkreten Poesie jedoch nicht in diesem unnötig eingeschränkten historischen Sinn gebraucht werden, sondern in einem sehr viel umfassenderen Sinn: Er ist all jenen Gedichten vorbehalten, in denen eine Transpa-renz des Zeichengebrauchs nicht gegeben ist, sondern stattdessen die Materialität der jeweils eingesetzten Zeichen im Vordergrund steht, wie dies auf ähnliche Weise schon im Futurismus und Dadaismus betrieben wurde, bevor der Surrealismus diesen Experimenten ein jähes Ende bereitet hat. Gilt dies auch für die Bereiche der Lautdichtung, der Gedichtobjekte u. ä., so beschränken sich die folgenden Ausführungen auf den visuellen Bereich, und zwar auf visuelle Konkrete Poesie nach 1945, zumal in der Dichtung aus dieser Zeit eine starke Tendenz zu konkretistischen Verfahrensweisen herrscht.
Das vorgestellte Projekt verfolgt das Ziel, die in den Bibliotheken und Archiven Rumäniens befindlichen mittelalterlichen deutschen Handschriften zu erschließen, um auf dieser Basis und in einer regional vornehmlich auf Siebenbürgen bezogenen Perspektive die Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters auf dem Gebiet des heutigen Rumänien in Form von Fallstudien zu beschreiben. Methodisch gilt es dabei […] einem ausschließlich dem Autor und Werk verpflichteten Konzept von Literaturgeschichtsschreibung eine stärker überlieferungsorientierte und regional ausgerichtete Literaturhistoriographie entgegen[zu]setzen, um auf dieser Weise den Literaturbetrieb einer bestimmten Region zu erfassen. Eine regional vornehmlich auf Siebenbürgen ausgerichtete Literaturgeschichte wird sich indes nicht nur auf die deutschsprachige Literatur beschränken, sondern sich für einen interdisziplinären Zugang öffnen und auch die ungarische und vor allem die lateinische Literaturproduktion und -rezeption im untersuchten Gebiet in ihre Überlegungen mit einbeziehen, um möglichen literarischen Interferenzen Rechnung zu tragen. Der Vorteil einer solchen, nicht einer bestimmten ‚Nationalliteratur’ verpflichteten Sicht auf die Literaturgeschichte ist, dass sie ermöglicht, Aussagen über den Literaturbetrieb einer Region (hier vor allem Siebenbürgen) als Ganzes zu treffen.
Die vorliegende Untersuchung bietet einen Beitrag zur Erhellung des neuzeitlichen Überlieferungsschicksals des Cod. Germ. 38. Im Folgenden sollen die Umstände aufgezeigt werden, die zu einem häufigen Besitzerwechsel unserer Handschrift in den letzten Jahrzehnten des 18. und ersten Dezenien des 19. Jahrhunderts geführt haben. Dies soll vor dem Hintergrund der frühen Geschichte der Klagenfurter Bibliothek erfolgen. Darüber hinaus wird mit konkreten Beispielen auf die Tätigkeit eines (unbekannten) Antiquars hingewiesen, der eine beträchtliche Zahl von mittelalterlichen Kodizes aus den Beständen der im Zuge der Josephinischen Reform aufgehobenen Klosterbibliotheken erworben und an Bibliophilen seiner Zeit weiterverkauft hat.
In the Christmas Eve sermon of the Érdy Codex its writer comes to the conclusion that Augustus, Emperor of Rome is a prefiguration of Jesus Christ. This interpretation shows - according to the second grade of the medieval biblical hermeneutics – the locus allegoricus typological meaning. The typological explanation is based on the method of correspondence. One pole is the type, the other pole is the anti-type: the type foretells the anti-type, and the anti-type fulfills, moreover, exceeds the type. This knowledge must be taken into account when interpreting this sermon. The writer confirms this idea with arguments and historical facts (monarchy, peace, census). So Augustus is one of those who prepared Christ´s saviour work. This paper deals with the history of the theological background of this theme and Karthauzi Névtelen´s sources.
The present essay outlines a project, which aims to catalogue and tap the potential of medieval German manuscripts in the collections of both church and secular libraries and archives in Romania. The project complements current efforts to catalogue and explore medieval German manuscripts in Eastern European countries. At the same time, the project prepares the ground for a regionally oriented literary history of Transylvania. Here, too, the aim is to build on current trends in medieval German studies in particular. Instead of a concept of literary history based almost exclusively on individual authors and their work, these trends advocate a literary historiography that turns to regional factors and manuscript transmission in describing literary activity in a particular area.
„Die Lose ähneln sich, die Odysseen“. Dieser Vers Ingeborg Bachmanns aus ihrem Gedicht Von einem Land, einem Fluss und den Seen behauptet, die Irrfahrten und Schicksale der vielen Odysseus-Gestalten seien einander ähnlich. Wenn sich aber die Schicksale und Heimkehrreisen der Umherwandernden ähneln, dann könnten sich auch ihre literarischen Werke ähnlich sein. Ausgehend von dieser Vermutung sollen im folgenden Beitrag zwei große Lyriker des 20. Jahrhunderts gegenübergestellt werden, die sich mit der Frage des Exils und seiner Überwindung beschäftigt haben: die Österreicherin Ingeborg Bachmann und der Iraker Sa'dī Yūsuf. Zwar gehören beide unterschiedlichen Sprachräumen und Literaturtraditionen an. Zugleich sind sie aber aus diesen Räumen ausgebrochen, um neue geografische, sprachliche und gedankliche (W)orte zu erkunden, die keine fest umrissenen Grenzen mehr kennen. Darüber hinaus haben sie in ihren Texten auf ähnliche Weise Untergänge und Auferstehungen inszeniert, die meines Erachtens den Erfahrungen ihres Exils entspringen. Ihre Sichtweisen auf das Eigene und Fremde fordern uns auf, unseren eigenen Blick in einer Zeit zunehmenden und zugleich konfliktreicheren Zusammenlebens zu öffnen und zu hinterfragen.
Studierende und Lehrende des Faches Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, die in den Beständen ihrer Bibliothek nicht fündig geworden sind, werden sich vielleicht fragen, warum viele ihrer Fernleihen von der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main stammen. Dass sich ausgerechnet dort das Sondersammelgebiet für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft befindet, mag überraschen, denn schließlich wurde an der Goethe-Universität ein eigenes Institut für Komparatistik erst im Sommersemester 2001 gegründet. [...] Die bedeutenden Bestände der Rothschildschen Bibliothek, die durch rechtzeitige Auslagerung ohne größere Verluste den Zweiten Weltkrieg überstanden haben, waren u. a. ausschlaggebend dafür, dass 1949 der damaligen Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Sondersammelgebiete »Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft« (SSG 7.11), »Germanistik« (SSG 7.20) sowie »Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft« (SSG 7.12) zugewiesen wurden. [...] So sehr es auch Utopie bleiben wird, gerade im Blick auf eine per se fachübergreifende Disziplin, so besteht doch der Anspruch, die wissenschaftliche Literatur eines Faches (auch und gerade die im Ausland erscheinende) möglichst umfassend und vollständig zu sammeln […]. Publikationen in digitaler Form sind solchen in konventioneller Gestalt gleichgestellt. Jede wissenschaftliche Publikation ist damit im Idealfall zumindest einmal in Deutschland vorhanden.
Die Zahl der computerisierten Schriftsteller wächst rapide. Von den Vorzügen des Mac wissen besonders die zu berichten, die zuvor Erfahrungen an anderen Systemen gesammelt haben. Wie zum Beispiel Fernsehautor Wolfgang Menge. Wir besuchten den Konvertiten in dessen Sylter Sommerdomizil und fragten ihn nach seinem Verhältnis zu den neuen Techniken des Schreibens. Das Gespräch führte Peter Matussek, die Fotos machte Frank Stöckel.
Der Beitrag diskutiert einige Möglichkeiten, die Annahmen der gestalttheoretischen Wahrnehmungspsychologie für die literaturwissenschaftliche Metrikanalyse fruchtbar zu machen. Die Analyse metrisch gebundenen Sprachmaterials wird zunächst mit einem Wort Max Wertheimers als "Realteilung" beschrieben, in der hypothetische Einheiten (Versfüße, Takte, Verszeilen) rekonstruiert werden, von denen man zunächst "nicht mit Sicherheit weiß, ob sie auch ebenso als Teile in dem Ganzen waren". […] Im Anschluss an bereits vorliegende Applikationen der Gestalttheorie auf Fragen der Metrik […] werden zunächst einige Probleme erörtert, die mit der dort vorherrschenden Analyse quasivisueller Bauprinzipien verbunden sind. Das erste Problem besteht in der häufig anzutreffenden Gleichwertigkeit zwei- und dreisilbiger Füße (bzw. ein- und zweisilbiger Auftakte), die eine Analyse nach 'Versfüßen' häufig unplausibel erscheinen lassen. […] Ein zweites Problem stellt sich angesichts der anachronistischen Reanalyse ursprünglich syllabischer Versmaße nach Versfüßen oder Takten. […] Drittens wird diskutiert, ob es tatsächlich die Ähnlichkeit von Untereinheiten ist, durch die Einfachheit oder Optimalität hergestellt wird, oder nicht eher bestimmte Verlaufsschemata. […] [A]bschließend [wird] die Verwertbarkeit der hier vorgestellten Prinzipien für die Textanalyse [überprüft] […]. Als Beispiel dient das Gedicht "Sachliche Romanze" von Erich Kästner.
Varianten oder Zeichen : zur Diskussion um die Textlichkeit der Bibel von Spinoza bis Derrida
(2007)
»Die Bibel: iss für mich’n unordentliches Buch mit 50 000 Textvarianten. Alt und buntscheckig genug, Liebeslyrik, Anekdoten [...]«. Zugegeben: Arno Schmidt, in dessen 1955 erschienener Erzählung Seelandschaft mit Pocahontas sich der dem Verfasser keineswegs unähnliche Protagonist derart spöttisch äußert, mag nicht gerade der berufenste Kommentator für die Heilige Schrift sein! Allzu oft und unmissverständlich hat dieser sogenannte ›Solipsist in der Heide‹ klar gemacht, dass er sich als Atheist verstand und auch als solcher verstanden wissen wollte. Aber trotzdem: Wer der Bibel nicht glaubt, der kann sie womöglich umso unbefangener als Text wahrnehmen, kann sich eventuell umso ernsthafter mit ihrer Sprachlichkeit auseinandersetzen und Qualitäten erkennen, die über den theologischen Wahrheitsgehalt hinausreichen und doch mit der Frage nach der Wahrhaftigkeit des Schriftsinns verbunden bleiben.
1999/2000 ist es dem Roman Les particules élémentaires gelungen, nicht nur die berufsmäßigen Literatur-Interessenten weltweit in Aufregung zu versetzen – das scheinbar so anspruchslose Buch hat überall auch unter den literarischen Laien für Furore gesorgt. - Michel Houellebecq beherrschte urplötzlich alle Feuilletons und schien sogar im Fernsehen allgegenwärtig zu sein.
Genaueste Lektüre der Zeichen, "mit denen die Welt zu uns spricht wie ein großes Buch", und vernünftige Schlussfolgerungen daraus − das ist die Methode, mit der William von Baskerville im frühen 14. Jahrhundert arbeitet. Der Franziskanerbruder stützt sich insofern - auch bei den Todesfällen, die später im Kloster geschehen und um deren Aufklärung er sich bemüht - auf die Methode der so genannten 'Abduktion'. Dieses Verfahren ist durch den amerikanischen Wissenschaftstheoretiker Charles S. Peirce (1839-1914), auf den der Begriff 'Abduktion' zurückgeht, als Vorgang definiert worden, "in dem eine erklärende Hypothese gebildet wird". Die Besonderheit der Abduktion liegt dabei darin, dass sie das einzige Verfahren einer Schlussfolgerung darstellt, das eine tatsächliche Erweiterung des Wissens zur Folge hat - um den Preis allerdings, dass man sich auch irren kann. Alle anderen logischen Schlüsse decken demgegenüber immer nur auf, was in ihren Prämissen bereits enthalten ist.
Im Internet findet sich unter dem Titel Goethe als Muslim ein Aufsatz von Schaikh 'Abdalqadir Al-Murabit, der ursprünglich 1995 in der Islamischen Zeitung erschienen ist. Der Verfasser führt dort den Nachweis, »dass sich Goethe als aufgeschlossener und toleranter Mensch - nicht ›nur‹ fair und gerecht gegenüber dem Islam verhielt, sondern vielmehr zweifellos ein Muslim war, der sich [mit] aller Offenheit und Zivilcourage zum Islam bekannte und seine Eigenschaft als Muslim nie verleugnete«. Keine Sorge, bitte: diese These ist ganz sicher stark übertrieben und wir brauchen nichts davon zu glauben. Die einschlägigen Standardwerke - allen voran Katharina Mommsens große Untersuchung Goethe und die arabische Welt von 1988 - sind sich in dieser Hinsicht völlig einig und zeichnen ein wesentlich differenzierteres Bild.
Martin Heidegger
(2001)
Wenn wir im folgenden die problematische Persönlichkeitsstruktur Heideggers und deren Äußerung im Werk psychographisch untersuchen, so soll genauso wenig wie bei C. G. Jung und im späteren Beitrag über Axel Springer das Werk pathologisiert werden. Wohl aber soll, wie schon bei Jung, gefragt werden, welche Anteile die Persönlichkeitsstruktur am Werk hat. Das Geniale der Schöpfungen beider ist nicht ohne Hinzuziehung biographischer Faktoren zu erklären.
Glenn Gould
(1993)
Das Konstrukt vom öffentlich-privaten Doppelcharakter des Selbst, das in der vorherigen Arbeit eingeführt wurde, hat Konsequenzen für die Interpretation der Lebensgeschichte. Im folgenden wollen wir an drei Modellffällen die Fruchtbar-keit dieses theoretischen Konstrukts demonstrieren. Sie besteht vor allem darin, daß Man keine opulente Biographik benötigt, um Pathologisches zu verstehen. Bisweilen genügen schon einige Eckdaten, um beispielsweise auf depressive oder schizophrene Strukturen schließen zu können. Aber woran erkennt Man solche Eckdaten? Der Tod einer Mutter, die Atmosphäre im Elternhaus, die Anzahl der Geschwister, Leistungen in der Schule, Erfolg bzw. Probleme im Berufs- und Eheleben und dergleichen sind psychodynamisch vieldeutig, sowohl hinsichtlich der Entstehung wie auch der Folgen. Ohne die Zuhilfenahme einer angemessenen Theorie sind derartige Befunde nicht zu validieren, erst sie vermag Vieldeutigkeit in Eindeutigkeit zu verwandeln.
Schon bei seiner Einführung in die wissenschaftliche Literatur meinte der Begriff Déjà vu anderes als er besagt. Die beiden Primärquellen, auf die sich Ludovic Dugas in seinem terminologisch grundlegenden Artikel von 1894 bezog, verwenden bezeichnenderweise auch gar nicht diesen Ausdruck, sondern einen allgemeineren ...
Mediale Praktiken
(2000)
Der Begriff "Medium" wird heute meist nachrichtentechnisch aufgefaßt. Eine typische Definition im Konversationslexikon etwa lautet: "Mittel und Verfahren zur Verbreitung von Informationen" (Meyer 1987). Historisch gesehen ist dies ein reduzierter Sprachgebrauch, der ein urspünglich magisches und kultisches Erbe verdrängt hat: "Medien" sind im herkömmlichen Sinn nicht einfach Übermittler von Botschaften, sondern Vermittler von spirituellen Kräften. Sie dienten nicht nur der Distribution von kulturellem Wissen zwischen Sendern und Empfängern, sondern führten zum Erlebnis einer Transformation der Beteiligten im Vollzug kultureller Praktiken – mit allen Vorzügen und Risiken der Selbstpreisgabe.
Was allzu bereitwillig schöntut, kann – ehe man sich versieht – den Kopf verdrehen und am Ende den Geist rauben. Die Qualität einer Textverarbeitung bemißt sich nicht nur am Outfit des Outputs, sondern vor allem daran, ob sie der Inspiration beim Input dient. Peter Matussek befaßt sich seit längerem mit den theoretischen und praktischen Konsequenzen des Schreibens am Computer. Für PAGE hat er eine skeptische Trendeinschätzung formuliert.
Es war die Zeit, als in den Feuilletons noch kritische Köpfe über Computer aufklärten, die nie einen aus der Nähe gesehen hatten, und Grundkenntnisse in BASIC ausreichten, um als "Medienexperte" angesehen zu werden. An fundamentalistischer Konsequenz konnte ich mich mit Jabloner durchaus vergleichen, wenn es um die Abwehr der falschen Gehirne ging. Mit gerechtem Zorn verhinderte ich eine Seminardiskussion über "Computer-Lyrik". Denn diese Attacke der Geschmacklosigkeit auf die zarteste Weise, in der menschlicher Geist sich mitzuteilen vermag, auch nur mit einem Worte zu würdigen, sei - so argumentierte ich - der erste Schritt in die Totalverblödung. ...
Der Beitrag gibt ein Beispiel dafür, wie philologische Kompetenz für die Analyse von medienkulturellen Phänomenen fruchtbar gemacht werden kann. Ausgehend von Wolfgang Isers Leerstellentheorem wird nach der Funktionsweise ästhetischer Erinnerungsanlässe gefragt – zum einen in systematischer Hinsicht durch einen Vergleich von Schrift, Bild und Klang, zum anderen in historischer Hinsicht durch einen Vergleich analoger und digitaler Medien. Es ergibt sich, daß die ästhetischen Strategien, mit denen traditionellerweise Literatur, bildende Kunst und Musik Leerstellen eröffnen, auf Animationen beruhen, die durch ihre computertechnische Realisierung grundsätzlich nivelliert werden. Folglich bedarf es neuer Verfahren der Leerstellengenerierung, um unter den Bedingungen digitaler Medien die Erinnerung zu aktivieren.
There is a caricature of Marcel Proust in which the despairing writer is consoled by a friend saying, 'Aber, aber, mon cher Marcel, nun versuchen Sie sich doch zu erinnern, wo Sie die Zeit verloren haben.'
Literature in general, not only A La Recherche du Temps Perdu, deals with a different form of memory than that of mnemonics, in which the hints of places lead to a retrieval of what has been stored there before. Nevertheless it is difficult to pinpoint the criteria that make this difference. How does literature transcend the technologically limited sense of memory in terms of a storage and retrieval system? ...
Aus Kostengründen delegieren immer mehr Verlage das Erstellen von Druckvorlagen an DTP-Büros oder direkt an die Autoren. Doch mit den wegrationalisierten Schriftsetzern bleibt oft auch das typografische Know-how auf der Strecke. Insbesondere wissenschaftliche Publikationen sind wegen ihrer niedrigen Auflage von dieser Entwicklung betroffen. Die Gewohnheiten der Schreibmaschinen-Ära schlagen – meist unbemerkt von den satzunerfahrenen Produzenten – auf das Endprodukt durch. In einer dreiteiligen Serie gibt PAGE-Autor Peter Matussek praktische Hinweise zur Gestaltung wissenschaftlicher Publikationen für Nichtprofis.
"Die Wissenschaft im großen besteht ... aus dem Produkt der Gedächtniswissenschaften, oder der gegebenen Kenntnisse und der Vernunftwissenschaften oder der gemachten (erworbenen) Kenntnisse. Die letztern sind das (bloße)Werk des Menschen. DieWissenschaft im großen ist also überhaupt die Totalfunktion der Daten und Fakten – die n-Potenz des Reihenbinoms der Daten und Fakten. Hier wird die kombinatorische Analysis Bedürfnis."
In merkwürdig aktueller Notation formuliert Novalis den wohl letzten Entwurf einer ambitionierten Enzyklopädistik im Geiste d'Alemberts und Diderots. Deren Scheitern an der "binomischen" Forderung der enkyklios paideia, umfassend und essentiell zugleich zu sein, ließ nachfolgende Projekte entweder in Stoff- oder Sinnhuberei resignieren. Offenbar nur eine grandiose Selbstüberschätzung gestattet Novalis noch den Glauben an die Realisierbarkeit einer vollständigen Kombination der "gegebenen" und "gemachten Kenntnisse", einer "Totalfunktion der Daten und Fakten". ...
Teekesselchen
(1988)
Wo hat der Bengel nur das Wort wieder aufgeschnappt? Wenn er schon seine Programmierübungen für den Deutschunterricht nicht machen will, dann soll er doch 'Beyond Dark Castle' spielen oder sich durch Datennetze hacken, wie jeder anständige Junge in seinem Alter. Aber Sohnemann muß natürlich wieder aus der Reihe tanzen! Gedichte lesen! Jetzt haben wir die Bescherung: "Papa, was sind denn eigentlich 'Wipfel'?" ...
Über die Diskussionen zum Autor lässt sich ein Überblick gewinnen, wenn man das Problemfeld danach einteilt, wie Autor, Text und Leser zueinander in Beziehung gesetzt werden. Wir gehen im Folgenden zunächst auf solche Positionen ein, die den empirischen Autor in die Interpretation literarischer Texte einbeziehen. Dann stellen wir Positionen vor, die den empirischen Autor aus dem Umgang mit Literatur ausschließen und sich lediglich auf Aspekte des Textes stützen wollen. Von diesen sind noch einmal jene Positionen abzusetzen, die ebenfalls auf den empirischen Autor für Zwecke der Interpretation literarischer Texte verzichten, nun aber nicht den Text, sondern die Position des Lesers in den Vordergrund stellen. Der Akzent liegt also entweder auf dem Autor, auf dem Text oder auf dem Leser.
Ich möchte in meinem Beitrag zeigen, daß der Verzicht auf den Autor […] sachlich unhaltbar ist. Auf der Grundlage intertextualitätstheoretischer Argumente läßt sich der Autor aus der Textinterpretation nicht verabschieden. Vielmehr bleibt er selbst in Fällen von extremer Intertextualität ein notwendiger (wenngleich nicht hinreichender) Bezugspunkt der Interpretation. Eine Intertextualitätstheorie, die elementare Voraussetzungen ästhetischer Sinnbildung erfassen will, muß am Autorbegriff festhalten. Um zu verdeutlichen, daß meine Kritik am Autorkonzept der poststrukturalistischen Intertextualitätstheorie über das Feld der Literatur hinausreicht, beziehe ich mich im folgenden auf Beispiele aus verschiedenen Künsten, nämlich auf die Skulptur „String of Puppies“ (1988) des amerikanischen Künstlers Jeff Koons und auf Peter Handkes Text „Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg am 27.1.1968“ (1969). Unbeschadet aller medialen und ästhetischen Unterschiede haben diese beiden Werke Eines gemeinsam: Aufgrund ihres hochgradig imitativen Charakters scheint das Konzept des Autors für die Erfassung ihrer Bedeutung keine Rolle zu spielen – jedenfalls nach Ansicht einiger Interpreten. Deshalb wirken sie auf den ersten Blick wie besonders überzeugende Belege für die poststrukturalistische These vom Tod des Autors.
Allwissendes Erzählen
(2004)
›Allwissendes Erzählen‹ und ›allwissender Erzähler‹ gehören zu den literaturwissenschaftlichen Begriffen, die viel gebraucht, aber selten definiert werden. Wer in den einschlägigen erzähltheoretischen Hand- und Einführungsbüchern nach diesen Stichworten sucht, tut es häufig vergebens. [...] Einerseits wird der Begriff des allwissenden Erzählens im literaturwissenschaftlichen Sprachgebrauch offenbar in einem erkenntnistheoretischen Sinne verwendet – es geht um ein durch keine empirischen Bedingungen begrenztes Wissen. Wenn allwissendes Erzählen aber in systematischer Verknüpfung (oder gar synonym) mit auktorialem Erzählen gebraucht wird, dann steht in der Regel ein anderer Aspekt im Vordergrund […]. Der Ausdruck ›auktorialer Erzähler‹ bezeichnet seit Stanzel einen persönlichen heterodiegetischen Erzähler, d.h. 'einen Erzähler, der zwar nicht der erzählten Welt angehört, aber eine individuelle Einschätzung und Bewertung des Erzählten zum Ausdruck bringt und dadurch ein bestimmtes ideologisches oder moralisches Profil gewinnt.' […] Trotz [einer] zeitweisen historischen Koppelung von allwissendem und auktorialem Erzählen handelt es sich jedoch um zwei systematisch voneinander unabhängige Aspekte, die in der Literaturgeschichte keineswegs immer gemeinsam auftreten. Im folgenden gehe ich nicht auf die moralischen Aspekte auktorialer Erzählerfiguren ein, sondern beschränke mich auf die erkenntnistheoretischen Besonderheiten allwissenden Erzählens.
Leitende Hypothese meiner Untersuchung ist, daß die Kanonisierung der „Commedia“, die in einer komplexen Situation am Ursprung des neuzeitlichen Literaturbegriffs entstand, nicht einfach als aemulatio literarischer Vorbilder erfolgen konnte, sondern sich auch auf andere, nichtliterarische Begründungen stützen mußte. Die Schwellenposition des Werkes läßt sich gerade an den heterogenen und widersprüchlichen Strategien seiner Kanonisierung ablesen, die es als sakralen, philosophischen, wissenschaftlichen, moralisch-didaktischen oder politischen Text zu legitimieren versuchen. Als Ausgangspunkt wähle ich Harold Blooms Interpretation […] in „The Western Canon“ […]. Ich möchte zeigen, daß Blooms Interpretation der „Commedia“ als "misreading" von Vorbildautoren selbst ein "misreading" darstellt, weil er die „Commedia“ zu einem rein literarischen Text verkürzt. Andererseits ermöglicht Blooms Einseitigkeit es aber auch, entgegengesetzte Tendenzen der Dante-Forschung einzuschränken, welche die „Commedia“ allzu glatt in die theologische Tradition einordnen. [Ich] möchte […] diese These insbesondere am Beispiel der berühmten Passage über Odysseus' letzte Fahrt aus dem 26. Gesang des Inferno plausibel machen, indem ich Blooms Interpretation der Odysseusfigur mit entsprechenden Ausführungen der ersten Kommentatoren der „Commedia“ aus dem 14. Jahrhundert vergleiche. Nach dieser Beispielanalyse gehe ich auf Dantes eigene Strategien ein, die „Commedia“ als Werk von kanonischer Geltung zu inszenieren.
1. Dialogizität 1.1 Sprachtheoretische Voraussetzungen 1.2 Stilisierung und Hybridisierung 1.3 Karnevalisierung 1.4 Polyphonie 1.5 Chronotopos 1.6 Probleme der Dialogizitätstheorie 2.Intertextualität 2.1 Julia Kristeva und poststrukturalistische Intertextualitätskonzepte 2.2 Hermeneutische und strukturalistische Intertextualitätskonzepte 2.3 Harold Bloom 3. Gedächtnis
Semiotisch-strukturalistische Untersuchungen zum histoire-Aspekt erzählender Texte reduzieren bekanntlich die diversen Erscheinungsformen von Geschichten auf sehr einfache Schemata. […] Bei aller Verschiedenheit ist diesen Ansätzen die Annahme gemein, jede Geschichte enthalte einen abstrakten Bedeutungskern, der als invariante Tiefenstruktur der Vielfalt der Erzählungen zugrunde liege. […] Im Vergleich […] wird Jolles’ Theorie dem Erzählen als kulturellem Phänomen besser gerecht, weil sie historische Kontexte und lebensweltliche Funktionen des Erzählens berücksichtigt […]. Die neun Grundformen, die Jolles unterscheidet (Legende, Sage, Mythe, Rätsel, Spruch, Kasus, Memorabile, Märchen, Witz), kombinieren extratextuelle und textuelle Eigenschaften. […] Der Systemcharakter der Einfachen Formen ist häufig und zu Recht kritisiert worden. Obwohl Jolles selbst vom »geschlossenen System unsrer Einfachen Formen« spricht, begründet er nirgendwo die unterstellte Vollständigkeit seiner Typologie. Unabhängig von diesem Problem lässt sich aber fragen, ob nicht zumindest einzelne Grundformen aus Jolles’ Typologie textanalytisch nützlich sein könnten. Das soll hier in einer kleinen komparatistisch-narratologischen Studie geprüft werden, die einen Bezug zwischen spanischem Barock und deutscher Romantik anhand von Pedro Calderón de la Barcas comedia „la devoción de la cruz“ (Die Andacht zum Kreuze,1622/23) und Zacharias Werners Schicksalsdrama „Der vierundzwanzigste Februar“ (1809/10) herstellt.
En el relato periodístico retrospectivo de un partido de futbol –el de Chile contra México por la Copa América, el 30 de junio de 1999- se puede observar el uso de diversos elementos narratológicos que lo vuelven interesante. Los reportajes de distintos diarios chilenos contienen crónicas, historias y esquemas narrativos construidos a partir del antagonismo entre adversarios, el protagonismo de ciertos personajes y los puntos culminantes que ellos viven. Además, hay en los relatos una identificación con el punto de vista del equipo chileno. El resultado son construcciones variadas de una misma realidad, cuya elaboración explica, al menos en parte, el interés del público por acceder a ellas. Incluso cuando esos lectores han asistido al estadio o han conocido el encuentro por radio o televisión, buscan historias para entender mejor y mas completamente lo ocurrido.
Warum Fußball?
(2002)
Jeder Fußballfreund kennt die unbequeme Frage verständnisloser Mitmenschen, was denn so spannend daran sei, daß 22 Erwachsene 90 Minuten lang hinter einem Ball herlaufen. Ist es nicht völlig belanglos, ob ein Ball in dem einen oder dem anderen Netz landet, ob diese oder jene Mannschaft als Sieger vom Platz geht? […] Dennoch haben Siege und Niederlagen in den Stadien der Welt für Millionen von Zuschauern eine viel größere Tragweite, als ein lapidares Protokoll der Körper- und Ballbewegungen auf dem Rasen erahnen ließe. Warum? […] Theorien, die dem Fußball eine geheime, vom Selbstverständnis der Beteiligten abweichende Bedeutung zuweisen, sind nach wie vor beliebt. […] Sie sind schwer zu widerlegen, aber auch schwer zu beweisen. […] Sie heben einige Eigenschaften des Fußballs heraus, aber vernachlässigen andere. Erfindungsreichtum und Suggestivität übersteigen hier oft Plausibilität und Erklärungskraft. […] Wie immer man die Überzeugungskraft solcher Ansätze, die nach dem geheimen Wesen des Fußballs suchen, im Einzelnen einschätzen mag: Den Fußball als kulturelles Phänomen und insbesondere seine Faszinationskraft erklären sie jedenfalls ebensowenig wie die Frankfurter Schule mit ihrem Vorwurf der Komplizenschaft mit dem Kapitalismus oder die Vertreter einer Verfallstheorie mit ihrem nostalgischen Blick auf vermeintlich paradiesische Urzeiten des wahren Fußballs.
[E]in genauerer Blick auf 'Schindler's List' [kann] den skizzierten Tenor der deutschen Rezeption, es handele sich um einen ,,zutiefst unideologischen Film" […] von quasi-dokumentarischer Authentizität, nicht bestätigen […]. Weder ähnelt der Film in seiner Gestaltung einem dokumentarischen Darstellungsstil, noch ist er historisch getreu. Vielmehr versucht Spielberg das Dilemma einer künstlerischen Gestaltung des Holocaust zu lösen, indem er das historische Material […] zu schematisierten Formen von Erfahrung [bündelt], deren stereotype Prägnanz und kalkulierte Wirkungskraft zu einer gewissen Enthistorisierung des dargestellten Geschehens führen. [Dies] zielt auf eine kathartische Teilnahme am Schicksal der Protagonisten, auf identifikatorischen Jammer und anteilnehmenden Schauder […], eine besondere, ästhetische Form der Lust. […] Einige Kritiker des Films haben ihn deswegen als "seelische Schnell-Reinigung, als Instant-Absolution, als Gefühls-Quickie" kritisiert […], andere sahen darin gerade den "Geniestreich" Spielbergs, weil so "das von Schindler Vorgelebte und im Film Vorgeführte zum Vorbild wird". […]. Man kann diesen Konflikt […] als Ausdruck einer allgemeineren kulturellen Situation beschreiben: Der weltweite Erfolg der Authentizitätsfiktion von 'Schindler's List' wäre dann Folge einer distanzierteren kulturellen Haltung gegenüber dem Holocaust, die nicht den Authentizitätskriterien solcher Zuschauer genügt, die persönliche Erfahrungen mit dem Holocaust verbinden.
Der mythische-sakrale Bericht scheint dazu bestimmt zu sein, eine Verkörperung zu finden, die der zu Grunde liegenden Vorstellung eine größere Anziehungskraft verleiht, wobei beides, Verkörperung und Vorstellung, nur eng miteinander verbunden ihre religiöse Wirkung erlangen können. Das sehen wir am Beispiel einer Pilgerfahrt, bei welcher die Pilger danach streben, ihrem ›Heiligen Objekt‹ körperlich wie geistig näher zu sein. [...] Unter dem ›Rätsel der Mythologie‹, sofern davon die Rede sein kann, würden wir eine Art Bewegung der Mythologie verstehen, die darin besteht, die sakralen Werte für bestimmte Institutionen wie Religion oder Politik festzulegen und ebenso in einer zweiten Phase ihrer Selbstbewegung die eigene ›Identität‹ als Mythologie aufzugeben und unter anderen ›Gestalten‹ in Erscheinung zu treten: Sie heißt ab jetzt nicht mehr ›Mythologie‹, sondern ›heilige Geschichte‹ oder ›nationale Identität‹.
Das Mißverhältnis zwischen der relativ geringen Zahl verurteilter Mörder und der Unzahl von Morden, die dem Fernsehpublikum allabendlich verabreicht werden, bedarf einer Erklärung. Die These lautet, daß der Fernsehkrimi der Durchsetzung gesellschaftlicher Macht- und Rechtsverhältnisse in den Köpfen des Publikums dient. Er nimmt aktuelle gesellschaftliche Probleme auf, spielt sie an den Grenzen der Legalität durch und macht den Verbrecher dingfest. Die Formen, in denen dies geschieht, zeigen mehr oder weniger genau den Wandel der staatlichen Verhältnisse an. Der Fernsehkrimi übernimmt daher unter den Bedingungen der Mediendemokratie die Funktion älterer Institutionen der Selbstverständigung: der griechischen Tragödie, des bürgerlichen Trauerspiels und der verschiedenen Formen des Kriminalromans. Drehbuchautoren, Regisseure und Schauspieler erarbeiten sich in günstigen Fällen zwischen den staatlich dominierten Fernsehanstalten und dem Publikum, das an spannender Unterhaltung interessiert ist, einen Freiraum, der das staatliche Herrschaftsinteresse mit Mitteln der Kunst unterläuft. Eine Typologie des Fernsehkrimis kann die Produktionen daher zwischen dem staatssprengenden Krimi, der strikt allenfalls in Kinoproduktionen möglich ist, und dem staatstreuen Krimi, der zur Langeweile neigt, aufspannen. Der "Tatort" findet in der Konkurrenz der Landesmedienanstalten relativ günstige Bedingungen vor und bietet sich für eine Analyse an. Als Beispiel für den staatstreuen Krimi wird die Folge "Bienzle und der Tod im Teig" (Tatort Stuttgart, 2003), für den staatssprengenden Krimi der italienisch - französische Kinofilm "Die Macht und ihr Preis" (1976) angeführt. Dazwischen lassen sich verschiedene Strategien ansiedeln, die den Autoren und Regisseuren das Ausweichen vor den (in den Rundfunkräten präsenten) staatlichen Institutionen erlauben: Komik und Groteske (Tatort Bremen: "Eine unscheinbare Frau", 2007) sowie Ästhetisierung. Dafür werden der Kieler Tatort "Borowski und das Mädchen im Moor" (2008) und die Kölner Folge "Mutterliebe" (2003) genauer analysiert. Sie zeigen, daß die traditionellen Mittel der Kunst wohl immer noch am besten geeignet sind, um die Machtansprüche der staatlichen Institutionen wirksam zu unterlaufen — selbst im Fernsehkrimi, der am ehesten zwischen die politischen Fronten gerät, wie neuere Diskussionen um mehrere Tatort-Folgen gezeigt haben.
Der Aufsatz analysiert die Sudelbuchaufzeichnung J 528 als Modellstudie zu grundsätzlichen aufklärerischen Fragen und als Beispiel für Lichtenbergs besonderes Denk- und Schreibverfahren in drei Hinsichten: 1) in epistemologischer beleuchtet Lichtenbergs Text das Verhältnis der Vernunft zu anthropologischen und sozialen Faktoren und gibt eine Art Genealogie des Rationalen; 2) in methodologischer und poetologischer ist der Text ein Paradigma für den Transfer wissenschaftlicher Methodik auf nichtwissenschaftliche Gegenstände; 3) in rezeptionstheoretischer findet diese Poetik ihr Pendant in einer von Lichtenberg ebenfalls bedachten aktiven, gegenstandgenerierenden Lektüre. In anderen Notaten in den Sudelbüchern ist er wahrnehmungsphysiologischen und -psychologischen Problemen auf der Spur, die die Gestalttheorie des 20. Jahrhunderts beschäftigen werden. Kritisch gegen selbstverschuldete Unmündigkeit wie gegen Rationalismus betreibt er Aufklärung über Aufklärung.
Nazım Hikmet’s fairy tale “Cloud in Love” (Sevdalı Bulut) enjoys a world-wide popularity: It has been already translated into many languages, has been filmed and staged several times. This even confirms the thesis of the poet that the fairy tale would appeal to every nation, every age and every cultural level. This article aims to examine Hikmet’s fairy tales under the aspect of the interculturality in his intersemiotic and interlingual translations. First, Hikmet’s perception of fairy tales will be studied, from which some clues are to be gained about the translations of his work. Afterwards, examples from intersemiotic translations of this fairy tale will be indicated. Finally, the German translation of this work will be analyzed, taking into account the transmission of cultural and stylistic elements.